In London explodiert eine Bombe. Aber nicht, wie man es inzwischen erwartet, der IS oder irgendeine islamistische Terrorgruppe bekennt sich zu dem Anschlag, sondern der militante Flügel der Kern-IRA. Das ist eine neue Terrorzelle, die Material und Codeworte der IRA benutzt und so ihre Legitimität nachweisen kann. Der Anschlag gefährdet den fragilen Frieden, der seit dem Karfreitagsabkommen (Good Friday Agreement) von 1998 in Nordirland herrscht. Und der jetzt durch den Brexit und das konfuse Agieren der Tory-Regierung aus einer ganz anderen Richtung gefährdet ist.
Aber um diesen realpolitischen Hintergrund, der beim Dreh nicht absehbar war, kümmert Martin Campbell sich in seinem neuen Thriller „The Foreigner“ nicht. Während die Attentäter noch keine Forderung stellen, fordert Deputy Minister Liam Hennessy (Pierce Brosnan, als Gerry-Adams-Lookalike) von der britischen Regierung, dass sie von ihnen inhaftierte nordirische Kämpfer begnadigt. Hennessy, selbst ein ehemaliger Terrorist und jetzt Minister von Nordirland, will als Vermittler zwischen der unbekannten IRA-Splittertruppe und der britischen Regierung seine Position weiter festigen.
Da funkt Quan Ngoc Minh (Jackie Chan) dazwischen. Er ist ein seit Ewigkeiten in England lebender Kriegsflüchtling und alleinstehender Besitzer eines kleinen East-End-Restaurants. Seine von ihm über alles geliebte Tochter starb bei dem Anschlag.
Als die Polizei bei ihren Ermittlungen nicht weiter kommt, besucht er in Belfast Hennessy. Er möchte, dass der ihm die Namen der Attentäter nennt. Und weil Hennessy den höflichen, duckmäuserischen Asiaten nicht Ernst nimmt, zündet Quan in Hennessys Bürogebäude in der Toilette ein Bombe. Danach platziert er eine deutlich sichtbare Bombe in dessen Auto.
Nach diesen beiden Warnungen weiß Hennessy, dass Quan nicht nachlassen wird in seiner Suche nach Antworten und dass er – zu Recht – Hennessy als die Person ansieht, die ihm diese Antworten geben kann.
„The Foreigner“ ist eine angenehme Rückkehr zu den grimmigen Actionpolitthrillern aus den siebziger und achtziger Jahren, in denen die IRA der Bösewicht war. Das liegt zu einem Teil an der Vorlage. Thrillerautor Stephen Leather (von dem Blanvalet vor Jahren einige Bücher übersetzte) schrieb „The Chinaman“ bereits 1992, als der Nordirland-Konflikt blutig ausgetragen wurde. Zu einem anderen Teil daran, dass die Macher einen altmodischen Thriller inszenieren wollten, in dem es zwar Smartphones und Videoüberwachung gibt, aber beides wenig nützt, wenn ein großer Teil der Geschichte auf dem einsam gelegenen Landgut von Hennessy spielt, das von Quan belagert wird. Mit sauber platzierten Sprengsätzen und Fallen treibt er Hennessy in die Enge und macht dessen Männer kampfunfähig, ohne sie zu töten.
In diesen Momenten gibt es auch eine ordentliche Portion Action. Die hat aber nichts von der bekannten artistisch-witzig-übertriebenen Jackie-Chan-Slapstick-Action. In „The Foreigner“ ist sie roh und vor allem effektiv. Im Mittelpunkt der Geschichte steht nämlich das psychologische Duell zwischen Quan und Hennessy und Hennessys Kampf an mehreren Fronten. Schließlich muss er seine Führungsposition gegen aufstrebende und gegnerische Kräfte innerhalb der IRA behaupten.
Martin Campbell, der unter anderem die legendäre TV-Serie „Am Rande der Finsterns“ (Edge of Darkness) und die beiden Bond-Filme „GoldenEye“ (mit Brosnan) und „Casino Royale“ insznierte, inszeniert „The Foreigner“ schnörkellos und ohne überflüssige Modernismen als spannender Old-School-Thriller vor moderner Kulisse.
Nur die Musik von Cliff Martinez nervt als monotoner Rhythmus-Track, der unterschiedslos über jede Szene gegossen wird und jede thematische Beschäftigung mit der Filmgeschichte verweigert.
Als Bonusmaterial gibt es jeweils etwa zehnminütige Interviews mit Martin Campbell, Jackie Chan und Pierce Brosnan und ein vollkommen uninteressantes Mini-Featurette.
The Foreigner(The Foreigner, Großbritannien/China 2017)
Regie: Martin Campbell
Drehbuch: David Marconi
LV: Stephen Leather: The Chinaman, 1992
mit Jackie Chan, Pierce Brosnan, Katie Leung, Rory Fleck-Byrne, Ray Fearon, Charlie Murphy, Orla Brady, Michael McElhatton, Liu Tao as Keyi Lam, Dermot Crowley, Lia Williams
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DVD
Universum Film
Bild: 2,40:1 (16:9 aamorph)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Bonusmaterial Interviews mit Martin Campbell, Jackie Chan und Pierce Brosnan, Featurette, Trailer
Ostberlin, 1984: Ein linientreuer, hundertfünfzigprozentiger Stasi-Hauptmann soll ein freigeistiges Künstlerpaar ausspionieren – und beginnt darüber an seiner Mission zu zweifeln.
Hier trifft der Spruch vom Fluch des ersten Werkes wohl zu: mit seinem Spielfilmdebüt hatte Florian Henckel von Donnersmarck einen weltweiten Kritiker- und Publikumserfolg. Neben zahlreichen Preisen erhielt das Stasi-Drama auch den Oscar als bester fremdsprachiger Film.
Danach ging es für von Donnersmarck in Richtung Hollywood. Er inszenierte „The Tourist“ (2010). Ein Flop. Und seitdem nichts mehr.
mit Ulrich Mühe, Martina Gedeck, Sebastian Koch, Ulrich Tukur, Thomas Thieme, Matthias Brenner, Herbert Knaup, Charly Hübner
Drei Jahre bevor „Theo gegen den Rest der Welt“ im Kino antrat, erhielt er eine „Aufforderung zum Tanz“ und weil der TV-Film so erfolgreich war, entschlossen sich Regisseur Peter F. Bringmann, Drehbuchautor Matthias Seelig und Hauptdarsteller Marius Müller-Westernhagen (der später als Musiker ein Star wurde) die Abenteuer des Ruhrpottjungen Theo Gromberg im Kino weiterzuerzählen.
