Cover der Woche
Januar 31, 2012TV-Tipp für den 31. Januar: Wag the Dog
Januar 31, 2012ZDFneo, 21.00
Wag the dog – Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt (USA 1997, R.: Barry Levinson)
Drehbuch: Hilary Henkin, David Mamet
LV: Larry Beinhart: American Hero, 1991 (American Hero)
Ein Medienberater rät dem Stab des Präsidenten, einen Krieg in Albanien zu inszenieren, um von einer Sexaffäre des Präsidenten abzulenken. Nach einem überzeugenden Anfang gerät das Ablenkungsmanöver außer Kontrolle.
Köstliche Medien- und Politsatire, die von Beinharts langatmigem Buch nur die Idee („Wir fälschen einen Krieg. Merkt doch keiner.“) übernimmt und durch die damaligen politischen Ereignisse (Clinton-Lewinsky-Affäre, Jugoslawien) eine nicht geplante tagespolitische Brisanz erhielt.
Mit einer bestens aufgelegten Riege von Schauspielern: Dustin Hoffman, Robert De Niro, Anne Heche, Denis Leary, Willie Nelson, Kirsten Dunst, William H. Macy, Woody Harrelson
Hinweise
Drehbuch „Wag the Dog“ von David Mamet
Huffington Post: Kolumne von Larry Beinhart
Meine Besprechung von Larry Beinharts „Crime – Kriminalromane und Thriller schreiben“
„Out of sight“ ist wieder in sight
Januar 30, 2012Wer in den vergangenen Jahren, immer, wenn George Clooney sich in der stilvollen Krimikomödie „Out of sight“ in Jennifer Lopez verliebte, fragte, was davon bereits in dem Roman „Out of sight“, auf dem der Steven-Soderbergh-Film basiert, steht, kann sich jetzt die neue Ausgabe des Krimis besorgen.
Über die Geschichte muss wohl nicht viel gesagt werden: bei einem Gefängnisausbruch verliebt der Bankräuber Jack Foley sich, während sie gemeinsam im Kofferraum liegen, in Deputy US Marshall Karen Sisco. Foley will später noch ein großes Ding drehen. Sisco will ihn schnappen. Denn Verbrecher gehören hinter Gitter. Auch wenn sie außergewöhnlich charmant sind.
Karen Sisco trat auch in der Kurzgeschichte „Karen makes out“ auf und es entstand eine kurzlebige TV-Serie, die anscheinend sogar ziemlich gut ist, aber niemals bei uns gezeigt wurde.
Jack Foley trat 2009 in dem außergewöhnlich schwachen „Road Dogs“, der sich unmmittelbar an „Out of sight“ anschließt, wieder auf. In dem Krimi erzählt Elmore Leonard, wie Foley (der sich jetzt an dem von George Clooney gespieltem Foley orientiert) dieses Mal aus dem Knast entkommt und was danach geschieht.
Doch zurück zur Neuauflage von „Out of sight“. Sie unterscheidet sich nicht von den vorherigen Ausgaben. Wer also bereits „Zuckerschnute“ (so hieß die Erstausgabe) oder „Out of sight“ (so hieß dann die Filmausgabe) in seinem Regal stehen hat, muss nicht zuschlagen.
Alle anderen sollten sich diesen Elmore-Leonard-Klassiker schleunigst besorgen.
Elmore Leonard: Out of sight
(übersetzt von Jörn Inversen)
Suhrkamp, 2012
256 Seiten
8,99 Euro
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Originalausgabe
Out of sight
Delacorte Press, New York 1996
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Deutsche Erstausgabe
Zuckerschnute
Goldmann, 1998
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Spätere Auflagen, wegen des Films, unter „Out of sight“
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Verfilmung
Out of sight (Out of sight, USA 1998)
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Frank
mit George Clooney, Jennifer Lopez, Ving Rhames, Don Cheadle, Dennis Farina, Luis Guzman
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Hinweise
Meine Besprechung von Elmore Leonards „Dschibuti“ (Djibouti, 2010)
Meine Besprechung von Elmore Leonards „Djibouti“ (2010)
Meine Besprechung von Elmore Leonards „Road Dogs“ (Road Dogs, 2009)
Meine Besprechung von Elmore Leonards „Up in Honey’s Room“ (2007)
Meine Besprechung von Elmore Leonards „Gangsterbraut“ (The hot Kid, 2005)
Meine Besprechung von Elmore Leonards „Callgirls“ (Mr. Paradise, 2004)
Mein Porträt „Man nennt ihn Dutch – Elmore Leonard zum Achtzigsten“ erschien im „Krimijahrbuch 2006“
Meine Besprechung der Elmore-Leonard-Verfilmung „Sie nannten ihn Stick“ (Stick, USA 1983)
Meine Besprechung der Elmore-Leonard-Verfilmung „Killshot“ (Killshot, USA 2008)
TV-Tipp für den 30. Januar: L. A. Confidential
Januar 30, 2012Art, 21.00
L.A. Confidential (USA 1997, R.: Curtis Hanson)
Drehbuch: Brian Helgeland
LV: James Ellroy: L. A. Confidential, 1990 (Stadt der Teufel, L. A. Confidential)
Drei unterschiedliche Polizisten versuchen einen Mord aufzuklären und müssen dabei einen tiefen Sumpf aus Drogen, Sex, Gewalt und Abhängigkeiten trockenlegen.
Grandiose Verfilmung eines grandiosen Buches, das den Deutschen Krimipreis erhielt.
