Neue Drehbücher: „New Moon“, Schätze, Straßen und ein sinkendes Schiff

November 30, 2009

Für einen guten Film braucht man ein gutes Drehbuch. Ob diese Weisheit stimmt, kann bei einigen Drehbüchern überprüft werden:

demächst im Kino

Joe Penhall: The Road (die, wie man hört, sehr düstere Verfilmung von Cormac McCarthys gleichnamigem Roman)

Terry Gilliam/Charles McKeown: The Imaginarium of Doctor Parnassus (Fassung vom 26. Mai 2007)

Peter Morgan: The Damned United (Fassung vom 2. Juli 2008, nach dem Roman von David Peace)

 

schon im Kino

Melissa Rosenberg: The Twilight Saga: New Moon (2. Fassung, 21. Dezember 2008; ist zwar kein Film für mich, aber…)

Pedro Almodóvar: Broken Embraces (Los Abrazos Rotos – Vierte Fassung; lief bei uns als „Zerrissene Umarmungen“)

Michael Haneke: Das weiße Band (Ähem, übersetzt und deshalb „The white Ribbon“)

William Monahan: Body of Lies (Pink Revisions, 21. September 2007)

Sofia Coppola: Lost in Translation (Fassung vom 2. September 2002)

Stephen Gaghan: Traffic (Nicht datierte Fassung)

Stephen Gaghan: Traffic (Fassung vom 3. Dezember 1999)

Drew Goddard: Cloverfield (Fassung vom 8. Juni 2007)

Scott Derrickson: The day, the earth stood still (Nicht datierte Fassung des Remakes mit Keanu Reeves; offiziell stammt das Drehbuch von David Scarpa und Derrickson führte Regie)

Josh Friedman/David Koepp: War of the Worlds (1st rewrite draft, – und noch ein SF-Remake)

 

Klassiker

James Cameron: Titanic (nicht datiert)

Steven Spielberg: Close Encounters of the third Kind (Fassung vom 12. Mai 1976)

Robert Rossen: The Treasure of the Sierra Madre (Fassung vom 1. Januar 1947)

John Ridley: U-Turn (Zweite Fassung vom Oktober 1994)

John Pogue: U. S. Marshals (Fassung vom 29. Februar 1997; die Fortsetzung von „Auf der Flucht“ hieß bei uns „Auf der Jagd“ und Tommy Lee Jones spielte wieder U. S. Marshal Samuel Gerard)

William Goldman: Butch Cassidy and Sundance Kid (das müsste schon länger im Netz sein, aber weil der Film zu meinen Lieblingen gehört…)

 

 

 


TV-Tipp für den 30. November: Ghost Dog – Der Weg des Samurai

November 30, 2009

Arte, 21.00

Ghost Dog – Der Weg des Samurai (USA 1999, R.: Jim Jarmusch)

Drehbuch: Jim Jarmusch

Poetisch-meditativer, mit Hip-Hop-Klängen unterlegter Gangsterfilm über einen nach dem Kodex der Samurai lebendem Killer, der auf die Abschussliste seiner Auftraggeber gerät. Jarmusch ist dabei gänzlich desinteressiert an der Story, aber sehr interessiert an dem Spiel mit Stimmungen, Symbolen, Zeichen und Motiven.

Durch ‚Ghost Dog‘ hindurch blicken wir wie durch ein Vergrößerungsglas in die Filmgeschichte. (…) Mit ‚Ghost Dog‘ variiert Jarmusch einmal mehr sein Lieblingsthema, die Differenz der Kulturen und die wunderbaren, auch komischen Momente, die durch den Zusammenstoß verschiedener Mentalitäten entstehen können. Besonders bizarr sieht seine filmische Synthese von HipHop und italienischer Vorstadt-Mafia aus.“ (Nils Meyer in Rolf Aurich/Stefan Reinecke, Hrsg.: Jim Jarmusch, 2001 – ein empfehlenswertes Buch)

mit Forest Whitaker, John Tormey, Cliff Gorman, Henry Silva, Isaach de Bankolé, Gary Farmer, The RZA (Cameo; er schrieb auch die Musik)

Wiederholung: Freitag, 4. Dezember, 00.40 Uhr (VPS 00.34, Taggenau!)

Hinweise

Wikipedia über „Ghost Dog“ (deutsch, englisch)

Arte über „Ghost Dog“

Senses of Cinema: Marco Lanzagorta über „Ghost Dog“ (September 2002)

The Jim Jarmusch Resource Page



Wochenendvergnügen

November 29, 2009

TV-Tipp für den 29. November: Monsieur Klein

November 29, 2009

Arte, 20.15

Monsieur Klein (F/I 1976, R.: Joseph Losey)

Drehbuch: Franco Solinas, Fernando Morandi, Joseph Losey

Paris 1942: Robert Klein verdient als Kunsthändler gut an der Not der Juden. Eines Tages liegt vor seiner Haustür ein an ihn adressiertes Exemplar der „Les informations juives“. Klein will herausfinden, warum er die Zeitung zugeschickt bekommen hat. Er erfährt von einem gleichnamigen Juden, der sich anscheinend seiner Identität bemächtigen will.

Kafkaesker Alptraum ohne die Hoffnung auf ein Happy End, von Losey karg und sehr stilbewusst inszeniert. Delons zurückhaltendes Spiel passt perfekt zur Rolle des emotionslosen Mitläufers, der nur an sich denkt und dabei zielsicher ins Verderben läuft.

