Die rote Schildkröte (La tortue rouge, Frankreich/Japan 2016)
Regie: Michael Dudok de Wit
Drehbuch: Michael Dudok de Wit (auch Adaption), Pascale Ferran (Adaption) (nach einer Geschichte von Michael Dudok de Wit)
Ein Schiffbrüchiger entdeckt auf einer Insel eine rote Schildkröte, die eine schöne Überraschung verbirgt.
„Die rote Schildkröte“ ist ein wunderschöner poetischer Film über das Leben, der einem, wie ein Gedicht, eine Interpretation aufzwingt, aber zum Nachdenken anregt.
Na, das ist doch abwechslungsreicher als Nudeln, Nudeln, Nudeln.
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Einkaufzettel – hat Zeit. Geschäfte sind eh geschlossen.Computerzubehör ist zu teuer und der Vorrat an Büchern und Filmen reicht.
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Endlich den Text mit den vielen Leseempfehlungen fertig schreiben. Versprochen.
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Meine kleine Pier-Paolo-Pasolini-Werkschau abgeschlossen. Ohne „Die 120 Tage von Sodom“. Den Film muss ich wirklich nicht zweimal sehen; – außerdem sollte man den Film mit Publikum sehen und beobachten, wie die Zuschauer fluchtartig den Saal verlassen.
Und jetzt?
Federico Fellini
John Cassavetes („Ich mache gern schwierige Filme, bei denen die Leute schreiend rauslaufen. Ich bin schließlich nicht in der Unterhaltungsbranche.“)
Francis Ford Coppola (zum Beispiel die „Der Pate“-Trilogie; „Apocalypse Now“ habe ich ja kürzlich wieder im Kino gesehen)
Steven Spielberg (alles außer Indiana Jones. Die Filme habe ich erst kürzlich gesehen)
Und dann gibt es noch einige Filme, die ich aus dem einen oder anderen Grund bislang nicht gesehen habe. Wie Roman Polanskis Kostümdrama „Tess“, weil ich Kostümfilme prinzipiell langweilig finde. Vor allem wenn sie länger als zwei Stunden sind.
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Arte-Mediathek durchgucken. Da sind im Moment einige alte Filme von Alfred Hitchcock (Gestern die erste Version von „Der Mann, der zuviel wusste“ im untertitelten Original gesehen), einiges von Eric Rohmer, Jacques Rivettes vierstündiges Drama „Die schöne Querulantin“ und, zum Entspannen, „Bugsy Malone“ (Warum wird der eigentlich nie im TV gezeigt?) oder der Ed-Wood-Klassiker „Plan 9 aus dem Weltall“, der besser als sein „schlechtester Film aller Zeiten“-Ruf ist. Danach kann ich mir die beiden anderen Ed-Wood-Filme aus der Mediathek ansehen. Denn zu viel des Schlechten ist wunderbar.
JAMES BOND: Der Spion, der mich liebte (The Spy who loved me, Großbritannien 1977)
Regie: Lewis Gilbert
Drehbuch: Richard Maibaum, Christopher Wood
LV: Ian Fleming: The spy who loved me, 1962 (Der Spion, der mich liebte)
Buch zum Film: Christopher Wood: The spy who loved me, 1977 (James Bond und sein größter Fall)
Mitten im Kalten Krieg muss Bond mit den Russen (nun, mit einer verdammt gut aussehenden Agentin) zusammenarbeiten. Denn Milliardär Stromberg will die Welt vernichten.
Der Film hat mit dem Buch nur eine Gemeinsamkeit: den Titel. Kein Wunder, denn in dem Buch erzählt Fleming aus der Perspektive einer jungen Frau, die einen Job als Hauswärterin eines einsam gelegenen Motels annimmt, wie sie von zwei Verbrechern als Geisel genommen und von James Bond befreit wird. Fleming hielt das stark kritisierte Buch für „offensichtlich schiefgegangen“ und sprach sich – erfolglos – gegen weitere Auflagen aus. Er bestand beim Verkauf der Filmrechte an Eon Productions darauf, dass für einen Film eine andere Geschichte gefunden werde.