In „Aufforderung zum Tanz“ wollen Theo und sein Kumpel Enno Goldini einen LKW kaufen. Aber Theo verzockt das Geld.
Nach über drei Jahren läuft die Ruhrpott-Komödie heute mal wieder im TV. Die Fortsetzung, der Kinohit „Theo gegen den Rest der Welt“, könnte auch mal wieder gezeigt werden.
mit Marius Müller-Westernhagen, Guido Gagliardi Riad Gholmié, Elga Sorbas, Gudrun Landgrebe (Debüt!)
Die Verfilmungspläne sind schon etwas älter. Denn selbstverständlich hat Hollywood sich die Verfilmungsrechte für die Mitch-Rapp-Romane von Vince Flynn gesichert. Ein Bestsellerautor, der einen Agententhriller nach dem nächsten abliefert, in denen ein Held die USA vor bösen Terroristen schützt, liefert genug Geschichten für eine langlebige Serie. Dass Vince Flynn dann 2010 mit „American Assassin“ auch den Roman schrieb, der den ersten Einsatz von seinem Helden Mitch Rapp schildert, war natürlich ein fast schon natürlicher Startpunkt für eine Filmserie.
Auch Vince Flynn (1966 – 2013) hält „American Assassin“ für einen guten Einstieg in die Welt von Mitch Rapp, die nach seinem Tod von Kyle Mills fortgeschrieben wird.
Flynns Roman spielt in den frühen Neunzigern. Im Dezember 1988 stirbt Mitch Rapps Verlobte bei dem Lockerbie-Bombenanschlag, bei dem alle 259 Passagiere einer Boing 747 starben. Der Student will sie rächen, wird von der CIA – also einer dieser Abteilungen, die es offiziell nicht gibt – rekrutiert und von Stan Hurley ausgebildet. Weil im Libanon ein US-Geschäftsmann mit guten Kontakten nach Washington entführt wurde und ein CIA-Unterhändler getötet wurde, erhält die Orion-Gruppe ihren ersten Einsatzbefehl, der sie über Deutschland und die Schweiz nach Beirut führt.
Der Film verlegt die Geschichte in die Gegenwart und, sieht man von einigen vernachlässigbaren und austauschbaren Details ab, erzählt der Film eine vollkommen andere Geschichte, die dem Geist des Romans treu bleibt. Das ist in diesem Fall sogar ein Vorteil. Denn Flynns Roman ist mit seine Rückblenden und Handlungssprüngen seltsam unbeholfen erzählt. So erfahren wir, wenn man den Klappentext nicht gelesen hat, erst auf Seite 161, warum Rapp ein Killer werden will. Wobei es ein großer und nicht unbedingt selbstverständlicher Schritt ist, von einem trauerndem Liebhaber zu einem skrupellosen Racheengel zu werden. Flynn überspringt diese Entwicklung einfach. Flynn geht auch nicht auf die Phase der Trauer ein und er erzählt auch nicht, warum Rapp so gut in allem ist. Eigentlich steht Rapp in seiner Ausbildung nur vor einer Herausforderung: Hurley darf nicht erfahren, wie leicht ihm die ganzen Übungen fallen.
Später plätschert der Plot vor sich hin. Erst langsam werden die Verbindungen zwischen den verschiedenen Ereignissen offensichtlich. So sind Rapps Ermordung eines Waffenhändlers in Istanbul (sein erster Mordauftrag) und die von der Orion-Gruppe durchgeführte Ermordung eines Bankers in Hamburg und das Leeren einiger von ihm betreuter Schwarzgeldkonten isolierte Ereignisse. Auch die weiteren Morde erscheinen zunächst willkürlich, ehe Flynn die verschiedenen Handlungsfäden und Ereignisse langsam verknüpft und es zum Finale in Beirut kommt.
Dagegen erzählt der Film chronologisch Rapps Geschichte. Während eines Urlaubs stürmen Terroristen das tropische Ferienressort und schießen wild um sich. Dabei stirbt unter anderem Rapps Freundin. Rapp bildet sich als Kämpfer aus, wird zum Islamisten und versucht die Mörder seiner Freundin zu töten, indem er sich – so sein Plan – eine Terrorzelle nach der nächsten vornimmt.
Für die stellvertretende CIA-Direktorin Irene Kennedy ist das eine fantastische Voraussetzung, um Rapp zu rekrutieren und ihn in das Trainingslager von Stan Hurley zu schicken.
Als 15 Kilo Plutonium und einige Komponenten für den Bau einer Atombombe verschwinden, der totgeglaubte Auftragsmörder und Söldner Ghost auftaucht und der Iran (Wer sonst?) die Bombe kaufen will, muss die Orion-Gruppe zu ihrem ersten Einsatz ausrücken.
An dem in den USA, Großbritannien, Malta, Thailand und Italien von Michael Cuesta gedrehtem Actionthriller gefällt vor allem die handgemachte Action. Sie wirkt, bis auf das bombige Finale im Mittelmeer, realistisch. Dazu trägt auch bei, dass Cuesta in diesen Szenen selten schneidet und man so die Kämpfe gut verfolgen kann.
Auch der Plot gefällt in seinem altmodischen Gestus.
Aber der Film ist, wie die Vorlage, eine reaktionäre Männerfantasie, in der tapfere US-Amerikaner skrupellos böse Menschen töten. Die Terroristen sind allesamt Islamisten der besonders bösen Sorte. Im Film kommt das Böse daher aus dem Iran, dem neuen Hort des Bösen. Im Roman ist es der Nahost-Konflikt. Das ändert aber nichts daran, dass Rapp jedes Recht der Welt hat, die Bösewichter abzumurksen. Er ist, wie Mike Hammer, Ankläger, Jury, Richter und Vollstrecker.
Im Film gibt es aber noch einige gute Iraner und einer der Bösewichter ist schon auf den ersten Blick kein Araber. Und kein Russe; die waren im Roman wichtig, im Film nicht mehr.