Delon war für einen Cesar als bester Schauspieler nominiert, Losey erhielt einen für die Regie und der Film gewann den Cesar für bester Film.

mit Alain Delon, Jeanne Moreau, Michel Lonsdale, Juliet Bertot, Suzanne Flon, Jean Bouise

Wiederholung: Montag, 30. November, 14.45 Uhr

Hinweise

Wikipedia über „Monsieur Klein“ (deutsch, englisch, französisch)


Die Krimiwelt-Bestenliste Dezember 2009

November 28, 2009

Die letzte KrimiWelt-Bestenliste für dieses Jahr bietet kaum Überraschungen:

 

1 (3) David Peace: Tokio im Jahr Null

2 (1) Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott

3 (4) Linus Reichlin: Der Assistent der Sterne

4 (-) Don Winslow: Frankie Machine

5 (-) Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto

6 (-) Gerard Donovan: Winter in Maine

7 (6) Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht

8 (7) Malla Nunn: Ein schöner Ort zum Sterben

9 (8) Håkan Nesser: Das zweite Leben des Herrn Roos

10 (-) William Boyd: Einfache Gewitter

In ( ) ist die Platzierung des Vormonats.

Tja, Ken Bruens „Jack Taylor flieg raus“ ist schon wieder draußen. Sallis ebenso. Peace, Haas und Ani bleiben drin. Winslow ist drin und Donovan hat ein interessantes Buch geschrieben, das wirklich nicht für jeden ist. Mich hat es eher kalt gelassen.


TV-Tipp für den 28. November: Der Obrist und die Tänzerin

November 28, 2009

WDR, 23.45

Der Obrist und die Tänzerin (USA/E 2002, R.: John Malkovich)

Drehbuch: Nicholas Shakespeare

LV: Nicholas Shakespeare: The Dancer upstairs, 1995 (Der Obrist und die Tänzerin)

Irgendwo in den Anden: Polizist Augustin soll eine Gruppe von Terroristen bekämpfen und gerät zwischen die Fronten.

Malkovichs Regiedebüt ist ein, trotz gewisser Schwächen, beeindruckender Politthriller.

Die Verfilmung von Nicholas Shakespeares gleichnamigem Roman ist eine politisch und psychologisch spannende Auseinandersetzung mit Gewalt und Gegengewalt, Terror und Gegenterror. In jedem Moment spürt man die Spirale der Hoffnungslosigkeit, auch die Ursachen des Übels werden nicht verschwiegen. Javier Bardem brilliert als zwischen Staatsloyalität und Liebe zerrissener Mann.“ (Margret Köhler, Film-Jahrbuch 2004)

Mit Javier Bardem, Laura Morante


PI Spenser will April Kyle – wieder einmal – helfen

November 27, 2009

Spenser war schon immer auch ein Sozialarbeiter. In „Early Autumn“ (Finale im Herbst) übernahm er die Erziehung von Paul Giacomin. Er entwickelte sich prächtig. Bei April Kyle war das etwas schwieriger. In „Ceremony“ (Einen Dollar für die Unschuld) sollte er sie suchen. Weil April Kyle nicht zu ihren Eltern zurückwollte, schickte er sie nach New York zu Patricia Utley. Die Edelprostituierte nahm sich des Mädchens an. In „Taming a Sea-Horse“ (Wer zähmt April Kyle?) musste er April wieder helfen und jetzt betritt sie sein Büro und bittet ihn um Hilfe.

Seit gut zwei Jahren betreibt sie in Boston ein Edelbordell. Vor kurzem tauchten zwei Männer bei ihr auf und wollten ein Viertel von ihrem Geschäft. Spenser und sein Kumpel Hawk nehmen sich die Schläger vor und erfahren von ihnen, dass sie von Ollie DeMars geschickt wurden. DeMars kann Spenser allerdings nur verraten, dass er von einem Unbekannten beauftragt wurde und er, bis er eine Gefahrenzulage von ihm erhält, nichts tun werde.

Spenser ruft einige seiner Freunde. Die sollen das Bordell beschützen, während er DeMars‘ Auftraggeber sucht.

Hundert Dollar Baby“, der 34. Fall für Privatdetektiv Spenser, unterscheidet sich natürlich kaum von den vorherigen Fällen. Es ist wie ein Abend mit einem alten Freund oder die neue Folge einer langlebigen TV-Serie. Die meisten Gags sind bekannt oder Variationen bekannter Witze, wie die Frotzeleien zwischen Spenser und Hawk. Der schwule Teddy Sapp, einer ihrer schlagkräftigen und furchtlosen Freunde, ist dagegen eine echte Bereicherung. Aber er verschwindet ziemlich schnell wieder aus der Geschichte. Spensers Freundin Susan Silverman scheint immer weniger zu Essen. Spenser verdrückt währenddessen Mahlzeiten für eine halbe Fußballmannschaft. Dabei unterhalten sie sich über Liebe, Sex, Prostitution (Wird die Frau entwürdigt? Oder der Mann? Kann es überhaupt glückliche Huren geben?) und April Kyles Psyche. Immerhin ist Susan Therapeutin und diese Gespräche gehören zu einem Spenser-Roman einfach dazu. Genau wie ihr gemeinsamer Hund Pearl.

Das Plotting ist ebenfalls gewohnt nachlässig. So ist ziemlich offensichtlich, wer Ollie DeMars umgebracht hat und wer hinter allem steckt. Dieses Mal betont Ich-Erzähler Spenser sogar öfters, dass er von allen belogen werde und bei seinen Ermittlungen einfach nicht voran komme. Das liegt allerdings weniger an dem komplizierten Plot, sondern eher an Robert B. Parkers Arbeitsstil. Denn er schreibt die Spenser-Geschichten, neben den Jesse-Stone-, Sunny-Randall- und Virgil-Cole/Everett-Hitch-Romanen, in einem atemberaubenden Tempo. Dieses Jahr veröffentlichte Parker vier neue Romane. Dabei entwickelt er den Plot während des Schreibens und er macht, so sagt er, keine Überarbeitungen. Das führt bei „Hundert Dollar Baby“, wieder einmal, zu einem ziemlich zähen Mittelteil. Auch der Mord an Ollie DeMars bringt kaum Schwung in Spensers sich über mehrere Monate erstreckenden Ermittlungen.

Aber Robert B. Parkers entspannter Schreibstil gefällt immer noch. Und mit zweihundert Seiten ist das Buch auch schnell gelesen.