Brian Helgeland schaffte das scheinbar unmögliche: er raffte den 500-seitigen Thriller gelungen zu einem etwa zweistündigen Film zusammen und erhielt dafür einen Oscar. Kim Basinger für ihre Rolle als Edelhure erhielt ebenfalls die begehrte Trophäe. Den Edgar gab es natürlich ebenfalls.
mit Kevin Spacey, Russell Crowe, Guy Pearce, James Cromwell, Kim Basinger, Danny DeVito, David Strathairn, Ron Rifkin, Paul Guilfoyle, Simon Baker
Wiederholung: Freitag, 3. Februar, 00.15 Uhr (Taggenau!)
Hinweise
SPLICEDwire: Interview mit James Ellroy zu “L. A. Confidential” (1997)
Drehbuch „L. A. Confidential“ von Brian Helgeland
Cliff Martinez über seine Musik für „Drive“ und „Der Mandant“
Januar 29, 2012Cliff Martinez spricht über seine Musik für die James-Sallis-Verfilmung „Drive“
und für die Michael-Connelly-Verfilmung „Der Mandant“ (The Lincoln Lawyer“
TV-Tipp für den 29. Januar: Lohn der Angst
Januar 29, 2012Gut, das ist jetzt wirklich für die Nachteulen, aber nach fast vier Stunden „Gandhi“
Tele 5, 00.05
Lohn der Angst (F/I 1953, R.: Henri-Georges Clouzot)
Drehbuch: Henri-Georges Clouzot, Jérôme Géronimi
LV: Georges Arnaud: Le salaire de peur, 1952 (Lohn der Angst)
Vier Männer fahren mit einer Ladung Nitro durch den lateinamerikanischen Dschungel.
Klingt langweilig? Ist aber ein Klassiker, der Anfangs das Leben gestrandeter Abenteuerer in den Kolonien extrem genau zeigt, später extrem spannend ist und einen tiefen, illusionslosen Einblick in die menschliche Seele bietet. Eine existentialistische Parabel im Gewand eines Action-Films. – Seine volle Wirkung entfaltet „Lohn der Angst“ allerdings nur auf der großen Leinwand.
Hellmuth Karasek in „Mein Kino – Die 100 schönsten Filme“: „Clouzots Meisterwerk, wahrscheinlich der vollkommenste und geradlinigste Thriller der Filmgeschichte…Clouzot hat hier (gemeint ist der Filmanfang, A. d. V.) als erster gnadenlose Bilder aus der Dritten Welt, ihren kolonialen Strukturen, der vorherrschenden Desperado-Mentalität, der latent homoerotischen Männerbünde, deren letzter Stolz die Frauen- und Eingeborenen-Verachtung ist, eingefangen – lange vor Taverniers Saustall.“
Gezeigt wird eine zweistündige Version des 150-minütigen Films.
Mit Yves Montand, Peter van Eyck, Charles Vanel
Wiederholung: Freitag, 3. Februar, 03.15 Uhr
Hinweise
Wikipedia über „Lohn der Angst“ (deutsch, englisch, französisch)
Kleinkram
Januar 28, 2012oder bevor ich endgültig den Überblick verliere:
Bei Telepolis gibt es ein Gespräch mit Mathew D. Rose über sein letztes Buch „Korrupt – Wie unsere Politiker und Parteien sich bereichern – und uns verkaufen“ (Lesenswert!).
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BuzzFed nennt 27 Filme, die toll sind, aber keine Oscar-Nominierung als bester Film erhielten und illustrieren ihre okaye Auswahl (Die üblichen Verdächtigen, Psycho, Frühstück bei Tiffanys, Blade Runner, Easy Rider, King Kong, Vertigo,…ach, ich will nicht alles verraten) mit vielen alten Filmplakaten (und das ist definitiv einen Klick wert).
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Ach, nominiert für die Oscars sind…
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Gary Oldman und Jack English fotografierten eifrig beim Dreh von „Dame, König, As, Spion“ (Sehbefehl! Kinostart ist am Donnerstag.)
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Film School Rejects hat vierzehn Filmmonologe aufgelistet. Da fehlen einige gute Monologe (unter anderem sind Pulp Fiction, No Country for Old Men, Network und Glengarry Glen Ross dabei), aber so als Eindruck von der Kraft des gesprochenen Wortes ist es ein guter Anfang.
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Der A. V. Club unterhält sich mit Steven Soderbergh über seinen neuen Film, den Thriller „Haywire“.
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NPR macht sich Gedanken über „The Art of Modern Movie Trailers“ (mit Beispielen).
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Immer noch NPR: Aber jetzt mit Francis Ford Coppola, der eine halbe Stunde über seine Karriere spricht.
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Bei First Showing begründet David Fincher, warum er jeden seiner Filme drehte.
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Lee Goldberg verrät einige Hintergründe über seinen Monk-Roman „Mr. Monk on patrol“.
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Und die Weinstein Company hat einige Drehbücher von für wichtige Preise nominierte Filme online gestellt:
The Artist von Michel Hazanavicius
My Week with Marylin von Adrian Hodges
Da dürften noch einige weitere Drehbücher in der Pipeline sein.
Die Edgar-Nominierungen 2012
Januar 28, 2012Die Nominierungen der Mystery Writers of America für den diesjährigen Edgar sind draußen. Die Preisverleihung ist am 26. April im Grand Hyatt Hotel in New York.
