TV-Tipp für den 31. Januar: Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123

Januar 31, 2016

Tele 5, 20.15

Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123 (USA 1974, Regie: Joseph Sargent)

Drehbuch: Peter Stone

LV: John Godey: The taking of Pelham One Two Three, 1973 (Abfahrt Pelhalm 1 Uhr 23)

Immer noch hochspannender Thriller über die Entführung einer New Yorker U-Bahn.

Das okaye, aber blasse Remake kann man sich schenken. Den Roman sollte man lesen.

Mit Walter Matthau, Robert Shaw, Martin Balsam, Hector Elizondo, Earl Hindman, James Broderick, Dick O’Neill, Lee Wallace

Wiederholung: 1. Februar, 01.40 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über “Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123”

Wikipedia über “Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123” (deutsch, englisch)

Kriminalakte über das Remake

Meine Besprechung von John Godeys “Abfahrt Pelham 1 Uhr 23” (The taking of Pelham One Two Three, 1973)


TV-Tipp für den 30. Januar: Angeklagt

Januar 30, 2016

ZDFneo, 22.00
Angeklagt (USA 1988, Regie: Jonathan Kaplan)
Drehbuch: Tom Topor
Sarah (Jodie Foster, die dafür einen Oscar und Golden Globe als beste Hauptdarstellerin erhielt) wurde vergewaltigt. Weil sie aufreizend angezogen war und sich nicht sehr damenhaft verhielt, lässt sich die Staatsanwältin (Kelly McGillis, die damals, nach „Top Gun“ und „Der einzige Zeuge“ auf dem Höhepunkt ihrer Karriere stand) auf einen Deal mit der Verteidigung ein. Sarahs Vergewaltiger erhalten nur eine milde Strafe. Aber Sarah will eine angemessene Verurteilung der Täter.
„Vielleicht mag manchen die Inszenierung stören, die Emotionen erzeugt und keine Argumente sucht. Doch liegt darin auch eine Methode, nämlich mit dem Sujet zu konfrontieren, das Parteinahme erfordert und bei dem vor der Aufklärung vielleicht erst einmal die Aufrüttelung steht.“ (Fischer Film Almanach 1990)
Empfehlenswerter, zum Nachdenken anregender Justizthriller
mit Jodie Foster, Kelly McGillis, Bernie Coulson, Leo Rossi, Ann Hearn
Wiederholung: Sonntag, 31. Januar, 01.30 Uhr (Taggenau!)
Hinweise
Rotten Tomatoes über „Angeklagt“
Wikipedia über „Angeklagt“ (deutsch, englisch)


Wieder aufgelegt: Der „Texas Blues“ ist jetzt „Mucho Mojo“

Januar 29, 2016

Lansdale - Mucho Mojo - 2

Natürlich hat der langjährige Joe-R.-Lansdale-Fan schon „Mucho Mojo“ in seinem Bücherregal stehen. Denn das zweite Abenteuer von Hap Collins und Leonard Pine, die gegensätzlichen Texaner, die zwar immer an Geldnot leiden, aber nie ihren Humor verlieren, erschien bereits 1996 als „Texas Blues“ bei rororo und danach trat Joe R. Lansdale eine kleine Reise durch die bundesdeutsche Verlagslandschaft an. Denn Rowohlt ließ ihn irgendwann fallen. Bei Dumont erschien in der kurzlebigen Noir-Reihe das Collins/Pine-Abenteuer „Schlechtes Chili“. Seit einigen Jahren veröffentlicht Golkonda die Hap-Collins-Leonard-Pine-Romane und nimmt sich neben den neuen Abenteuern des chaotischen Duos auch deren ältere Abenteuer vor. Vor der Neuveröffentlichung werden die Übersetzungen noch einmal durchgesehen. Dieses Mal tat das der Übersetzer der Erstausgabe. Christoph Schuenke änderte an seiner alten, gut lesbaren Übersetzung, so meine kursorischer Vergleich, wenig bis nichts.
Dieses Mal beginnt das Abenteuer des Duos auf den Rosenfeldern von Osttexas, wo Hap als schlecht bezahlter Tagelöhner schuftet. Als Leonard ihm erzählt, dass sein Onkel Chester tot ist, gehen sie zur Beerdigung und dort erfährt Leonard, dass Onkel Chester, der ihn vor Jahren wegen seiner Homosexualität enterbte, jetzt doch im Testament berücksichtigte.
Als die beiden sich Onkel Chesters zugemülltes Haus in LaBorde ansehen, entdecken sie im Keller eine Kinderleiche und weil sie dem Verstorbenen die Tat nicht zutrauen, suchen sie den Täter und, wer auch nur ein Collins/Pine-Abenteuer gelesen hat, weiß, dass das der Beginn einer abgedrehten Kriminalgeschichte ist, in der respektlos und humorvoll die dunkle Seite von Texas beschrieben wird.
Gut, wer die alte Übersetzung hat, muss sich „Mucho Mojo“ nicht unbedingt zulegen, aber das einheitlichere Layout sieht im Buchregal natürlich schöner aus. Wer „Texas Blues“ nicht hat und keine Mondpreise bezahlen will (bei Amazon kann man derzeit zwischen 37 und 165 Euro für das Buch ausgeben [Will ich jetzt meine alte Ausgabe verkaufen? Gibt es Angebote?]) sollte natürlich zuschlagen.

Joe R. Lansdale: Mucho Mojo
(übersetzt von Christoph Schuenke)
Golkonda, 2015
272 Seiten
16,90 Euro

Originalausgabe
Mucho Mojo
Mysterious Press/Warner Books, 1994

Deutsche Erstausgabe
Texas Blues
rororo, 1996

Hinweise

Homepage von Joe R. Lansdale

Stuttgarter Zeitung: Thomas Klingenmaier hat Joe R. Lansdale getroffen (25. März 2013)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Rumble Tumble“ (Rumble Tumble, 1998 )

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Der Gott der Klinge” (The God of the Razor, 2007)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Der Teufelskeiler” (The Boar, 1998)

Meine Besprechung  von Joe R. Lansdales „Akt der Liebe“ (Act of Love, 1981)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Die Wälder am Fluss“ (The Bottoms, 2000)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Kahlschlag” (Sunset and Sawdust, 2004)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Gauklersommer” (Leather Maiden, 2008)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Ein feiner dunkler Riss” (A fine dark Line, 2003)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Dunkle Gewässer“ (Edge of Dark Water, 2012)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Straße der Toten“ (Deadman’s Road, 2010)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Machos und Moneten“ (Captains Outrageous, 2001)

Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Wilder Winter“ (Savage Season, 1990)

Mein Interview mt Joe R. Lansdale zu „Das Dickicht“ (The Thicket, 2013)


TV-Tipp für den 29. Januar: Apocalypse Now Redux

Januar 29, 2016

3sat, 22.35

Apocalypse Now Redux (USA 1979, Regie: Francis Ford Coppola)

Drehbuch: John Milius, Francis Ford Coppola

LV: Joseph Conrad: Heart of Darkness, 1899 (Herz der Finsternis)

Während des Vietnamkrieges soll Captain Willard (Martin Sheen) Colonel Kurtz (Marlon Brando), der im Dschungel sein Reich errichtete, suchen und töten.

