Egal was man von der am Donnerstag im Kino startenden „Captain America“-Verfilmung hält, sie hat uns die Übersetzung des „Captain America“-Comics von David Morrell beschert.
Genau, der David Morrell, der 1972 John Rambo erfand, danach zahlreiche Bestseller schrieb und auch die Filmromane zum zweiten und dritten „Rambo“-Film schrieb. Morrell mochte beide Filme nicht und er verzichtete auch darauf, den Charakter weiter auszuschlachten. Denn damals, in den Achtzigern, hätte er mühelos mit dem Charakter viel Geld verdienen können. Zuletzt erschien bei uns sein spannender Thriller „Level 9“. Seine letzten drei Romane wurden aus unbekannten Gründen nicht mehr übersetzt.
„Captain America“ ist, für alle, die die vergangenen Wochen in einer Höhle verbracht haben, eine Comicfigur aus dem Marvel-Universum. Sie wurde 1941 von Joe Simon und Jack Kirby erfunden. Captain America ist Steve Rogers, ein Hänfling, der gerne zum Militär möchte um seinem Vaterland im Kampf gegen die bösen Nazis zu dienen. Im Rahmen eines geheimen militärischen Projekts bekommt er Quasi-Superkräfte und los geht’s. „Captain America“ ist natürlich eine ultrapatriotische Serie, die vor allem das US-amerikanische Selbstbild des guten Weltpolizisten transportiert. Captain America ist also mehr die von Sylvester Stallone in „Rambo II“ und „Rambo III“ porträtierte Ein-Mann-Kampfmaschine, als der von David Morrell erfundene Outcast, der auch am Ende des Romans „First Blood“ stirbt.
Dass David Morrell seiner „Captain America“-Geschichte, die außerhalb der Kontinuität der regulären, inzwischen von Ed Brubaker geschriebenen „Captain America“-Serie spielt, einen sehr eigenen Dreh gibt, versteht sich daher von selbst.
In Afghanistan kämpft Corporal James Newman für sein Land. Als seine Einheit in einem Hinterhalt gerät, sieht er plötzlich Captain America und gemeinsam können sie Newmans Kameraden retten. Newman wird anschließend geehrt für seine Tapferkeit. Captain America hat dagegen niemand gesehen.
Kurz darauf sollen die Soldaten ein Waffenlager ausheben. Sie dringen in die Höhle ein. Durch eine Explosion werden sie verschüttet und Newman muss sich seinen Ängsten stellen, um seine Kameraden zu retten. Denn er hat furchtbare Platzangst. Und wieder hilft ihm Captain America. Während Newman den Weg aus der Höhle sucht, erzählt Captain America ihm, wie er zu Captain America wurde.
Denn Captain America ist es irgendwie gelungen, in Newmans Kopf zu gelangen.
In Wirklichkeit liegt er in der Nähe von Washington in einem schwerbewachten Labor und kämpft gegen seine rapide schwindenden Kräfte. Gleichzeitig nimmt er an einem Experiment teil. Einem Fernwarhnehmungsexperiment und der Präsident der USA meint zu Captain Americas Teilnahme: „Selbstlos wie immer. Opfert sich auf bis zuletzt.“
David Morrell lässt die Geschichte nicht im platten Patriotismus enden. Schon die in der Geschichte mantraartig immer wieder auftauchenden Worte „Mut, Ehre, Loyalität, Opferbereitschaft“ geben einen Hinweis auf das Ende. Denn diese honorigen Werte und auch soldatischen Tugenden können allzu leicht von der Regierung missbraucht werden. Captain America will aber, wie er Newman sagt, etwas anderes: „Überall im Land gibt es noch andere Männer und Frauen mit ihren Tugenden. Anständige, fürsorgliche Menschen, die bereit sind, Opfer zu bringen. Einige von ihnen sind bereits Helden, auch wenn sie sich selbst nicht dafür halten. Sie bestehen darauf, bloß ihren Job zu erledigen. Menschen, die sich für gewöhnlich halten, obwohl sie die wichtigste, heldenhafteste Arbeit der Welt leisten. Die alles tun, was ihnen möglich ist. Die stets ihr Bestes geben, um das Leben aller zu verbessern. (…) Ich nutze meine letzte Entschlossenheit, um sie dazu zu drängen, in sich hineinzuhorchen, den Edelmut und die Hingabe aufzubringen, die für das beste stehen stehen, wie Menschen sein können. (…) Mit Freuden opfere ich mein Leben, wenn die Menschen dadurch begreifen, dass jeder von ihnen es in sich hat, ein Held zu sein…dass sie alle Captain America sein können.“
Insofern erzählt David Morrell in „Captain America – Der Auserwählte“ in den langen Rückblenden zwar die bekannte Entstehungsgeschichte von Captain America, aber er verleiht ihr seinen eigenen Dreh. Es geht nicht mehr um Patriotismus, sondern um Tapferkeit und Nächstenliebe.
Und, immerhin sind Morrells Bücher durchaus seitenstark und „Captain America – Der Auserwählte“ ist sein erster Comic, erzählt er die Geschichte sehr bildhaft mit sehr wenigen und eher knappen Dialogen, die manche Comicautoren als ziemliche Schwätzer erscheinen lassen.
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David Morrell (Autor)/Mitch Breitweiser (Zeichner): Captain America – Der Auserwählte (Marvel Exklusiv 93)
(übersetzt von Andreas Kasprzak)
Panini Comics, 2011
152 Seiten
16,95 Euro
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Originalausgabe
Captain America: The Chosen, Vol. 1 – 6
Marvel, November 2007 – März 2008
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Hinweise
Marvel über Captain America (auch hier)
Deutsche Homepage zum Film „Captain America“
Amerikanische Homepage zum Film „Captain America“
Film-Zeit über „Captain America“
Wikipedia über Captain America (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von David Morrell „Level 9“ (Scavenger, 2007)
Meine Besprechung von David Morrells „Creepers“ (Creepers, 2005)
David Morrell in der Kriminalakte
Und jetzt gibt’s noch den Filmtrailer
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