Insofern fällt die Verfilmung des Pulp-Romans (und das ist „American Assassin“ trotz seiner fünfhundert Seiten) etwas liberaler und bei den Bösewichtern, durch die Hinzuerfindung von Ghost, differenzierter als die Vorlage aus. Der Held selbst bleibt ein von keinerlei Zweifeln geplagter Racheengel, der die arabisch aussehenden Bösewichter ermordet und, weil er das Richtige tut, gegebenenfalls die Bedenken und Vorgaben der Politiker aus Washington, ignoriert.
Insgesamt ist „American Assassin“ ein durchaus ansehbarer, wenig überraschender Actionfilm, der in jeder Beziehung durchschnittlich ist. „American Assassin“ ist kein Jason-Bourne- oder „Mission Impossible“-Nachfolger und auch keine Reinkarnation von Jack Bauer für die große Leinwand. In „American Assassin“ wird alles eine Nummer kleiner und konservativer gebacken. Aber Dylan O’Brien macht seine Sache als Mitch Rapp gut und Michael Keaton (mit Sonnenbrille) hat auch seinen Spaß.
Ob „American Assassin“ der Start für eine Kinoserie ist, ist bis jetzt immer noch unklar. Das liegt sicher auch an dem durchwachsenen Einspielergebnis des harten Thrillers. Danach hat der 33 Millionen Dollar teure Film weltweit 66 Millionen Dollar eingespielt.
Das Bonusmaterial ist mit gut achtzig Minuten erfreulich umfangreich und, wenn auch etwas oberflächlich, informativ ausgefallen. In mehreren neun- bis dreizehnminütigen Featurettes wird auf verschiedene Aspekte des Films eingegangen: die Vorlage und der Weg zum Film, die Hauptdarsteller Dylan O’Brien, Michael Keaton und Taylor Kitsch, die Actionszenen und die verschiedenen Drehorte. Es wurde zwar nicht immer vor Ort gedreht, aber die Macher drehten an verschiedenen Orten rund um den Globus und in Rom wurden nicht die üblichen Touristenattraktionen abgefilmt.
Außerdem gibt es ein vor dem Kinostart, nach einer Filmvorführung entstandenes 26-minütiges Filmgespräch mit Dylan O’Brien und Taylor Kitsch, in dem die beiden Schauspieler vor allem herumblödeln. Entsprechend begrenzt ist der Erkenntnisgewinn.
American Assassin (American Assassin, USA 2017)
Regie: Michael Cuesta
Drehbuch: Stephen Schiff, Michael Finch, Edward Zwick, Marschall Herskovitz
LV: Vince Flynn, American Assassin, 2010 (American Assassin)
mit Dylan O’Brien, Michael Keaton, Taylor Kitsch, Sanaa Lathan, Shiva Negar, David Suchet, Navid Negaban, Scott Adkins
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DVD
Studicanal
Bild: 2,40:1 (anamorph)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Im Visier: Der Weg zum Killer, Mitch Rapp wird gesucht: Dylan O’Brien, Das Spiel mit der Macht: Stan Hurley und Ghost, Menschliche Waffen: Training und Stunts, Vor Ort im Kampfeinsatz: Die Schauplätze, Interview mit Dylan O’Brien und Taylor Kitsch, Trailer
Länge: 108 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Der Film kann auch als Blu-ray, 4K UHD Blu-ray und, bei Amazon, als Blechdose, äh, Blu-ray-SteelBook-Edition gekauft werden. Das Bonusmaterial ist identisch.
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Die Vorlage
Vince Flynn: American Assassin
(übersetzt von Alexander Rösch)
Festa Verlag, 2017
512 Seiten
12,99 Euro
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Originalausgabe
American Assassin
Atria Books, Simon & Schuster, New York 2010
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Noch mehr Mitch Rapp
Inzwischen erschienen bei Festa der letzte von Vince Flynn vor seinem Tod am 13. Juni 2013 geschriebene Mitch-Rapp-Roman und, brandneu aus der Druckerei, der erste von Kyle Mills geschriebene Mitch-Rapp-Roman. Mills schreibt nämlich, auch wenn sein Name auf dem deutschen Cover arg versteckt ist, die Thrillerserie weiter. In den USA sind bereits drei von ihm geschriebene Mitch-Rapp-Romane erschienen. Im Oktober erscheint sein vierter Rapp-Thriller „Red War“. Und er hat bereits einen Vertrag über zwei weitere Rapp-Thriller abgeschlossen.
Von Kyle Mills erschienen in den vergangenen Jahren vor allem im Heyne-Verlag etliche Übersetzungen. Er schrieb, neben mehreren Einzelromanen, fünf Romane mit dem FBI-Agenten Mark Beamon und, beauftragt von Robert Ludlums Erben, drei Covert-One-Romanen.
In Flynns dreizehntem Mitch-Rapp-Roman „The Last Man – Die Exekution“ wird der wichtige CIA-Anti-Terror-Kämpfer Joe Rickman entführt. Rapp reist nach Afghanistan, um Rickman zu befreien.
Mills‘ erster Mitch-Rapp-Roman „The Survivor – Die Abrechnung“ spielt unmittelbar nach den Ereignissen von „The Last Man – Die Exekution“. Nach Rickmans Tod werden mehrere CIA-Agenten enttarnt. Rapp will das Datenleck stopfen. Während er damit beschäftigt ist, entdeckt er Dinge, die ihn befürchten lassen, dass das Datenleck nur die Ablenkungsmanöver ist.
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Vince Flynn: The Last Man – Die Exekution
(übersetzt von Alexander Rösch)
Festa Verlag, 2017
544 Seiten
12,99 Euro
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Originalausgabe
The Last Man
Emily Bestler/Atria Books, Simon & Schuster, 2012
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Vince Flynn/Kyle Mills: The Survivor – Die Abrechnung
Wenn die Anfangszeiten im TV-Programm stimmen, zeigt Arte als TV-Premiere eine rabiat auf 90 Minuten gekürzte Fassung des 114-minütigen Films.
mit Christian Friedel, Katharina Schüttler, Burghart Klaußner, Johann von Bülow, Felix Eitner, David Zimmerschmied, Rüdiger Klink, Cornelia Köndgen, Martin Maria Abram, Udo Schenk
RTL II, 22.50 Green Zone(USA 2010, Regie: Paul Greengrass)
Drehbuch: Brian Helgeland
LV: Rajiv Chandrasekaran: Imperial Life In The Emerald City, 2006
Bagdad, April 2003: Nach der Invasion suchen US-Offizier Roy Miller und sein Team die Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein, die ja damals der offizielle Kriegsgrund waren.