Und das taten sie! Der Film glänzt mit Pyramiden, einem unter Wasser fahrendem Auto, Beißer (der in dem nächsten Bond-Film „Moonraker“ seinen zweiten Auftritt hatte) und einer grandiosen Schlussschlacht in dem Bauch eines Schiffes. Für diesen Kampf wurde in den Pinewood-Studios die größte Filmhalle der Welt, die „007-Stage“, gebaut. Roger Moore spielt Bond, Curd Jürgens den Bösewicht, Barbara Bach eine Russin.
Drei junge Pariser haben einen Plan: sie wollen in Florida eine Boutique eröffnen. Das nötige Kleingeld dafür wollen sie sich mit kriminellen Methoden beschaffen. Aber schon ihr erster Diebstahl endet in einem bestialischen Mord.
Beeindruckendes, auf einem wahren Fall basierendes Drama. Für das bedrückende Porträt desorientierter Jugendlicher gab es damals den Goldenen Bären.
mit Marie Gillain, Olivier Sitruk, Bruno Putzulu, Richard Berry, Philippe Duclos
Wiederholung: Samstag, 2. Mai, 00.10 Uhr (Taggenau!)
Regie: Thomas Lee (Pseudonym von Walter Hill, Francis Ford Coppola, Jack Sholder)
Drehbuch: David C. Wilson, William Malone (Geschichte), Daniel Chuba (Geschichte)
Das intergalaktische Rettungsschiff „Nightingale 229“ erhält aus einer entfernten, nicht mehr bewohnten Galaxie einen Notruf. Mit einem Dimensionssprung fliegen sie dahin und finden den verunglückten Astronauten Karl. Der schleppt eine außerirdische Lebensform in ihr Raumschiff und es geschieht das, was immer geschieht, wenn Menschen und Aliens sich begegnen.
Die drei Regisseure verraten eingefleischten Filmfans, dass „Supernova“ ein weiterer Alan Smithee-Film ist, der hier allerdings Thomas Lee heißt und weil Walter Hill, Jack Sholder und Francis Ford Coppola in ihrem Metier durchaus ihre Meriten erworben haben, ist „Supernova“ ein nicht vollkommen uninteressanter Torso.
Die Reise von „Supernova“ begann 1988 als „Dead Star“ unter der Federführung von William Malone. Damals war’s „Hellraiser im Weltall“. Kurz vor Drehbeginn verließ Regisseur Geoffrey Wright wegen künstlerischer Differenzen das Projekt. „Alien“-Produzent Walter Hill sprang ein. Er versuchte einen guten Film zu drehen. Während dem Dreh wurde unter der Aufsicht von MGM-Angestellten das Drehbuch umgeschrieben. MGM war mit dem von Hill abgelieferten Schnitt sehr unzufrieden. Jack Sholder drehte einige Szenen nach. Dann kam Francis Ford Coppola dazu und versuchte eine Version zu erstellen, die dem Studio und Walter Hill gefiel. Hill zog seinen Namen zurück. An der Kinokasse ging der offiziell 70 Millionen Dollar teuere Film (Lou Diamond Phillips meinte in einem Interview, der Film habe eher 100 Millionen Dollar gekostet) gnadenlos unter.
Zu Recht. Denn „Supernova“ ist ein 08/15-Science-Fiction-Film, der allein wegen seiner desaströsen Produktionsgeschichte, der ansehnlichen Besetzung und der schwindlig machenden Wackelkamera (die Neuauflage von „Kampfstern Galactica“ wird dagegen mit einer statischen Kamera gedreht) kurze Zeit in Erinnerung bleibt.
„The film never got a chance to have a clear vision.” (Lou Diamond Phillips)
Mit James Spader, Angela Bassett, Robert Forster, Lou Diamond Phillips, Peter Facinelli, Robin Tunney
Biopic über den von Marlon Brando (in seiner dritten Filmrolle) gespielten Revolutionär Emiliano Zapata (1879 – 1919), das mit seiner ersten politischen Mission beginnt.
