Jesse Stone – Totgeschwiegen (USA 2006, R.: Robert Harmon)
Drehbuch: J.T. Allen, Tom Selleck, Michael Brandman
LV: Robert B. Parker: Death in Paradise, 2001
Dritter Jesse-Stone-Film nach dem dritten Jesse-Stone-Roman. Dieses Mal muss Kleinstadtcop Jesse Stone den Mord an einer 14-jährigen aufklären. Seine Ermittlungen führen ihn in die besseren Kreise von Boston.
Der dritte Krimi mit Tom Selleck als Jesse Stone ist ein weiterer feiner Polizeifilm.
Mit Tom Selleck, Edward Edwards, Viola Davis, John Diehl, William Devane
Der Name „Syndikat“ entstand sicher aus einer Schnapslaune. Denn obwohl die Mitglieder mit Verbrechen ihr Geld verdienen, wird sie dafür – was sicher einige Leser bedauern – niemals ein Staatsanwalt anklagen. Bei diesem „Syndikat“ können deutschsprachige Autoren, die mindestens einen Krimi veröffentlicht haben, Mitglied werden. Jedes Jahr treffen sie sich zur „Criminale“, die man sich am besten wohl als einen großen lauschigen Vorlesemarathon vorstellt. 2009 in Singen.
In ihrem Jahrbuch „Secret Service“, das jetzt zum ersten Mal auch für Normalsterbliche erhältlich ist, berichten die Autoren und Veranstalter überaus positiv von der letzten „Criminale“. Es gibt einen „Gemeinschafts-Kurzkrimi von mehr als 70 Syndikat-AutorInnen“. Das Vergnügen solcher Gemeinschaftswerke beschränkt sich normalerweise auf den Kreis der Ersteller. Das gilt auch hier weitgehend.
Interessanter sind, obwohl schon aus den Alligatorpapieren bekannt, die Befragungen der Friedrich-Glauser-Preisträger Hans Werner Kettenbach, Gisa Klönne, Lucie Klassen, Judith Merchant und des Hansjörg-Martin-Preisträgers Christian Linker, die Erinnerungen von Wolfgang Burger, Antje Fries, H. P. Gansner, Susanne Goga, Inge Löhnig, Renate Müller-Piper, Andreas Pittler und Roger Strub an ihr erstes Buch und Sandra Lüpkes‘ „Was hat ER, was SIE nicht hat?“. Sie versucht herauszufinden, warum Männer mehr Krimipreise als Frauen erhalten. Dabei beschränkt sie sich auf eine quantitative Studie der bislang vergebenen Deutschen Krimipreise und Glausers, kommt zu einigen Einsichten, aber zu keinen abschließenden Erkenntnissen. Vielleicht kann die Frage, warum mehr Männer Krimipreise erhalten nicht nur quantitativ beantwortet werden. Schließlich wissen alle empirischen Sozialwissenschaftler, dass am Besten quantitative und qualitative Methoden miteinander verbunden werden. Das ist dann allerdings die Aufgabe des nächsten Jahrbuchs.
Thomas Przybilka präsentiert eine Auswahl seiner bereits in den Alligatorpapieren erschienenen Krimitipps zur Sekundärliteratur und es gibt eine Liste mit allen Mitgliedern des „Syndikats“. Damit wäre dann auch die Frage beantwortet, wie viele Mitglieder die „Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur“ hat.
Und nun kommen wir zur 100.000-Euro-Frage: Lohnt sich der Kauf des Buches?
Eher nicht. Denn die interessanten Texte können schnell in der Bibliothek gelesen werden. „Secret Service – Jahrbuch 2009“ ist halt noch zu sehr eine gebundene Vereinszeitung.