Gelungener Mix aus Polit-Thriller und Kriegsfilm von Paul Greengrass und Matt Damon, die auch für die „Bourne“-Filme verantwortlich sind.
mit Matt Damon, Jason Isaacs, Amy Ryan, Greg Kinnear, Brendan Gleeson Hinweise Rotten Tomatoes über „Green Zone“
Wikipedia über „Green Zone“ (deutsch, englisch)
Als Katharine Graham nach dem Tod ihres Mannes 1963 die Leitung der „Washington Post“ übernahm, war sie die Tochter des Inhabers der „Washington Post“ (ihr Vater hielt sie für ungeeignet, die Zeitung zu führen, sie dachte das auch und hatte daher nichts gegen die Entscheidung ihres Vaters, ihren Ehemann zum Chef zu machen), eine ehemalige Journalistin und Mutter von vier Kindern, die sich, wie es dem damaligen Gesellschaftsbild entsprach, um Haushalt, Kindererziehung und das Gesellschaftsleben kümmerte. Sie war, so ihr Sohn Don Graham, „die Welthauptstadt der Selbstzweifel“.
Plötzlich stand sie, ohne echte Erfahrung im Zeitungsgeschäft und nur aus dem Gefühl einer Verpflichtung gegenüber dem Familienvermächtnis und ihren Kindern, als erste Frau an der Spitze eines großen Wirtschaftsunternehmen. Die Männer akzeptierten sie in ihren Männerzirkeln, den Clubs, Hinterzimmern und Vorstandszimmern nur, weil sie die Frau, die durch eine Erbschaft ihre aktuelle Position erhalten hatte, akzeptieren mussten. Aber eigentlich gehörte sie in das Damenzimmer, wo nicht über Politik, sondern über Frisuren geredet wurde.
Das Unternehmen, die „Washington Post“, war damals eine Tageszeitung mit finanziellen Problemen, deren größtes Problem – so sagt Steven Spielbergs neuer Film „Die Verlegerin“ – der Zugang zu verschiedenen Privatfeiern von US-Präsident Richard Nixon war. Zur Sanierung war ein Börsengang geplant, der möglichst störungsfrei verlaufen sollte. Skandalträchtige Geschichten und damit verknüpfte juristische Kalamitäten sollten in dem Moment unbedingt vermieden werden.
In diesem Moment schlug ihr ihr Chefredakteur Ben Bradlee eine Super-Story vor. Er war seit 1965 bei der „Washington Post“. Zwischen Bradlee und Graham herrschte eine vertrauenvolle Freundschaft. Die gegensätzlichen Charaktere hatten nämlich ein Ziel: aus der „Washington Post“ eine wichtige Tagezeitung zu machen. Sein Vorschlag war, nachdem die konkurrierende „New York Times“ am 13. Juni 1971 mit der Veröffentlichung der Pentagon-Papiere begonnen hatte und kurz darauf, auf Antrag der Nixon-Regierung, eine einstweilige Verfügung erhielt, die ihr weitere Veröffentlichungen aus den Pentagon-Papieren untersagte, sich die Papiere zu besorgen und zu drucken.
Dabei handelte es sich um eine siebentausend Seiten umfassende Studie des einflussreichen Think-Tanks RAND Corporation mit dem prosaischen Titel „Geschichte US-amerikanischer Entscheidungsfindungen in Vietnam, 1945 – 1966“ (United States – Vietnam Relations, 1945–1967: A Study Prepared by the Department of Defense). Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass mehrere US-Präsidenten die Öffentlichkeit über ihr Vorgehen in Vietnam belogen hatten. Daniel Ellsberg, einer der Autoren der Studie, hatte die siebentausend Seiten der Studie in mühevoller Kleinarbeit aus dem RAND-Büro geschmuggelt und fotokopiert. Er wollte, dass in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wird.
Dass die Regierung über eine weitere Veröffentlichung nicht erfreut wäre, war in dem Moment klar. Denn damals kämpften in Vietnam US-Soldaten, während in den USA gegen den Krieg protestiert wurde.
Graham wusste, dass sie mit einer falschen Entscheidung die Zukunft der Zeitung ruinieren könnte. Sie wusste auch, dass es um die Freiheit der Presse ging, die im wichtigen Ersten Zusatzartikel zur Verfassung erklärt wird. Und sie war, als Teil der High Society von Washington, mit einigen der Männer, die in den Pentagon-Papieren erwähnt werden, eng befreundet.
Spielberg erzählt, nach einem konzentrierten Drehbuch von Liz Hannah und Josh Singer („Spotlight“), die Geschichte von Katherine Graham. Aber, wie der Originaltitel „The Post“ andeutet, auch die Geschichte der „Washington Post“, vor allem natürlich der Reporter, die sich als investigative Journalisten hinter die Story klemmen, und die Geschichte von ihrem Informanten Daniel Ellsberg, der später als Landesverräter angeklagt wurde. Am 11. Mai 1973 erklärte der zuständige Richter das Verfahren aufgrund eines schweren Fehlverhaltens der Regierung (sie hatte den Auftrag erteilt, Ellsbergs Psychiater auszuspionieren) für ungültig. Die Vorwürfe gegen Ellsberg und seinen RAND-Kollegen Anthony Russo wurden fallengelassen.
Spielbergs „Die Verlegerin“ ist, im besten Sinn, packendes quasidokumentarisches bildungsbürgerliches Kino, in dem liberale Werte, Traditionen und die Verfassung hochgehalten werden. Vor allem natürlich der Wert einer freien Presse. Denn am 18. Juni 1971 druckte die „Washington Post“ ihren ersten Artikel über die Pentagon-Papiere und weil ein Bundesrichter die vom Justizminsterium beantragte einstweilige und dauerhafte Verfügung gegen die Zeitung ablehnte, begann auch andere Zeitungen Berichte über die Pentagon-Papiere zu drucken.
