Angst über der Stadt (Frankreich/Italien 1974, Regie: Henri Verneuil)
Drehbuch: Jean Laborde, Henri Verneuil, Francis Veber
Actionhaltiger, harter Polizeithriller in dem ein Pariser Kommissar, Typ „Dirty Harry“, einen Serienmörder jagt.
Nach dem Genuss von „Matrix“ und „Spider-Man“ wirken die Action-Szenen in „Angst über der Stadt“ zwar bedächtlich, aber Jean-Paul Belmondo ließ sich bei den zahlreichen Verfolgungsjagden, dem Abseilen von einem Hubschrauber und der Kletterei über die Dächer von Paris nicht doubeln. Bei den Schlägereien natürlich auch nicht. Die Story folgt den bekannten Genrekonventionen und Belmondo hatte in seiner ersten Polizistenrolle einen Kassenschlager.
„Angst über der Stadt“ ist „die mythische Dokumentation seiner Konversion von der Seite der Rebellen auf die Seite der Gesetz- und Ordnungsvertreter.“ (Georg Seesslen: Copland)
Mit Jean-Paul Belmondo, Charles Denner, Catherine Morin, Berto Maria Merli, Lea Massari
Wenige Tage vor seinem 85. Geburtstag am 9. April erschien bei Heyne die deutsche Übersetzung von ‚Bebel‘ Jean-Paul Belmondos Autobiographie „Meine tausend Leben“.
Auf etwas über dreihundert Seiten lässt der 1933 in dem Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine geborene Schauspieler sein Leben Revue passieren. Vor seinem Durchbruch 1960 als Hauptdarsteller in Jean-Luc Godards Klassiker „Außer Atem“ (darüber erzählt Belmondo ab Seite 155) arbeitete er vor allem am Theater. Danach, in den Sechzigern spielte er in etlichen künstlerisch wertvollen Filmen und Klassikern, wie „Eva und der Priester“, „Der Teufel mit der weißen Weste“, „Elf Uhr nachts“, „Der Dieb von Paris“ und „Das Geheimnis der falschen Braut“ mit.
In den Siebzigern (so ab Seite 262) verlegte er sich dann, aus finanzieller Sicht, sehr erfolgreich auf Actionfilme, wie „Angst über der Stadt“ und Komödien, wie „Ein irrer Typ“, in denen er seine Stunts selbst ausführte. Die Kritiker waren von seinen Filmen nicht mehr so wahnsinnig begeistert und Belmondo kümmerte sich nicht mehr um die Kritiker, weil er Filme für die breite Masse machte. In den Achtzigern wurden die Filme, wie „Das As der Asse“ und „Der Profi 2“, platter. Er wurde auch langsam zu alt, um die Stunts noch selbst auszuführen. Über seine Filmkarriere erzählt er in dem auch schon aus älteren Interviews bekanntem Duktus, dass der kommerzielle Erfolg eines Filmes auch ein Qualitätsmerkmal sei. Eine Reflexion darüber erfolgt nicht. Er nimmt auch keine Neubewertung seines damaligen Schaffens vor oder beschäftigt sich intellektuell mit seinem Werk, für das er auch als Produzent verantwortlich war und das vor allem und oft nur das Publikum unterhalten wollte. Es gibt ab und an kleine Anekdoten von den Dreharbeiten, die ihm immer dann besonders gut gefielen, wenn er mit Freunden zusammenarbeiten konnte und ‚viele sportliche Szenen absolvieren‘ konnte. Über sein Privatleben, seine beiden Ehefrauen, seine Partnerinnen, seine Kinder und seinen Schlaganfall 2001, erfährt man dagegen fast nichts.
Ende der Achtziger zog er sich fast vollständig aus dem Filmgeschäft zurück. Die wenigen Filme, in denen er seitdem mitspielte, kamen auch nicht mehr in unsere Kinos. Ab 1987 trat er dann wieder öfter im Theater auf.
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Jean-Paul Belmondo: Meine tausend Leben – Die Autobiographie
(unter Mitarbeit von Paul Belmondo und Sophie Blandinières)
(übersetzt von Pauline Kurbasik und Dr. Bettina Seifried)
Jean-Luc Godard, geboren am 3. Dezember 1930 in Paris
Regisseur von „Außer Atem“, Begründer der Nouvelle Vague
lebt seit Jahrzehnten, zusammen mit Anne-Marie Miéville, zurückgezogen und produktiv, in der Schweiz in der Kleinstadt Rolle am Genfersees
So könnte Jean-Luc Godards Leben in drei Zeilen aussehen. Nichts davon ist falsch. Nichts davon verrät, warum Godard noch heute, sechzig Jahre nachdem „Außer Atem“ seine Premiere hatte und über fünfzig Jahre nachdem er sich vom normalen Kinobetrieb abwandte, ein immer noch weithin bekannter Name ist. Mit Godard verbindet jeder irgendetwas und hat sogar ein Bild von ihm im Kopf.
Godard gehörte in den fünfziger Jahren in Paris zu einem Kreis filmbegeisterter junger Männer, die in der Filmzeitschrift „Cahiers du Cinéma“ lautstark über ihre Liebe zum Film und zu bestimmten Regisseuren schrieben und später selbst Regisseure wurden. Zu diesem Kreis gehören, neben Godard, François Truffaut, Éric Rohmer, Claude Chabrol und Jacques Rivette.
In den Sechzigern drehte Godard nach seinem umjubeltem Spielfilmdebüt „Außer Atem“ mit einem ähnlichen Arbeitstempo wie wenig später in Deutschland Rainer Werner Fassbinder. Fast jeder dieser Godard-Filme gehört noch heute zum Godard-Kanon (ich zögere, sie Klassiker zu nennen, weil ich mit solchen Worten sparsam umgehe und weil bei einigen dieser Filme der Titel und ein Image bekannter als der ganze Film sind). Bis 1968 drehte er „Der kleine Soldat“, „Eine Frau ist eine Frau“, „Die Geschichte der Nana S.“, „Die Karabinieri“, „Die Verachtung“, „Die Außenseiterbande“, „Eine verheiratete Frau“, „Lemmy Caution gegen Alpha 60“ (Alphaville), „Elf Uhr nachts“ (Pierrot le fou), „Masculin – Feminin oder: Die Kinder von Marx und Coca-Cola“, „Made in U.S.A.“, „Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß“, „Die Chinesin“, „Weekend“ und „Eins plus Eins“ (One plus One/Sympathy for the Devil).