Robert B. Parker: Hundert Dollar Baby

(übersetzt von Emanuel Bergmann)

Pendragon, 2009

208 Seiten

9,90 Euro

Originalausgabe

Hundred-Dollar Baby

G. P. Putnam’s Sons, 2006

(Anmerkung: Angekündigt als „Dream Girl“)

Hinweise

Homepage von Robert B. Parker

Mein Porträt der Spenser-Serie und von Robert B. Parker

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Die blonde Witwe“ (Widow’s walk, 2002)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Der stille Schüler“ (School Days, 2005)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Der gute Terrorist“ (Now & Then, 2007)


TV-Tipp für den 27. November: Layer Cake

November 27, 2009

Pro 7, 22.30

Layer Cake (GB 2004, R.: Matthew Vaughn)

Drehbuch: J.J. Connolly

LV: J.J. Connolly: Layer Cake, 2000 (Layer Cake: Willkommen im Club)

Ein Drogenhändler der besseren Art will aussteigen. Sein Boss hat vorher noch zwei Aufträge für ihn: er soll eine Junkie-Tochter aufspüren und eine riesige Menge Ecstasy aufkaufen. Das ist beides nicht so einfach.

Allgemein abgefeierter Gangsterthriller, der leider nie in die deutschen Kinos kam. Eine euphorische Stimme: „Aktionsreicher, beinharter Thriller in bester britischer Tradition. Hervorragend gespielt, fotografiert und inszeniert, bis ins kleinste Detail präzise entwickelt.“ (Lexikon des internationalen Films)

Mit Daniel Craig, Tom Hardy, Jamie Foreman, Sally Hawkins, Burn Gorman, Sienna Miller

Wiederholung: Sonntag, 29. November, 00.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage zum Film

BBC-Interview mit Matthew Vaughn

Wikipedia über „Layer Cake“ (deutsch, englisch)


Tatort-Romane – zum Dritten

November 26, 2009

Bei Max Palü, der von 1988 bis 2005 in Saarbrücken ermittelte, war die Welt von Koch und Kellner noch in Ordnung. Stefan Deininger war der Kellner. In „Aus der Traum…“ macht er sich Hoffnungen auf den Chefposten. Aber dann kommt dieser Franz Kappl aus Bayern und der soll Chef der Saarbrücker Mordkommission werden. Deininger reagiert auf diese Nachricht, die er natürlich während seiner Geburtstagsfeier erhält, wie ein kleines Kind, dem sein Lieblingsspielzeug weggenommen wird.

Dass die Beiden wenige Minuten nach ihrem ersten Aufeinandertreffen gleich einen komplizierten Mordfall haben, verstärkt ihre gegenseitige Abneigung. Denn die Tote ist Kathi Schaller. Deininger war in die junge, gutaussehende Kollegin verliebt und damit ist er für Kappl auch einer der Verdächtigen.

Und Deininger will, indem er Kathis Mörder fängt, beweisen, dass nur er den rechtmäßigen Anspruch auf Palüs Nachfolge hat. Dafür bedient er sich hemmungslos seiner guten Saarbrücker Verbindungen und lässt den Bayern so oft und so gut es geht auflaufen.

Das gestaltet sich etwas schwierig, weil Deininger blind vor Wut ist und sich so täppisch benimmt, dass er Kappl für saftige Disziplinarmaßnahmen eine Steilvorlage nach der nächsten liefert. Außerdem ist der sehr junge Kappl ein guter Ermittler, mit einigen Fortbildungen bei der New Yorker Polizei und einem großen Vertrauen in moderne Ermittlungsmethoden.

Fred und Léonie-Claire Breinersdorfer erfanden die erstaunlich schwache Geschichte, die Martin Conrath zu einem Roman umarbeiten durfte. Denn in „Aus der Traum…“ entwickelt sich alles in den vertrauten Pfaden. Nachdem sich Kappl und Deininger lange genug angekläfft haben, sind sie am Ende der Geschichte die besten Freunde und seitdem natürlich auch formal gleichberechtigte Ermittler. Der Fall selbst wird von diesem Revierverhalten an den Rand gedrängt und am Ende ziemlich schnell aufgeklärt.

Conrath machte das Beste aus der vermurksten Vorlage. Die ersten Zeilen, wenn der normalerweise superpünktliche Kappl verzweifelt durch die Einbahnstraßen von Saarbrücken irrt, sind ein gelungener Einstieg. Sehr schön sind auch die vielen aus der Kappls oder Deiningers Sicht erzählte Szenen, in denen Conrath die gegenseitige Abneigung zur von den TV-Machern unbeabsichtigten Karikatur treibt. Auch die anderen Charaktere, wie das schon aus Palüs Tagen bekannte Team in der Saarbrücker Mordkommission und der tatverdächtige, vorbestrafte, begnadete und erfolglose Musiker Charlie Wax (Klischees, ich hör euch trapsen.) werden plastisch gezeichnet. Aber letztendlich hilft es nicht, wenn der zentrale Konflikt zwischen den beiden Ermittlern nicht funktioniert, der Mordfall schwach ist und ein biederer Humor („Madame Maigret“) für Lacher sorgen soll.

Fast vor meiner Haustür, in Leipzig, endet die Lesereise durch die „Tatort“-Romane. Dort ermittelt, nach dem lange überfälligem Weggang von Kommissar Bruno Ehrlicher, das Team Saalfeld/Keppler und die ersten Meldungen ließen das Schlimmste befürchten. Denn die Kommissare Eva Saalfeld und Andreas Keppler waren miteinander verheiratet und müssen jetzt zusammenarbeiten. Bei dieser Konstruktion hört man schon die Ideenmaschine der Macher, die stockbesoffen vor Begeisterung über ihre Idee sind, rattern. In ihrem ersten Fall „Todesstrafe“ wird dieser Punkt aber erstaunlich erwachsen und prosaisch abgehandelt. Sie haben sich nach der Scheidung viele Jahre nicht gesehen, sind aber immer in Kontakt geblieben und als Eva Saalfeld die designierte Leiterin der Leipziger Mordkommission wurde, wünschte sie sich Andreas Keppler als Kollegen, weil er einfach der beste Ermittler ist.