Aber in dem Moment war der Weg durch die Gerichte noch nicht ausgeschöpft.
„Die Verlegerin“ zeigt, wie die „Washington Post“ durch die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere und die gerichtlichen Auseinandersetzungen von einer unbedeutenden Lokalzeitung zu einer vielfach preisgekrönten und geachteten investigativen Tageszeitung wurde, wie eine Verlegerin sich emanzipiert und wie wichtig eine freie Presse ist bei der Aufdeckung von Skandalen.
Das Drama ist auch eine Liebeserklärung an die gute alte Tageszeitung. Es ist eine Zeit, als es in Redaktionen noch laut hämmernde Schreibmaschinen und einen festen Redaktionsschluss gab, Druckvorlagen von Hand erstellt wurden, Zeitungen gedruckt, verteilt und beim Frühstück oder dem Weg zur Arbeit gelesen wurden. Sie waren dann Tagesgespräch. Heute stehen die Artikel zuerst auf der Homepage der Zeitung und erst danach in der gedruckten Ausgabe.
Der Film endet mit dem Einbruch in das Hauptquartier der Demokratischen Partei im Watergate-Hotel am 17. Juni 1972. Diese Geschichte, die durch die Recherche der „Washington Post“-Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward zum Rücktritt von Nixon führte, erzählt Alan J. Pakula 1976 in seinem Filmklassiker „Die Unbestechlichen“, den man sich nach „Die Verlegerin“ wieder ansehen kann. Beide Filme erzählen von Ereignissen und Konflikten, die heute wieder erschreckend aktuell sind.
Die Verlegerin (The Post, USA 2017)
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Liz Hannah, Josh Singer
mit Meryl Streep, Tom Hanks, Sarah Paulson, Bob Odenkirk, Tracy Lettts, Bradley Whitford, Bruce Greenwood, Matthew Rhys, Alison Brie, Michael Stuhlbarg
Horrorfilme können billig hergestellt werden. Sie leben von Schocks und, nun, Geschmacklosigkeiten und Grenzüberschreitungen. Sie sprechen unsere Ängste an und sie können, wie zuletzt „Get out“, Themen ansprechen, die in höher budgetierten Filmen, die entsprechend mehr Geld einspielen müssen, nicht oder nicht so offen angesprochen werden. Sie richten sich vor allem an ein jugendliches Publikum und schon einige beachtliche Karrieren starteten mit Horrorfilmen. Ich sage nur George A. Romero, John Carpenter, Wes Craven, Tobe Hooper und Eli Roth. Filme wie „The Texas Chainsaw Massacre“, „Halloween“, „Hostel“, „Saw“ und „The Blair Witch Project“ (USA 1999) waren gigantische Erfolge, die ihr Geld mehr als einmal einspielten und unzählige Male kopiert wurden. Vor allem die Idee von „The Blair Witch Project“ war grandios. Im Internet wurde die Legende von einer Hexe und damit verbundener unheimlicher Ereignisse in den Wäldern von Maryland gestrickt. Der Film bestand dann, so wurde vor dem Filmstart kolportiert, aus den wieder aufgetauchten Aufnahmen, die eine handvoll spurlos verschwundener Filmstudenten auf ihrer Suche nach der Hexe gemacht haben. In den gefundenen Aufnahmen streifen sie ohne ein Drehbuch durch den Wald (was die oft erbärmlichen Dialoge erklärt). Sie sind keine Schauspieler (was das, ähem, naturalistische Spiel erklärt). Und sie sind keine ausgebildeten Kameramänner (was die oft erbärmliche Bildqualität erklärt).
Der unglaublich erfolgreiche Horrorfilm begründete das „Found Footage“-Subgenre, das behauptet, der Film sei aus gefunden Aufnahmen hergestellt worden. Und diese gefundenen Aufnahmen sind halt technisch nicht so perfekt, wie in einem richtigen Film. Alles das, was ein Kameramann vermeidet wie der Teufel das Weihwasser, ist hier ein Qulitätsmerkmal. Möglich wurde das durch die Entwicklung von immer kleineren, leistungsfähigen Videokameras. So drehte Steven Soderbergh seinen neuen Film, den Horrorthriller „Unsane“ (Kinostart 29. März 2018), komplett mit dem iPhone.
Für Filmproduzenten hatte das Subgenre noch drei erfreuliche Nebenwirkungen: es musst nicht mehr nach richtigen Schauspielern gesucht werden (die Protagonisten sollten ja gerade nicht spielen, sondern sich wie der Junge von nebenan benehmen), ein Drehbuch mit ausgefeilten Dialogen ist unnötig (die Schauspieler sollen sich ja wie die Schulkameradinnen verhalten und reden) und die Produktionskosten waren astronomisch niedrig. Man braucht nur ein Gebäude und einige Schauspieler. Sogar für Spezialeffekte braucht man eigenlich kein Geld, weil im Notfall ja immer die Kamera einen Schwenk in die langweilige Ecke machen kann. Blumhouse Productions, um nur die bekannteste Firma zu nennen, produziert seit Jahren mit enem Microbudget finanzierte Found-Footage-Horrorfilme, die durchgehend finanziell einträglich sind. Bis auf wenige Ausnahmen sind es allerdings auch ziemliche Langweiler.
„Heilstätten“ fällt in dieses Found-Footage-Subgenre. Dieses Mal spielt die Geschichte allerdings nicht in den USA, sondern in Deutschland und es handelt sich um eine deutsche Produktion mit deutschen Schauspielern. Gedreht wurde der Film in einer Ruine mit Schauspielern, von denen einer auch ein YouTube-Star ist. Die anderen benehmen sich so als ob.
Die Story ist Asbach-Uralt-Horrorfilm: eine Gruppe Jugendlicher will eine Nacht in einem Gebäude verbringen, in dem es spucken soll. Die Nazis haben in der Heilstätte Menschenexperimente gemacht. Jetzt haben die untereinder verfeindeten YouTuber sich entschlossen, eine 24-Stunden-Challenge zu machen, in der es darum geht, eine Nacht in der Ruine zu verbringen. Zuerst halten die Jugendlichen die Mutprobe für einen großen Spaß. Denn Geister gibt es nicht.