Schon in diesen Jahren wurden seine Filme immer politischer und experimenteller. 1968, nach „Eins plus Eins“ verabschiedete er sich als Regisseur vom Kino. In den nächsten Jahren arbeitete er auch im Kollektiv. Teils verschwand sein Name hinter einer Gruppenidentität in der Anonymität. Dazu gehören die Flugblattfilme, die auf politischen Veranstaltungen gezeigt wurden. Er identifizierte sich mit den Anliegen der 68er. Gleichzeitig begann er mit der Videotechnik zu experimentieren. Außerdem arbeitete er für das Fernsehen. Zum Beispiel 1976 mit der 13-teiligen TV-Serie „Six fois deux, sur et sous la communication“ und, zwei Jahre später, mit der 12-teiligen TV-Serie „France, tour, détour, deux enfants“. Diese Arbeiten sind fast unbekannt.
Erst in den Achtzigern kehrte Godard wieder zurück ins Kino. „Rette sich, wer kann“, „Passion“, Vorname Carmen“ (seine sehr freie Version von Prosper Mérimées Novelle „Carmen“) , „Maria und Joseph“ (seine skandalumwitterte Interpretation der aus der Bibel bekannten Geschichte von Maria und Joseph von Nazaret), „Détective“ und „Nouvelle Vague“ sind seine bekanntesten Filme aus dieser Zeit. Teils spielten, wie schon bei seinen Filmen aus den Sechzigern, Stars mit. Eigentlich nie gab es eine nacherzählbare Geschichte. Es ging eher um die Idee einer Geschichte, die es ihm ermöglicht, seine Gedanken zu entfalten. Beides diente als vernachlässigbares Korsett und als willkommener Anlass, das zahlende Publikum ins Kino zu bringen, und es dort mit philosophischen Gedanken, Geistesblitzen, Assoziationen und Humor zu belästigen. Jean-Luc Godard inszenierte sich gleichzeitig als Narr und Klugscheißer, der munter mit seinem Wissen protzte.
In seinen letzten Filme, wie jüngst „Bildbuch“, versuchte der wie ein Eremit lebende Godard überhaupt nicht mehr, ein großes Publikum anzusprechen. Wer sich allerdings auf den assoziativen Strom von Bildern und Gedanken einlässt, wird immer ein, zwei Goldstücke finden. Nur der Spaß, den wir mit Jean-Paul Belmondo und Anna Karina in „Pierrot le fou“ oder mit der „Außenseiterbande“ hatten, ist in seinen experimentellen Essayfilmen verschwunden.
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Filmkritiker Bert Rebhandl zeichnet in seinem pünktlich zu Godards neunzigstem Geburtstag erschienenen Biographie „Jean-Luc Godard – Der permanente Revolutionär“ Godards Leben und Schaffen chronologisch nach. Dabei gibt es drei Schwerpunkte: sein noch heute einflussreiches Werk in den sechziger Jahren, seine zwischen 1988 und 1998 entstandene mehrteilige Serie „Geschichte(n) des Kinos“ (Histoire(s) du cinéma) und sein Spätwerk; also die wenigen Filme, die er in den letzten zwanzig , dreißig Jahren veröffentlichte.
Er streift Godards Umgang mit seinen Schauspielern (oft sehr schwierig), das Zeigen nackter Frauen (ähem, das könnte, neben der intellektuellen Brillanz der Monologe und Dialoge, ein Grund für seine Beliebtheit bei jüngeren Zuschauern sein; davon abgesehen ebenfalls sehr schwierig, mit einer Tendenz zur Pornographie), seine Beziehungen zu jungen Frauen (man könnte sie übergriffig nennen) und seine, höflich formuliert, unklare Haltung zum Antisemitismus. Das alles nennt Rebhandl ohne ein Urteil zu fällen.
Auf Godards Privatleben geht er nur ein, wenn es für sein Werk und seine Selbstinszenierung eine Rolle spielt. Auf einen intellektuellen Überbau, der Godards offenes Werk in eine bestimmte Lesart zwängen würde, verzichtet Rebhandl bewusst.
So ist „Jean-Luc Godard – Der permanente Revolutionär“ eine informative Biographie, die einmal chronologisch durch Godards Werk geht und die Neugierde auf eine wiederholte (?) Sichtung von Godards unbekannteren Werken weckt. Soweit sie allgemein verfügbar sind.
Bert Rebhandl: Jean-Luc Godard – Der permanente Revolutionär
Paul Zsolnay Verlag, 2020
288 Seiten
25 Euro
Die Filme von Jean-Luc Godard (vor allem seine Spielfilme und wichtigen längeren Werke, daneben drehte er Kurzfilme, kurze und lange TV-Filme und Werbefilme unterschiedlicher Länge)
Außer Atem (À bout de souffle, 1960)
Der kleine Soldat (Le petit soldat. 1960)
Eine Frau ist eine Frau (Une femme est une femme, 1961)
Die Geschichte der Nana S. (Vivre sa vie, 1962)
Die Karabinieri (Les Carabiniers, 1962)
Die Verachtung (Le Mépris, 1963)
Die Außenseiterbande (Bande à part, 1964)
Eine verheiratete Frau (Une femme mariée, 1964)
Lemmy Caution gegen Alpha 60 (Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution, 1965)
Elf Uhr nachts (Pierrot le fou, 1965)
Masculin – Feminin oder: Die Kinder von Marx und Coca-Cola (Masculin – féminin: 15 faits précis, 1966)
Made in U.S.A. (Made in U.S.A, 1966)
Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß (Deux ou trois choses que je sais d’elle, 1967)
Die Chinesin (La Chinoise, 1967)
Weekend (Week-end, 1967)
Eins plus Eins (One plus One/Sympathy for the Devil, 1968)
Die fröhliche Wissenschaft (Le Gai Savoir, 1969, TV-Film)
Alles in Butter (Tout va bien, 1972, mit Jean-Pierre Gorin)
Nummer zwei (Numéro 2, mit Anne-Marie Miéville)
Rette sich, wer kann (das Leben) (Sauve qui peut [la vie], 1980)
Passion (Passion, 1982)
Vorname Carmen (Prénom Carmen, 1983)
Maria und Joseph (Je vous salue, Marie, 1985)
Détective (Détective, 1985)
King Lear (King Lear, 1987)
Schütze deine Rechte (Soigne ta droite, 1987)
Nouvelle Vague (Nouvelle Vague, 1990)
Deutschland Neu(n) Null (Allemagne neuf zéro, 1991)
Weh mir (Hélas pour moi, 1993)
JLG/JLG – Godard über Godard (JLG/JLG – Godard par Godard, 1995)
For Ever Mozart (1996)
Geschichte(n) des Kinos (Histoire(s) du cinéma, 1988 – 1998)
Das Geheimnis der falschen Braut (La sirène du Mississipi, Frankreich/Italien 1969)
Regie: François Truffaut
Drehbuch: François Truffaut
LV: Cornell Woolrich (als William Irish): Walz into darkness, 1947 (Walzer in die Dunkelheit)
Ein reicher Tabakhändler verliebt sich in eine wunderschöne Frau. Aber diese ist mehr an seinem Geld interessiert.