Klassiker, heute in der längeren und besseren Redux-Fassung.

mit Martin Sheen, Robert Duvall, Marlon Brando, Fred Forrest, Sam Bottoms, Albert Hall, Larry Fishburne, Dennis Hopper, Harrison Ford, G. D. Spradlin, Bill Graham

Wiederholung: Mittwoch, 3. Februar, 02.40 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über “Apocalypse Now Redux”

Wikipedia über „Apocalypse Now“ (deutsch, englisch)

Schnittberichte: Vergleich der Kino- mit der „Redux“-Fassung

Awesome Film: Drehbuch “Apocalypse Now” von John Milius (Fassung vom 3. Dezember 1975)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas “Apocalypse Now” (Apocalypse Now, USA 1979 – die “Full Disclosure”-Blu-ray)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Twixt – Virginias Geheimnis“ (Twixt, USA 2011)

Francis Ford Coppola in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: „Ein Atem“, zwei Frauen, eine Geschichte, zwei Perspektiven

Januar 28, 2016

Wenn man „Ein Atem“ als Metapher auf das Verhältnis von Deutschland zu Griechenland im Rahmen der Eurokrise betrachtet, dann eröffnet sich eine interessante Interpretationsfolie, die aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass in dem Film nichts auf eine solche Interpretation hinweist. Außer dass der Film in Griechenland und Deutschland spielt. Und dass in Griechenland auch die aktuelle wirtschaftliche Situation für junge Menschen angesprochen wird. Immerhin muss es einen nachvollziehbaren Grund geben, warum eine junge Griechin ihre Heimat verlässt und nach Deutschland geht.
Wenn man auf diese Interpretationsfolie verzichtet oder sie nicht überinterpretieren möchte, bleibt ein Film zurück, der durch seine Konstruktion und seine beiden Hauptfiguren, vor allem die von Jördis Triebel gespielte Tessa, einen auf Distanz hält.
Tessa ist in Frankfurt am Main eine glücklich verheiratete, gut verdienende, studierte, berufstätige Mutter, die für ihre anderthalbjährige Tochter Lotte eine Nanny braucht und eine richtige Helikopter-Mutter ist, die zwar nie da ist und Lotte am liebsten als abwaschbare Puppe hätte, aber trotzdem genau weiß, was sie essen, trinken und tun darf. Von allem möglichst wenig. Die junge Griechin Elena (Chara Mata Giannatou) nimmt die Arbeit an. Sie will, nachdem sie erst in Deutschland von ihrer Schwangerschaft erfahren hat, mit dieser Arbeit genug Geld für eine Abtreibung verdienen.
Eines Tages, als sie in einer Bäckerei schnell ein Gebäckstück für die schreiende Lotte kauft, verschwindet Lotte spurlos. Angsterfüllt flüchtet sie zurück nach Griechenland.
Während die Polizei in Frankfurt das verschwundene Kind sucht, macht Tessa sich auf den Weg nach Griechenland. Sie weiß, dass Elena Lotte entführt hat. In Athen sucht sie Elena, die von all dem nichts ahnt.
Normalerweise wird in einem Film eine Geschichte erzählt und zwischen verschiedenen Erzählsträngen gewechselt. So wie wir in einen James-Bond-Film erfahren, was der Bösewicht vorhat und tut, während James Bond ihn verfolgt. Oder wenn in „Auf der Flucht“ zwischen Harrison Ford als Flüchtling und Tommy Lee Jones als Verfolger gewechselt wird. In „Ein Atem“ wird dagegen in drei Erzählblöcken zuerst die Geschichte der Griechin, dann die der Deutschen erzählt. Erst am Ende, im Finale, kommen die beiden Geschichten halbwegs zusammen. Allein schon durch diese Konstruktion fühlt sich „Ein Atem“ weniger wie ein Spielfilm mit einer durchgehenden Geschichte, sondern mehr wie eine Kompilation von drei Kurzfilmen an.
Das ist zwar ungewohnt, aber es könnte funktionieren, wenn die Figuren sich nicht durchgehend unvernünftig verhielten und viel zu oft elliptisch um die spannenden Momente herumerzählt wird. So beginnt, um nur ein Beispiel zu nennen, eine Szene beim Arzt. Die Ärztin sagt, dass sie Elena etwas sagen müsse. In dem Moment, also genau vor der Eröffnung der lebensverändernden Nachricht, bricht die Szene ab. In der nächsten Szene sitzt Elena bei ihrer Freundin. Ihr und uns erzählt sie, was ihr die Ärztin gesagt hat. Nämlich dass sie schwanger sei und dass sie das Baby abtreiben wolle. Besser wäre es gewesen, wenn wir im Gespräch mit der Ärztin gesehen hätten, wie Elena auf die Mitteilung, die ihre gesamten Planungen zerstört, reagiert. So bleiben wir während des gesamten Films immer Beobachter des Geschehens, die sich mehr oder weniger mühsam die Lücken zwischen den Bildern zusammenreimen.
Das ist unschön, aber der Film könnte immer noch funktionieren, wenn das Verhalten von Elena und Tessa, den beiden Hauptfiguren, nicht so irrational wäre. Im ersten Erzählblock wird Elenas Geschichte von ihrem Leben in Griechenland (mit ihrem noch bei seinen Eltern lebendem Freund, der das Land nicht verlassen will) über ihr Leben in Deutschland und ihre Nanny-Arbeit bis zu Lottes Verschwinden erzählt. Es ist eine typische Auswanderergeschichte, die in diesem Rahmen auch gut funktioniert. Dass Elena dann allerdings nicht die Polizei informiert (immerhin hat sie, wie wir später erfahren, mehrmals versucht Tessa anzurufen), sondern sofort nach Griechenland abhaut, kann nur mit dem Willen des Drehbuchautors erklärt werden.
Der zweite Erzählblock gehört dann Tessa. Jetzt sehen wir einige Ereignisse, die wir vorher aus Elenas Perspektive gesehen haben, aus Tessas Perspektive und wir begleiten sie nach Athen, wo sie Elena sucht. Allerdings wird sie uns nicht sympathischer. Im Gegenteil. Aus der Helikopter-Mutter wird eine rechthaberische, über Leichen gehende Zicke, die Fehler immer nur bei den Anderen sucht, keine Einsicht in ihre eigenen Fehler und ihr Verhalten hat und die Dinge möglichst ungeschickt anpackt.
So, um wieder nur ein Beispiel zu nennen, plakatiert sie, weil sie nicht weiß, wo Elena wohnt, vor einem Laden, in dem Elena arbeitete, steckbriefähnliche Aufrufe, auf denen steht, dass sie Elena, die Entführerin ihres Kindes, suche. Erst als der Geschäftsführer herauskommt und sie auffordert, die Zettel von seinem Geschäft zu entfernen, fragt sie ihn, ob er wisse, wo Elena wohne. Vernünftig wäre es gewesen, wenn sie zuerst ihn gefragt hätte. Oder bei der Polizei um Hilfe gebeten hätte; was sie dann auch später tut. Dass in der Zwischenzeit die deutsche Polizei und ihr Ehemann ihr sagen, dass es absolut keine Spur gäbe, die zu Elena führe, ignoriert sie. Denn eines weiß Tessa mit Sicherheit: sie hat immer Recht.
Da fragte ich mich, wer mit diesem wandelndem Katastrophengebiet mehr Zeit als nötig verbringen möchte. Entsprechend gering fiel mein Mitgefühl mit dieser Mutter aus, der es im letzten Erzählblock sogar gelingt, noch unsympathischer zu werden.
Dabei, das muss immerhin zugestanden werden, ist es von Regisseur Christian Zübert, der das Drehbuch mit seiner Frau Ipek schrieb, mutig, Tessa durchgehend jede Einsichtsfähigkeit und Selbstreflektion zu versagen.