Nominiert sind
BEST NOVEL
The Ranger von Ace Atkins
Gone von Mo Hayder
The Devotion of Suspect X von Keigo Higashino
1222 von Anne Holt
Field Gray (Mission Walhalla) von Philip Kerr
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BEST FIRST NOVEL BY AN AMERICAN AUTHOR
Red on Red von Edward Conlon
Last to Fold von David Duffy
All Cry Chaos von Leonard Rosen
Bent Road von Lori Roy
Purgatory Chasm von Steve Ulfelder
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BEST PAPERBACK ORIGINAL
The Company Man von Robert Jackson Bennett
The Faces of Angels von Lucretia Grindle
The Dog Sox von Russell Hill
Death of the Mantis von Michael Stanley
Vienna Twilight von Frank Tallis
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BEST FACT CRIME
The Murder of the Century: The Gilded Age Crime That Scandalized a City and Sparked the Tabloid Wars von Paul Collins
The Savage City: Race, Murder, and a Generation on the Edge von T.J. English
Destiny of the Republic: A Tale of Madness, Medicine and the Murder of a President von Candice Millard
Girl, Wanted: The Chase for Sarah Pender von Steve Miller
The Man in the Rockefeller Suit: The Astonishing Rise and Spectacular Fall of a Serial Imposter von Mark Seal
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BEST CRITICAL/BIOGRAPHICAL
The Tattooed Girl: The Enigma of Stieg Larsson and the Secrets Behind the Most Compelling Thrillers of our Time (Die Welt der Lisbeth Salander) von Dan Burstein, Arne de Keijzer und John-Henri Holmberg
Agatha Christie: Murder in the Making von John Curran
On Conan Doyle: Or, the Whole Art of Storytelling von Michael Dirda
Detecting Women: Gender and the Hollywood Detective Film von Philippa Gates
Scripting Hitchcock: Psycho, The Birds and Marnie von Walter Raubicheck und Walter Srebnick
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BEST SHORT STORY
„Marley’s Revolution“ – Alfred Hitchcock Mystery Magazine von John C. Boland
„Tomorrow’s Dead“ – Ellery Queen Mystery Magazine von David Dean
„The Adakian Eagle“ – Down These Strange Streets von Bradley Denton
„Lord John and the Plague of Zombies“ – Down These Strange Streets von Diana Gabaldon
„The Case of Death and Honey“ – A Study in Sherlock von Neil Gaiman
„The Man Who Took His Hat Off to the Driver of the Train“ – Ellery Queen Mystery Magazine von Peter Turnbull
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BEST JUVENILE
Horton Halfpott von Tom Angleberger
It Happened on a Train von Mac Barnett
Vanished von Sheela Chari
Icefall von Matthew J. Kirvon
The Wizard of Dark Street von Shawn Thomas Odyssey
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BEST YOUNG ADULT
Shelter von Harlan Coben
The Name of the Star von Maureen Johnson
The Silence of Murder von Dandi Daley Mackall
The Girl is Murder von Kathryn Miller Haines
Kill You Last von Todd Strasser
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BEST PLAY
Sherlock Holmes and the Adventure of the Suicide Club von Jeffrey Hatcher (Arizona Theatre Company, Phoenix, AZ)
The Game’s Afoot von Ken Ludwig (Cleveland Playhouse, Cleveland, OH)
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BEST TELEVISION EPISODE TELEPLAY
„Innocence“ – Blue Bloods, Drehbuch von Siobhan Byrne O’Connor (CBS Productions)
„The Life Inside“ – Justified, Drehbuch von Benjamin Cavell (FX Productions and Sony Pictures Television)
„Part 1“ – Whitechapel, Drehbuch von Ben Court und Caroline Ip (BBC America)
„Pilot“ – Homeland, Drehbuch von Alex Gansa, Howard Gordon und Gideon Raff (Showtime)
„Mask“ – Law & Order: SVU, Drehbuch von Speed Weed (Wolf Films/Universal Media Studios)
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ROBERT L. FISH MEMORIAL AWARD
„A Good Man of Business“ – Ellery Queen Mystery Magazine von David Ingram
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GRAND MASTER
Martha Grimes
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RAVEN AWARDS
M is for Mystery Bookstore, San Mateo, CA
Molly Weston, Meritorious Mysteries
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ELLERY QUEEN AWARD
Joe Meyers, Connecticut Post/Hearst Media News Group
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THE SIMON & SCHUSTER – MARY HIGGINS CLARK AWARD
(präsentiert bei der MWA’s Agents & Editors Party am Mittwoch, den 25. April 2012)
Now You See Me von S.J. Bolton
Come and Find Me von Hallie Ephron
Death on Tour von Janice Hamrick
Learning to Swim von Sara J. Henry
Murder Most Persuasive von Tracy Kiely
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Das sind wirklich nicht die üblichen Verdächtigen.
TV-Tipp für den 28. Januar: Lost Highway
Januar 28, 2012ZDFkultur, 22.30
Lost Highway (USA 1997, R.: David Lynch)
Drehbuch: David Lynch, Barry Gifford
Feiner Film von David Lynch, den ich erst kürzlich ausführlich besprochen habe.
mit Bill Pullman, Patricia Arquette, Robert Blake, Balthazar Getty, Robert Loggia, Gary Busey, Michael Massee, Lucy Butler
Wiederholung: Sonntag, 29. Januar, 02.20 Uhr (Taggenau!)