Sie verteilen Kameras in dem Gebäude, die alles aufnehmen sollen, was in der Nacht geschieht. Und, wie es sich für einen YouTuber gehört, laufen sie immer mit einer eingeschalteten Kamera herum.
Dann geschehen unheimliche Dinge, es gibt Tote und anstatt herumzublödeln, wird geschrien und durch dunkle Gänge gerannt oder durch den Wald gestolpert.
Das ist, – wenig überraschend -, erbärmlich schlecht gespielt. Das aufgedrehte Gehabe der grenzdebilen YouTube-Stars nervt so sehr, dass ich über jedes Ableben erfreut war. Eine Nervensäge weniger in dieser überflüssigen Blumhouse-Kopie.
Dummerweise gibt es am Ende eine überraschende Wendung, die dem Film eine tiefere Bedeutung verleihen soll und die hier nicht verraten werden soll, weil es ein Mega-Spoiler wäre. Es ist allerdings auch eine vollkommen aus dem heiteren Himmel kommende überraschende Wendung, die teilweise im Widerspruch zu der vorherigen Geschichte steht und nicht vorbereitet wurde. Genausogut hätte auch ein Ufo auftauchen können.
So wird das nichts mit dem deutschen Horrorfilm.
Immerhin ist „Heilstätten“ nicht übermäßig lang und die Kulisse gefällt. Gedreht wurde der Film allerdings nicht in der Heilstätte Beelitz (eine oft genutzte Filmkulisse, u. a. „Men & Chicken“ und „A Cure for Wellness“), dem Handlungsort des Films, sondern in der ebenfalls verfallenen, unbekannteren Heilstätte Grabowsee gedreht.
Ach, und das Plakat ist auch gelungen.
Heilstätten (Deutschland 2018)
Regie: Michael David Pate
Drehbuch: Michael David Pate (nach einer Drehbuchvorlage von Ecki Ziedrich)
mit Sonja Gerhardt, Tim Oliver Schultz, Nilam Farooq, Lisa Maria Koroll, Emilio Sakraya, Timmi Trinks, Farina Flebbe, Maxine Kazis, David Schulz
In the Electric Mist – Mord in Louisiana (In the Electric Mist, USA 2009)
Regie: Bertrand Tavernier
Drehbuch: Jerzy Kromolowski, Mary Olson-Kromolowski
LV: James Lee Burke: In the Electric Mist with Confederate Dead, 1993 (Im Schatten der Mangroven)
Polizeichef Dave Robicheaux will den Mord an einer neunzehnjährigen Prostituierten aufzuklären. Bei seinen Ermittlungen trifft er auch auf eine Filmcrew, die einen historischen Film dreht, den lokalen Paten, seinen alten Freund Julie ‘Baby Feet’ Balboni, dessen Geld auch in dem Film steckt und den Geist von Konföderierten-General John Bell Hood.
Grandios besetzte, sehr atmosphärische und sehr gelungene Verfilmung eines Robicheaux-Krimis. Feiner Stoff für Krimifans.
mit Tommy Lee Jones, John Goodman, Peter Sarsgaard, Kelly Macdonald, Mary Steenburgen, Justina Machado, Ned Beatty, James Gammon, Pruitt Taylor Vince, Levon Helm, Buddy Guy, John Sayles
Als der zehnjährige Jack nicht von seiner Mutter aus dem Heim abgeholt wird, haut er ab. In Berlin wartet allerdings niemand auf ihn. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder beginnt Jack seine, mal wieder, spurlos verschwundene Mutter zu suchen.
Mitreisendes, mehrfach ausgezeichnetes Sozial- und Jugenddrama, das immer auf Jacks Augenhöhe bleibt, während er durch die große Stadt läuft.
Ich wollte Jeff VanderMeers Romandebüt „Auslöschung“ im Zusammenhang mit dem Kinostart der Verfilmung besprechen. Weil Netflix, bis auf die USA und China, die Vertriebsrechte für den Film kaufte, wird das nicht geschehen. Jetzt wird er bei uns nicht im Kino laufen, sondern demnächst auf Netflix gestreamt werden. Ob er jemals auf DVD veröffentlicht wird…
Dabei sind die ersten Äußerungen von Filmkritikern sehr positiv. Außerdem ist „Auslöschung“ von Alex Garland geschrieben und inszeniert. Sein Regiedebüt war „Ex Machina“; einer der erfreulichsten SF-Filme des Jahres 2015.
Und die Vorlage sammelte berechtigtes Kritikerlob und Preise, wie den Nebula-Preis. Wobei Vorlage etwas unpräzise ist. Denn „Auslöschung“ ist der Auftakt der Southern-Reach-Trilogie, die aus drei unterschiedlichen Romanen besteht, die fast gleichzeitig erschienen.
In „Auslöschung“ geht es um eine Expedition, die in ein geheimnisvolles Naturgebiet geht. Dieses Gebiet, Area X genannt, wurde seit zwei Jahren von keinem Menschen mehr betreten. Es ist ein Gebiet an der sumpfigen Südküste der USA, wo seit Jahrzehnten die Natur sich auf seltsame Art verändert und immer weitere Gebiete in Besitz nimmt. Warum sie das tut, ist unbekannt. Was dagegen getan werden kann, ist unbekannt. Ob es gefährlich ist, ist unbekannt. Aber wahrscheinlich ist es sehr gefährlich. Denn in den vergangenen Jahren wurden elf Expeditionen losgeschickt. Die meisten Expeditionsteilnehmer verschwanden in dem Gebiet. Einige Expeditionsteilnehmer kamen später verändert zurück. Sie konnten nichts über ihre Erlebnisse erzählen.
Jetzt soll die zwölfte Expedition, bestehend aus vier Frauen, – einer Anthropologin, einer Landvermesserin, einer Psychologin und einer Biologin (die auch die Erzählerin ist) – , Antworten liefern. Sie sollen alles aufschreiben was sie dort sehen und erleben.
Schon kurz nachdem sie Area X betreten haben, beginnt die Landschaft sich zu verändern. Sie entdecken Gebäude, die ein Eigenleben haben. Und Expeditionsteilnehmerinnen sterben. Ob sie von der Natur oder einer Expeditionsteilnehmerin ermordet wurden ist unklar. Auch wie sehr wir der Erzählerin, die sich aus einem bestimmten Grund für die Expeditionsteilnahme bewarb, vertrauen können.