Ein Atem - Plakat

Ein Atem (Deutschland/Griechenland 2015)
Regie: Christian Zübert
Drehbuch: Christian Zübert, Ipek Zübert
mit Jördis Triebel, Chara Mata Giannatou, Benjamin Sadler
Länge: 100 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Ein Atem“
Moviepilot über „Ein Atem“
Wikipedia über „Ein Atem“


Neu im Kino/Filmkritik: „The Hateful 8“ oder „The Hateful Eight“ oder „Der achte Film von Quentin Tarantino“

Januar 28, 2016

Wyoming, einige Jahre nach dem Bürgerkrieg, mitten im Winter: Nur widerwillig nimmt Kopfgeldjäger John „Der Henker“ Ruth (Kurt Russell), der die Verbrecherin Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) für ein erkleckliches Kopfgeld nach Red Rock bringen will, Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) in seiner Kutsche mit. Warren ist ebenfalls Kopfgeldjäger, der wegen des Kopfgeldes mit einem Haufen toter Verbrecher ebenfalls nach Red Rock will. Aber sein Pferd verendete. Kurz darauf nehmen sie Chris Mannix (Walton Goggins) mit. Sie kennen ihn als Südstaaten-Deserteur und nur Ärger verursachenden Verbrecher. Jetzt, so behauptet er, sei er der neue Sheriff von Red Rock und damit die Person, die ihnen, wenn sie ihn mitnehmen, das Kopfgeld geben werde.
Wegen des Schneesturms kehren sie in Minnies Miederwarenladen ein. Naja, eigentlich ist ‚Minnie’s Haberdashery‘ ein typischer Laden für alles, was der reisende Cowboy brauchen könnte, mit angeschlossenem Essbereich. Dort treffen sie auf Bob (Demian Bichir), der während Minnies Abwesenheit ihren Laden führt (was Major Warren, der Minnie kennt, misstrauisch macht), Oswaldo Mobray (Tim Roth im Christoph-Waltz-Modus), den neuen Henker von Red Rock, Joe Gage (Michael Madsen), der nur seine Familie besuchen will (sagt er und schweigt), und General Sandy Smithers (Bruce Dern), einen Südstaatengeneral, den Warren noch vom Krieg kennt, als sie Gegner waren.
In Minnies Laden wird dann aus dem potentiellen Schneewestern (wobei schon auf dem Weg zu der Hütte, in der Kutsche, viel geredet wurde) endgültig ein Kammerspiel, in dem jeder jedem misstraut. Einerseits wegen des erklecklichen Kopfgeldes, das sich in und vor der Hütte, auf der Kutsche, befindet. Andererseits weil Ruth befürchtet, dass die Verbrecherbande von Daisy Domergue versuchen wird, sie zu befreien und mindestens einer der Männer in der Hütte zu ihrer Bande gehört. Nur wer? In diesem Moment wird der Western zu einem veritablen Agatha-Christie-Rätselplot. Denn bis auf die beiden Kopfgeldjäger Ruth und Warren (wobei Ruth auch ihm nicht wirklich vertraut) hat jeder von ihnen mindestens ein Geheimnis, lügt mehr oder weniger ausschweifend und fast alle kennen sich von früher. Doch vor dem ersten Toten wird noch viel geredet. Immerhin sind wir in einem Quentin-Tarantino-Film. Im letzten Drittel des Dreistundenfilms wird blutig gestorben; was die Zahl der Verdächtigen rapide reduziert.
Das wird von Tarantino, wie man es kennt, in mehrere Kapitel unterteilt, und in einer ausführlichen Rückblende und einigen kleineren Szenen haben dann auch die Schauspieler einen Auftritt, die nicht zu den titelgebenden „Hateful 8“ gehören.
„The Hateful 8“ ist auch, nachdem Quentin Tarantinos „Django Unchained“ an seiner etwas unglücklich aufgebauten Geschichte litt, ein angenehm geradliniger Rätselkrimi, der seine Verdächtigen zuerst ausführlichst vorstellt, dann Einen an vergiftetem Kaffee unschön sterben lässt und die restlichen Verdächtigen, im Gegensatz zu Agatha Christie, durch Ausschalten der Lebensfunktionen eliminiert. Danach verschwinden sie aus der Geschichte, aus dem Bild und, durch Geisterhand, auch aus Minnies Ein-Raum-Hütte.
Es ist allerdings auch ein Film, der nie wirklich packt. Alles wirkt immer wie das Abspulen eines Programms. So darf Samuel L. Jackson ausgiebig das N-Wort benutzen und einen langen, nicht jugendfreien Monolog über seinen, ähem, Umgang mit dem Sohn von General Smithers halten. Jennifer Jason Leigh fungiert hauptsächlich als Punchingball für die Männer. Vor allem John Ruth (Kurt Russell) schlägt sie jedes mal, wenn wie etwas sagt. Aber anstatt dadurch irgendwie zu provozieren, befremdet der Umgang der Männer mit Daisy Domergue eher und es ist so offensichtlich auf Provokation gemacht, dass man sich genau deshalb nicht provozieren lassen will. Die Dialoge und Monologe gefallen, aber im Gegensatz zu Tarantinos früheren Filmen, fehlt ihnen das Besondere, das Erinnerungswürdige, das dazu führt, dass man sich gerne ganze Textkonvolute oder kürzere Zitate merkt.
Und wenn in der zweiten (kürzeren) Hälfte (die in der Roadshow-Fassung, bis auf einen Tod, nach der Pause beginnt) das große Töten beginnt, marschiert Tarantino auf eine Ich-bringe-alle-um-Lösung zu. Das tat er auch in seinem Debüt „Reservoir Dogs“, aber da war der Nihilismus, die Dialoge, die Brutalität noch neu.
In „The Hateful 8“ herrscht dagegen durchgehend ein Déjà-Vu-Gefühl. Durchaus wohlig, aber nie besonders aufregend und sehr redselig. Wie ein Männerabend am Kamin.
Optisch – ich habe die 70mm-Roadshow-Fassung gesehen – gefallen natürlich die vielen langen Szenen, in denen mehrere Minuten nicht geschnitten wird und die Personen sich ungezwungen durch den Raum bewegen oder im Hintergrund noch etwas anderes passiert. Und für die wenigen Landschaftsaufnahmen ist ein ultrabreites Bild natürlich auch angemessen. Allerdings wurde das Bild im Kino nicht noch breiter, sondern die Leinwand wurde schmaler. Also letztendlich kleiner. Es gab auch einige Effekte, wie wackelnde Bilder, Kratzer (beides wohl absichtlich) und vor allem bei den Schneeaufnahmen Helligkeitsschwankungen, bei denen unklar war, ob das jetzt von Quentin Tarantino wirklich so gewünscht war oder ob wir (wir haben nach der Vorführung darüber gesprochen) uns inzwischen so sehr an die moderne Projektion gewöhnt haben, dass uns Dinge, die uns früher egal waren, auffallen. Wie das unglaublich laute Grundrauschen einer Musikkassette im Vergleich zur absoluten Stille einer CD.