Ein Vorteil der kleinen ÖR-Sender ist, dass dort lange nicht mehr gezeigte Krimis auch zu einer für normal arbeitende Menschen angenehmen Zeit laufen. So zeigt ZDF neo die Tage „Jesse Stone – Totgeschwiegen“, den ersten, seit Ewigkeiten nicht mehr gezeigten „Der Preis des Verbrechens“-Zweiteiler und eine weitere Elizabeth-George-Verfilmung; der ZDF Theaterkanal einen weiteren „Anwalt Abel“-Film. Außerdem sehenswert sind Barry Sonnenfelds Elmore-Leonard-Verfilmung „Schnappt Shory“, Matti Geschonnecks Friedrich-Ani-Verfilmung „Hinter blinden Fenstern“, David Finschers Robert-Graysmith-Verfilmung „Zodiac“, Martin Scorseses Herbert-Asbury-Verfilmung „Gangs of New York“, Richard Eyres Zoe-Heller-Verfilmung „Tagebuch eines Skandals“, Doug Limans Robert-Ludlum-Verfilmung „Die Bourne Identität“, Billy Wilders Agatha-Christie-Verfilmung „Zeugin der Anklage“, Rob Reiners Stephen-King-Verfilmung „Misery“, Jean-Luc Godards Lemmy-Caution-Film „Alphaville“ und Mickey Spillane steht in einem Columbo-Film vor der Alternative „Schreib oder stirb“. Für die Monsterfans gibt es „King Kong und die weiße Frau“; für die Filmfans „Metropolis“ in der restaurierten Fassung und James Bond rettet einige Male die Welt.
Drehbuch: Guillermo del Toro (nach einer Geschichte von Guillermo del Toro und Peter Briggs
LV: Mike Mignola: Hellboy
Hellboy, ein zum Guten erzogener Dämon, verkloppt im Auftrag einer geheimen FBI-Einheit Dämonen. Jetzt kämpft er gegen den untoten Mönch Rasputin und den SS-Mann Kroenen, die ihr vor sechzig Jahren unterbrochenes Werk vollenden wollen.
Guillermo del Toro könnte ein Bruder von Robert Rodriguez sein. Auch seine Filme sehen teurer aus als sie sind und auch er liebt die Popkultur.
„Hellboy“ ist eine der wenigen gelungenen Comicverfilmungen. Kein Wunder. Schließlich hat hier ein Fan einen Film für andere Fans (alle mit einem kindischen Gemüt) gemacht.
Mit Ron Perlman, John Hurt, Selma Blair, Rupert Evans
Guy Ritchies Version des britischen Meisterdetektivs. Auf den einschlägigen Seiten (wie Crimespree Cinema und The Rap Sheet) sind die Krimifans, die die Holmes-Geschichten gelesen haben, von dieser Version ziemlich begeistert.
Jon Jordan (Crimespree Cinema): I like the movie. I feel it treated the character with respect. The respect came from the screen writers who actually seem to have read some of the Conan Doyle works, Guy Ritchie who seemed to have done the same (…)
One of the factors in my love of this film is the fact that they portray Holmes as a genius. (…) The film also remembers that Holmes can fight, and is capable of action.
Die erste Ausgabe von Crime Factory ist online. 108 Seiten mit Texten von Ken Bruen, Scott Phillips, Adrian McKinty, Dave White und vielen Besprechungen.
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Auf dem Sundance Festival wurde die Verfilmung von Daniel Woodrells „Winters Bone“ gezeigt und die ersten Kritiken (zum Beispiel von Filmdrunk) sind euphorisch. Bei Crimespree Cinema gibt es auch etwas für’s Auge.
Der Film läuft demnächst auf der Berlinale im Forum.
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Das Programm der Berlinale ist langsam komplett. Im Wettbewerb laufen unter anderem:
Submarino (Dänemark) von Thomas Vinterberg (nach dem Roman von Jonas T. Bengtsson)
The Killer Inside Me (USA/Großbritannien) von Michael Winterbottom (nach dem Roman von Jim Thompson)
Winter’s Bone von Debra Granik (nach dem Roman von Daniel Woodrell)
Im Angesicht des Verbrechens von Dominik Graf
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Im Rap Sheet gibt es zwei Nachschläge zu Robert B. Parker: Autoren und Kritiker sagen, was Parker für sie bedeutete (eins, zwei).