Denn während Eva Saalfeld das Mädchen von nebenan ist, mit dem man Pferde stehlen kann, ist Andreas Keppler ein kleiner Sherlock Holmes. Introvertiert, menschlich schwierig, allein lebend, aber ein genauer Beobachter, der nur für seine Arbeit lebt. Er puzzelt an seinen Fällen so lange herum, bis er die Lösung hat.

In ihrem ersten Fall „Todesstrafe“ suchen sie den Mörder von Hans Freytag. Er hatte in einer leerstehenden Fabrik eine Art Jugendzentrum aufgebaut und versuchte den Jugendlichen mit der Renovierung eines Schiffes Selbstvertrauen zu geben. Allerdings hatte ihn seine Frau angezeigt, ihre Tochter unsittlich berührt zu haben. Eine Bürgerwehr forderte den Tod von Kinderschändern wie Freytag. Keppler und Saalfeld fragen sich, ob einer der gesetzestreuen Bürger das Gesetz in die eigenen Hände genommen hat.

Bei ihren Ermittlungen stellen die Beiden schnell fest, dass es zur Tatzeit in der Fabrik wie in einem Taubenschlag zuging. Keppler hat daher einiges zu puzzeln.

Todesstrafe“ ist der gelungene Einstieg eines neuen Teams. Bei der Entwicklung wurde sich wirklich bemüht, ein stimmiges Gespann und eine spannende Geschichte zu erfinden. In seinem Filmroman liefert Oliver Wachlin dann Informationen zu den beiden Ermittlern und den etwas seltsamen Ermittlungsmethoden von Keppler. Denn er will einen Tatort vor den Kriminaltechnikern besichtigen. Dass er damit jede moderne Polizeiarbeit grandios torpediert und er teilweise sogar Spuren vernichtet (wenn er sich durch ein Fenster schwingt, durch das vorher wahrscheinlich der Täter flüchtete, er über mehrere Hinterhöfe die Spur des Täters verfolgt und in einem Müllcontainer nach Beweisen sucht) muss als ein – sehr großes – Zugeständnis an die Fiktion genommen werden, das man zähneknirschend hinnimmt, weil Keppler ein einprägsamer Charakter ist, der hoffentlich künftig Fälle lösen darf, die seinen intellektuellen Fähigkeiten entsprechen. Dass dafür dann das gleichberechtigte Ermittlerpaar (mit ihr als Vorgesetzte) hin zu einem traditionellen Sherlock-Holmes/Dr.-Watson-Gespann aufgelöst würde, wäre eine willkommene Abwechslung im „Tatort“-Einerlei von gleichberechtigten Ermittlern, ihrem ausuferndem Privatleben und eine Hinwendung zu einem Ermittler, für den spezielle Fälle geschrieben werden.

Das ist jedenfalls das in Wachlins Romanfassung liegende Versprechen. Ob es eingelöst wird, kann in den nächsten Fällen des Teams Eva Saalfeld/Andreas Keppler (die ich noch nicht gesehen habe) geprüft werden.

 

Fortsetzung folgt im Frühjahr 2010

 

Martin Conrath: Aus der Traum…

Emons, 2009

176 Seiten

8,95 Euro

Vorlage

Tatort: Aus der Traum… (D 2006)

Regie: Rolf Schübel

Drehbuch: Fred & Léonie-Claire Breinersdorfer

mit Maximilian Brückner, Gregor Weber, Alice Hoffmann, Hartmut Volle, Lale Yavas, Urs Fabian Winger, Burghart Klaußner, Lena Stolze, Andreas Schmidt

Erstausstrahlung: 15. Oktober 2006 (Folge 643)

Oliver Wachlin: Todesstrafe

Emons, 2009

176 Seiten

8,95 Euro

Vorlage

Tatort: Todesstrafe (D 2008)

Regie: Patrick Winczewski

Drehbuch: Mario Giordano, Andreas Schlüter

mit Simone Thomalla, Martin Wuttke, Julia Richter, Roman Knižka, Nadja Engel, Oliver Breite, Gitta Schweighöfer, Matthias Brenner

Erstausstrahlung: 25. Mai 2008 (Folge 700)

Hinweise

Kriminalakte: Gespräch mit Hejo Emons über die Tatort-Reihe

Kriminalakte: Tatort-Romane – zum Ersten (Oliver Wachlin: Blinder Glaube; Martin Schüller: Die Blume des Bösen)

Kriminalakte: Tatort-Romane – zum Zweiten (Martin Schüller: A gmahde Wiesn, Christoph Ernst: Strahlende Zukunft)


Ein Interview mit Lawrence Block

November 26, 2009

In der Bat Segundo Show redet Lawrence Block vierzig Minuten über

Step by Step“ as an anti-memoir, exploring childhood experience in print, randomness and finding connections, writing with a greater degree of freedom, Random Walk, concerns about a limited audience, earlier attempts at memoir, attempts by Block to write memoirs in the mid-1990s, the virtues of getting older, being less guarded with age, following up on Block’s remarks from Galut, avarice as the guiding principle, Evan Hunter, Charles Ardai and Hard Case Crime, growing less reticent about limited editions, the $479 Kindle, not carrying about work being preserved, genre fiction as a window to a specific world, Raymond Chandler, Agatha Christie never going out of print, Block and Judaism, being a creature of intense and transitory enthusiasms, not having a goal, the lack of commonality between writing and race walking, becoming increasingly drawn to pursuits that don’t involve leaving the house, writing screenplays, short stories vs. novels, and Alexander McCall Smith’s Wall Street Journal article and reader “ownership” of the characters.


Neu im Kino: Die Tür

November 26, 2009

Die Tür (D 2009)

Regie: Anno Saul

Buch: Jan Berger

LV: Akif Pirinçci: Die Damalstür, 2001 (Neuveröffentlichung als „Die Tür“)

Fünf Jahre nach dem Unfalltod seiner Tochter erhält die David die Möglichkeit in die Vergangenheit zu reisen und das Unglück ungeschehen zu machen. Aber sein zweites Ich ist noch am Leben und David fragt sich, wie er mit dem fünf Jahre jüngeren Doppelgänger umgehen soll.