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The Hateful 8 (The Hateful Eight, USA 2015)
Regie: Quentin Tarantino
Drehbuch: Quentin Tarantino
mit Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Jennifer Jason Leigh, Walton Goggins, Demian Bichir, Tim Roth, Michael Madsen, Bruce Dern, James Parks, Dana Gourrier, Zoë Bell, Lee Horsley, Channing Tatum
Länge: 169 Minuten (Die in einigen Kinos gezeigte 70mm-Roadshow-Fassung ist, inclusive einer 12-minütigen Pause, 187 Minuten) (hier geht’s zu den Roadshow-Kinos)
FSK: ab 16 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Englische Homepage zum Film
Moviepilot über „The Hateful 8“
Metacritic über „The Hateful 8“
Rotten Tomatoes über „The Hateful 8“
Wikipedia über „The Hateful 8“ (deutsch, englisch)
Quentin Tarantino: The Hateful Eight (Drehbuch)

The Quentin Tarantino Archives (Fanseite)

Everthing Tarantino (dito)

Q-Tarantino.de (noch eine Fanseite)

Meine Besprechung von Georg Seeßlens „Quentin Tarantino gegen die Nazis – Alles über ‘Inglourious Basterds’“ (Kleine Schriften zum Film: 1, 2009)

Meine Besprechung von Quentin Tarantinos “Django Unchained” (Django Unchained, USA 2012)

Kriminalakte über Quentin Tarantino

DP/30 redet mit Quentin Tarantino über „The Hateful Eight“

 


TV-Tipp für den 28. Januar: Cannabis – Medizin oder Droge?

Januar 28, 2016

3sat, 20.15
Cannabis – Medizin oder Droge? (Deutschland 2016)
45-minütige Doku, die herausfinden will, was an den Wundergeschichten über Cannabis dran ist und daher auch der Frage nachgeht, wie sehr Cannabis auch eine Medizin sein kann und warum es immer noch verboten ist.
Anschließend diskutiert „scobel“ mit Gästen zum Thema.
Weitere Informationen hier.


Lauren Beukes erzählt vom „Moxyland“

Januar 27, 2016

Beukes - Moxyland

Jetzt ist, nachdem ihre späteren Werke, wie der mit dem Arthur-C.-Clarke-Preis ausgezeichnete Roman „Zoo City“ oder der Dagger-nominierte „Shining Girls“ schon länger auf Deutsch erhältlich sind, auch Lauren Beukes‘ 2008 erschienener Debütroman auf Deutsch erhältlich. „Moxyland“ spielt in Südafrika in Kapstadt in naher Zukunft.
Im Mittelpunkt stehen die Analog-Fotografin und Künstlerin Kendra, die mittels Nanobots zu einer Werbebotschafterin für einen Softdrink wird; der Videoblogger Toby, der immer alles aufzeichnet und, um seine Reichweite in den Sozialen Netzwerken zu steigern, auch mit Systemgegnern zusammenarbeitet und besonders gerne möglichst spektakuläre Aktionen filmt; Tendeka, der mit antikapitalistischen Aktionen das System stürzen will und die systemkonforme Programmiererin Lerato, die Toby bei seinen Aktionen hilft. Toby und Tendeka verbringen einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit in globalen Internet-Computerspielen und in Alternate Reality Games. Die großen Konzerne sind natürlich auch Teil dieser Spiele.
Und jetzt nähern wir uns dem großen Problem des Romans. Denn selbstverständlich hängen ihre Schicksale miteinander zusammen und alles bewegt sich auf eine große Umwälzung zu, in die sie irgendwie involviert sind. Dieses Ereignis ist natürlich der Höhepunkt und das Ende des Romans. Davor, auch wenn man schnell ahnt, auf was es hinausläuft, gibt es nur Zufälligkeiten und Betrachtungen aus dem Leben der vier Hauptpersonen, deren Wichtigkeit für das Ende oft nicht erkennbar ist. Was auch oft daran liegt, dass bestimmte Ereignisse einfach nicht wichtig sind. Daher passiert die ersten Zweidrittel des Romans fast nichts und auch danach bleiben wichtige Dinge rätselhaft, weil „Moxyland“ aus den Perspektiven von Tendeka, Toby, Kendra und Lerato, die alle Ich-Erzähler sind, erzählt wird.
Sie sind eher Beobachter, Herumgestoßene und Mitgerissene (im Guten wie im Schlechten) als aktiv Handelnde. Keiner von ihnen hat auch nur halbwegs einen Überblick über das doch nicht so weltbewegende Komplott, in das sie hineingezogen werden.
Dummerweise sprechen die Vier so ähnlich, dass man sie ohne die ihren Kapiteln vorangestellten Namen, ihre Arbeit und ihrer sehr unterschiedlichen Lebenswelten nicht auseinanderhalten kann. Glücklicherweise hat Lauren Beukes einen angenehmen, leicht schnodderigen Tonfall, der zum Weiterlesen einlädt und auch auf ihre nach ihrem Debüt erschienenen drei Science-Fiction-Romane „Broken Monsters“, „Shining Girls“ und „Zoo City“ neugierig macht.
Ihr Cyberpunk-Roman „Moxyland“ selbst ist von der Konstruktion seiner Geschichte her eine eher dröge Angelegenheit, die, wie wir spätestens aus dem Nachwort erfahren, eng mit der südafrikanischen Realität verknüpft ist.

Lauren Beukes: Moxyland
(übersetzt von Mechthild Barth)
rororo, 2016
368 Seiten
9,99 Euro

Originalausgabe
Moxyland
Jacana Media, Johannesburg, 2008 (und)
Angry Robot/Osprey Group, Oxford, 2008

Hinweise
Homepage von Lauren Beukes
Wikipedia über Lauren Beukes (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 27. Januar: Letters from Iwo Jima

Januar 27, 2016

Kabel 1, 23.30
Letters from Iwo Jima (USA 2006, Regie: Clint Eastwood)
Drehbuch: Iris Yamashita (nach einer Geschichte von Iris Yamashita und Paul Haggis)
LV: Tadamichi Kuribayashi/Tsuyoko Yoshido: Picture Letters from Commander in Chief
Unglaublich, aber wahr: heute ist die TV-Premiere von Clint Eastwoods „Letters from Iwo Jima“, den er 2006, direkt im Anschluss, als Gegenstück zu seinem Film „Flags of our fathers“ inszenierte. In dem Film zeigte er die US-amerikanische Seite und Interpretation des Kampfes um die Pazifikinsel Iwo Jima im Zweiten Weltkrieg. In „Letters from Iwo Jima“ schildert er die japanische Seite, auf der sich die Soldaten in eine aussichtslose Schlacht begaben. Auf japanisch. Dafür gab es, neben einigen anderen Preisen, den Golden Globe in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“. Auch bei uns kam der Film als „Original mit Untertiteln“ in die Kinos.
Und: Nein, das Sterben auf der Vulkaninsel ist nicht ehrenhaft.
mit Ken Watanabe, Kazunari Ninomiya, Tsuyoshi Ihara, Ryô Kase, Shidou Nakamura, Hiroshi Watanabe, Takumi Bando, Yuki Matsuzaki
Hinweise
Rotten Tomatoes über „Letters from Iwo Jima“
Wikipedia über „Letters from Iwo Jima“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Pierre-Henri Verlhacs (Herausgeber) „Clint Eastwood – Bilder eines Lebens“ (2008)

Meine Besprechung von Clint Eastwoods „Hereafter – Das Leben danach“ (Hereafter, USA 2010)

Meine Besprechung von Clint Eastwoods “Jersey Boys” (Jersey Boys, USA 2014)

Meine Besprechung von Clint Eastwoods “American Sniper” (American Sniper, USA 2014)

Clint Eastwood in der Kriminalakte


Cover der Woche

Januar 26, 2016

McBain - Graffiti


TV-Tipp für den 26. Januar: Open Range – Weites Land

Januar 26, 2016

Pro7 Maxx, 20.15

Open Range – Weites Land (USA 2003, Regie.: Kevin Costner)

Drehbuch: Craig Storper

LV: Lauran Paine: The Open Range Man, 1990 (später auch „Open Range“)

Als der tyrannische Rancher Baxter die Herde der beiden seit Ewigkeiten zusammen reitenden Cowboys Spearman und Waite stehlen will, hat er sich mit den falschen angelegt.