Robert Crais: There has always been a “Big Three” in American detective fiction–Chandler, Hammett, and Macdonald. Now there is a “Big Four,” and deservedly so. Robert B. Parker influenced a generation of writers. His contributions will continue to influence the coming generations. A tragic and terrible loss.
Columbo: Mord in Pastell (USA 1971, R.: Hy Averbeck)
Drehbuch: Jackson Gillis
Erfinder: Richard Levinson, William Link
Ein Kunstkritiker erfährt, dass sein Onkel ihn aus dem Testament streichen will. Also bringt er ihn um und legt liebevoll eine falsche Fährte. Aber er hat nicht mit Lt. Columbo gerechnet.
Ein weiterer früher Columbo-Fall, der immer noch (und immer wieder) für einen vergnüglichen Abend sorgt.
SRTL zeigt in den kommenden Tagen weitere Columbo-Fälle: „Wein ist dicker als Blut“ (31. Januar), „Todessymphonie“ (1. Februar), „Zigarren für den Chef“ (2. Februar), „Mord mit der linken Hand“ (3. Februar), „Mord unter sechs Augen“ (4. Februar), „Mord in eigener Regie“ (7. Februar), „Wenn der Eismann kommt“ (8. Februar), „Zwei Leben an einem Faden“ (9. Februar), „Blumen des Bösen“ (10. Februar), „Schreib oder stirb“ (11. Februar).
mit Peter Falk, Ross Martin, Kim Hunter, Don Ameche
Hallam Foe – Aus dem Leben eines Außenseiters (GB 2007, R.: David Mackenzie)
Drehbuch: David Mackenzie, Ed Whitmore
LV: Peter Jinks: Hallam Foe, 2001 (Über roten Dächern)
Der 17-jährige Außenseiter Hallam Foe glaubt, dass seine Stiefmutter seine Mutter ermordet hat. Da trifft er die Hotelpersonalchefin Kate. Sie ist das Ebenbild seiner Mutter.
„Einfach mitreisend ist dieser Abenteuertrip eines jungen Ausreißers, faszinierend mühelos changiert das freche Szenario zwischen Murder Mystery mit Gothic Touch und moderner Lovestory. Ein Film, der ganz tief im Zuschauer seinen Widerhall findet.“ (Programm Fantasy Filmfest 2007)
„A viewing delight.“ (Variety)
Mit Jamie Bell, Sophia Myles, Ciarán Hinds, Claire Forlani
Prag, 20er Jahre: Kafka untersucht den Tod eines Freundes. Dabei gerät er in ein kafkaeses Abenteuer.
Stilbewußte, vor Ort gedrehte Liebeserklärung an Franz Kafka und sein Werk, das hier mit seinem Leben verwoben wird. Am Ende – geht so in Richtung James Bond – lässt der zitatenreiche Film dann nach.
Damals wurde der Film von der Kritik nicht so freundlich aufgenommen. Wahrscheinlich, weil sie alle ein Remake von Soderberghs Erstling „Sex, Lies, and Videotape“ (Sex, Lügen und Video, USA 1989) erwarteten. Eine der positiven: „Ein besonders für Kafka-Kenner und Liebhaber sehr interessante Arbeit, die vor allem auch beweist, dass Soderbergh sich enorm weiterentwickelt hat.“ (Blickpunkt: Film, 20. 3. 1992)
Mit Jeremy Irons, Theresa Russel, Alec Guiness, Ian Holm, Jeroen Krabbé, Armin Müller-Stahl, Brian Glover, David Jansen
Ken Folletts Eisfieber – Teil 1 (D 2010, R.: Peter Keglevic)
Drehbuch: Beatrix Christian, Olaf Kraemer, Federica Pontremoli
LV: Ken Follett: Whiteout, 2005 (Eisfieber)
Edinburgh im Dezember: Aus einem Bio-Labor verschwindet ein supertödlicher Virus. Die Sicherheitsbeauftragte Antonia Gallo glaubt, dass der hochverschuldete Sohn des Laborleiters Stanley Oxenford hinter dem Einbruch steckt – und los geht die Hatz über Stock und Stein in das verschneite Landhaus der Oxenfords.