„‚Viva Zapata!‘ ist ein Unterhaltungsfilm auf höchster Ebene, von Kazan spannend inszeniert, der Handlung und Szenen erstaunlich wirklichkeitsnahe gestaltete und den Schauspielern alle Freiheiten ließ. (…) Brandos Zapata ist eine symbolische Figur, eine Art Jedermann der mexikanischen Revolution, ein Titan, der sich, dem Ruf des Schicksals gehorchend, aus den Rängen der Masse erhoben hat. In diesem Sinn ist ‚viva Zapata!‘ ein kraftvoller und wirklich bewegender Film.“ (Tony Thomas: Marlon Brando und seine Filme,1980)
Der echte Zapata war wohl nicht so edel wie der Film-Zapata.
mit Marlon Brando, Anthony Quinn, Jean Peters, Joseph Wiseman
D’Artagnans Tochter (La Fille de D’Artagnan, Frankreich 1994)
Regie: Bertrand Tavernier
Drehbuch: Michel Leviant (nach einer Idee von Riccardo Freda und Eric Poindron)
1654, Frankreich im Herbst: Nachdem die Gefolgsleute des Grafen von Crassac das Kloster in dem Eloise lebt, verwüsten, macht sie sich auf den Weg zu ihrem Vater. Dieser ist der legendäre D’Artagnan und schon lange nicht mehr am Kämpfen interessiert. Also schwindelt sie ihm etwas von einem Komplott vor und kann ihn so überzeugen, zusammen mit seinen ebenfalls älter gewordenen Musketieren, wieder in den Kampf zu ziehen. Dieses Mal mit weiblicher Unterstützung.
„Der Film ist zuerst und vor allem ein Fest der Schauspieler. Darüber hinaus auch eine wundervolle Mantel- und Degen-Komödie.“ (Fischer Film Almanach 1996) – Volle Zustimmung!
mit Sophie Marceau, Philippe Noiret, Claude Rich, Sami Frey, Jean-Luc Bideau, Charlotte Kady
Coronabedingt erfolgte die Preisverleihung des 70. Deutschen Filmpreises am Freitag ohne Publikum. Das änderte nichts daran, dass sie im Fernsehen übertragen wurde und dass viel Geld verteilt wurde. In den meisten Kategorien waren nur drei Personen bzw. Filme nominiert. Allein schon angesichts dieses überschaubaren Wettbewerbs, konnte man sich, im Gegensatz zu den Oscars, die potentiellen Gewinner schon vor der Preisverleihung ausrechnen. Insofern überraschen mich die vielen, durchaus verdienten Preise für „Systemsprenger“ nicht. Auch die Ignoranz gegenüber „Lara“ und „Undine“ (demnächst im Kino) überrascht nicht. Das war schon so bei den Nominierungen.
Sea of Love – Melodie des Todes(Sea of Love, USA 1988)
Regie: Harold Becker
Drehbuch: Richard Price
In New York werden mehrere Männer, die auf Kontaktanzeigen geantwortet haben, ermordet. Der abgewrackte Cop Frank Keller (Al Pacino) sucht den Mörder. Dafür gibt er selbst eine Kontaktanzeige auf und trifft Helen (Ellen Barkin). Er verliebt sich in die geheimnisvolle Schönheit. Dummerweise ist sie gleichzeitig die Hauptverdächtige.
Spannender Thriller. Dank des wendungsreichen Drehbuchs von Richard Price, der auch ein erfolgreicher Romanautor ist („The Wanderers“, „Clockers“, „Lush Life“), und der glänzenden Schauspieler. Al Pacino erhielt eine Golden-Globe-Nominierung. Richard Price eine Edgar-Nominierung (und verlor gegen die heute ziemlich vergessene High-School-Satire „Heathers“).
Davor, um 22.10 Uhr, zeigt 3sat die brandneue Doku „Al Pacino – Star wider Willen“.
mit Al Pacino, Ellen Barkin, John Goodman, Michael Rooker, William Hickey, Ricahrd Jenkins, Paul Calderon
Drehbuch: Julian Mitchell, Stanley Price, Pierre Marton (Pseudonym von Peter Stone)
LV: Alex Gordon (auch Gordon Cotler): The Cipher, 1961
Oxford-Professor Pollock soll eine hethitische Inschrift entziffern. Er weiß nicht, dass er danach umgebracht werden soll.
Schwungvolle Agenten-Komödie in einem verschwenderischen Dekor, z. B. trägt Sophia Loren nur Kleider von Dior. Ist einer der besten nicht von Hitchcock inszenierten Hitchcock-Filme – und eine prall gefüllte Wundertüte an Intrigen und Gegenintrigen.
Gordons Buch war 1962 als bestes Debüt für den Edgar nominiert.