Sanfter Mystery-Thriller, der auf ein geteiltes, aber eher wohlwollendes Echo stößt. Denn es wäre wohl mehr möglich gewesen.

erstaunlich souveräne Versuch eines deutschen ‚Mystery Thrillers’“ (Birgit Roschy, epd Film 11/2009)

unlogisches Krimidrama“ (ts, Widescreen Vision 12/2009)

Saul und Berger arbeiteten bereits bei „Kebab Connection“ zusammen.

mit Mads Mikkelsen, Jessica Schwarz, Thomas Thieme, Heike Makatsch

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Die Tür“

Krimi-Couch über Akif Pirinçci

Wikipedia über Akif Pirinçci


TV-Tipp für den 26. November: Tatort: Eine unscheinbare Frau

November 26, 2009

WDR, 20.15

Tatort: Eine unscheinbare Frau (D 2001, R.: Martin Gies)

Drehbuch: Johann Greve

Margit Bredes ist eine unscheinbare Frau, die klaglos jede Demütigung akzeptiert. Aber heute ist einer der Tage an denen alles schief geht. Als dann auch noch der Gemüsehändler zudringlich wird, reicht es ihr endgültig. Sie wehrt sich und erschießt ihn mit seiner Pistole. Als nächstes geht sie zu ihrem Exgeliebten. Dieses Mal hat sie eine Waffe dabei.

Eine unscheinbare Frau“ ist die gelungene Studie einer Frau, die nach endlosen Demütigungen die Initiative ergreift. Da bleibt für die Kommissare Lürsen und Stedefreund nur noch ein Platz auf der Zuschauertribüne.

mit Sabine Postel, Oliver Mommsen, Bettina Kupfer, Henry Hübchen


Kleinkram – hauptsächlich Interviews

November 25, 2009

Hardboiled Wonderland redet mit Allan Guthrie und Tom Piccirilli.

South Africa’s Crime Beat redet mit Declan Burke.

Declan Burke rdet mit C. J. Box (sein neuer Roman „Todeszone“ [Free Fire, 2007] erschien vor wenigen Tagen bei Heyne):

Burke: Who do you read for guilty pleasures?
Box: Thomas McGuane, Charlie Huston, John Sandford, Michael Connelly, Ken Bruen, Denise Mina, Megan Abbott. I’d also list Cormac McCarthy, but his writing makes me feel too guilty.

Cormac McCarthy redet mit dem Wall Street Journal über die Verfilmungen seiner Romane (zuletzt „The Road“) und einige andere Dingen.

The Chicago Contingent (Dana Kaye) redet mir Marcus Sakey (der leider nicht mehr übersetzt wird):

Kaye: Talk a little about your writing process. How has it changed from book #1 to #4?

Sakey: More than I thought it would. That old axiom about every book being different? It’s spot-on true. I’ve become a more organized writer with each book, which helps when the fear sets in. I outline the overall shape, and where it makes sense, I apply a three-act structure. There’s less wing-it-and-pray and more take-this-hang-glider-off-the-cliff-and-still-pray.
This is a strange and scary way to make a living. You need to strike a balance between planning and inspiration. Lean too far either direction and you’re likely to end up with something that’s either stale or scattered. I guess the biggest change is that having done this a couple of times, I know to expect certain traps. I know that around page 200 I’m going to hate the whole damn project. I know that nearing the end, I’m going to hit problems that seem unresolvable. But I also know that (fingers crossed) if I just keep banging my head against them, eventually I’ll break through.

Ken Bruen verrät, welche Filme und Serien ihm dieses Jahr besonders gefallen haben.

Max Allan Collins zeigt drei verschiedene Covers für das Mike-Hammer-Audiobook „The little death“ (gesprochen von Stacy Keach) und erklärt wie das endgültige Cover entstand.

Jason Pinter (dessen neuer Roman „5 Jahre“ [The Stolen, 2008] vor wenigen Tagen bei Mira erschien) hat die Krimikritiker Patrick Anderson, Oline H. Cogdill, Jon Jordan, David J. Montgomery, Kate Stine und Sarah Weinman nach dem „State of the Crime Novel“ gefragt.

Entstanden ist ein ziemlich langes, lesenswertes Teil.

Schnittberichte vergleicht den Director’s Cut und den Ultimate Cut von „Watchmen“ und die Kinofassung mit dem Director’s Cut von „Terminator – Die Erlösung“ (Juhu, eine sehr züchtige Nacktaufnahme von Moon Bloodgood und etwas mehr Gewalt. Insgesamt knappe drei Minuten mehr Langeweile.)

Bei Go into the Movies wurden in den vergangenen Tagen etliche Drehbücher gelesen. Den Abschluss bildete „The Wild Bunch“ und Scott Myers wies dabei auch auf ein fast dreistündiges Interview mit Sam Peckinpah von 1976 hin (Teil 1, Teil 2).


TV-Tipp für den 25. November: Wilde Zeiten in Shanghai

November 25, 2009

Arte, 21.00

Wilde Zeiten in Shanghai (F 2008, R.: Anne Riegel, Olivier Horn)

Drehbuch: Anne Riegel, Olivier Horn

Spielfilmlange Doku über Shanghai in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Korruption und Verbrechen die Stadt beherrschten.

Wiederholungen

Dienstag, 1. Dezember, 01.30 Uhr (Taggenau!)