Hinweise
Wikipedia über „Lost Highway“ (deutsch, englisch)
Drehbuch „Lost Highway“ von David Lynch und Barry Gifford
Meine Besprechung von David Lynchs „Lost Highway“ (Lost Highway, USA 1997)
Neu im Kino/FIlmkritik: „The Descendants“ oder Mit Alexander Payne und George Clooney auf Hawaii
Januar 27, 2012Jetzt wurde Alexander Paynes neuer Film „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ für den Oscar in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“, „Bestes adaptiertes Drehbuch“ , „Bester Hauptdarsteller“ und „Bester Schnitt“ nominiert. Außerdem wurde er, so der aktuelle Stand, für 62 weitere Preise nominiert und 34 hat er schon erhalten. Irgendetwas muss Alexander Payne bei seinem neuesten Film richtig gemacht haben.
Dabei erzählt er eine auf den ersten Blick sehr alltägliche Geschichte mit George Clooney in der Hauptrolle als Familienvater und Anwalt Matt King, der für seine große Familie auch ein Stück unberührtes Land verwaltet.
Als eines Tages seine Frau bei einem Bootsunfall verletzt wird und im Krankenhaus im Koma liegt, gerät auch das Leben von Matt aus den gewohnten Bahnen. Denn er muss sich um seine beiden Töchter kümmern. Die siebzehnjährige Alexandra (Shailene Woodley) erlebt gerade ihre erste große Liebe und Matt hält ihren Freund (Nick Krause), wahrscheinlich wie alle Väter, für einen ziemlichen Taugenichts, der sich auch nicht gut benehmen kann. Bei ihrer ersten Begegnung schlägt ihm Matts Schwiegervater (Robert Foster) dem jungen Schnösel daher gleich mit der Faust ins Gesicht.
Matts zweite Tochter Scottie (Amara Miller) ist erst zehn Jahre und, dank ihres Benehmens, lernt er die Eltern ihrer Klassenkameraden auf der Scottie-wird-es-nie-wieder-tun-Entschuldigungstour kennen.
Jetzt muss er für sie beide der Vater sein, der er nie war.
Und dann verrät ihm Alexandra, dass seine Frau ihn betrog. Selbstverständlich will Matt, der bislang an die perfekte Ehe geglaubt hat, wissen, wer der Nebenbuhler ist und er will ihn zur Rede stellen.
Außerdem steht jetzt der Verkauf des seit Generationen vererbten Landes an. Matt und viele Hawaiianer wollen das Grundstück an einen Einheimischen verkaufen. Matts Familie will vor allem einen möglichst hohen Preis erzielen.
Dass diese Familiengeschichte auf Hawaii spielt, verleiht ihr natürlich ein besonders Flair. Denn abgesehen von einigen, oft langlebigen Krimiserien („Hawaii Fünf-Null“, „Magnum“ und die grottige Neuauflage von „Hawaii Five-0“), ist Hawaii weitgehend unerforschtes Land und gerade das interessierte Alexander Payne, wie er mir in einem Gespräch sagte, an „The Descendants“: „Ich wollte eine alte Geschichte an einem neuen Ort erzählen. Denn bis jetzt hat auf Hawaii noch keine Gesellschaftskomödie gespielt.“
Gleichzeitig, weil er vor Ort drehte, intensiv mit der Autorin der Vorlage, Kaui Hart Hemmings, zusammenarbeitete, sich bis in die Details von ihr beraten ließ, die Nebendarsteller und Komparsen mit Einheimischen besetzte und die Musik klug auswählte, entsteht ein Gefühl für das normale Leben der Upper Class im Paradies.
Payne mischt auch schön das Komische mit dem Tragischen, die verschiedenen Plots ergänzen sich gut und trotzdem ist „The Descendants“ ein Film der mich letztendlich eher kalt lässt. Zu klein erscheinen mir die Konflikte. Zu fern sind mir Matt King, seine Familie und ihre Probleme. Und am Ende stellt sich auch ein leichtes Gefühl von „Wozu die ganze Aufregung?“ ein.
Aber natürlich ist so auch das normale Leben. „Banal Patina“ nannte Payne es und das ist wohl, genau wie bei „About Schmidt“, der Grund, warum ich etwas enttäuscht bin. Denn alles ist etwas zu banal, zu wenig absurd (wobei Payne das Absurde in jeder Situation sucht), zu wenig zugespitzt und George Clooney ist, wie Jack Nicholson in „About Schmidt“, letztendlich nur ein Buchhalter. Aber in Flip-Flops, Shorts und Hawaii-Hemd, was eben die dortige Kleidung für Geschäftsleute ist.
P. S.: „Descendant“ heißt „Nachkomme“ und eigentlich hätte der Verleih den Film „Die Nachkommen“ nennen können, aber vor einigen Jahren haben einige schlaue Leute in Hollywood gemeint, dass es besser sei, wenn ein Hollywood-Film überall den gleichen Titel hat, auch wenn ihn außerhalb der englischsprachigen Länder niemand versteht. Denn nur so kann verhindert werden, dass sinnentstellende Titel gewählt werden.