Mit Gregory Peck, Sophia Loren, Alan Badel, Kieron Moore
„Get the Gringo“ ist der Abschluss eines kleinen Mel-Gibson-Abends. Der Auftakt ist um 20.15 Uhr mit der Actionkomödie „Air America“ (Regie: Roger Spottiswoode, mit Gibson und Robert Downey Jr. als Drogenpiloten im Auftrag des CIA während des Vietnamkriegs). Danach, um Mitternacht, folgt das sehenswerte Flüchtlingsdrama „Desierto – Tödliche Hetzjagd“ im mexikanisch-amerikanischen Grenzgebiet (Regie: Jonás Cuarón, mit Gael Garcia Bernal und Jeffrey Dean Morgan).
Tele 5, 22.20
Get the Gringo (Get the Gringo, USA 2012)
Regie: Adrian Grunberg
Drehbuch: Mel Gibson, Stacy Perskie, Adrian Grunberg
Ein namenloser Fluchtwagenfahrer wird kurz hinter der Grenze von der mexikanischen Polizei verhaftet und in einen von einem Gangsterboss regierten Knast gesteckt. Jetzt will er überleben, ausbrechen und seine Kohle wieder haben.
Das B-Picture „Get the Gringo“ ist eine unterhaltsame Hardboiled-Krimikomödie mit etwas Action und einem lakonischen Voice-Over des Fahrers, der auch über die Auslassungen und Unwahrscheinlichkeiten der Geschichte hinwegerzählt.
mit Mel Gibson, Kevin Hernandez, Daniel Giménez Cacho, Jesús Ochoa, Dolores Heredia, Peter Gerety, Roberto Sosa Martinez, Peter Stormare, Mario Zaragoza, Gerardo Taracena
Die USA, während der Prohibition: in den Appalachen produziert Hiram Holt einen exzellenten Schnaps, den der New-Yorker-Mafiaboss Joe Masseria gerne in den Speakeasies von New York verkaufen möchte. Er schickt Lou Pirlo zu den Hinterwäldlern.
Im ersten „Moonshine“-Sammelband schilderten Autor Brian Azzarello und Zeichner Eduardo Risso, das „100 Bulllets“-Dreamteam, wie die Verhandlungen zwischen den harten Mafiosi und den tumben Dörflern sich anders als geplant entwickeln. Das liegt auch daran, dass in den einsamen Wäldern auch Werwölfe ihre Beute suchen. Mit ihrem Essgewohnheiten beeinflussen sie die Verhandlungen entscheidend.
Im zweiten Band erzählen Azzarello und Risso die Geschichte weiter. Die Mafia will immer noch den Schnaps von der Familie Holt kaufen. Zur gleichen Zeit gelingt Lou Pirlo mit seiner Geliebten Delia die Flucht in Richtung New Orleans. Kurz vorm Ziel wird Pirlo verhaftet und Kettensträfling. Vom ersten Tag an plant er seine Flucht.
Im zweiten „Moonshine“-Sammelband weiten Azzarello und Risso den Blick von einer kleinen Prohibitionsgangstergeschichte zu einem größeren Epos. Am Ende des Buches wird auch eine Fortsetzung angekündigt. In den USA erscheint diese, nach einer längeren Pause, seit November 2019.
Die Geschichte des zweiten „Moonshine“-Sammelbandes liest sich wie der Mittelteil einer Trilogie. Einige Handlungsfäden aus dem ersten Band werden abgeschlossen, einige werden weiter erzählt und es geht vor allem darum, die verschiedenen Figuren von einem Ort zu einem anderen Ort zu bringen. Das gelingt Azzarello und Risso ziemlich kurzweilig. Die von Azzarello erfundene Geschichte wühlt tief in der Mythologie der US-Geschichte, vor allem natürlich der Geschichte der Prohibition und des Verbrechens, und der Populärkultur, die uns in unzähligen Gangsterfilmen zeigte, wie es damals in den USA aussah. Risso knüpft mit seinen Panels an diese Bilder an, transportiert sie in ein anderes Medium und schafft farbige Zeichnungen, die mühelos auch als Plakate veröffentlicht werden könnten. In diesem Fall sind die Bilder beeindruckender als die Geschichte, die doch, bis auf die Sache mit den Werwölfen, etwas zu vorhersehbar den vertrauten Pfaden des Gangsterfilms folgt.