Den zweiten Teil gibt’s am Mittwoch, den 27. Januar, um 20.15 Uhr.
Erstausstrahlung eines prominent besetzten Zweiteilers. Die ersten Kritiken sagen übereinstimmend, dass der erste Teil eher lahm, aber der zweite ziemlich gut ist. Warum also nicht einfach nur den zweiten Teil ansehen?
Das ZDF plant weitere Follett-Verfilmungen. Im Moment wird für Pro 7/Sat.1 als achtstündiges Epos „Die Säulen der Erde“ (The Pillars of the Earth, 1990) verfilmt.
mit Heiner Lauterbach, Isabella Ferrari, Tom Schilling, Matthias Brandt, Anneke Kim Sarnau, Bülent Sharif, Katharina Wackernagel, Sophie von Kessel
Eine Woche. Mit seinem neuen Buch. Blut will fließen. Die Termine:
München, 25. Januar 2010
um 20.00 Uhr im Literaturhaus (Salvatorplatz 1)
Moderation: Claudius Seidl, FAS
Deutsche Lesung: Matthias Brandt
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Hamburg, 26. Januar 2010
um 20.00 Uhr im Literaturhaus (Schwanenwik 38)
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Köln, 27. Januar 2010
um 20.00 Uhr im Literaturhaus (Schönhauser Str. 8)
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Stuttgart, 28. Januar 2010
um 20.00 Uhr im Literaturhaus (Breitscheidstr. 4)
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Berlin, 29. Januar 2010
um 19.00 Uhr in Kulturkaufhaus Dussmann (Friedrichstr. 90)
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Und weil ich mit dem abschließenden Band seiner Underworld-Trilogie „Blut will fließen“ (Blood’s a Rover, 2009) noch nicht fertig bin, gibt es zur Einstimmung für die Abende mit James Ellroy einige aktuelle Videos
LV: A. J. Quinnell: Man on Fire, 1980 (Der Söldner, Mann unter Feuer)
Ex-CIA-Agent John Creasy ist in Mexiko City der Leibwächter einer siebenjährigen Millionärstochter. Als sie von Gangstern entführt wird, startet er einen blutigen Rachefeldzug.
Scotts formale Brillanz bei der Bild- und Tongestaltung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Mann unter Feuer“ ein viel zu lang geratenes, eindimensionales Rachedrama ist.
Mit Denzel Washington, Dakota Fanning, Christopher Walken, Giancarlo Giannini, Mickey Rourke
Mean Streets – Hexenkessel (USA 1973, R.: Martin Scorsese)
Drehbuch: Martin Scorsese, Mardik Martin
New York, Lower East Side: Charlie versucht sich um seinen leicht durchgeknallten Kumpel Johnny Boy zu kümmern. Denn dieser verärgert mit seinen Eskapaden auch die Mafia.
Grandioses Frühwerk von Martin Scorsese und der Start von mehreren großen Karrieren.
„Mean Streets besteht vor allem aus einem Mosaik von Momentaufnahmen und Anekdoten; an Stelle einer kontinuierlichen Entwicklung herrscht die Kontinuität des Stillstands. Vielleicht ist das der Hauptgrund, warum Mean Streets so irritierend authentisch wirkt.“ (Hans Günther Pflaum in Peter W. Jansen/Wolfram Schütte [Hrsg.]: Martin Scorsese – Hanser Reihe Film 37, 1986)
Die größte Ironie bei dem Film ist, dass „Mean Streets“ untrennbar mit New York verbunden ist, obwohl, wegen des Geldes, die meisten Szenen nicht an Originalschauplätzen sondern in Los Angeles gedreht wurden
Mit Robert De Niro, Harvey Keitel, David Proval, Amy Robinson, Robert Carradine, David Carradine, Martin Scorsese (als Shorty, der Killer im Auto)
Die KrimiWelt hat jetzt ihre Jahresbestenliste veröffentlicht. Qualifiziert sind Krimis, die im Lauf des Jahres auf einer der monatlichen Bestenlisten auftauchten.