Freitag, 11. Dezember, 03.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweis

Arte über die Doku


Tatort-Romane – zum Zweiten

November 24, 2009

Neben den Kölner „Tatorten“ wird normalerweise dem Münchner „Tatort“ ein konstant hohes Niveau attestiert. Doch während die Kölnern einen Hang zum penetranten Moralisieren haben, behandeln die Münchner auch schwierige Themen mit einem guten Gespür für die Münchner Eigenheiten und ohne den hocherhobenen moralischen Zeigefinger. Daran haben, für das aktuelle Team, renommierten Regisseure, wie Dominik Graf, Josef Rödl und Hanns Christian Müller, und, schon seit Jahrzehnten ,die Drehbuchautoren, die öfters auch erfolgreiche Krimiautoren sind, beigetragen. Herbert Rosendorfer, Michael Molsner, Peter Hemmer, Herbert Riehl-Heyse, Ulf Miehe, Robert Hültner und auch Friedrich Ani schrieben Drehbücher für die Münchner Kommissare.

Der Letztgenannte schrieb auch das Drehbuch für den Whodunit „A gmahde Wiesn“ in dem die Kommissare Franz Leitmayr und Ivo Batic, kurz vor dem Beginn des Oktoberfestes, den Mord an Stadtrat Hubert Serner aufklären müssen. Serner war ein Casanova und hatte bei der Vergabe der sehr einträglichen Lizenzen für die Wiesn das letzte Wort. Weil, neben Sex, Geld immer ein gutes Mordmotiv ist, sehen die beiden Kommissare sich die Wiesn-Wirte und ihre erfolglosen Konkurrenten an.

Das Tätersuchspiel ist nur der rote Faden für eine Liebeserklärung an Münchens größtes Volksfest und eine feine Soziographie des Millionengeschäftes Oktoberfest.

Denn Ani will in erster Linie ein Milieu erkunden. Dabei kann er dieses Mal, im Gegensatz seinen ebenfalls sehr gelungenen Münchner „Tatorten“ „Das Glockenbachgeheimnis“ und „Und dahinter liegt New York“, auch für die touristischen Seiten seiner Heimatstadt werben. Im Film führt das zu einigen länglichen Monologen, in denen die städtischen Lizenzvergeber, Wirte und Schausteller das nötige Hintergrundwissen über die ökonomischen Aspekte des Oktoberfestes vermitteln. Im Roman fallen diese Monologe nicht mehr ins Gewicht. Und die Sympathie für die kleinen Leute schimmert in Martin Schüllers Romanfassung vielleicht sogar etwas stärker als im Film durch. „A gmahde Wiesn“ ist, wie von den Münchner gewohnt, ein guter Krimi.

Der Bremer „Tatort“ wagte, sicher auch weil viel weniger Folgen gedreht werden, in den vergangenen Jahren immer wieder Experimente. Es gab sterbenslangweilige Whodunits, gelungene Milieustudien, ergreifende Fallstudien, in denen Kommissarin Inga Lürsen nur noch eine Nebenrolle hatte, eine tolle Aufarbeitung von „1968“, eine überflüssige von „9/11“ und packende Thriller.

Strahlende Zukunft“ ist sogar – eine Seltenheit im deutschen TV – ein Politthriller, der die Verflechtungen von Politik und Wirtschaft ziemlich genau durchleuchtet und auf ein einfaches Happy-End verzichtet.

Denn Kommissarin Inga Lürsen kämpft an zwei Fronten. Einerseits versucht sie Daniel Vegener, der mit ihrer Dienstwaffe flüchtete, von einer Dummheit abzuhalten. Er möchte beweisen, dass seine Mutter Sandra Vegener nicht verrückt war, als sie auf dem Marktplatz Richter Weller überfuhr und sich anschließend umbrachte. Sie war in der Psychiatrie eingewiesen worden, nachdem sie, zunehmend fanatisch, nach dem Leukämietod ihrer Tochter gegen die Sendemasten der Telefongesellschaft 2wave protestierte und behauptete, dass sie mit Strahlen in den Wahnsinn getrieben werden solle. Lürsen die ihr damals nicht geholfen hatte, möchte jetzt beweisen, dass die Anschuldigungen von Sandra Vegener stimmen. Aber 2wave hat weltweite Verbindungen und ist auch an einem polizeilich-militärischem Forschungsprojekt, das von Bremer Senat gefördert wird, beteiligt.

Während Lürsen den amoklaufenden Jungen sucht, versucht die Telefongesellschaft 2wave alles, um ihre Geschäfte zu sichern. Ein Menschenleben ist dabei nur eine Variable in ihrer Kostenrechnung.

Die Story hat, wenn der junge Vegener, der Killer der Firma und Kommissarin Lürsen die gleiche Beute verfolgen, eine in deutschen Krimis viel zu seltene Thriller-Spannung.

Allerdings erscheint die Reaktion von Lürsen auf den Tod von Vegener etwas übertrieben. Sie fühlt sich schuldig ihr vorher nicht geholfen zu haben und will jetzt unbedingt beweisen, dass die Selbstmörderin nicht verrückt war. Gleichzeitig, was allerdings inzwischen ein in den „Tatorten“ so gewohnter Mechanismus ist, dass es wahrscheinlich eine senderübergreifende Richtlinie dafür gibt, ist Lürsen ganz plötzlich, während der gesamten Folge, hochempört über die Gefahren von Handystrahlen und flippt vollkommen aus, als sie von den Forschungen für den Einsatz von nicht-tödlichen Waffen erfährt. Denn Lürsen glaubt, dass an Vegener eine sich offiziell noch in der Testphase befindende Waffe ausprobiert wurde, die mit Strahlen Menschen kampfunfähig machen kann.

Da wäre, wie so oft, etwas weniger folgenlose Empörung glaubwürdiger gewesen. Denn natürlich wirft Lürsen ihr Handy nicht weg und sie wird auch nicht zur Kämpferin gegen Handystrahlen.

Auch auf den Streit zwischen ihr und Stedefreund hätte ruhig verzichtet werden können. Denn dass die Kommissare während der Ermittlungen in wichtigen Fragen eine vollkommen gegensätzliche Meinung haben, und diese mit der lautstark-effekthascherischen Energie von Politikern in einer Talkshow austragen, ist inzwischen ein weiterer fester Bestandteil von jedem „Tatort“-Team, der so gehäuft einfach nur noch nervt. Früher, am Besten in den immer noch aktuellen Trimmel-“Tatorten“, wurde das viel besser gehandhabt.