Hacker Neo ist der nette Nerd von nebenan, bis er erfährt, dass die Wirklichkeit nicht die Wirklichkeit ist und dass er der Erlöser ist.
Kommerziell unglaublich erfolgreicher, Hugo- und Nebula-nominierter Science-Fiction-Klassiker, in dem es erstmals gelang, die Ideen der Cyberpunk überzeugend in einen Realfilm zu transportieren. Die beiden Fortsetzungen „Matrix Reloaded“ und „Matrix Revolutions“ sind dagegen ein Fall für die filmische Mülltonne und auch bei der „Matrix“ kann man sich an einigen groben Logikfehlern und Widersprüchen stoßen. Z. B.: Warum sollten die Maschinen uns Menschen mit einer Computersimulation betäuben? Warum sollten wir Menschen aus der Computersimulation ausbrechen wollen? Vor allem, wenn die Erde ungefähr so bewohnbar wie die dunkle Seite des Mondes ist.
mit Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Carrie Anne Moss, Hugo Weaving, Gloria Foster, Joe Pantoliano
Überwacht: Sieben Milliarden im Visier(Frankreich 2019)
Regie: Sylvain Louvet
Drehbuch: Sylvain Louvet
Spielfilmlange Doku über immer raffiniertere Überwachungstechniken, die im Kampf gegen Terroristen und Kriminelle eingesetzt werden, dabei alle Menschen überwachen und der Einstieg in einen alles kontrollierenden Überwachungsstaat sein können.
Der Beginn eines Arte-Themenabends, der den Namen „Themenabend“ wirklich verdient hat. Denn zuletzt waren einige Themenabende nach zwei, drei Stunden rum. Der heutige Themenabend „KI – Endspiel für den Menschen?“ geht bis 02.30 Uhr und beschäftigt sich mit der KI-Industrie, dem automatisiertem Börsenhandel und der Silicon-Valley-Revolution.
Billi (Awkwafina, zuletzt „Jumanji: The next level“) ist eine gar nicht so untypische junge New Yorkerin. Sie hat sich gerade – erfolglos – für ein Stipendium beworben. Einen Freund hat sie nicht. Und auch kein offenkundiges Lebensziel.
Als sie erfährt, dass ihre immer noch in China lebende, über alles geliebte Großmutter todkrank ist, möchte sie sie noch einmal sehen. Ihre Eltern sind dagegen. Denn die Nai Nai (Mandarin für die Großmutter väterlicherseits) weiß nichts von ihrer Krebserkrankung. Die Ärzte geben ihr nur noch wenige Wochen. Chinesischen Traditionen folgend soll Nai Nai es auch nicht erfahren.
Weil Billis Eltern überzeugt sind, dass Billi vor ihrer Nai Nai das Geheimnis sofort ausplaudern wird, soll Billi nicht mit nach Changchun, einer Industriestadt in der nordöstlichen chinesischen Provinz Jilin, fahren.
Billi soll in New York bleiben, während die restliche in den USA und Japan lebenden Familienmitglieder sich auf den Weg nach Changchun machen. Der Vorwand für das seit Jahren in dieser Größe nicht mehr erfolgte Familientreffen ist die Hochzeit von Billis Cousin mit einer Japanerin.
Trotzdem fliegt Billi nach Changchun, wo sie als Überraschungsgast auftaucht und leicht ungläubig das rege Treiben betrachtet. Nai Nai (Zhao Shuzhen) bereitet resolut die Hochzeitsfeier vor. Ihre Kinder und Kindeskinder versuchen die Fassade der Fröhlichkeit aufrecht zu halten, während sie sich von Nai Nai verabschieden und in Erinnerungen schwelgen. Schließlich wissen sie, dass sie Nai Nai nach diesen Tagen nicht wieder lebendig sehen werden.
In ihrem zweiten Spielfilm erzählt Lulu Wang eine autobiographische Geschichte. Ihr alter ego Billi muss, wie Lulu Wang 2013, eine Antwort auf ihre widerstreitenden Gefühle und den Ansprüchen ihrer Familie finden. Die anderen Familienmitglieder stehen vor dem gleichen Problem. Außerdem müssen sie sich mit veränderten Traditionen arrangieren. Als Auswanderer hielten sie an Traditionen fest, die sich in China veränderten. Gleichzeitig veränderte ihr Leben im Ausland ihren Blick auf heimische Traditionen.