In der Hitze der Nacht (USA 1967, R.: Norman Jewison)
Drehbuch: Sterling Siliphant
LV: John Ball: In the heat of the night, 1965 (In der Hitze der Nacht)
In einem Südstaatenkaff müssen ein weißer, reaktionärer Sheriff und ein afroamerikanischer Kollege einen Mord aufklären.
John Balls hochgelobter, erfolgreicher Roman war der erste Auftritt eines afroamerikanischen Polizisten als Sympathieträger. Ball wollte damit zur Verständigung zwischen den Rassen beitragen. Außerdem reflektierte er in seinem Krimi die damaligen politischen Kämpfe des Civil Rights Movements in den Südstaaten.
Die enorm erfolgreiche Verfilmung erhielt fünf Oscars, unter anderem als bester Film des Jahres. Aus heutiger Sicht ist „In der Hitze der Nacht“ ein extrem naives und einseitiges Bekenntnis zur Rassenversöhnung (etwas guter Wille und schon geht´s) und ein technisch gut gemachter Whodunit.
Poitier drehte noch zwei schwächere Fortsetzungen. Letztendlich wurde es ein normaler, bestenfalls durchschnittlicher Polizeikrimi. Am nächsten Freitag (29. Januar) zeigt der WDR um 23.15 Uhr die erste Fortsetzung „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ (They call me Mister Tibbs!, USA 1970, Regie: Gordon Douglas, Drehbuch: Alan R. Trustman, James R. Webb)
Mit Sidney Poitier, Rod Steiger, Warren Oates, Lee Grant
Mit „Tron“ und den Romanen von William Gibson, Bruce Sterling und Neal Stephenson tauchten wir vor Jahren, als wir das Internet noch nicht kannten, in den Cyberspace ab.
Der erste „Matrix“-Film (die beiden grottigen Fortsetzungen lassen wir links liegen) drehte dann die ganze Sache etwas um – und etliche SF-Autoren monierten zu Recht die Logikschwächen dieser Konstruktion.
Robert Venditti drehte mit seinem Comicdebüt „The Surrogates“ diese Denkschraube noch etwas weiter. Denn während in den Cyberpunk-Romanen immer klar war, dass die Akteure in der realen Welt leben und der Cyberspace eine rein elektronische Welt ist, die allerdings vielfältig mit der realen Welt verknüpft ist und sie auch beeinflusst, ist das bei Venditti anders. Jedenfalls irgendwie. Denn es gibt keinen Cyberspace, aber die Menschen verlassen ihre Wohnungen nicht mehr. Sie schicken Surrogate – menschlich aussehende Roboter, die von ihnen gesteuert werden – nach draußen. Insofern ist der Cyberspace, in dem wir jede gewünschte Identität annehmen können und folgenlos Erfahrungen sammeln können, ein Teil der Wirklichkeit geworden.
Das ist auf den ersten Blick eine faszinierende Idee und Autor Robert Venditti und Zeichner Brett Weldele setzen sie auch kongenial um. Auf den zweiten Blick ist es aber auch ein ziemlicher Unfug. Denn wahrscheinlich wird es, außer in „Blade Runner“, nie Roboter geben, die von Menschen nicht mehr unterschieden werden können. Aber diese Replikanten agierten selbstständig. Die Surrogate sind dagegen ferngesteuerte Hüllen. Es wird also eine gewaltige Rechnerleistung beanspruchen, diese Roboter durch die gesamte Metropole fernzusteuern. Und es stellt sich die Frage, warum ein solch riesiger Aufwand betrieben werden sollte.