Schöner Western, der angenehm altmodisch auf jeglichen modernen Schnickschnack verzichtet und ruhig seine Geschichte erzählt.

mit Robert Duvall, Kevin Costner, Annette Bening, Michael Gambon, Michael Jeter, Diego Luna, James Russo, Kim Coates

Wiederholung: Mittwoch, 27. Januar, 01.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über “Open Range”

Wikipedia über „Open Range“ (deutsch, englisch)

Fantastic Ficton über Lauran Paine

David Whitehead über Lauran Paine


Buchkritik: Über Evelyn Waughs „Tod in Hollywood“

Januar 25, 2016

Waugh - Tod in Hollywood

Normalerweise hätte ich Evelyn Waughs „Tod in Hollywood – Eine anglo-amerikanische Tragödie“ nicht zu Ende gelesen, aber mit unter hundertfünfzig Seiten ist der Roman so kurz, dass ich fertig war, ehe ich es weglegen konnte. Das lag natürlich auch daran, dass ich wissen wollte, warum das Buch so vielen Menschen gefällt.
In der Geschichte geht es um den jungen englischen Dichter Dennis Barlow, der nach dem Krieg nach Hollywood geht. Dort hofft er auf den großen Durchbruch. Die meiste Zeit verbringt er allerdings mit anderen Briten auf dem Kricketplatz. Dort pflegen sie ihr Britischsein und die älteren Herrschaften, die schon länger in der Traumfabrik keine Karriere haben, blicken voller Verachtung auf die ungebildeten Amerikaner herab. Sie haben zwar kein Geld, aber dafür die besseren Manieren. Sein Geld verdient Barlow in dem Tierbestattungsunternehmen „Die ewigen Jagdgründe“. Als sein Vermieter stirbt, soll er im Auftrag der Kricketclubmitglieder die Trauerfeier arrangieren. Natürlich in dem besten Bestattungsunternehmen von Los Angeles und Umgebung: den „Elysischen Gefilde“. Dort wird für die Toten alles von der Trauerfeier bis zur Beerdigung auf dem zu den Gefilden gehörendem Friedhof (wobei man genaugenommen zwischen mehrere Friedhofslandschaften und Inseln wählen kann) getan. Als Barlow sich dort als Tierbestatter auch aus beruflichem Interesse umsieht, trifft er eher zufällig die junge Leichenkosmetikerin Aimée Thanatogenos und die beiden feinfühligen Geister finden mehr oder weniger zueinander.
Der Klappentext von „Tod in Hollywood“ (ein guter, aber auch in die Irre führender Titel) lässt eine Satire auf Hollywood und die Engländer, zusammengehalten von einer Liebesgeschichte, erwarten. Aber eigentlich ist der Roman eine Abfolge eher unzusammenhängender Betrachtungen, in denen gerade die ersten gefallen. Hier beschreibt Waugh, der selbst in einer ähnlichen Situation in Hollywood war (ein Produzent wollte seinen Roman „Wiedersehen mit Brideshead“ verfilmen und Waugh, der die Filmrechte nicht verkaufen wollte, ließ sich mehrere Wochen aushalten), in meist langen Monologen das Leben und die Weltsicht der snobistischen Engländer in Hollywood. Diese Beschreibungen sind wahrscheinlich nur leicht überspitzt. Aber schon die ellenlangen Beschreibungen des Umgangs mit verstorbenen Haustieren, die schon damals in Kalifornien eine würdige (lies „menschenähnliche“) Beerdigung erhielten, langweilen. Die noch längeren Beschreibungen der Bestatter, ihres Handwerks und der kalifornischen Beerdigungssitten und -rituale in den „Elysischen Gefilden“ langweilen noch mehr. Jedenfalls wenn man kein gesteigertes Interesse an einer inzwischen historischen Betrachtung dieses Gewerbes hat. Irgendwann nach der Mitte gibt es dann eine ebenfalls nicht sonderlich interessante Liebesgeschichte zwischen der Leichenkosmetikerin Aimée Thanatogenos und ihren beiden Liebhabern, dem Einbalsamierer Mr. Joyboy und dem Dichter Dennis Barlow. Sie kann sich nicht zwischen den beiden Männern entscheiden und sucht Rat bei der Lebensberatung einer Zeitschrift. Das ist dann mehr eine Abfolge von Episoden, die oft auf verschiedenen Perspektiven und mit Zeitsprüngen erzählt werden, die vor allem Waughs Desinteresse an einer durchgehenden Geschichte zeigen.
Trotzdem war der Roman ein Bestseller. 1965 wurde er, sehr frei, von Tony Richardson, nach einem Drehbuch von Terry Southern und Christopher Isherwood, als „Tod in Hollywood“ (The Loved One) verfilmt. Der Trailer des fast unbekannten Films sieht nach einer ziemlich durchgeknallten Nummernrevue aus. Der Roman ist das Gegenteil.

Evelyn Waugh: Tod in Hollywood
(neu übersetzt von Andrea Ott)
Diogenes, 2015
160 Seiten
20 Euro

Originalausgabe
The Loved One
Chapman & Hall, London, 1948

Deutsche Erstausgabe
Die Arche, Zürich, 1950

Hinweise
Wikipedia über Evelyn Waugh (deutsch, englisch) und „Tod in Hollywood“
Perlentaucher über „Tod in Hollywood“


TV-Tipp für den 25. Januar: Den Mörder trifft man am Buffet

Januar 25, 2016

Arte, 20.15

Den Mörder trifft man am Buffet (Frankreich 1979, Regie: Bertrand Blier)

Drehbuch: Bertrand Blier

Alphonse hat Mordfantasien. Als ein Buchhalter mit seinem Messer erstochen wird, kann er sich nicht an die Tat erinnern. Ein Inspektor will den Mord nicht aufklären. Und da geschieht der nächste Mord.

„Ein kleines Meisterwerk des Nonsense, in dem weder Logik noch Zynismus, sondern allein das Absurde zählt, Alice im Wunderland der Mörder auftritt und Jack the Ripper in die Burlesken eines W. C. Fields gerät.“ (Fischer Film Almanach 1993)

Die deutsche Premiere war 1992 im ZDF und seitdem wurde der Film kaum wiederholt.

Blier erhielt für seinen Drehbuch einen César.

Bertrand Blier inszenierte unter anderem „Die Ausgeblufften“, „Frau zu verschenken“, „Abendanzug“, „Zu schön für Dich!“, „Mein Mann – Für deine Liebe mache ich alles“ und „Und wie sehr liebst du mich?“. Immer spielt er in seinen Komödien sehr gelungen mit den gesellschaftlich-bürgerlichen Konventionen, die er lustvoll negiert.