Das zeigt Wang sehr präzise, feinfühlig und humorvoll. Die kleinen Differenzen und auch die inneren Konflikte jeder Person werden so nachvollziehbar. Jeder schweigt und lügt über etwas anderes. Und ziemlich oft haben die anderen eine sehr gute Vorstellung, worüber geschwiegen wird und worüber sie, mit guten Absichten, belogen werden.
Diese sehr differenziert ausfallende und genau beobachtende Familienporträt bewegt sich allerdings zu nah an den Fakten der wahren Lüge entlang. Die verschiedenen Positionen zum Belügen von Nai Nai werden dargestellt, aber es wird keine Antwort gegeben. Daher gibt es am Ende auch keine Lösung für das Dilemma, vor dem Billi steht. Die letzten Filmminuten, der Abspann, die Existenz dieses Films (und die Frage, wie Nai Nai darauf reagiert) zeigen diese Unentschlossenheit noch einmal auf.
So ist „The Farewell“ nur die gelungene Beschreibung einer Situation.
Zum Ansehen empfehle ich die schlüssig zwischen Englisch und Mandarin wechselnde Originalfassung.
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Jetzt ist Lulu Wangs hochgelobter Film, ohne Bonusmaterial, auf DVD und Blu-ray erschienen und ich habe mir jetzt die deutsche Synchronisation angesehen. In ihr wurden die wenigen englischen Teile untertitelt und die vielen in Mandarin gesprochenen Teile synchronisiert. Damit bleibt die Zweisprachigkeit des Originals erhalten. Allerdings verändern sich die durch die Sprache (und die Lektüre der Untertitel) geschaffenen Gefühle von Nähe und Distanz. In der deutschen Fassung müssen kaum noch Untertitel gelesen werden. Und schon erscheint Nai Nais Welt uns fast wie ein Besuch bei den eigenen Großeltern.
Auch beim wiederholten Ansehen fällt auf, wie konsequent Lulu Wang sich in jeder Szene mit verschiedenen Aspekten des Lügens beschäftigt. Jeder lügt über etwas anderes. Aus verschiedenen Gründen und mit guten Absichten. Auch, davon bin ich hundertprozentig überzeugt, die Großmutter ahnt sehr genau, wie krank sie ist und dass ihre Familie sich nicht wegen der Hochzeit von Billis Cousin bei ihr trifft.
„The Farewell“ regt zum Nachdenken und Diskutieren darüber an, ob und wie sehr man einen geliebten Menschen über eine tödliche Diagnose belügt. Oder ihm die Wahrheit sagt.
Damit ist Lulu Wangs Film ein gerade in Zeiten häuslicher Isolation empfehlenswerter und auch aktueller Film, der sehr warmherzig zwischen Drama, Komödie und ruhiger Beobachtung pendelt, das anspruchsvolle Leben zwischen verschiedenen Kulturen und Traditionen (und damit verbundenen Anforderungen) begreifbar macht und, sicher auch durch den prominenten Einsatz westlicher Pop-Musik, die Gemeinsamkeiten zwischen China und dem Westen betont. Außerdem ist Billis Nai Nai eine typische Großmutter, die sich um ihre Kinder und Enkelkinder sorgt und Billi sofort mit einem jungen, sympathischen Arzt verkuppeln will.
The Farewell(The Farewell, USA 2019)
Regie: Lulu Wang
Drehbuch: Lulu Wang
mit Shuzhen Zhao, Awkwafina, X Mayo, Lu Hong, Lin Hong, Tzi Ma, Diana Lin, Yang Xuejian, Becca Khahil
a) diesen Text lesen und sofort erfahren, wer dieses Jahr vom Syndikat, dem Autorennetzwerk zur Förderung deutschsprachiger Kriminalliteratur, die Glauser-Preise erhielt
Die vierzehnjährige Mattie Ross will den Mörder ihres Vaters, den Feigling Tom Chaney, finden. Für die Jagd engagiert sie den versoffenen, aber furchtlosen Marschall Rooster Cogburn.
Ein zukünftiger Western-Klassiker
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