(Das heißt nicht, dass es in naher Zukunft nicht mehr spezielle ferngesteuerte Arbeitsroboter gibt, die für Menschen gefährliche oder monotone Tätigkeiten, wie dem Entschärfen von Bomben und dem Bau von Häusern und Tunnels, übernehmen.)
Dennoch gibt es in Vendittis und Weldeles 2054 spielendem Comic in Central Georgia Metropolis diese sich stellvertretend für echte Menschen durch die Stadt bewegenden Surrogate. Es gibt für uns normale Verbrechen, wie Einbruch, Diebstahl und Mord, praktisch nicht mehr. Es gibt dagegen öfters Sachbeschädigungen – an den Surrogaten. Auch jetzt müssen der ältere Polizist Harvey Greer und sein jüngerer Partner Pete Ford wieder so einen Fall von Sachbeschädigung aufklären. Während eines Gewitters sterben bei einem Liebesspiel in einer dunklen Gasse zwei Surrogate. Die erste Vermutung der Polizisten, dass sie durch einen Blitzschlag verkohlt sind, wird durch die Obduktion und Aufzeichnung der letzten Minuten der Surrogate widerlegt. Ein maskierter Mann hat sie mit einem Stromschlag gebraten. Greer und Ford beginnen diesen Mann zu suchen. Als nächstes werden die Surrogate von zwei Wächtern von Clark Technologies gebraten und eine EMP-Offensivsystem gestohlen. Greer glaubt, dass der Täter einen größeren Rachefeldzug gegen die Surrogate plant.
Nachdem bei einem Zusammentreffen mit ihm Greers Surrogat zerstört wird, muss er seine Wohnung verlassen.
Unter dem Deckmantel einer actionhaltigen Whodunit-Geschichte behandelt „The Surrogates“ auch philosophische Fragen, wie was das Menschsein ausmacht und welche Realität wir wollen: die geschönte aus der Werbung oder die ungeschönte.
„Das ist kein Selbstbewusstsein, sondern die Wirklichkeit. Das hier ist es, wer ich bin, und wenn ich mich verlinke, ändert sich daran nichts.“
„Wenn ich verlinkt bin, sehe ich jünger aus. Ich fühle mich jünger. Wenn das nicht die Wirklichkeit ist, dann weiß ich nicht, was.“
Weldele zeichnete die Geschichte mit klaren Strichen und meist einfarbigen Panels, die fast wie ein Storyboard für einen Film wirken.
Und in Hollywood ist „The Surrogates“ auch gelandet.
Die gleichnamige Verfilmung von Jonathan Mostow läuft heute in den Kinos an. Das Drehbuch ist von Michael Ferris und John Brancato. Auf ihr Konto gehen auch der grandiose David-Fincher-Film „The Game“, die Gurke „Catwoman“ und die beiden letzten „Terminator“-Filme. Bruce Willis übernahm die Hauptrolle. Das Konzept der Surrogaten wurde aus der Graphic Novel übernommen. Die Story, wie schon der Trailer zeigt, wurde etwas aufgepeppt. Optisch sieht der mit 88 Minuten ungewöhnlich kurze SF-Thriller jetzt wie die Bruce-Willis-Version der freien Isaac-Asimov-Verfilmung „I, Robot“ aus. Also „Stirb langsam, Roboter“.
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Robert Venditti/Brett Weldele: The Surrogates
(übersetzt von Christian Langhagen)
Cross Cult, 2009
208 Seiten
26 Euro
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Originalausgabe
The Surrogates
Top Shelf Productions, 2006/2009
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Verfilmung
Surrogates (USA 2009)
Regie: Jonathan Mostow
Drehbuch: Michael Ferris, John Brancato
mit Bruce Willis, Radha Mitchell, Rosamund Pike, James Cromwell, Ving Rhames