Damals war der Film bei der Kritik und an der Kasse ein Flop. Kein Wunder: Belmondo – ausgestattet mit einem betonharten Image als Draufgänger – spielt ein Weichei und Deneuve eine eiskalte Mörderin. Inzwischen hat sich Meinung zu Truffauts bösem Märchen im Hitchcock-Stil geändert: „Truffaut nutzt die Vorlage eines ´schwarzen´ Romans von Cornell Woolrich zu einer reizvollen Variation über das Thema der ‚amour fou‘ und spickt sie mit zahlreichen Verweisen auf die französische und amerikanische Kinotradition (Renoir, Hitchcock); ein hervorragend gespieltes Drama, das nie als ´Wirklichkeit´ verstanden werden will, vielmehr als Spiel mit Chiffren und Zeichen.“ (Lexikon des internationalen Films)
Anschließend, um 22.15 Uhr, zeigt Arte die spielfilmlange Doku „Belmondo, der Unwiderstehliche“ (Frankreich 2017)
Am Montag, den 19. Oktober, präsentiert Arte einen François-Truffaut-Abend mit „Die Braut trug schwarz“ (Frankreich/Italien 1968; ebenfalls nach einem Roman von Cornell Woolrich) (um 20.15 Uhr) und „Der Wolfsjunge“ (Frankreich 1969) (um 22.00 Uhr).
mit Jean-Paul Belmondo, Catherine Deneuve, Michel Bouquet, Nelly Borgeaud, Marcel Berbert
Monate später als geplant richtet Kristen Stewart ihren Zeige- und Mittelfinger im Kino auf das Publikum. Sie spielt in „Jean Seberg – Against all Enemies“ die titelgebende Jean Seberg.
Cineasten kennen Seberg vor allem aus der Rolle, die sie 1960 zum Star machte. In „Außer Atem“ spielt sie die in Paris lebende, Zeitungen verkaufende Studentin Patricia, die sich in den Kleinkriminellen Michel Poiccard verliebt. Der hat während einer Verkehrskontrolle einen Polizisten erschossen und ist jetzt auf der Flucht. Der stilistisch einflussreiche Krimi markiert auch den Beginn der Karrieren ihres Filmpartners Jean-Paul Belmondo und des Regisseurs Jean-Luc Godard. Außerdem ist „Außer Atem“ einer der essenziellen Nouvelle-Vague-Filme, ein Kultfilm und ein Klassiker. Danach war Seberg, die Frau mit der damals vollkommen unweiblichen Kurzhaarfrisur, ein Star. In den nächsten Jahren spielte sie in einigen prestigeträchtigen und auch Big-Budget-Produktionen mit. Aber letztendlich und rückblickend gelang es ihr nicht, an den Erfolg von „Außer Atem“ anzuknüpfen.
Benedict Andrews‘ Biopic „Jean Seberg – Against all Enemies“ beginnt im Mai 1968 in Paris. Die in Frankreich lebende Seberg ist seit 1962 mit dem Schriftsteller Romain Gary verheiratet, gemeinsam haben sie einen Sohn und jetzt möchte sie wieder als Schauspielerin arbeiten.
Auf dem Flug in die USA lernt sie Hakim Jamal kennen. Die blonde Hollywood-Schauspielerin ist von dem afroamerikanischen Polit-Aktivisten, der sich wie ein Popstar durch das Flugzeug bewegt, fasziniert. Sie will ihn näher kennen lernen. In den USA organisiert sie Spendenpartys. Außerdem beginnt sie mit dem ebenfalls verheirateten Aktivisten eine Affäre – und wird dabei vom FBI auf Schritt und Tritt beobachtet.
Die Beobachtung ist Teil der hochgradig illegalen Operation COINTELPRO, in der das FBI Schmutz gegen vermeintliche Staatsfeinde, wie die Black-Panther-Sympathisantin Seberg, sammelt.
„Jean Seberg – Against all Enemies“ hat also alles, was ein Film braucht: eine in mehrfacher Hinsicht skandalträchtige wahre Geschichte, Stars (Kristen Stewart als Jean Seberg, Anthony Mackie als Hakim Jamal, Yvan Attal als Romain Gary, Zazie Beetz als Jamals Frau, Jack O’Connell und Vince Vaughn als FBI-Agenten) , Glamour, 60er-Jahre-Zeitkolorit, Revolution und Pop.
Und dann scheitert das Biopic an seiner eigenen Mutlosigkeit. Die ersten an Jean-Luc Godard erinnernden Minuten, zeigen, was für ein Film hätte entstehen können. Ein Pop-Pamphlet, das an den Stil der sechziger Jahre anknüpft, zugleich spielerisch und strukturiert ist, auf mehreren Ebenen herausfordert und zum Nachdenken anregt.
Diese Experimentierfreude erschöpft sich schon nach wenigen Minuten. Danach folgt Benedict Andrews („Una und Ray“) brav den Konventionen. Er verfolgt Seberg, wenn sie sich mit Jamal trifft und für die Black-Power-Bewegung engagiert. Gleichzeitig erzählt er von einem jungen, stockbürgerlichen, verheirateten Vater und FBI-Agenten, der Seberg beobachtet und abhört. Während seiner Arbeit beginnt dieser Ermittler, eine erfundene Figur, seine Meinung über die ‚Terroristin‘ Seberg zu ändern.
Am Ende kriegen wir statt experimentierfreudigem Godard und politaktivistischem Popkino biederes Besinnungskino über einen FBI-Agenten mit Gewissensbissen.
Das sieht mit Nostalgie-Bonus hübsch aus und Kristen Stewart überzeugt als durch die Überwachung und die Schmutzkampagne des FBI zunehmend psychisch lädierte Jean Seberg. Insgesamt ist der Film aber zu mutlos um nachhaltig zu beeindrucken.
Jean Seberg – Against all Enemies(Seberg, USA 2019)
Regie: Benedict Andrews
Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse
mit Kristen Stewart, Jack O’Connell, Margaret Qualley, Zazie Beetz, Yvan Attal, Stephen Root, Colm Meaney, Anthony Mackie, Vince Vaughn
Godards neuester Filmessay, der Anfang April sogar in einigen deutschen Kinos gezeigt wurde. Stilistisch unterscheidet sich die wilde, scheinbar (?) frei assoziierende Collage von Filmausschnitten und philosophischen Gedanken nicht von seinen vorherigen Filmen. Das Publikum bleibt überschaubar.