Das klingt jetzt etwas nebulös, aber gerade dieses Entdecken der Welt von Area X und wie diese auf die Erzäherin reagiert, ist ein Teil des Spaßes beim Lesen von „Auslöschung“. Dabei folgt der Roman mehr den Regeln des magischen Realismus oder, wenn auch auf einer sehr fantastischen Ebene, des Horrorromans (Was gibt es schlimmeres als eine Natur, die ein Eigenleben hat?) als denen eines konventionellen SF-Romans.
Weil „Auslöschung“ der eigenständige Beginn einer Trilogie ist, muss er noch nicht alle Fragen beantworten. „Auslöschung“ erzählt nur die Geschichte einer Frau, die in der Area X mit sich selbst konfrontiert ist und eine Entscheidung fällen muss. Dabei erfahren wir auch viel über ihre Vergangenheit, ihre Liebe zur Natur und zu ihrem Mann, der Mitglied einer früheren Area-X-Expedition war und zurückkehrte.
In dem zweiten Southern-Reach-Band „Autorität“ steht dann die Organisation Southern Reach, die für die Expeditionen in die Area X verantwortlich ist, im Mittelpunkt.
Paramount Pictures kaufte die Filmrechte schon 2014 und Alex Garland begann mit seinem Drehbuch ausgehend von dem Buchmanuskript. Den zweiten und dritten Band der Southern-Reach-Trilogie kannte er nicht und er kümmerte sich auch nicht darum. Ihm ging es darum, eine gute Geschichte zu erzählen.
Die Bilder aus dem Trailer sehen, trotz „Alien“-Touch, jedenfalls verdammt gut aus.
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Jeff VanderMeer: Auslöschung – Southern-Reach-Trilogie I
(übersetzt von Michael Kellner)
Knaur, 2017
240 Seiten
9,99 Euro
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Originalausgabe
Annihilation
Farrar, Straus & Giroux, New York, 2014
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Deutsche Erstausgabe
Verlag Antje Kunstmann, 2014
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Verfilmung
Auslöschung (Annihilation, USA 2018)
Regie: Alex Garland
Drehbuch: Alex Garland
LV: Jeff VanderMeer: Annihilation, 2014 (Auslösung)
mit Natalie Portman, Benedict Wong, Sonoya Mizuno, David Gyasi, Oscar Isaac, John Schwab, Jennifer Jason Leigh, Gina Rodriguez
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Mehr Southern Reach
Jeff VanderMeer: Autorität – Southern-Reach-Trilogie II
(übersetzt von Michael Kellner)
Knaur, 2017
368 Seiten
9,99 Euro
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Originalausgabe
Authority
Farrar, Straus & Giroux, New York, 2014
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Deutsche Erstausgabe
Verlag Antje Kunstmann, 2015
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Jeff VanderMeer: Akzeptanz – Southern-Reach-Trilogie III
Sophie Scholl – Allen Gewalten zum Trotz… (Deutschland 2005)
Regie: Marieke Schroeder, Ulrich Chaussy
Drehbuch: Marieke Schroeder, Ulrich Chaussy
Einstündige Doku, für die Schroeder und Chaussy mit Zeitzeugen Interviews über Sophie Scholl und die Weiße Rose führten.
Die Doku entstand im Zusammenhang mit Marc Rothemunds „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ und auf der DVD könnten mehr oder weniger große Teile der Doku sein. Jedenfalls hatten er und Drehbuchautor Fred Breinersdorfer Chaussy mit der Recherche historischer Fakten für ihren Film beauftragt.
mit Elisabeth Hartnagel, Anneliese Knoop-Graf, Franz Müller, Susanne Zeller-Hirzel
Drehbuch: Jürgen Knop (nach einer Idee von Friedel Schnitzler)
Werner und Mike reißen Alice auf. In einer Kiesgrube vergewaltigt Werner sie. Als Alice damit droht, zur Polizei zu gehen, eskaliert die Gewalt.
TV-Premiere einer Perle des deutschen (Genre)Films. Mit der Musik von The Can.
Über seinen ersten Film „Mädchen, Mädchen“ (Deutschland 1966) steht in Robert Fischer/Joe Hembus „Der Neue Deutsche Film – 1960 – 1980“ (1981): „Immerhin steht Roger Fritz seiner Sache so gelassen gegenüber, dass die Geschichte nie in dem Mief endet, der hier im Altfilm fällig gewesen wäre, noch in der Larmoyanz, in der sie bei prätentiöseren Jungfilmern wegzuschwimmen pflegte.“ Das kann wahrscheinlich auch über „Mädchen mit Gewalt“, seinen dritten Spielfilm gesagt werden.
Obwohl das „Lexikon des internationalen Films“ überhaupt nicht begeistert war: „Zynischer Reißer, mit dem Roger Fritz vollends in die Niederungen kommerzieller Spekulation gerät. Ein brisantes Thema – Gewalt gegen Frauen, der Zusammenhang von Frustration und Aggression – wird völlig instinkt- und gefühllos verspielt.“
Fun Fact: Der schon 1968 gedrehte Film wurde von Arthur Cohn co-finanziert, auf englisch gedreht und später von den Schauspielern deutsch synchronisiert. Nur Arthur Brauss konnte sich wegen anderer Verpflichtungen nicht synchronisieren.
mit Helga Anders, Klaus Löwitsch, Arthur Brauss, Monika Zinnenberg, Rolf Zacher
Ungefähr jetzt ist die galaktische „Berlinale“-Weltpremiere von Lars Kraumes neuem Film „Das schweigsame Klassenzimmer“ über eine DDR-Schulklasse, die im November 1956 mit einer Schweigeminute auf die Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes reagierte. Ihre Lehrer und deren Vorgesetzten reagierten emport.
(Herrje, meine Lehrer wären froh gewesen, wenn wir mal geschwiegen hätten.)
Der Film läuft am 1. März an und dann erscheint auch meine Besprechung (musste bei der Pressevorführung ein Schweigelübde unterzeichnen, das ich bis dahin mönchisch einhalte).