Anschließend, um 21.45 Uhr, läuft Maurice Pialats „Der Bulle von Paris“ (Frankreich 1985). Ebenfalls mit Depardieu, ebenfalls selten gezeigt, ebenfalls sehenswert.

mit Gérard Depardieu, Jean Carmet, Bernard Blier, Geneviève Page, Michel Serrault, Carole Bouquet

Hinweise

Arte über „Den Mörder trifft man am Buffet“

Wikipedia über „Den Mörder trifft man am Buffet“ (englisch, französisch)


TV-Tipp für den 24. Januar: Flucht von Alcatraz

Januar 24, 2016

Arte, 20.15
Flucht von Alcatraz (USA 1979, Regie: Don Siegel)
Drehbuch: Richard Tuggle
LV: J. Campbell Bruce: Escape from Alcatraz, 1963
Frank Lee Morris plant das Unmögliche: eine Flucht von Alcatraz. Und am 11. Juni 1962 gelingt es ihm; – jedenfalls verschwanden er und seinen beiden Mitflüchtlingen spurlos.
„Flucht von Alcatraz“ ist die fünfte und letzte Zusammenarbeit von Don Siegel und Clint Eastwood. Der auf einem wahren Fall beruhende, beklemmende und realistische Knastthriller wurde auf Alcatraz gedreht.
Danny Glover gab hier in einer Nebenrolle als Häftling sein Filmdebüt.
Mit Clint Eastwood, Patrick McGoohan, Roberts Blossom, Jack Thibeau, Fred Ward, Paul Benjamin, Larry Hankin, Bruce M. Fischer, Frank Ronzio, Danny Glover
Wiederholung: Montag, 25. Januar, 13.55 Uhr
Hinweise
Rotten Tomatoes über „Flucht von Alcatraz“
Wikipedia über „Flucht von Alcatraz“ (deutsch, englisch)
Roger Ebert über „Escape from Alcatraz“

Meine Besprechung von Pierre-Henri Verlhacs (Herausgeber) „Clint Eastwood – Bilder eines Lebens“ (2008)

Meine Besprechung von Clint Eastwoods „Hereafter – Das Leben danach“ (Hereafter, USA 2010)

Meine Besprechung von Clint Eastwoods “Jersey Boys” (Jersey Boys, USA 2014)

Meine Besprechung von Clint Eastwoods “American Sniper” (American Sniper, USA 2014)

Clint Eastwood in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Don Siegels „Der Tod eines Killers“ (The Killers, USA 1964 – Ronald Reagans letzter Film)

Meine Besprechung von Don Siegels „Der letzte Scharfschütze“ (The Shootist, USA 1976 – John Waynes letzter Film)

Kriminalakte über Don Siegel


TV-Tipp für den 23. Januar: Tatort: Acht Jahre später

Januar 23, 2016

HR, 22.45 (VPS 21.40)

Tatort: Acht Jahre später (Deutschland 1974, Regie: Wolfgang Becker)

Drehbuch: Karl-Heinz Willschrei

Nach acht Jahren wird der Einbrecher Brossberg aus der Haft entlassen. Er schwor damals, sich an seiner Ex-Geliebten und an Kommissar Heinz Haferkamp (der seinen Bruder erschoss) zu rächen.

Der feine Einstand von dem beliebtesten „Tatort“-Kommissar der siebziger Jahre und auch ohne Nostalgie-Bonus immer noch besser als die meisten aktuellen „Tatorte“.

mit Hansjörg Felmy, Willy Semmelrogge, Karin Eickelbaum, Bernd Schäfer, Christine Ostermayer, Relja Basic, Herbert Bötticher, Klaus Schwarzkopf (als Gastkommissar)

Hinweise

Wikipedia über „Tatort: Acht Jahre später“

Tatort-Fundus über Kommisar Haferkamp

Lexikon der deutschen Krimi-Autoren über Karl-Heinz Willschrei


Neu im Kino/Filmkritik: Über Charlie Kaufmans Puppenfilm „Anomalisa“, der nicht für Kinder ist

Januar 22, 2016

Michael Stone ist Bestsellerautor und Motivationstrainer, aber eigentlich ist er nur ein Handlungsreisender, der zu viel Zeit in anonymen Hotelzimmern verbringt. Damit steht er in der Tradition von Willy Loman (aus „Der Tod eines Handlungsreisenden“) und Ryan Bingham (aus „Up in the Air“) oder all den anonymen Anzugträgern, die sich zu jeder Rush Hour in den Zug drängen. Dass Stone dann auch noch am Fregoli-Syndrom, einer Krankheit, die dazu führt, dass für ihn alle anderen Menschen gleich aussehen, leidet, verstärkt dieses Gefühl des Immer gleichen.
Nur: wie inszeniert man im Film eine große Menge gleich aussehender Menschen? Natürlich kann man den gleichen Schauspieler alle Rollen spielen lassen; was dann zu einer logistischen Aufgabe für den Kameramann und einem Showcase für den Schauspieler wird. Oder man lässt diese Arbeit von einem Computer erledigen, was vor allem die Programmierer begeistert. Oder man verfilmt die Geschichte mit Puppen.
Charlie Kaufman, der die grandiosen Drehbücher für „Being John Malkovich“, „Adaptation“ und „Vergiss mein nicht!“ schrieb, entschied sich bei der Verfilmung seines „Theaterstücks“ (das Stück wurde 2005 zweimal im Rahmen von Carter Burwells „Theater of the New Ear“-Projekt im Theater als Hörspiel aufgeführt) für letzteres, was der eher dünnen Geschichte einen neuen Dreh verleiht. Denn letztendlich erzählt „Anomalisa“ nur die Geschichte einer Nacht in einem anonymen Hotel, in dem Fremde sich begegnen. Hier ist es der ausgebrannte, leicht übergewichtige, an einer ausgedehnten Midlife-Crisis leidende Michael Stone, der am nächsten Tag eine Rede halten soll. Er begegnet Lisa Hesselman, einer Call-Center-Mitarbeiterin, die ihn abgöttisch bewundert, und ihrer Freundin. Weil Lisa ein individuelles Gesicht und eine individuelle Stimme hat, ist sie für Stone eine Anomalie (damit dürfte der Filmtitel erklärt sein). In der Hotelbar reden sie miteinander. Im Hotelzimmer haben sie Sex. In den Hotelfluren sind sie einsam und, weil der Film aus Stones Perspektve erzählt wird, sehen alle Menschen (bis auf Lisa) letztendlich gleich aus, sie haben auch die gleiche Stimme. Im Original spricht Tom Noonan alle Charaktere bis auf Stone, der von David Thewlis gesprochen wird, und Lisa, die von Jennifer Jason Leigh gesprochen wird. Manchmal verlieren die Figuren auch Teile ihres Gesichts. Sie lassen die Maske fallen, ohne dass dahinter eine große Entdeckung liegt.
Die in Stop-Motion-Technik animierten Puppen bewegen sich in hyperrealistischen, detailgetreu nachgebauten Hotelinnenräumen, die jede Individualität vermissen lassen.
Das ist, wie Charlie Kaufmans andere Werke, kein gewöhnliches Kino. Wobei „Anomalisa“, wie gesagt, an seiner kaum vorhandenen Geschichte krankt. Da eine Puppe sich nicht bewegt, kann ihr Gesicht, was durchaus gewollt ist, auch nichts verraten. Es sieht immer gleich aus. Und exzessiver, anatomisch korrekt dargestellter, Sex von und zwischen Puppen hat in den USA vielleicht ein Schockpotential. Hier langweilt es eher. Auch wenn es, wie alles in dem Film, erstaunlich realistisch aussieht und der Film mit seinen Querverweisen und Anspielungen in sich geschlossen ist. Was natürlich auch daran liegt, dass wir in „Anomalisa“ die Welt sehen, wie Michael Stone sie sieht und er keinen Ausweg aus seiner Welt, seinem Wahn, sieht.