„Jean-Luc Godard setzt mit seinem neuesten Film sein sich alle Freiheiten nehmendes Spätwerk fort. Ein rauschhafter Gedankenfluss, eine assoziative Collage in fünf Kapiteln. Die Sehnsucht nach Freiheit. Die Abgründe der Menschheit. Die Schönheit des Kinos. Zeit und Geschichte, gedehnt und verdichtet.
Mit ‚Bildbuch‘ setzt der inzwischen 88-jährige Jean-Luc Godard die essayistische Arbeit der letzten 20 Jahre fort und macht da weiter, wo ‚Histoire(s) de cinema‘ und ‚Film Socialisme‘ begonnen haben. Es geht um Gewalt und wie sie in Bildern dargestellt wird, um das Verhältnis Europas zur südlichen Hemisphäre, um die Verantwortung der Kunst und des Kinos. Poetisch, melancholisch, universell gültig und gleichzeitig sehr persönlich, ist ‚Bildbuch‘ ein hypnotischer Strom von Bildern, Gedanken und Zitaten.“ (Presseheft)
Bereits um 20.15 Uhr zeigt Arte Godards Debütfilm „Außer Atem“, der Jean-Paul Belmondo zum Star machte und ein neues Kino begründete.
Regie: Val Guest, Ken Hughes (als Kenneth Hughes), John Huston, Joseph McGrath, Robert Parrish
Drehbuch: Wolf Mankowitz, John Law, Michael Sayers, Woody Allen (ungenannt), Val Guest (ungenannt), Ben Hecht (ungenannt), Joseph Heller (ungenannt), Terry Southern (ungenannt), Billy Wilder (ungenannt), Peter Sellers (ungenannt)
LV: Ian Fleming: Casino Royale, 1953
Sir James Bond wird aus dem Ruhestand geholt, um die nach der Weltherrschaft strebende Gangsterorganisation SMERSH zu besiegen. Sir James Bond entwirft einen genialen Plan: er schickt mehrere James Bonds los.
Albert Broccoli und Harry Saltzman gelang es nicht, sich die Rechte an diesem Bond-Roman zu sichern. So konnte Charles K. Feldman diesen Bond produzieren. Weil Feldman nicht einfach nur Flemings Buch verfilmen wollte, entschloss er sich zu etwas vollkommen anderem.
Feldman: „Wir hatten die Idee von vielen Bonds, vielen Regisseuren, vielen Autoren und vielen Sets, so wie das auch bei [dem Kriegsfilm] ‚Der längste Tag’ geschah. Das war der einzige Weg, den Film zu realisieren. Ich hatte die Vision eines gigantischen Happenings mit Bonds, soweit das Auge reicht, mit ganzen Armeen von Girls, in wilder Pop-Art ausgemalt und von wilder Pop-Musik erfüllt.“
Letztendlich gab es bis zu fünfzehn verschiedene Drehbücher. Drei Wochen vor Drehbeginn gab es noch kein endgültiges Drehbuch, aber bereits ein veritables Chaos, das sich durch die gesamte Produktion zog. Die Drehbarbeiten zogen sich in die Länge, spontan wurden Gaststars engagiert, Drehbücher umgeschrieben und das Budget überzogen.
Das Ergebnis war niederschmetternd.
„Casino Royale ist ein Ian-Fleming-Titel, aber nur ein falsch nachgemachter Pseudo-Bond-Film…Casino Royale ist ein Alptraum.“ (Michael Scheingruber: Die James-Bond-Filme)
„Ich glaube, ich kann – mit der Hand in der Magengrube – ehrlich sagen, dass Casino Royale der schlechteste Film ist, den ich je genossen habe.“ (Donald Zec, Daily Mirror)
Und das zahlende Publikum ging lieber in die echten Bond-Filme.
Mit Peter Sellers, Ursula Andress, David Niven, Orson Welles, Joanna Pettet, Daliah Lavi, Woody Allen, Deborah Kerr, William Holden, Charles Boyer, John Huston, George Raft, Jean-Paul Belmondo, Jacqueline Bisset, Anjelica Huston (Hände von Agent Mimi; Debüt), Peter O’Toole (ungenannt), David Prowse (ungenannt, Debüt von „Darth Vader“)
Drehbuch: Jean-Claude Carrière, Claude Sautet, Jacques Deray, Jean Cau
LV: Eugène Saccamano: Bandits à Marseille, 1959
Marseille, 30 Jahre: Die beiden Kleinganoven Siffredi (Alain Delon) und Capella (Jean-Paul Belmondo) wollen die Stadt beherrschen.
Unglaublich erfolgreicher und unterhaltsamer Gangsterfilm. Heute in der restaurierten Fassung.
Morgen zeigt Arte um 22.30 Uhr die vier Jahre später entstandene Fortsetzung „Borsalino & Co.“. Wieder von Deray inszeniert, wieder mit Delon, aber dieses Mal ohne Belmondo.
mit Jean-Paul Belmondo, Alain Delon, Michel Bouquet, Catherine Rouvel, Francoise Christophe
Arte, 20.15 Le Magnifique (Frankreich/Italien 1973, Regie: Philippe de Broca)
Drehbuch: Philippe de Broca, Vittorio Caprioli, Jean-Paul Rappeneau, Francis Veber (ungenannt)
Francois Merlin (Jean-Paul Belmondo) schreibt wilde Agentenromane im James-Bond-Stil und ist unsterblich in seine attraktive Nachbarin verliebt.
Bob Saint-Clair (Jean-Paul Belmondo) ist ein Geheimagent, der die absurdesten Abenteuer im James-Bond-Stil erlebt und attraktive Frauen im Dutzend hat.
Bob Saint-Clair ist die Erfindung von Francois Merlin und irgendwann geraten Realität und Fantasie durcheinander.
Überdrehte, damals in Frankreich enorm erfolgreiche Komödie.
„Mit dieser witzigen und clever strukturierten Agentenfilm-Parodie gelang Philippe de Broca erneut ein kleines Meisterwerk auf dem Gebiet der leichten Komödie, wo er ja (ebenfalls mit Belmondo als Hautdarsteller) bereits mit ‚Abenteuer in Rio‘ Maßstäbe gesetz hatte.“ (TV Spielfilm: Das große Filmlexikon)
„eine temporeiche und mit Gags gespickte Agentenfilmparodie, die sich jedoch weitgehend mit der bloßen Aneinanderreihung komischer Szenen begnügt.“ (Lexikon des internationalen Films)
mit Jean-Paul Belmondo, Jacqueline Bisset, Vittorio Caprioli, Hans Meyer, Monique Tarbès, Jean Lefebvre Wiederholung: Dienstag, 11. September, 13.50 Uhr Hinweise
Wikipedia über „Le Magnifique“ (deutsch, englisch, französisch)
Der zweite Atem (Frankreich 1966, Regie: Jean-Pierre Melville)
Drehbuch: Jean-Pierre Melville
LV: José Giovanni: Un règlement de comptes, 1958 (später “Le deuxième souffle”, deutsch “Der zweite Atem”)
Der gerade aus dem Knast ausgebrochene Gu beteiligt sich an einem ausgeklügelten Raub. Aber danach laufen die Dinge, vor allem wegen falsch verstandener Ehrbegriffe, aus dem Ruder.