Davor startet schon die Kinotour, deren Termine ich nicht marktschreierisch, sondern schweigsam verkünde:
LV: Dietrich Garstka: Das schweigende Klassenzimmer, 2006
mit Leonard Scheicher, Tom Gramenz, Lena Klenke, Jonas Dassler, Isaiah Michalski, Ronald Zehrfeld, Jördis Triebel, Florian Lukas, Burghart Klaußner, Michael Gwisdek
Länge: 111 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Und der Ullstein-Verlag spendierte der Sachbuchvorlage einen schicken neuen Umschlag
Am 27.02.2018 veranstalten wir gemeinsam mit der Otherland Buchhandlung einen Abend mit dem englischen Fantasykrimi-Autor Ben Aaronovitch.
Das wird keine Autorenlesung im klassischen Sinne, wie sie in Deutschland üblich ist, in anderen Ländern aber kaum, sondern einfach ein unterhaltsamer Abend nach dem Motto „Meet the Author“, an dem uns Ben Aaronovitch einiges erzählen wird und sich dem Dialog mit seinem Fan-Publikum stellt.
Mit der witzigen Fantasykrimi-Serie um Police Constable Peter Grant in einem magischen London („Die Flüsse von London“ und weitere fünf Bände bisher) hat Ben Aaronovitch sich eine weltweite Fangemeinde erschrieben. „So stellt man es sich vor, wenn Harry Potter erwachsen geworden und zur Polizei gegangen wäre“, meinte seine Kollegin Diane Gabaldon dazu.
Der Abend wird komplett auf Englisch stattfinden.
Der Eintritt ist frei.
Wann? – Dienstag, 27. Februar 2018, ab 20:00 Uhr (Einlass ab 19:30 Uhr).
Wo? – DTK-Wasserturm, Ecke Kopisch-/Fidicinstraße in Kreuzberg. (Nächste U-Bahnstation: U6, Platz der Luftbrücke.)
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Richtig berlinerisch und kriminell wird es dann am 01.03.2018, bei der Premieren-Buchpräsentation der dann druckfrisch vorliegenden Berlin-Krimi-Anthologie „Berlin Noir“ (CulturBooks Verlag).
Mit der zuvor erschienenen Städte-Anthologie „Paris Noir“ hat der CulturBooks Verlag die Messlatte für diese neue Berlin-Krimi-Anthologie extrem hoch gelegt. Wir sind sehr gespannt!
An dem Abend werden mindestens zehn der dreizehn Autor(inn)en anwesend sein, und einige von ihnen werden auch Kostproben aus ihrer jeweiligen „Berlin Noir“-Story zum Besten geben.
Der Moderator des Abends und Herausgeber des Story-Bandes, Thomas Wörtche, wird zwischen Autor(inn)en und Publikum vermitteln und einiges zur Entstehung und zum Sinn und Zweck der Anthologie „Berlin Noir“ erzählen. Diskussion erwünscht!
Wann? – Donnerstag, 1. März 2018, ab 20:00 Uhr (Einlass ab 19:30 Uhr).
Wo? – DTK-Wasserturm, Ecke Kopisch-/Fidicinstraße in Kreuzberg. (Nächste U-Bahnstation: U6, Platz der Luftbrücke.)
Eintritt: 5 Euro.
Vorverkauf und Kartenreservierung im Hammett, per e-mail oder Telefon.
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P.S.:
Am 16. März 2018 kommt dann unsere australische Lieblingsautorin Candice Fox („Hades“-Trilogie) ins English Theatre Berlin, Fidicinstraße 40, und wird ihren aktuellen Roman „Crimson Lake“ vorstellen.
Galizien, 1860: der orthodoxe Jude Baruch Mayer will Schauspieler werden. Sein Vater, der Rabbi, ist dagegen. Aber die christliche Erzherzogin hat da auch noch ein Wort mitzureden.
Gestern auf der Berlinale, heute im Fernsehen und morgen auf der Festplatte. Denn die Uhrzeit für die Erstausstrahlung der brandneuen, digital restaurierten Fassung ist ziemlich mitternächtlich.
Im Gegensatz zu früheren Rekonstruktionen und älteren Fassungen entspricht diese rekonstruierte Fassung der Originalfassung. Sie hat die gleiche Länge wie die Premierenfassung (135 Minuten) und mit der in den 1990er Jahren aufgetauchten Zensurkarte konnte auch der originale Ablauf und die originalen Texte der Zwischentitel wieder hergestellt werden. Denn, und das ist bei einem Stummfilm nichts ungewöhnliches, wurden schon damals für den Export verschiedene Fassungen erstellt. Das Originalnegativ und Kopien der deutschen Fassung sind verschollen. Deshalb erstellten die Restauratoren in mühevoller Arbeit aus allen existierenden Fassungen die restaurierte Fassung.
„‚Das alte Gesetz‘ inszeniert das Dilemma des Protagonisten, wie sich seine schauspielerischen Ambitionen mit seinem Judentum vereinbaren lassen, als Generationskonflikt zwischen Vater und Sohn und als Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne. ‚Das alte Gesetz‘ meint hier die jüdische Tradition. Das Motiv des interreligiösen Liebespaares (…) ist (…) ein Gradmesser für die Spielräume und Grenzen der jüdischen Assimilation.“ (Margrit Frölich, epd film 2/2018)
Mit Ernst Deutsch, Henny Porten, Ruth Weyher, Hermann Vallentin, Avrom Morewsky, Grete Berger
Drehbuch: Friedrich Dürrenmatt, Hans Jacoby, Ladislao Vajda
LV: Friedrich Dürrenmatt: Das Versprechen – Requiem auf den Kriminalroman, 1957
Kommissar Matthäi sucht den Mörder eines neunjährigen Mädchens.
Allseits bekannter Krimiklassiker mit Heinz Rühmann, Gert Fröbe und Siegfried Lowitz. Auch das Ausland war von dem Film begeistert: „Unter der hervorragenden Regie von Ladislao Vajda wird die Handlung pausenlos in einem unbarmherzigen und beklemmenden Tempo gesteigert und ist getragen von einem Dialog, der vor Gescheitheit blitzt und nur gelegentlich durch die, dem Dichter eigene, Melancholie gebremst wird.“ (Aufbau, New York, 1960)
Dürrenmatt war mit dem Ende des Filmes unzufrieden. Sein „Buch zum Film“ hat daher ein pessimistisches Ende