Ich hatte nicht damit gerechnet, dass „London Boulevard“ einen deutschen Kinostart erlebt. Immerhin ist William Monahans Regiedebüt, als Verfilmung eines Krimis von Ken Bruen, ein düsterer Gangsterfilm, die Ken-Bruen-Verfilmung „Blitz“ mit Jason Statham als rücksichtslosem Sergeant Tom Brant erlebte bei uns vor wenigen Wochen nur eine DVD-Premiere und die Ken-Bruen-Verfilmung „The Guards“ mit Iain Glen als Privatdetektiv Jack Taylor (Bruens bekannterem Serienhelden) ist ein TV-Film, der bisher bei uns noch nicht gezeigt wurde und der erste von mehreren Taylor-Filmen ist.
Aber mit Colin Farrell und Keira Knightley hat Monahan zwei kassenträchtige Hauptdarsteller. In den Nebenrollen sind die auch bei uns bekannten Briten David Thewlis, Ray Winstone und Eddie Marsan dabei und Oscar-Preisträger Chris Menges übernahm die Kamera.
Das ist ein hochkarätiges Paket für die Geschichte von Mitchel (Colin Farrell), der gerade drei Jahre im Knast verbrachte und von seinem Kumpel Billy (Ben Chaplin) schon am Gefängnistor aufgefordert wird, sein altes Leben wieder aufzunehmen. Denn in der Szene hat Mitchel immer noch einen guten Namen. Sogar der Gangsterboss Gant (Ray Winstone) erblickt in ihm einen potentiellen Nachfolger.
Aber Mitchel will nicht mehr. Er will aussteigen. Seine Arbeit als Mädchen für alles bei dem öffentlichkeitsscheuen Filmstar Charlotte (Keira Knightley) sieht er als die Chance auf ein ehrliches Leben. Charlotte, die in den Filmen nicht mehr nur ein Stück Fleisch und Stichwortgeberin für die männlichen Helden sein möchte, flüchtet vor dem Ruhm und den allgegenwärtigen Paparazzi, die auch ihr Haus Tag und Nacht belagern. Bei ihr wohnt Jordan (David Thewlis), ein sich von der Welt entrückt gebendes Unikum, mit einem beträchtlichen Drogenkonsum und einigen ungeahnten Talenten.
Mitchel will die Möglichkeit, für ein ehrliches Leben wahrnehmen. Aber da sind noch seine alten Freunde und in Charlottes Haus sind einige wertvolle Gegenstände.
Schon Bruens knapper Noir „London Boulevard“ war eine Anspielung auf Billy Wilders Filmklassiker „Sunset Boulevard“ über die Beziehung eines jungen, aufstrebenden Drehbuchautors zu einer zurückgezogen lebenden, alternden Hollywood-Schönheit mit tragischem Ausgang. Auch „London Boulevard“ hat nicht unbedingt ein Happy End. Jedenfalls kein Happy End im Walt-Disney-Sinn.
Bis dahin gibt es einen fein stilisierten, coolen Retro-Gangsterfilm, der eher in den sechziger oder siebziger Jahren in London zu spielen scheint. Die Musik, die zeitlose Kleidung, die alten Häuser und die weitgehende Abwesenheit von Handys und Computern tragen zu diesem Eindruck bei. Auch stilistisch orientiert William Monahan (der Drehbuchautor von „The Departed“ und „Der Mann, der niemals lebte“) eher an „Get Carter“ und „The Long Good Friday“, zwei Klassikern des britischen Kinos, als an „Bube, Dame, König, Gras“ oder „Layer Cake“.
Die plötzlichen Gewaltausbrüche werden von Monahan mit der nötigen, altmodischen Härte gezeigt, wenn ein Kneipengespräch in einem Wutausbruch endet und niemand eingreift. Oft bedient Monahan sich auch einer elliptischen Erzählweise (die damit Bruens knappen, sarkastischen Stil ins Kino überträgt), in der er die letzten Sekunden vor dem Gewaltausbruch und die Auswirkungen zeigt.
„London Boulevard“ ist definitiv einer meiner Lieblingsfilme des Kinojahres 2011.
London Boulevard (London Boulevard, USA/GB 2010)
Regie: William Monahan
Drehbuch: William Monahan
LV: Ken Bruen: London Boulevard, 2001 (London Boulevard)
mit Colin Farrell, Keira Knightley, David Thewlis, Anna Friel, Ben Chaplin, Ray Winstone, Eddie Marsan, Sanjeev Bhaskar, Stephen Graham, Ophelia Lovibond
Länge: 104 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Die Vorlage
Ken Bruen: London Boulevard
(übersetzt von Conny Lösch)
Suhrkamp, 2010
272 Seiten
8,95 Euro
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Orignalausgabe
London Boulevard
The Do-Not Press, 2001
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Hinweise
Film-Zeit über „London Boulevard“
Wikipedia über „London Boulevard“ (deutsch, englisch)
Collider: Interview mit William Monahan (das Erste, das Zweite) und mit William Monahan und Colin Farrell zu „London Boulevard“
Meine Besprechung von Ken Bruens Jack-Taylor-Privatdetektivromanen
Meine Besprechung von Ken Bruens „Jack Taylor fliegt raus“ (The Guards, 2001)
Meine Besprechung von Ken Bruens „Sanctuary“ (2008)
Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Flop“ (Bust, 2006)
Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Crack“ (Slide, 2007)
Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Attica“ (The MAX, 2008)
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