Ein weiteres Meisterwerk von Jean-Pierre Melville.
“Der beste Gangsterfilm der letzten Jahre entstand nicht in Hollywood, sondern in den Straßen von Paris.” (Sigrid Schmitt, Süddeutsche Zeitung)
“Le deuxième souffle ist Melvilles La règle du jeu. Hatte Renoir in seiner Satire eine Gesellschaft, die nur nach bestimmten Spielregeln funktionieren kann, als hohl entlarvt, weil sie sich auch dann noch an diese Regeln klammert, wenn sie sinnlos geworden sind, so führt Melville in seinem nach einem Roman von José Giovanni entstandenen Film diese Konventionen zu ihrer letzten Konsequenz. Der Mikrokosmos der Gangster, wie Renoirs Adlige und Diener Signifikat für die Gesamtgesellschaft, ist determiniert von Regeln, die notwendig zu Untergang und Tod führen.” (Hans Gerhold in Peter W. Jansen/Wolfram Schütte, Hrsg.: Jean-Pierre Melville)
Damals war es eine beliebte Übung der deutschen Verleiher, bei Melville-Filmen beherzt zur Schere zu greifen. Auch “Der zweite Atem” blieb davon nicht verschont. Über eine halbe Stunde wurde für den deutschen Kinostart 1968 aus dem Film entfernt. Arte zeigt natürlich die ungekürzte Version – und danach, um 22.40 Uhr zeigt der Sender Melvilles Glaubensdrama „Eva und der Priester“ (mit Jean-Paul Belmondo und Emmanuelle Riva).
mit Lino Ventura, Paul Meurisse, Raymond Pellegrin, Christine Fabrega, Michel Constantin, Marcel Bozzufi
Der Fall Serrano (Mort d’un pourri, Frankreich 1977)
Regie: Georges Lautner
Drehuch: Georges Lautner
LV: Raf Vallet (Pseudonym von Jean Laborde): Mort d‘ un pourri, 1972
Ein Mann sucht die Mörder eines befreundeten Abgeordneten, und entdeckt ein übermächtiges System von Korruption und anderer Verbrechen.
Spannender Politthriller
Und jetzt einige weitere Stimmen:
„Hervorragend besetzter, leicht zynisch gefärbter Kriminalfilm.“ (Lexikon des internationalen Films)
„Mehr Unterhaltungs- und Actionfilm als echter Polit-Thriller, mehr Kult des Delon-Mythos als Kreation einer glaubhaften Hauptfigur.“ (Horst Schäfer/Wolfgang Schwarzer: Von ‚Che‘ bis ‚Z‘ – Polit-Thriller im Kino, 1991)
„die politisch interessante Ebene des Zusammenspiels von Gewalt, Korruption und Politik wird einer auf spektakuläre Action-Höhepunkte hin inszenierten Dramaturgie geopfert.“ (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms, 1985/1993)
Als Vorlage für den Film diente auch die Affäre De Broglie. Der Provinzbürgermeister und Abgeordnete wurde am 24. Dezember 1976 ermordet. Bei den Untersuchungen wurden seine Beziehungen zu einer Gruppe von Politikern und Wirtschaftsbossen bekannt. Mit seiner Ermordung sollte ein Mitwisser beseitigt werden. Der Täter wurde nicht gefunden.
Georges Lautner ist vor allem für seine Jean-Paul Belmondo-Vehikel, wie „Der Windhund“, „Der Puppenspieler“ und „Der Profi“ bekannt.
Anschließend, um 22.15 Uhr, zeigt Arte „Die Hölle von Algier“ (Frankreich/Italien 1964, Regie: Alain Cavalier). Ebenfalls mit Alain Delon. Ebenfalls sehenswert.
mit Alain Delon, Ornella Muti, Mireille Darc, Stéphane Audran, Klaus Kinski, Maurice Ronet
Auf den ersten Blick – ein Amerikaner sorgt in Paris mit viel Action für Recht und Ordnung – sieht „Bastille Day“ wie der nächste Film aus der Luc-Besson-Fabrik aus. Dass Idris Elba der Held ist, ändert daran nichts. Immerhin tritt er in die Fußstapfen von Liam Neeson, John Travolta und Kevin Costner und, auch wenn die Kinokasse mal mehr, mal weniger laut klingelte, war die künstlerische Qualität ihrer Paris-Besuche überschaubar.
Auf den zweiten Blick wird es dann schon interessanter. Einmal weil Luc Bessons EuropaCorp, die auch gute Filme produziert, nichts damit zu tun hat. Einmal weil mehrere Drehbücher von Andrew Baldwin auf der Black Liste, der jährlichen Liste der besten nicht produzierten Drehbücher, landeten. Auch „Bastille Day“ wurde dort erwähnt. Aber das sind Informationen, die für die meisten Menschen denkbar uninteressant sind.
Interessanter ist da schon der Name des Regisseurs: James Watkins. Er inszenierte vorher die gelungenen und sehr unterschiedlichen Horrorfilme „Eden Lake“ und „Die Frau in Schwarz“. Jetzt drehte er einen in Paris spielenden Action-Thriller über einen drohenden Anschlag am titelgebendem „Bastille Day“, dem französischen Nationalfeiertag am 14. Juli.
Kurz vor dem Feiertag explodiert auf einem Platz eine Bombe und der US-Amerikaner Michael Mason (Richard Madden), ein Taschendieb, gerät in Verdacht. CIA-Agent Sean Briar (Idris Elba) soll ihn finden, aber nicht auf eigene Faust ermitteln. Weil seine Methoden etwas unorthodox sind und er Befehle notorisch ignoriert, begibt er sich mit Mason, den er zur Zusammenarbeit zwingt, auf die Jagd nach den Bombenlegern, die keine Islamisten oder links-revolutionäre Weltverbesserer, sondern Polizisten einer Spezialeinheit sind. Sie wollen die Terroranschläge, Proteste und Straßenschlachten am Nationalfeiertag orchestrieren, um so von ihrem großen Coup abzulenken. Im Film (und im Trailer) wird deren Identität schon früh verraten und ein bewährter Topos des französischen Kriminalfilms bedient. Damit entgeht „Bastille Day“ auch elegant der Falle, stereotype Vorurteile und reaktionäre Ressentiments einfach zu bedienen. Das macht ihn intelligenter und sympathischer als, zum Beispiel, „London has fallen“.