The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten (The Descendants, USA 2011)
Regie: Alexander Payne
Drehbuch: Alexander Payne, Nat Faxon, Jim Rash
LV: Kaui Hart Hemmings: The Descendants , 2009 (Mit deinen Augen, Neuveröffentlichung unter „The Descendants“)
mit George Clooney, Shailene Woodley, Beau Bridges, Robert Forster, Judy Greer, Matthew Lillard, Nick Krause, Amara Miller, Mary Birdsong, Rob Huebel, Patricia Hastie
Länge: 110 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Film-Zeit über „The Descendants“
Rotten Tomatoes über „The Descendants“
Wikipedia über „The Descendants“ (deutsch, englisch)
The Wall Street Journal: Interview mit Kaui Hart Hemmings über „The Descendants“ (23. November 2011)
TV-Tipp für den 27. Januar: Sein oder Nichtsein
Januar 27, 2012RBB, 00.00
Sein oder Nichtsein (USA 1942, R.: Ernst Lubitsch)
Drehbuch: Edwin Justus Mayer (nach einer Geschichte von Ernst Lubitsch und Melchior Lengyel)
Polen 1939: eine drittklassige Theatergruppe voller engagiert sich nach dem Einmarsch Hitlers mehr schlecht als recht gegen die Nazis.
In den USA war der Film ein Flop und auch den Kritikern gefiel er nicht. In Deutschland war zum Kinostart 1960 das Echo wesentlich positiver und heute ist „Sein oder Nichtsein“ ein Klassiker.
„Eine der größten und kühnsten Satiren der Filmgeschichte überhaupt, weil sie die furchtbarsten Schergen des 20. Jahrhunderts in der ganzen Lächerlichkeit ihres Apparats und ihrer Selbstdarstellung bloßstellt, ohne ihre Schrecken zu leugnen.“ (Susanne Weingarten in Alfred Holighaus, Hrsg.: Der Filmkanon)
Der You-Tube-Clip zeigt die ersten Minuten des Films in der deutschen Version.
Mit Carole Lombard, Jack Benny, Robert Stack, Felix Bressart, Lionel Atwill, Stanley Ridges
Hinweise
Neu im Kino/Filmkritik: „The Artist“ verzaubert
Januar 26, 2012Auf die Frage, worauf er bei „The Artist“ am meisten stolz sei, sagt Regisseur und Autor Michel Hazanavicius: „Dass es den Film überhaupt gibt! Und dass er der Vision ähnelt, die ich ursprünglich hatte.“
Das kann jeder Regisseur bei jedem Film sagen, aber bei „The Artist“ stimmt es wirklich. Denn auf dem Papier klingt „The Artist“ wie das reinste Kassengift: Schwarz-Weiß und dann auch noch ohne Dialoge. Ein Stummfilm eben, der vom Ende des Stummfilms und dem Beginn des Tonfilms anhand der Liebe zwischen einem Stummfilmstar und einem Starlet, das zu einem der ersten Tonfilmstars wird, erzählt. Wen soll so etwas interessieren?
Wenn man aber die ersten Minuten von „The Artist“ sieht, ist man sofort gefangen in dieser Welt, in der alles wichtige durch das Spiel der Schauspieler und die Musik von Ludovic Bource gesagt wird.
Hazanavicius, der vorher mit „The Artist“-Hauptdarsteller Jean Dujardin die in Frankreich sehr erfolgreichen, bei uns nur auf DVD erschienenen „OSS 117“-Sixties-Agentenkomödien inszenierte, erzählt die herzige Liebesgeschichte mit viel Liebe zum Detail in einer beschwingten Mischung aus Sentiment und Realismus. Denn auch wenn er, historisch nicht ganz akkurat, vom durch eine neue Technik bedingtem Auf- und Abstieg der Stars in Hollywood erzählt, ist es auch in jeder Sekunde eine Liebeserklärung an die Traumfabrik und das Kino.
Dabei trägt er, wie Martin Scorsese in seinem ähnlich gelagerten „Hugo Cabret“ (Sehbefehl! Kinostart am 9. Februar), zur Selbstvergewisserung der Filmemacher und zum Dialog über das, was uns im Kino und bei Filmen wichtig ist, bei.
Denn „The Artist“ ist einer der Filme, die zeigt, was man im Kino immer mehr vermisst. Es sind nicht die tollen Spezialeffekte, 3D-Spielereien, Wackelkamera und Schnittgewitter, sondern ergreifende Geschichten von Charakteren, deren Schicksal uns interessiert. Und dafür braucht man keine knalligen Farben oder Dialoge.
Insofern hat „The Artist“ einfach alles, was zu einem guten Film gehört.
Er ist sogar so gut, dass er auf zahlreichen Jahresbestenlisten auftauchte (hab ihn auch schon mal für meine Jahresbestenliste notiert), für zwölf BAFTA-Awards, sechs Golden Globes (drei erhielt das Melodram) und jetzt für zehn Oscars nominiert wurde. Und dabei ist „The Artist“ ein französischer Film…
The Artist (The Artist, Frankreich 2011)
Regie: Michel Hazanavicius
Drehbuch: Michel Hazanavicius
mit Jean Dujardin, Bérénce Bejo, John Goodman, James Cromwell, Penelope Ann Miller, Missi Pyle, Malcolm McDowell, Uggy (Palm Dog Award Cannes 2011 als bester Hundedarsteller)
Länge: 100 Minuten
FSK: ab 0 Jahre
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Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Französische Homepage zum Film
Rotten Tomatoes über „The Artist“
Wikipedia über „The Artist“ (deutsch, englisch, französisch)
Cannes: Presseheft für „The Artist“ (sehr schönes Teil!)
Drehbuch „The Artist“ von Michel Hazanavicius
Kino-Zeit: Interview mit Michel Hazanavicius zu „The Artist“
BR: Interview mit Michel Hazanavicius zu „The Artist“
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Einige Impressionen von der Premiere in Berlin
Neu im Kino/FIlmkritik: „Drive“ – Endlich startet die James-Sallis-Verfilmung bei uns
Januar 26, 2012Es hat lange gedauert, bis „Drive“ verfilmt wurde. Denn Hollywood hatte die Filmrechte an dem Noir von James Sallis bereits nach seinem Erscheinen 2005 gekauft.