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Anomalisa (Anomalisa, USA 2015)
Regie: Charlie Kaufman, Duke Johnson
Drehbuch: Charlie Kaufman (nach seinem als Francis Fregoli veröffentlichtem Theaterstück)
mit (im Original den Stimmen von) David Thewlis, Jennifer Jason Leigh, Tom Noonan
Länge: 91 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Deutsche Facebookseite zum Film
Englische Homepage zum Film
Moviepilot über „Anomalisa“
Metacritic über „Anomalisa“
Rotten Tomatoes über „Anomalisa“
Wikipedia über „Anomalis“

DP/30 unterhält sich mit Charlie Kaufman und Duke Johnson über „Anomalisa“


Neu im Kino/Filmkritik: Saoirse Ronan ist in „Brooklyn“

Januar 22, 2016

Irland, fünfziger Jahre. Keine Gegend, in der man unbedingt leben möchte. Immerhin ist es die tiefste Provinz, in der jeder jeden kennt und alles über einen weiß und es wenig Arbeit gibt. Also entschließt sich die junge, introvertierte Eilis Lacy (Saoirse Ronan), angestoßen von ihrer Schwester, das heimatliche Dorf Enniscorthy, ihre Mutter und ihre Schwester, zu verlassen und in den USA ihr Glück zu versuchen. Über den irischstämmigen Geistlichen Father Flood (Jim Broadbent) hat sie in Brooklyn ein Zimmer in dem Haus von Mrs. Kehoe (Julie Walters) und eine Anstellung als Verkäuferin in einem Kaufhaus bekommen. Dennoch hat sie Heimweh, bis sie den jungen, charmanten italienischen Klempner Tony Fiorello (Emory Cohen) kennen lernt.
Doch dann stirbt ihre Schwester und muss sie zurück nach Enniscorthy und plötzlich scheint in ihrer alten Heimat alles Bestens zu laufen: sie erhält eine Büroarbeit und der umschwärmte Rugby-Spieler Jim Farrell (Domhnall Gleeson) interessiert sich für sie.
Wenn man „Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten“, der unter anderem für den Oscar als bester Film des Jahres nominiert ist, so zusammenfasst, dann klingt es nach einer banalen Liebesgeschichte und man könnte nicht mehr daneben liegen. Denn John Crowley erzählt, nach einem Drehbuch von Nick Hornby, eine Auswanderergeschichte, bei der nicht, wie gewohnt, ein Mann, sondern eine Frau im Mittelpunkt steht. Allein das verleiht „Brooklyn“, wie der vor wenigen Wochen bei uns gestarteten Patricia-Highsmith-Verfilmung „Carol“ (über eine lesbische Liebe in den Fünfzigern in New York), schon eine besondere Note. Und wie „Carol“ ist „Brooklyn“ in erster Linie ein feinfühliges Charakterporträt einer Frau, die ihren Weg finden muss. Die sich zwischen zwei Welten und damit verbundenen Lebensentwürfen entscheiden muss. Soll sie wieder zurück in das dörfliche und beengte Enniscorthy oder doch wieder zurück in das großstädtische und weltoffene New York? Obwohl sie einmal betont, sie wohne nicht in New York, sondern in Brooklyn und auch hier gibt es Grenzen, Vorurteile und die Suche nach dem Traummann. Mrs. Kehoe führt ihre Pension, in der nur junge, alleinstehende Frauen wohnen, mit strenger Hand und sie hat immer eine eindeutige Meinung. Vor allem bei den gemeinsamen Abendessen. Die einzelnen Ethnien, im Film die Iren und die Italiener, bleiben untereinander. So ist Eilis erstaunt, dass sie auf einer irischen Feier einen Italiener kennen lernt. Vor dem Abendessen bei Tonys Familie wird sie auf das Essen von italienischem Essen vorbereitet und das Abendessen verläuft zunächst, dank gegenseitiger Vorurteile und Rücksichtnahmen, in äußerst gedrückter Stimmung.
John Crowley setzte Nick Hornbys präzises Oscar-nominiertes Drehbuch formidabel und wohltuend unaufgeregt um. „Brooklyn“ wirkt in seiner langsamen, sich auf die Menschen und ihr Leben einlassenden Erzählweise als sähe man einen Film aus den Fünfzigern, der auch eine kleine, fast schon ethnographische Gesellschaftsanalyse ist.
Getragen wird der Film von Saoirse Ronan, die hier eine sehr introvertierte Person spielt, die immer wenig bis nichts von sich verrät und allen, weil sie ungern im Mittelpunkt steht, höflich-reserviert begegnet. Und trotzdem interessiert man sich für sie. Das brachte ihr, neben etlichen weiteren Nominierungen und Preisen, eine Oscar-Nominierung als beste Schauspielerin ein.
„Brooklyn“ ist ein ruhiger, schöner, sehr introvertiertes Drama, das, wie „Carol“ etwas Geduld verlangt, weil auf die üblichen Mittel der Emotionalisierung, was bei einem Liebesdrama natürlich Kitsch in großen Portionen ist, verzichtet wird.

Brooklyn - Plakat

Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten (Brooklyn, Irland/Großbritannien/Kanada 2015)
Regie: John Crowley
Drehbuch: Nick Hornby
LV: Colm Tóibín: Brooklyn, 2009 (Brooklyn)
mit Saoirse Ronan, Domhnall Gleeson, Emory Cohen, Jim Broadbent, Julie Walters, Jane Brennan, Fiona Glascott, Eileen O’Higgins, Brid Brennan, Emily Beth Rickards, Eve Macklin, Nora-Jane Noone, Jessica Paré
Länge: 112 Minuten
FSK: ab 0 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Englische Homepage zum Film
Moviepilot über „Brooklyn“
Metacritic über „Brooklyn“
Rotten Tomatoes über „Brooklyn“
Wikipedia über „Brooklyn“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 22. Januar: Unstoppable – Außer Kontrolle

Januar 22, 2016

Pro7, 20.15

Unstoppable – Außer Kontrolle ( USA 2010, Regie: Tony Scott)

Drehbuch: Mark Bomback

Zugfahren mit „Last Boy Scout“ Tony Scott: nach „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“ lässt Tony Scott in seinem letzten Spielfilm den feuchten Traum jedes Trassenküssers wahr werden: ein Zug mit sehr gefährlicher Ladung donnert im Affentempo auf sein Ziel zu. Nur zwei Männer wissen, wie man die Superduperkatastrophe verhindern kann. Sie besteigen den fahrenden Zug.

„Unstoppable“ basiert auf wahren Ereignissen. Aber die Macher haben sich einige spannungsfördernde Freiheiten genommen.

Im Anschluss, um 22.20 Uhr, läuft „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“.

mit Chris Pine, Denzel Washington, Rosario Dawson

Wiederholung: Sonntag, 24. Januar, 23.25 Uhr

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Unstoppable – Außer Kontrolle“

Metacritic über “Unstoppable – Außer Kontrolle”

Rotten Tomatoes über “Unstoppable – Außer Kontrolle”

Wikipedia über “Außer Kontrolle” (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Sandra Bullock ist „Die Wahlkämpferin“