Davon abgesehen ist „Strahlende Zukunft“ einer der gelungenen Bremer-“Tatorte“ und Christoph Ernsts Romanfassung eine flott gelesene Lektüre.

 

Fortsetzung folgt

 

Martin Schüller: A gmahde Wiesn

Emons, 2009

160 Seiten

8,95 Euro

Vorlage

Tatort: A gmahde Wiesn (D 2007)

Regie: Martin Enlen

Drehbuch: Friedrich Ani

mit Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Michael Fitz, Monika Baumgartner, Franziska Schlattner, Georg Maier, Fred Stillkrauth, Joram Voelklein, Bettina Redlich, Michael Tregor, Philipp Sonntag, Christian Hoening, Anita Matija, Sabine Bach

Erstausstrahlung: 23. September 2007 (Folge 674)

Christoph Ernst: Strahlende Zukunft

Emons, 2009

160 Seiten

8,95 Euro

Vorlage

Tatort: Strahlende Zukunft (D 2007)

Regie: Mark Schlichter

Drehbuch: Christian Jeltsch

mit Sabine Postel, Oliver Mommsen, Winfried Hammelmann, Ulrich Noethen, Inka Friedrich, Constantin von Jascheroff, Peter Davor, Ann-Kathrin Kramer, Alexander Radszun

Erstausstrahlung: 26. August 2007 (Folge 671)

Hinweise

Kriminalakte: Gespräch mit Hejo Emons über die Tatort-Reihe

Kriminalakte: Tatort-Romane – zum Ersten (Oliver Wachlin: Blinder Glaube; Martin Schüller: Die Blume des Bösen)


Cover der Woche

November 23, 2009


TV-Tipp für den 24. November: Brown’s Requiem

November 23, 2009

Das Vierte, 22.10

Brown´s Requiem (USA 1998, R.: Jason Freeland)

Drehbuch: Jason Freeland

LV: James Ellroy: Brown´s Requiem, 1981 (Browns Grabgesang)

Ein Detektiv beschattet eine 17-jährige und gerät an einen korrupten Tycoon.

In Deutschland lief dieser gelungene Noir-Thriller unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Die konzentrierte Adaption von James Ellroys Romandebüt kommt dem düsteren Geist der Vorlage sehr nahe: Ein kleines Requiem für den Film Noir, Verbeugung vor den Klassikern, schnörkellos und schön räudig ins Los Angeles der 90er Jahre transferiert.“ (Robert Weixlbaumer, Tip 14/2000)

Mit Michael Rooker, Tobin Bell, Selma Balir, Jack Conley

Hinweis

James Ellroy in der Kriminalakte

„Brown’s Requiem“ kostenlos bei Videoload


Tatort-Romane – zum Ersten

November 23, 2009

Der „Tatort“ ist seit Jahrzehnten ein fester Anlaufpunkt für den Sonntagabend. Seit einigen Jahren ist er sogar „Kult“, aber bis jetzt gab es nur einige spärliche Versuche, die Erfolgsmarke „Tatort“ in andere Medien zu übertragen. Seit letztem Jahr gibt es den mäßig erfolgreichen Radio-Tatort. Demnächst werden einige willkürlich ausgewählte „Tatorte“ auf DVD veröffentlicht und kürzlich sind sechs „Tatort“-Romane erschienen. Es sind Romanfassungen von bereits ausgestrahlten „Tatorten“ mit vier altbekannten und zwei neuen Teams. Und, soviel kann schon verraten werden: sie sind alle, eine gewisse „Tatort“-Affinität vorausgesetzt, lesenswert.

Beginnen wir vor meiner Haustür. In Berlin ermitteln die Kommissare Till Ritter (Typ: Großstadtcowboy) und Felix Stark (kein Typ, nur ein alleinerziehender Vater). Als sie begannen, war die senderinterne Parole, den Berlin-Tatort von seinem wirklich ganz schlechten Image zu befreien. Das ist auch gelungen. Denn auch ohne die rosarote lokalpatriotische Brille können die Berliner „Tatorte“ goutiert werden. Aber besser ist noch lange nicht gut. Das zeigt auch die von Oliver Wachlin geschriebene Romanfassung von „Blinder Glaube“. Es geht um medizinische Experimente, Förderung von Gründern und um den Hightech-Standort Berlin. Das sind spannende Themen für einen Wirtschafts- und Wissenschaftsthriller, die hier zu in einer hoffnungslos konfusen Geschichte verbraten werden. Die Kommissare Ritter und Stark müssen den Mord an der Chefärztin einer Uni-Augenklinik aufklären. Sie war eine wichtige Mitarbeiterin eines Projektes, das mittels eines Chips Blinde wieder sehen lassen soll. Bei ihren Ermittlungen stellen die Kommissare schnell fest, dass die Projektleiter, die Chefs der damit verbundenen Firma und die Fördergeldgeber im Ministerium alle miteinander verbandelt sind. Mal verwandschaftlich, mal freundschaftlich, mal sexuell, mal seit Studientagen. In jedem Fall schanzen sie sich munter hochdotierte Aufträge zu und nehmen es mit der Wahrheit in den Unterlagen nicht so genau. Als ob das Auseinanderklamüsieren der verschiedenen Beziehungen nicht schon kompliziert genug wäre, dürfen beide Kommissare sich mal wieder verlieben. Felix Stark in eine blinde Patientin. Till Ritter – Überraschung! – in eine Verdächtige.

Das haben wir schon gefühlte Tausendmal gesehen und weil zu viele, austauschbare Charaktere durch die Geschichte stolpern, entsteht schnell das Gefühl, in einem Edgar-Wallace-Film zu sein. Das ist beim Ansehen (zum Beispiel wenn Ritter seine Tango-Stunden nimmt) noch halbwegs vergnüglich, aber in Romanform doch eher langweilig. „Blinder Glaube“ ist der schwächste „Tatort“-Roman.