In dem 160-seitigem Buch erzählt James Sallis schnörkellos die Geschichte eines namenlosen Fluchtwagenfahrer, der nach einem Überfall in eine Gangsterfehde verstrickt wird und, mit sehr ungewissen Überlebenschancen, um sein Leben kämpfen muss. „Drive“ ist auch sein zugänglichstes Buch und mit diesem Roman wurde Sallis, nachdem seine vorherigen Krimis bereits für entsprechende Krimipreise nominiert waren, auch für ein breiteres Publikum ein bekannter Name.
Hollywood dachte wohl, dass das mit Lob überhäufte Buch einfach zu verfilmen sei. Eine einfach Gangstergeschichte. Ein schmales Buch. Kurze Kapitel. Viele Dialoge. Das müsste doch ganz einfach gehen. Aber es dauerte dann doch sechs Jahre, in denen man immer wieder etwas von einer geplanten Sallis-Verfilmung hörte, bis der Film fertig war.
Eine lange Zeit.
Aber das Warten hat sich gelohnt.
Denn Regisseur Nicolas Winding Refn („Pusher“, „Bronson“) zaubert mit Hauptdarsteller Ryan Gosling (zuletzt „The Ides of March“) einen schnörkellosen Oldschool-Gangsterfilm mit guten Schauspielern, schönen Bildern, atmosphärischer Musik und extrem wenigen Dialogen, der, wie schon die im Gegensatz zum Film nicht chronologisch erzählte Vorlage, weniger an Innovationen, die oft ja nur Pseudo-Innovationen sind, und überraschenden Wendungen, sondern am Erzählen einer bekannten Geschichte mit einem neuen Touch und einem Spiel mit den Konventionen des Genres und den Erwartungen des genrekundigen Zuschauers, der natürlich die Vorbilder und Inspirationen identifizieren kann, interessiert ist.
Denn der titelgebende, namenlose Driver ist ein Profi, der vor allem deshalb bis jetzt überlebt hat, weil er der Beste ist und sich bislang keine Emotionen leistete, wozu auch ein Leben in selbstgewählter Einsamkeit zwischen seinen Jobs als Automechaniker, Stuntman und Fluchtwagenfahrer zählt. Dass er einen bösen Fehler begeht, als er seiner neuen Nachbarin, der alleinerziehenden Irene (Carey Mulligan), hilft, ist von der ersten Zehntelsekunde an offensichtlich. Zuerst hilft er ihr nur bei ihrem Auto, dann wird er zum Ersatzvater für ihr Kind und am Ende will er ihrem gerade aus dem Knast entlassenem Mann Standard (Oscar Isaac), der bei einigen Gangstern Schulden hat, die er mit einem Überfall begleichen kann, helfen.
Der Driver hilft bei dem Überfall, der mit dem Tod von Standard endet und er hat plötzlich eine Tasche voller Geld, das er gar nicht will, und einen Haufen Gangster, die ihn nur umbringen wollen, an der Backe.
Dass er nur seine Ruhe haben will, verstehen die Gangster nicht und Genrefans können sich an einer spiegelbildlichen Variation der Richard-Stark-Verfilmungen „Point Blank“ und „Payback“ erfreuen.
Daneben erinnert „Drive“ natürlich, um nur einige der offenkundigen Referenzen, die Refn geschickt verarbeitet, zu nennen, an Walter Hills „Driver“ über das archetypische Duell zwischen einem Fluchtwagenfahrer und einem Polizisten, William Friedkins Gerald-Petievich-Verfilmung „Leben und Sterben in L. A.“ oder die Filme von Michael Mann. Vor allem natürlich „Heat“ und „Collateral“.
Nicolas Winding Refn erzählt diese altbekannte Geschichte, nach einem Drehbuch von Hossein Amini („Die Flügel der Taube“, „Killshot“ und gerade an einer Adaption von John le Carrés „Verräter wie wir“), in kühl stilisierten Bilder von Los Angeles, in denen er eine Geographie der Stadt, vor allem der Vororte und Industrieviertel, in die kein Tourist sich freiwillig verirrt, zeichnet. Das ergibt das Bild einer Stadt, die sich, wie das Leben des Drivers, nur an ihrer Funktionalität orientiert, bis man eine Sekunde zögert.
Dazu gibt es Retro-Klänge von Cliff Martinez, lange Autofahrten, einige schockierende Gewaltausbrüche und einige, wenige, knappe Dialoge. Neben dem grandiosen Stummfilm „The Artist“ dürfte „Drive“ in diesem Kinojahr der dialogärmste Film sein.
„Drive“ ist ein feiner Film, der in den vergangenen Monaten überall so abgefeiert wurde, dass es fast schon ein Wunder ist, dass er nicht gegenüber den hohen Erwartungen enttäuscht.
