Neu im Kino/Filmkritik: Sherlock Holmes, Dr. Watson und Professor Moriarty spielen das „Spiel im Schatten“

Vor zwei Jahren war Guy Ritchies Sherlock-Holmes-Film mit Robert Downey jr. als Sherlock Holmes und Jude Law als Dr. Watson ein Kassenhit und auch ein toller Sherlock-Holmes-Film, dem der Spagat zwischen Hommage an den Charakter, einem Zurück zu dem von Sir Arthur Conan Doyle erfundenem genialen Privatdetektiv und den Ansprüchen des Blockbuster-Kinos überraschend gut gelang. Denn viele Sherlock-Holmes-Fans hatten vorher schon das Schlimmste befürchtet. Aber Guy Ritchie, der nach einer jahrelangen Durststrecke mit dem okayen „RocknRolla“ wieder an seine frühen Erfolge „Bube, Dame, König, grAS“ und „Snatch – Schweine und Diamanten“ anknüpfte, hatte hier wieder ein glückliches Händchen

Weil der Film an der Kinokasse überaus erfolgreich war, war eine Fortsetzung mit dem bewährten Team eine reine Formsache.

In „Spiel im Schatten“ kämpft Sherlock Holmes gegen Professor Moriarty (Jared Harris), den „Napoleon des Verbrechens“, wie Holmes ihn durchaus bewundernd nennt. Holmes glaubt, dass die in europäischen Städten stattfindenden Anschläge und Morde nicht von verschiedenen radikalen Gruppen durchgeführt wurden, sondern der Professor der Kopf hinter all den Verbrechen ist. Dummerweise hat Holmes keinen Beweis, sein Freund Dr. Watson will gerade jetzt heiraten und Holmes‘ große Liebe (soweit Holmes überhaupt fähig ist, gegenüber dem anderen Geschlecht Gefühle zu Empfinden) Irene Adler (Rachel McAdams) wurde von Moriarty ermordet. Also stürzt Holmes sich, ohne Rücksicht auf Verluste, ins Abenteuer.

Aber während der erste Sherlock-Holmes-Film von Guy Ritchie noch Respekt vor Doyles Charakter hatte, fährt der Zug in „Spiel im Schatten“, auch wenn das Finale über dem Reichenbachfall spielt und sich Holmes und Moriarty kämpfend in die Fluten des Wasserfalls stürzen (wie wir aus der Holmes-Geschichte „The final problem“ [Sein letzter Fall], die sehr lose als Inspiration diente, wissen), eindeutig von der Deduktion in Richtung Comedy, gewürzt mit viel Action und einigen Guy-Ritchie-Manierismen.

Robert Downey jr. wird als Sherlock Holmes mit dandyhaft wallendem Haar und kunstvoll drapierten Schnittverletzungen und blauen Flecken, auch ohne Frauenkleider (die er im Zug trägt) immer tuntiger. Sein Bruder Mycroft (Stephen Fry!!!) hat seine beste Szene, wenn er nackt vor der frisch vermählten Frau Watson steht, dabei von ihren Reizen gänzlich unbeeindruckt ist und dies in wohlfeine Worte kleidet. Und die Beziehung von Holmes und Watson hat in „Spiel im Schatten“ schon keinen homosexuellen Subtext mehr.

Außerdem verkommt der furchtlos-geniale Detektiv immer wieder zur Lachnummer. Am deutlichsten, wenn er nicht auf einem Pferd reiten will, das mit einem Adrian-Monk-würdigem Satz begründet, daher auf einem Esel reitet und zu seinen Mitreisenden blöde Sprüche macht.

In solchen Momenten hätte man sich von den Machern mehr Respekt vor dem literarischen Charakter gewünscht.

So wird „Sherlock Holmes – Spiel im Schatten“ schnell zu zwei Stunden Remmidemmi um die Jahrhundertwende. Das ist sehr kurzweilig und entsprechend unterhaltsam, wenn man akzeptiert, dass dieser Sherlock-Holmes-Film bis auf einige Spurenelemente nichts mehr mit dem literarischen Sherlock Holmes zu tun hat, sondern eine Buddy-Action-Comedy vor historischer Kulisse ist, bei der die rudimentäre Handlung einfach nur den Film zusammenhält.

Immerhin funktioniert „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ so ausgezeichnet als deftige Zwischenmahlzeit und Appetitanreger für die im Januar in England und später auch bei uns laufende zweite Staffel der BBC-Sherlock-Holmes-Filmserie „Sherlock“ mit Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes und Martin Freeman als Dr. John Watsn.

Für seinen nächsten Sherlock-Holmes-Film muss Guy Ritchie sich allerdings überleben, ob er wirklich weiter die doch eher banale Action-Comedy-Schiene bedienen will. Eine Rückkehr zum ernsthafteren und werkgetreueren Stil seines ersten Sherlock-Holmes-Film und damit dem literarischen Sherlock Holmes würde mir allerdings besser gefallen.

Sherlock Holmes: Spiel im Schatten (Sherlock Holmes: A Game of Shadows, USA 2011)

Regie: Guy Ritchie

Drehbuch: Michele Mulroney, Kieran Mulroney

LV: Charakter von Sir Arthur Conan Doyle

mit Robert Downey jr., Jude Law, Jared Harris, Noomi Rapace, Stephen Fry, Eddie Marsan, Rachel McAdams, Kelly Reilly, Geraldine James, Paul Anderson, Thierry Neuvic

Länge: 128 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“

Rotten Tomatoes über „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“

Wikipedia über „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ (deutsch, englisch)

Homepage von Sir Arthur Conan Doyle (Erben)

Krimi-Couch über Sir Arthur Conan Doyle

Kirjasto über Sir Arthur Conan Doyle

Wikipedia über Sir Arthur Conan Doyle (deutsch, englisch)

Sherlockian.net (Einstiegsseite mit vielen Links)

Facebook-Seite der deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft

Thrilling Detective über Sherlock Holmes

Meine Besprechung von Arthur Conan Doyles “Sherlock Holmes Geschichten”, “Sherlock Holmes Kriminalgeschichten” und “The Adventures of Sherlock Holmes” (und hier eine Auflistung der in diesen Werken enthaltenen Geschichten)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Davide Fabbris (Zeichner): Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies! (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies, 2010)

Meine Besprechung von „Sherlock: Ein Fall von Pink“ (A Study in Pink)

Meine Besprechung von „Sherlock: Eine Legende kehrt zurück“ (Sherlock, GB 2010)

Sherlock Holmes in der Kriminalakte

7 Responses to Neu im Kino/Filmkritik: Sherlock Holmes, Dr. Watson und Professor Moriarty spielen das „Spiel im Schatten“

  1. […] als Ergänzung zu meiner Besprechung von „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ gibt es ein kleines, seeehr unkritisches „Making […]

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  4. […] und „Vergebung“ und als ebenfalls schlagkräftige Zigeuner-Wahrsagerin in Guy Ritchies „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ kennen gelernt – und in Ridley Scotts Irgendwie-„Alien“-Prequel „Prometheus“ scheint […]

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  7. […] von Sherlock Holmes, habe, ist, dass CBS von dem derzeit in verschiedenen Inkarnationen im Buch, Spielfilm, TV und Comic sehr erfolgreichen Charakter profitieren wollte. Also wurde, wie bei dem […]

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