Watkins hat dagegen einen angenehm altmodischer Action-Thriller mit Polit-Touch gedreht, wie es ihn in den Siebzigern öfter gab und die, auch wenn sie politisch nicht besonders tiefschürend waren, durchaus zum Nachdenken anregen konnten. Die Action in „Bastille Day“ ist handgemacht, was einem besonders bei der Verfolgungsjagd über die Dächer von Paris gefällt und Erinnerungen an die Kletterei von Jean-Paul Belmondo in „Angst über der Stadt“ wachruft. Die Geschichte ist insgesamt durchdacht und, im gesetzten Actionfilm-Rahmen, komplex geraten. Die Schauspieler sind engagiert dabei und es gibt etliche Einzeiler, die sich aus der Handlung ergeben.
In der Originalfassung gibt es sogar noch einen Bonuspunkt: während des gesamten Films wird, je nach Situation, Englisch oder Französisch gesprochen. So reden die Franzosen untereinander durchgängig französisch. Die Amerikaner englisch. In gemeinsamen Szenen wird dann je nach Situation entschieden. Allein dadurch wird die Filmgeschichte glaubwürdiger.
Mit seinem dritten Spielfilm hat James Watkins einen kurzweiligen Retro-Action-Thriller abgeliefert, der niemals wirklich neues Terrain betritt. Dafür ist alles einfach zu vertraut. Aber im Vergleich zu den eingangs erwähnten Besson-Filmen ist „Bastille Day“ ein überraschend gelungenes und sehr unterhaltsames Werk.
Bastille Day (Bastille Day, USA/Frankreich/Großbritannien 2016)
Regie: James Watkins
Drehbuch: Andrew Baldwin
mit Idris Elba, Richard Madden, Charlotte Le Bon, Kelly Reilly, José Garcia, Thierry Godard, Vincent Londez, Arieh Worthalter
Der Profi (Frankreich 1981, Regie: Georges Lautner)
Drehbuch: Michel Audiard, Georges Lautner
LV: Patrick Alexander: La mort d’une bete à la peau fragile, 1978
Jean-Paul Belmondo verfolgt als Killer im Dienste Frankreichs seinen Auftrag, unabhängig von der geänderten politischen Großwetterlage – und Ennio Morricone komponierte dazu das überaus erfolgreiche und eingängige Stück „Chi Mai“.
„routinierte Hau-ruck-Mischung aus Agenten- und Unterweltfilm“ (Lexikon des internationalen Films)
Der Fischer Film Almanach meinte: „Zwischen Agentenfilm und Parodie pendelnd, bleibt der hintergründig politische Anspruch wegen der gezeigten Brutalitäten und der ausgesprochen rassistischen Tendenzen auf der Strecke.“ Außerdem ist der Film ein rechter Langweiler, der ein überwältigender Kassenerfolg war.
„Der Profi 2“, ebenfalls mit Jean-Paul Belmondo, hat mit diesem Film nichts zu tun. Außer der Ideologie.
Mit Jean-Paul Belmondo, Robert Hossein, Jean Dedailly, Cyrielle Claire, Marie-Chrstine Descouard
Ferdinand stolpert in eine undurchsichtige Mordgeschichte und flüchtet mit seiner Ex Marianne quer durch Frankreich auf eine einsame Insel.
Auch bzw. besser bekannt als „Pierrot le fou“. Die Krimifarce hat mit dem Buch wenig bis nichts zu tun, aber viel mit Godard, seinem filmischen Kosmos und dem Lebensgefühl der Sechziger.
Arte, 20.15 Le Magnifique (Frankreich/Italien 1973, Regie: Philippe de Broca)
Drehbuch: Philippe de Broca, Vittorio Caprioli, Jean-Paul Rappeneau, Francis Veber (ungenannt)
Francois Merlin (Jean-Paul Belmondo) schreibt wilde Agentenromane im James-Bond-Stil und ist unsterblich in seine attraktive Nachbarin verliebt.
Bob Saint-Clair (Jean-Paul Belmondo) ist ein Geheimagent, der die absurdesten Abenteuer im James-Bond-Stil erlebt und attraktive Frauen im Dutzend hat.
Bob Saint-Clair ist die Erfindung von Francois Merlin und irgendwann geraten Realität und Fantasie durcheinander.
Anscheinend lief die damals in Frankreich enorm erfolgreiche Komödie noch nie im deutschen Fernsehen. Jedenfalls steht dieser Belmondo-Film schon seit Ewigkeiten auf meiner „zu sehen“-Liste.
„Mit dieser witzigen und clever strukturierten Agentenfilm-Parodie gelang Philippe de Broca erneut ein kleines Meisterwerk auf dem Gebiet der leichten Komödie, wo er ja (ebenfalls mit Belmondo als Hautdarsteller) bereits mit ‚Abenteuer in Rio‘ Maßstäbe gesetz hatte.“ (TV Spielfilm: Das große Filmlexikon)
„eine temporeiche und mit Gags gespickte Agentenfilmparodie, die sich jedoch weitgehend mit der bloßen Aneinanderreihung komischer Szenen begnügt.“ (Lexikon des internationalen Films)
mit Jean-Paul Belmondo, Jacqueline Bisset, Vittorio Caprioli, Hans Meyer, Monique Tarbès, Jean Lefebvre Wiederholungen
Dienstag, 26. Januar, 13.50 Uhr
Freitag, 29. Januar, 00.50 Uhr (Taggenau!) Hinweise Arte über „Le Magnifique“
Wikipedia über „Le Magnifique“ (deutsch, englisch, französisch)
Während in Libyen der Bürgerkrieg gerade für höchst unklare Verhältnisse sorgt, bietet Chino einer nur scheinbar zufällig zusammengewürfelten Gruppe an, sie aus Tripolis und über die Grenze zu bringen. An der Stadtgrenze erschießt Chino einen sie kontrollierenden Soldaten. Auf ihrer anschließenden Flucht wird ein Reifen von seinem Auto beschädigt und sie müssen, um ihn zu reparieren, in dem Dorf Ar-Rahibat anhalten. Zu spät bemerken sie, dass das zerstörte und fast menschenleere Dorf wieder in den Händen der Armee ist und, als hätten sie nicht schon genug Pech, sie in der Hotelruine neben dem Kommandanten Hajj Ahmet übernachten.