Drive (Drive, USA 2011)
Regie: Nicolas Winding Refn
Drehbuch: Hossein Amini
LV: James Sallis: Drive, 2005 (Driver, später wegen des Films „Drive“)
mit Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks, Oscar Isaac, Christina Hendricks, Ron Perlman, Kaden Leos
Länge: 101 Minuten:
FSK: ab 18 Jahre
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Vorlage
James Sallis: Drive
Poisoned Pen Press, Scottsdale/Arizona 2005
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Deutsche Erstausgabe
Driver
(übersetzt von Jürgen Bürger)
Liebeskind, 2007
160 Seiten
–
Taschenbuchausgabe bei Heyne unter dem Originaltitel und jetzt auch mit einem neuen Cover
Heyne, 2012
160 Seiten
7,99 Euro
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Hinweise
Amerikanische Homepage für „Drive“
Wikipedia über „Drive“ (deutsch, englisch)
Cannes: Presseheft für „Drive“
Thrilling Detective über Turner
Eindrücke vom Berlin-Besuch von James Sallis
Meine ‘Besprechung’ von James Sallis’ „Deine Augen hat der Tod“ (Death will have your eyes, 1997)
Meine Besprechung von James Sallis’ „Driver“ (Drive, 2005)
Meine Besprechung von James Sallis’ „Dunkle Schuld“ (Cypress Groove, 2003)
Meine Besprechung von James Sallis’ „Dunkle Vergangenheit“ (Cripple Creek, 2006)
Meine Besprechung von James Sallis‘ „Dunkles Verhängnis“ (Salt River, 2007)
Meine Besprechung von James Sallis‘ „Der Killer stirbt“ (The Killer is dying, 2011)
TV-Tipp für den 26. Januar: Das große Fressen
Januar 26, 20123sat, 22.25
Das große Fressen (F/I 1973, R.: Marco Ferreri)
Drehbuch: Marco Ferreri, Rafael Azcona, Francis Blanche (Dialoge)
Vier in der Midlife-Crisis steckende, zum Bürgertum gehörende Männer treffen sich in einer Villa. Sie wollen dort ihren Trieben, nämlich Sex und Essen, bis zum Tod nachgehen.
3sat meint „eine groteske schwarze Komödie“. Im „Großen Filmlexikon“ von TV Spielfilm steht „zügellose schwarze Satire“. Nur das „Lexikon des internationalen Films“ ist nicht amüsiert: „Die Allegorie auf eine nur am Konsum orientierten Gesellschaft geht in der vordergründigen Inszenierung unter.“
Mit Philippe Noiret, Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi, Michel Piccoli, Andrea Ferréol
Wiederholung: Samstag, 28. Januar, 01.10 Uhr (Taggenau!)
Hinweise
Kurzhinweis: Der „Mythos ‚Der Pate’“ in der Analyse
Januar 25, 2012Ach, herrje, da erhebe ich nacheinander alle drei „Der Pate“-Filme von Francis Ford Coppola zum TV-Tipp des Tages und vergesse, auch nur einmal auf den von Norbert Grob, Bernd Kiefer und Ivo Ritzer herausgegeben Sammelband „Mythos ‚Der Pate‘ – Francis Ford Coppolas Godfather-Trilogie und der Gangsterfilm“ hinzuweisen.
In dem Sammelband wird sich aus verschiedenen Perspektiven dem Film (naja, genaugenommen sind es drei Filme, die 1972, 1974 und 1990 entstanden) und seinem Einfluss auf den Gangsterfilm (vor allem natürlich den des ersten und auch des zweiten „Der Pate“-Films) gewidmet. Es geht um die Mafia im italienischen Film, die echte Mafia und die „Der Pate“-Filme, über die Kameraarbeit von Gordon Willis, den „Paten“ und die amerikanische Geschichte, den Einfluss von „Der Pate“ auf die Filme von Abel Ferrara, Martin Scorsese, Sergio Leone und Brian De Palma, die Auferstehung vom „Paten“ im Videospiel und einen Vergleich zwischen der Kino- und der von Coppola aus den ersten beiden „Der Pate“-Filmen und zusätzlichen Szenen erstellten TV-Fassung, in der die Geschichte der Familie Corleone chronologisch erzählt wird. Das ist, wie immer bei Bertz + Fischer, reichhaltig illustriert. Es wurde sogar eine 16-seitige farbige Fotostrecke spendiert.
Herz, was begehrst du mehr? Außer vielleicht einige ungestörte Stunden für die Lektüre.
Aber davon abgesehen ist „Mythos ‚Der Pate’“ in den legendären Worten eines Katzenliebhabers, ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können.
Norbert Grob/Bern Kiefer/Ivo Ritzer (Herausgeber): Mythos ‚Der Pate‘ – Francis Ford Coppolas Godfather-Trilogie und der Gangsterfilm (Deep Focus 10)
Bertz + Fischer, 2011
208 Seiten
19,90 Euro
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Hinweise
Wikipedia über „Der Pate“ (deutsch, englisch)
Wikipedia über Mario Puzo (deutsch, englisch)
Time: Mario-Puzo-Titelgeschichte (28. August 1978 – mit einem schönen Titelbild)
Meine Besprechung von Mario Puzos „Sechs Gräber bis München“ (Six Graves to Munich, 1967)
Meine Besprechung von Ivo Ritzers „Fernsehen wider die Tabus“ (2011)
TV-Tipp für den 25. Januar: Mr. Klein
Januar 25, 2012Eigentlich könnte der Film auch Mal vor Mitternacht laufen
ARD, 00.20
Monsieur Klein (F/I 1976, R.: Joseph Losey)
Drehbuch: Franco Solinas, Fernando Morandi, Joseph Losey
Paris 1942: Robert Klein verdient als Kunsthändler gut an der Not der Juden. Eines Tages liegt vor seiner Haustür ein an ihn adressiertes Exemplar der „Les informations juives“. Klein will herausfinden, warum er die Zeitung zugeschickt bekommen hat. Er erfährt von einem gleichnamigen Juden, der sich anscheinend seiner Identität bemächtigen will.
