Mit „Der Fahrer“ betritt Andrew Vachss für ihn neues Territorium. Ältere Krimileser werden sich noch an den Mann mit der Augenklappe erinnern. In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Andrew Vachss mit seinen Burke-Romanen sehr präsent in Deutschland. Die düsteren und umstrittenen Werke wurden übersetzt und er gab etliche Interviews in deutschen Zeitschriften. Er erzählte von seiner Arbeit als Anwalt für Kinder und Jugendliche. Er erzählte von seinem Kampf für missbrauchte Kinder. Und er schrieb die düsteren, in New York spielenden Burke-Romane, in denen ein nicht-lizensierter Privatdetektiv zusammen mit seinen Kampfgefährten Selbstjustiz an Kinderschändern übt. Dagegen war sogar Batmans Gotham City ein heimeliger Ort (Oh, Vachss schrieb 1995 auch die Batman-Geschichte „The ultimate evil“.).
Und dann wurden seine neuen Werke nicht mehr übersetzt. Wahrscheinlich lag es an einem unguten Gemisch aus Umstrukturierungen im Verlag und nicht zufrieden stellenden Verkaufszahlen. In den USA veröffentlichte er dagegen acht weitere Burke-Romane und zwei Einzelwerke.
„Der Fahrer“, mit dem Andrew Vachss jetzt auf den deutschen Buchmarkt zurückkehrt ist eines seiner wenigen Einzelwerke und man muss kein Noir-Experte oder Krimifan sein, um zu wissen, wie die Story des nicht übermäßig intelligenten Fluchtwagenfahrers Eddie ausgeht. Immerhin geht es um den letzten Coup und die Liebe zur falschen Frau.
Bereits als Jugendlicher ist Eddie ständiger Gast in den verschiedenen staatlichen Besserungsanstalten. Er wurde immer wieder mit einem gestohlenen Auto erwischt. Denn er liebt das Fahren. Doch damit würde er in der Hierarchie der Gefängnisse ganz unten stehen. Also beginnt er seine Geschichte etwas aufzupäppen. Bei einer Verhaftung kommt es sogar zu einem großen Polizeieinsatz. Anschließend gibt er auch von der Polizei fälschlich erhobene Anklagepunkte zu. Danach ist seine Karriere als Fluchtwagenfahrer vorgezeichnet. Doch erst nach dem er J. C. kennen lernt und der ihn unter seine Fuchtel nimmt, beginnt Eddie wirklich Geld zu verdienen. Da plant J. C. als letzten Raubzug den Überfall auf den Geldtransporter eines Indianercasinos.
Während J. C. und Gus zur Vorbereitung immer wieder für mehrere Tage den Unterschlupf verlassen, richtet Eddie das Fahrzeug her. Bei ihm ist J. C.s Freundin Vonda. Sie kommen sich, wenig überraschend, näher.
Vachss „Der Fahrer“ ist eine feine Hommage an die klassischen Pulps. Er erzählt diese kleine Geschichte, die bequem an einem Abend gelesen werden kann, aus Eddies Sicht. Sein Erzähler ist zwar intelligent genug, um die einfachen Regeln der Gangsterwelt zu verstehen und seinen Job gut zu machen. Aber er wird niemals selbst Verbrechen planen. Er hat auch überhaupt keinen Ehrgeiz dazu – bis er Vonda trifft und die Ereignisse ihren fatalen Lauf nehmen.
Die Variationen zu anderen Noir-Gangsterkrimis liegen deshalb in den Details. Vachss skizziert die verschiedenen Orte nur kurz und nennt keine Städtenamen. So wird Eddies Geschichte fast schon zu einer nüchternen Fallstudie über das Leben eines Kleingangsters, der nie die Chance auf ein anderes Leben hatte; garniert mit einigen Anmerkungen zur Popkultur.
Denn Eddie ist ein junger Mann, der das Fahren liebt, deshalb immer nur Fluchtwagenfahrer werden wollte und der daher auch Filme über das Fahren liebt. „Moonshine Highway“, ein kaum bekannter TV-Krimi von 1996 über Schnapsschmuggler („ein kleiner Klassiker. Unterschätzt und unaufdringlich. Sehr noir.“), und „Thunder Road“ (Letzte Fahrt nach Memphis, Kilometerstein 375), der „größte Schnapsschmugglerfilm, der je gedreht wurde“ von 1958 mit Robert Mitchum, sind seine Lieblingsfilme. „Vanishing Point“ (Fluchtpunkt San Francisco) gefällt ihm auch. „Driver“, dagegen, mag er nicht, weil Ryan O’Neal „ein Fluchtwagenfahrer sein sollte, aber er machte es nicht richtig“.
„Der Fahrer“ ist ein kleiner, schnörkelloser Gangsterkrimi. Nicht mehr und auch nicht weniger.
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Andrew Vachss: Der Fahrer
(übersetzt von Georg Schmidt)
rororo, 2008
224 Seiten
8,95 Euro
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Originalausgabe
The Getaway Man
Vintage Books/Random House, New York 2003
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Hinweise
Homepage von Andrew Vachss (deutsch/englisch)
Wikipedia über Andrew Vachss (deutsch/englisch)
Krimi-Couch über Andrew Vachss
You Tube: Vierteiliges Interview mit Andrew Vachss

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