Tito Topin ist bei uns, trotz einiger seit Ewigkeiten nur noch antiquarisch erhältlicher Übersetzungen und etlicher TV-Arbeiten (er erfand die Krimiserie „Navarro“, die es auf über hundert Folgen brachte und zwischen 1989 und 2007 im französischen Fernsehen lief, und er schrieb für TV-Serien wie „Néo Polar“, „Série noire“ und „Coplan“) ein fast unbekannter Noir-Autor. Leider. Denn sein „Exodus aus Libyen“ ist eine spannende Lektüre, die sich wie die Vorlage für einen harten französischen Thriller liest, der seine Wurzeln und geistige Heimat in den Fünfzigern und Sechzigern hat, als zwischen „Lohn der Angst“ und „100.000 Dollar in der Sonne“ harte, wortkarge Männer Abenteuer in der Ferne erlebten und auch ordentlich getrunken wurde. So ist, um nur die beiden offensichtlichsten namentlichen Anspielungen zu nennen, einer der Passagiere ein übergewichtiger Doktor, der sich ausschließlich flüssig ernährt und der Kenneth Hitchcock heißt. Ein anderer Passagier heißt Henri Ventura. Er ist Pilot der französischen Luftwaffe und ein guter Pistolenschütze. Zu den Ausländern gesellen sich als weitere Passagiere in Chinos Land Cruiser und Gastgeber in dem Dorf mehrere Frauen und Einheimische, die für die Geschichte wichtig sind und die daher eine deutlich größere Rolle haben, als es vor einem halben Jahrhundert möglich war. Damals, und das ist der große Unterschied zwischen Topins Vorbildern und seinem Roman, war es der Blick des weißen Europäers auf eine fremde Welt, in der er Abenteuer erlebte. Heute sind es die Libyer, die in ihrem Land Abenteuer erleben, in die auch einige der mehr oder weniger freiwilligen Gäste, hineingezogen werden.
Das ist, auch weil der 1932 in Casablanca geborene Tito Topin einen angenehm kurzen Roman geschrieben hat, eine flotte Lektüre, die jede Person mit wenigen Worten und einer kurzen Rückblende (die über den Roman verstreut sind) charakterisiert, keine Zeit für langatmige Beschreibungen oder Betroffenheitsgefasel hat und die gerade in der zweiten Hälfte einige überraschende Wendungen nimmt, die man so in einem Film wahrscheinlich nicht erleben dürfte. Jedenfalls nicht, wenn Männer wie Yves Montand, Alain Delon, Jean-Paul Belmondo und Lino Ventura dabei wären.
– Tito Topin: Exodus aus Libyen (übersetzt von Katarina Grän) Distel Literaturverlag, 2015 240 Seiten
14,80 Euro
– Originalausgabe
Libyan Exodus
Éditions Payot & Rivages, 2013
– Hinweise Homepage von Tito Topin Distel Literaturverlag über Tito Topin Wikipedia über Tito Topin Perlentaucher über Tito Topin
Vor einigen Wochen sagte ich zu einem Freund: „Warum soll ich ein Buch von Léo Malet lesen? Der ist schon seit fast zwanzig Jahren tot und Neuausgaben gibt es keine.“
Nun, tot ist Malet immer noch, aber mit „Das Leben ist zum Kotzen“ gibt es eine Neuausgabe von einem seiner alten Romane (mit einem informativem Nachwort von Tobias Gohlis) und damit auch einen guten Grund, einen Malet zu lesen. Malet – für alle, die sich verzweifelt fragen, wer dieser Malet denn ist – ist vor allem bekannt für seine derzeit vor allem antiquarisch erhältliche Nestor-Burma-Privatdetektivserie, von denen jeder Roman in Paris in einem anderen Arrondissement in Paris spielt.
In „Das Leben ist zum Kotzen“, dem ersten Band seiner zwischen 1947 und 1949 entstandenen Schwarzen Trilogie (Band zwei ist „Die Sonne scheint nicht für uns“, Band drei ist „Angst im Bauch“), erzählt Malet die Geschichte von Jean Fraiger. Er ist der Kopf einer kleinen Verbrecherbande, die ihren ersten Überfall auf einen Lohngeldtransporter quasi im Auftrag streikender Bergarbeiter begeht. Dummerweise gerät der einfache Überfall etwas außer Kontrolle. Der Fahrer wird verletzt. Der Beifahrer wird erschossen. Er ist der Vater von Gloria, der Frau von Lautier, was kein Probleme wäre, wenn Fraiger, der ihren Vater erschoss, nicht unsterblich in sie verliebt wäre.
Und die streikenden Arbeiter wollen nach dem aus dem Ruder gelaufenem Überfall auch nicht das Geld. Sie wollen es vollständig verbrennen.
Kein Wunder, dass Fraiger meint: „Das Leben ist zum Kotzen.“
Aber er und seine Bande machen weiter. Dass das kein gutes Ende nimmt, können wir uns denken. Immerhin ist der Roman schon vor über 65 Jahren geschrieben worden und damals war es eine eherne (heute immer noch gültige) Regel, dass die Verbrecher für ihren Taten büßen müssen. Und dass Gloria keinen guten Einfluss auf den Ich-Erzähler Fraiger hat, können wir uns ebenfalls denken und dennoch wollen wir wissen, wie Fraiger sich immer weiter in Schuld verstrickt. Das erzählt Malet auf knapp 140 Seiten, die sich wie die Vorlage für einen französischen Kriminalfilm aus den fünfziger Jahren lesen. Mit Simone Signoret oder Jeanne Moreau als verführerische Gloria. Jean Gabin ist natürlich auch dabei. Und vielleicht Jean-Paul Belmondo als Fraiger. Und so legt sich über die Geschichte, die etwas unglücklich zwischen Sozialdrama, verquerer Liebesgeschichte (aus heutiger Sicht) und knallhartem Gangsterdrama schwankt, die Patina der Vergangenheit.
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Jérémie Guez‘ Debüt „Paris, die Nacht“ erinnert überhaupt nicht an die klassischen französischen Kriminalfilme. Immerhin spielt der ebenfalls angenehm kurze Roman, der ebenfalls „Das Leben ist zum Kotzen“ heißen könnte, im heutigen Paris. Bei einem ihrer abendlichen Streifzüge entdecken die beiden jungen kleinkriminellen Gelegenheitsdealer Abraham und Goran einen illegalen Spielsalon, in dem Verbrecher zocken. Sie halten es für eine geniale Idee, die Verbrecher auszurauben. Denn die können nicht zur Polizei gehen.