Überhaupt nicht langweilig ist dagegen „Die Blume des Bösen“. Denn dieser Fall für die Kölner Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk funktioniert in erster Linie als Thriller. Ein Unbekannter ermordet einen lange zurückliegenden One-Night-Stand von Kommissar Ballauf und hinterlässt am Tatort eine rote Lilie. Schnell wird den Ermittlern klar, dass der Mörder sich an Ballauf rächen will. Aber welcher von den zahlreichen Verbrechern, die Ballauf in den vergangenen Jahren verhaftete, ist es? Und woher weiß er soviel über ihn?

Zusätzliche Brisanz gewinnt die Mörderjagd für den Single Ballauf, weil gerade jetzt seine Lieblingscousine Beatrice ins Krankenhaus muss und er sich bereit erklärt hat, auf ihre kleine Tochter aufzupassen.

Die Jagd nach dem Mörder bestimmt den Rhythmus von „Die Blume des Bösen“. Der mordet natürlich munter weiter und terrorisiert Ballauf zunehmend mit seinen Psycho-Spielen. Im Roman von Martin Schüller werden die Thriller-Momente noch stärker als im Film betont. Dafür wird die im Film sehr nervige und viel zu umfangreich gezeigte Geschichte von Ballaufs Zahnschmerzen heruntergespielt. Denn es ist nicht witzig und macht den Helden auch nicht sympathisch, wenn er sich tagelang mit mörderischen Zahnschmerzen durch die Geschichte jammert, anstatt sich einfach behandeln zu lassen.

Fortsetzung folgt

Oliver Wachlin: Blinder Glaube

Emons, 2009

160 Seiten

8,95 Euro

Vorlage

Tatort: Blinder Glaube (D 2008)

Regie: Jürgen Bretzinger

Drehbuch: Andreas Pflüger

mit Boris Aljinovic, Dominic Raacke, Anne Kanis, Justus von Dohnányi, Jörg Gudzuhn, Gesine Cukrowski, Ernst-Georg Schwill, Veit Stübner

Erstausstrahlung: 31. August 2008 (Folge 703)

Martin Schüller: Die Blume des Böse

Emons, 2009

160 Seiten

8,95 Euro

Vorlage

Tatort: Die Blume des Bösen (D 2007)

Regie: Thomas Stiller

Drehbuch: Thomas Stiller

mit Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Tessa Mittelstaedt, Joe Bausch, Nadeshda Brennicke, Jürgen Schornagel, Luzie Kurth

Erstausstrahlung: 1. Januar 2007 (Folge 651)

Hinweis

Kriminalakte: Gespräch mit Hejo Emons über die Tatort-Reihe


TV-Tipp für den 23. November: Der Rammbock

November 23, 2009

Tele 5, 00.10

Der Rammbock (F/Can 1983, R.: José Giovanni)

Drehbuch: José Giovanni

LV: José Giovanni: Le ruffian, 1969 (Der Rammbock)

Nach einem Überfall auf eine kanadische Goldmine kann Aldo mit einer größeren Menge Gold fliehen. Auf seiner Flucht verliert er das Gold in einem Wasserfall. Zusammen mit einigen Freunden versucht Aldo jetzt den Schatz zu bergen.

Hübscher Abenteuerfilm mit Top-Besetzung

Mit Lino Ventura, Claudia Cardinale, Bernard Giraudeau

Wiederholung: Dienstag, 24. November, 05.55 Uhr (Taggenau!)


TV-Tipp für den 22. November: Der Baader Meinhof Komplex – Teil 1

November 22, 2009

ARD, 20.15

Der Baader Meinhof Komplex – Teil 1 (D 2008, R.: Uli Edel)

Drehbuch: Bernd Eichinger

LV: Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex, 1985 (danach mehrere überarbeitete Neuausgaben)

Buch zum Film: Katja Eichinger: Der Baader Meinhof Komplex – Das Buch zum Film, 2008

Von der Länge her epische, vom Tempo her hektische Verfilmung der Geschichte der RAF von ihren Anfängen bis zu ihrem Ende. Da stimmt die Ausstattung, aber für die Vertiefung der einzelnen Charaktere bleibt wenig Zeit.

Heute und morgen hat die nach offiziellen Angaben um 20 Minuten längere TV-Fassung des Kinohits ihre TV-Premiere. Wenn ich so die die Zeiten zusammenrechne (Kino: 150 Minuten, TV: 85 Minuten, 75 Minuten) und Vor- und Abspänne dazurechne, dürfte es weniger zusätzliches Material sein. Eher ein Einfügen der „deleted scenes“.

„Der zweiteilige TV-Film ist der Kinofassung ziemlich ähnlich. Sehr ähnlich. Er ist nur knapp 10 Minuten länger.“ (Stefan Reinecke, taz, 21. November 2009)

Mit Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek, Bruno Ganz, Simon Licht, Jan Josef Liefers, Alexandra Maria Lara, Heino Ferch, Nadja Uhl, Hannah Herzsprung, Niels-Bruno Schmidt, Stipe Erceg, Daniel Lommatzsch, Volker Bruch, Bernd Stegemann, Tom Schilling, Katharina Wackernagel, Anna Thalbach, Jasmin Tabatabai, Hans Werner Meyer

Wiederholung: Eins Festival, 21.45 Uhr und 23.40 Uhr

Hinweise

Der Baader Meinhof Komplex – Teil 2: Montag, 23. November: ARD: 20.15 Uhr, Eins Festival: 21.30 Uhr

Wie der Film „Baader-Meinhof-Komplex“ entstand: Eins Festival, 22.45 Uhr

Homepage zum Film (Naja, aber mit Unterrichtsmaterialien)

Film-Zeit über „Der Baader Meinhof Komplex“

Hollywood Interview: mit Uli Edel üer den Film

Nachtrag

Schnittberichte – Teil 1 (Was wurde eingefügt? – 10:41 Minuten)

Schnittberichte – Teil 2 (Was wurde eingefügt? – 3:41 Minuten)