Januar 21, 2016

Natürlich ist ein Film, der von George Clooneys und Grant Heslovs Firma Smokehouse Pictures produziert wird, für den „Dame, König, As, Spion“-Autor Peter Straughan das Drehbuch schrieb und bei dem Sandra Bullock und Billy Bob Thornton mitspielen, nicht grottenschlecht. Allerdings bleibt „Die Wahlkämpferin“ weit unter seinen Möglichkeiten und er schöpft noch nicht einmal ansatzweise sein Potential aus. Jedenfalls wenn man etwas mehr als eine letztendlich sehr leichtgewichtige Polit-Satire erwartet.
Sandra Bullock spielt eine zurückgezogen lebende Wahlkampfmanagerin, die sich von einer früheren Kollegin überzeugen lässt, wieder in ihren alten Job zurückzukehren. Als Bonus erhält die natürlich legendäre Jane Bodine die Gelegenheit, sich an Pat Candy (Billy Bob Thornton), mit dem sie eine gemeinsame Vergangenheit hat, zu rächen. Denn Candy, der ein skrupelloses Arschloch sein soll (dabei tut er nur, relativ entspannt und professionell, seinen Job), berät einen anderen Präsidentschaftskandidaten, der in allen Umfragen unangefochten und mit weitem Abstand an erster Stelle steht, während Bodines potentieller Kunde abgeschlagen hinter mehreren anderen Kandidaten liegt. Und Bodine, die zuletzt kaum ihre Berghütte verließ, muss die USA in Richtung Süden verlassen. Denn der Wahlkampf geht um die bolivianische Präsidentschaft.
Das könnte, auch weil „Die Wahlkämpferin“ sich von dem Dokumentarfilm „Our Brand is Crises“ über die Arbeit US-amerikanischer Wahlkampfstrategen 2002 in Bolivien inspirieren ließ, eine klugen Analyse über Wahlkampfstrategien, US-amerikanischen Wirtschaftsimperialismus und die Gegebenheiten in Bolivien werden. Bolivien ist in dem Spielfilm als pittoreske Operettenrepublik nur der austauschbare Hintergrund für den Zickenkrieg zwischen Bodine und Candy. Über die politischen Vorstellungen der Kandidaten und damit auch über die Probleme des Landes erfahren wir nichts. Entsprechend egal ist dann auch der Wahlkampf für die Dramaturgie des Films. Und über Wahlkampfstrategien, also wie Wahlkämpfe in ihrer US-amerikanischen Form (die mit deutschen Wahlkämpfen nicht vergleichbar ist) gemacht werden, erfahren wir absolut nichts. Bodines geniales Talent als Wahlkampfmanagerin beschränkt sich, jedenfalls so weit es uns im Film gezeigt wird, auf banale Erbauungsreden, kindische Intrigen und der lautstark vorgetragenen Forderung, endlich mit einer Schmutzkampagne gegen den potentiellen Sieger zu starten. Denn irgendetwas wird immer hängen bleiben. Vor allem wenn man die Nazi-Keule schwingt.
Dass Bodine, ein psychisch derangiertes Ekel mit dem Mitgefühl einer Topfpflanze (von Sandra Bullock immerhin mit großem Mut zu unvorteilhaftem Aussehen gespielt), am Ende, nachdem die Stimmen ausgezählt sind, einen Moralischen bekommt, kann nur mit dem Befolgen von Drehbuchregeln und der Angst der Macher erklärt werden, dass die Zuschauer die Anklage gegen das Geschäft der Spin-Doktoren und Wahlkampfmanager nicht verstehen werden. Denn aus der vorherigen Geschichte des mutlosen Films, der mehr Klamauk und Sentiment als Satire oder Analyse ist, folgt es nicht.

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Die Wahlkämpferin (Our Brand is Crisis, USA 2015)
Regie: David Gordon Green
Drehbuch: Peter Straughan
mit Sandra Bullock, Billy Bob Thornton, Anthony Mackie, Joaquin de Almeida, Ann Dowd, Scoot McNairy, Zoe Kazan, Reynaldo Pacheco
Länge: 108 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
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Moviepilot über „Die Wahlkämpferin“
Metacritic über „Die Wahlkämpferin“
Rotten Tomatoes über „Die Wahlkämpferin“
Wikipedia über „Die Wahlkämpferin“


Neu im Kino/Filmkritik: Extrem sportlich zum „Point Break“

Januar 21, 2016

Gut, Ericson Core, Kameramann von „The Fast and the Furious“ (ihr wisst schon: der Actionthriller, in dem ein junger Undercover-Polizist sich mit einem autoverrücktem Verbrecher befreundet), hat wirklich einige Namen und ein, zwei Details von Kathryn Bigelows Actionthriller „Gefährliche Brandung“(Point Break, USA 1991), der die Blaupause für etliche weitere Thriller war, übernommen, aber zu einem Remake macht ihn das nicht. Eher zu einer sehr freien Interpretation bekannter Elemente, die behauptet, etwas mit dem Original zu tun zu haben. So wie Paul Schraders „Katzenmenschen“ nicht mehr viel mit Jacques Tourneurs „Katzenmenschen“ oder F. Gary Grays „The Italien Jobs“ kaum Gemeinsamkeiten mit Peter Collinsons „Charlie staubt Millionen ab“ (so der deutsche Titel des ersten „Italien Jobs“) zu tun hat. Beides sind auch gute Filme, was man über „Point Break“ nicht unbedingt sagen kann.
In Cores „Point Break“ (nach einem Drehbuch von Kurt Wimmer [„Equilibrium“, „Ultraviolet“ und „Total Recall“]) begibt sich der junge FBI-Agent Johnny Utah (Luke Bracey), der gerade seine Agenten-Ausbildung beendet, auf einen gefährlichen Undercover-Einsatz. Denn er glaubt, dass die Verantwortlichen für mehrere spektakuläre Überfälle an verschiedenen abgelegenen Orten auf unserem Globus eine Gruppe Extremsportler sind. Angeführt werden sie von Bodhi (Edgar Ramirez). Da ist es gut, dass der FBIler selbst eine Vergangenheit als Extremsportler hat und das gut gefüllte Spesenkonto des FBI ihm einen Trip quer durch Europa und Südamerika gestattet.
Das ist auch nötig, weil der Bösewicht ihn zuerst einmal prüft. Weniger, ob er zum Verbrecher taugt, sondern ob er sportlich ist. Denn, das hat der junge FBI-Agent Johnny Utah durch Aktenstudium herausgefunden: der Bösewicht Bodhi verfolgt bei seinen Verbrechen einen viel größeren Plan. Ihm geht es nicht um Geld. Mit seinen Verbündeten will er die acht Prüfungen von Ono Ozaki absolvieren. Der legendäre Extremsportler und Öko-Krieger überlegte sich diese Prüfungen als Weg zur spirituellen Erleuchtung und Aussöhnung mit Mutter Erde. Ozaki starb bei der dritten Prüfung. Und nachdem wir diese Information verdaut haben, wird der Ozaki-Weg zu einem beliebig austauschbarem MacGuffin für eine muntere Weltreise. Auch wenn der Film hauptsächlich in Europa spielt.
Diese mit etwas esoterischem Geschwurbel verkleisterten Mutproben, – Big-Wave-Surfing vor der französischen Küste (die im Film zu bestaunenden Wellen wurden vor Tahiti gefunden), Freeclimbing in Venezuela, Wingsuit-Fliegen und Snowboarden in den Alpen, undsoweiter -, stehen im Mittelpunkt des Films, der auch noch etwas konventionellere Action bietet, während die Krimihandlung noch nicht einmal halbherzig mitgeschleift wird und mit der Logik so freizügig umgegangen wird, wie wir es aus der Luc-Besson-Fabrik kennen, wenn sie gerade einen schlechten Tag hat.
So wird aus dem Versprechen eines Actionthrillers schnell ein banales Werbevideo für Extremsport, das als überlanger Werbeclip bei den Landschaftsaufnahmen und Actionszenen natürlich einige Schauwerte hat. Nur eine Handlung und damit ein nachvollziehbarer Grund, in diesen Spielfilm zu gehen, existiert nicht.

Point Break - Plakat

Point Break (Point Break, USA/Deutschland 2015)
Regie: Ericson Core
Drehbuch: Kurt Wimmer (nach einer Idee von Rick King und W. Peter Iliff)
mit Luke Bracey, Edgar Ramirez, Teresa Palmer, Clemens Schick, Ray Winstone, Delroy Lindo, Matias Varela, Tobias Santelmann, Max Thieriot, Nikolai Kinski
Länge: 114 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Englische Homepage zum Film
Moviepilot über „Point Break“
Metacritic über „Point Break“
Rotten Tomatoes über „Point Break“
Wikipedia über „Point Break“ (deutsch, englisch)