Dass das dann doch keine so grandiose Idee war, erfahen sie kurz darauf. Denn die Gangster wollen ihr Geld zurückhaben. Und im Gegensatz zur Polizei müssen sie sich nicht an das Gesetz halten.
Guez war, als sein Debüt in Frankreich 2010 erschien, 22 Jahre und so überzeugt „Paris, die Nacht“ vor allem als Talentprobe, die er besser nicht im Präsens geschrieben hätte. Allzu oft stockt der Lesefluss, weil ich immer wieder nach zwei, drei, vier Sätzen bemerkte, dass ich in Gedanken mal wieder in der vertrauten, aber hier falschen Zeitform war. Dass sein Debüt den bekannten Genrepfaden folgt, kann ihm nicht wirklich vorgeworfen werden. Immerhin schrieb er nicht, wie andere Debütanten, eine langweilige Selbstbespiegelung und die Geschichte seiner ersten großen Liebe. Frauen haben in „Paris, die Nacht“ noch nicht einmal eine Nebenrolle. Und er verzichtet auf die aus anderen Gangstergeschichten bekannten Klischees über die Banlieue, das Migrantenviertel Belleville und die chancenlosen Migrantenkinder. Hier ist jeder für sein Schicksal verantwortlich. Deshalb buddeln sich der Ich-Erzähler Abraham, sein bester Freund Goran und ihre Freunde, die alle wirklich nicht die Hellsten sind, ohne fremde Hilfe ihr Grab.
– Léo Malet: Das Leben ist zum Kotzen (übersetzt von Sarah Baumfelder und Thomas Mittelstädt) (mit einem Nachwort von Tobias Gohlis) Nautilus, 2015 160 Seiten
14,90 Euro
– Deutsche Erstausgabe
Nautilus, 1987
– Originalausgabe
La vie est dégueulasse
S. E. P.E./Editions du Scorpion, 1948
– Jérémie Guez: Paris, die Nacht (übersetzt von Cornelia Wend) (mit einem Nachwort von Thekla Dannenberg) Polar, 2015 152 Seiten
12,90 Euro
– Originalausgabe
Paris la nuit
La Tengo, 2011
– Hinweise
Wikipedia über Léo Malet (deutsch, französisch) und Jérémie Guez Krimi-Couch über Léo Malet Meine Besprechung von Jalil Lesperts „Yves Saint Laurent“ (Yves Saint Laurent, Frankreich 2013) (Guez ist einer der Drehbuchautoren)
Der Panther wird gehetzt (Frankreich/Italien 1960, Regie: Claude Sautet)
Drehbuch: José Giovanni, Claude Sautet, Pascal Jardin
LV: José Giovanni: Classe tous risques, 1958 (Das Ende vor Augen)
Gangster Abel Davos kehrt aus seinem italienischen Versteck nach Frankreich zurück. Seine alten Freunde wollen nichts mehr von ihm wissen. Nur der Einzelgänger Eric Stark hält zu ihm.
Tolles Unterweltdrama über die letzten Tage eines Gangsters. Jean-Pierre Melville war begeistert. „Für mich bedeutete dieser Film einen Wendepunkt in meiner Karriere, rein gefühlsmäßig zählt er sehr viel. Er gehört zu jenen Filmen, die ich liebe. Aber das ist ganz persönlich.“ (Lino Ventura)
Damals fand die kirchliche Filmkritik keine lobenden Worte: „Was soll eigentlich der Film? Eine spannende Handlung hat er nicht zu bieten…Dann wird zu unserer berechtigten Empörung das Leben eines Verbrechers ganz unverfroren als Beruf hingestellt. In der gleichen Weise wird die Freundestreue hier so erstaunlich gewürdigt, dass man beinahe vergisst, dass hier Menschen durch Gewaltverbrechen aneinander gebunden sind. Die Kinder des Panthers sind schließlich noch der Gipfel der Unverfrorenheit, denn sie dienen nur dem Zweck, den eiskalten Mörder außerberuflich zum rührenden Familienvater zu verklären.“ (Evangelischer Filmbeobachter)
Arte zeigt heute – erstmals – eine rekonstruierte Fassung, in der die bislang in der deutschen Fassung fehlenden Minuten enthalten sind. Sie wurden sogar nachsynchronisiert.
Der Teufel mit der weißen Weste (Frankreich 1962, Regie: Jean-Pierre Melville)
Drehbuch: Jean-Pierre Melville
LV: Pierre Lesou: Le Doulos, 1958
Regieassistenz: Volker Schlöndorff
Nach einem missglückten Einbruch wird Maurice verhaftet. Er glaubt, dass Silien ihn verraten hat und er beauftragt einen Verbrecher, Silien umzubringen. Gleichzeitig tut Silien alles, um Maurice aus dem Gefängnis zu befreien.
Düsterer Gangsterfilmklassiker, mit Jean-Paul Belmondo, Michel Piccoli, Serge Reggiani
Hans Gerhold in „Jean-Pierre Melville“ (Hanser Verlag, Reihe Film 27): „Aus einem durchschnittlichen Série Noire-Stoff wurde ein „Melville“. Tatsächlich macht die komplizierte Konstruktion des Drehbuchs mit unvorhersehbaren Volten und Rückblenden (in den Erzählungen der Personen und in visuellen flash-backs) LE DOULOS zu dem spannendsten und undurchschaubarsten Film Melvilles. Denn LE DOULOS ist eine Anti-Tragödie und auf dem Prinzip der Lüge aufgebaut, die jede Äußerung und jedes Bild sofort wieder relativiert.“
The Limits of Control – Der geheimnisvolle Killer (USA/Spanien 2009, Regie: Jim Jarmusch)
Drehbuch: Jim Jarmusch
In Spanien soll ein schweigsamer Mann einen Auftrag ausführen. Auf seiner Reise trifft er mehrere Personen, die ihm weitere Hinweise über seinen Auftrag verraten.
“The Limits of Control“ ist sicher nicht der beste Film von Jim Jarmusch und definitiv ist er keine Wiederholung von seinem vorherigen Film „Broken Flowers“, aber der “Actionfilm ohne Action” (Jarmusch) ist natürlich sehenswert.
Drehbuch: Francis Veber, Daniel Saint-Harmont, Alexandre Arcady
LV: Jay Cronley: Quick Change, 1981
Für Grimm und sein Team beginnen die wahren Probleme erst nach dem Banküberfall auf dem Weg zum Flughafen.
„Der Boß“ ist der angenehmste Film der Achtziger von Jean-Paul Belmondo: eine lockere Krimikomödie mit Action-Einlagen. Während des Banküberfalls kann Belmondo in einem Clownskostüm dem Affen Zucker geben.
Mit Jean-Paul Belmondo, Guy Marchand, Kim Cattrall
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