Kafkaesker Alptraum ohne die Hoffnung auf ein Happy End, von Losey karg und sehr stilbewusst inszeniert. Delons zurückhaltendes Spiel passt perfekt zur Rolle des emotionslosen Mitläufers, der nur an sich denkt und dabei zielsicher ins Verderben läuft.
Delon war für einen Cesar als bester Schauspieler nominiert, Losey erhielt einen für die Regie und der Film gewann den Cesar für bester Film.
mit Alain Delon, Jeanne Moreau, Michel Lonsdale, Juliet Bertot, Suzanne Flon, Jean Bouise
Hinweise
Wikipedia über „Monsieur Klein“ (deutsch, englisch, französisch)
Wikipedia über Alain Delon (deutsch, englisch, französisch)
Kriminalakte zum 75. Geburtstag von Alain Delon
Meine Besprechung von „Der Leopard“ (mit Alain Delon und Burt Lancaster)
Meine Besprechung von „Die Abenteurer“ (mit Alain Delon und Lino Ventura)
TV-Tipp für den 24. Januar: Polizeiruf 110: Tiefe Wunden
Januar 24, 2012Eins Festival, 21.30
Polizeiruf 110: Tiefe Wunden (D 2003, R.: Buddy Giovinazzo)
Drehbuch: Christian Limmer
Düsterer „Polizeiruf 110″, in dem wir erfahren, wie Kommissar Tauber seinen Arm verlor.
Mit Edgar Selge, Michaela May, Catherine Flemming, Thure Riefenstein
Hinweise
Wikipedia über Buddy Giovinazzo (deutsch, englisch)
Krimi-Couch über Buddy Giovinazzo
One Road.Endless Possibilities: Interview mit Buddy Giovinazzo (21. Februar 2011, deutsch)
Meine Besprechung von Buddy Giovinazzos „Cracktown“ (Life is hot in Cracktown, 1993)
Buddy Giovinazzo in der Kriminalakte
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Demnächst in diesem Theater:
ein ziemlich hemmungsloses Abfeiern von Buddy Giovinazzos neuem Noir „Piss in den Wind“ (Pulp Master) über einen College-Dozenten, der glaubt seine Freundin umgebracht zu haben und seine Probleme mit einem Geist (weiblich, gutaussehend, intelligent, willig und ziemlich tot) verarbeiten will.
Bis dahin gibt es einen Blick auf das Cover:
„Filme der 2000er“ wagt einen Rückblick auf das letzte Filmjahrzehnt
Januar 23, 2012„Filme der 2000er“ setzt die schöne Buchreihe des Taschen Verlags fort, in der die wichtigsten Filme eines Jahrzehnts in einem Buch in kurzen Besprechungen, pro Film einem Triviakasten mit zusätzlichen Information über den Regisseur oder einen Schauspieler und, selten, über etwas Filmtechnisches und vielen, oft unbekannteren Filmbildern, auf um die sechs Seiten zusammengefasst werden. Die opulente Aufmachung lädt zum Blättern und Schwelgen in Erinnerungen ein. Langjährige Filmfans werden freilich, weil sie die Filme meist schon kennen, wenig neues entdecken. Jüngere können sich anhand der „Filme der XYer“ ein solides Filmwissen aufbauen.
Aber während es für frühere Jahrzehnte bereits einen etablierten Kanon gibt, auch weil man die historische Bedeutung eines Films erst mit etwas Abstand einschätzen kann, hat Herausgeber Jürgen Müller jetzt, fast ohne zeitlichen Abstand, in „Filme der 2000er“ auf über achthundert Seiten mit 139 Filmen einen Rückblick auf des vergangene Jahrzehnt, das für das Kino einen großen Umbruch bedeutete, gewagt.
Wie immer wurde versucht zwischen Hollywood-Kino, Kassenschlagern, Arthaus-Kino und dem nationalen Blick einen Kompromiss zu finden, der auch dieses Mal weitgehend gelungen ist. Dabei wurden nur Filme aufgenommen, die auch in Deutschland im Kino liefen; – was insofern wichtig ist, weil in den vergangenen Jahren immer mehr wichtige Filme nur auf DVD veröffentlicht werden, wozu viele französische Kriminalfilme und, obwohl sie etwas schmuddelig für die „Filme der XYer“-Reihe sind, Horrorfilme zählen, und das Fernsehen, vor allem im Serienbereich, immer wichtiger wurde. Gleichzeitig, obwohl diese Entwicklung noch nicht abschätzbar ist, wird das Internet und die damit verbundenen neuen Vertriebswege immer wichtiger.
Natürlich sind die großen Kassenerfolge, wie „Harry Potter“, „Der Herr der Ringe“, „Fluch der Karibik“, „Das Bourne Ultimatum“, „Spider-Man“, „Iron Man“, „The Dark Knight“ und „Avatar“ enthalten. Auch viele, oft mit zahlreichen Preisen überhäufte, Kritikerlieblinge und Publikumslieblinge, mehr natürlich Richtung publikumswirksames Arthaus-Kino und traditionelles Erzählkino, sind drin. Zum Beispiel die grandios deprimierende Daniel-Woodrell-Verfilmung „Winter’s Bone“, „Black Swan“ und „The King’s Speech – Die Rede des Königs“. Aus Frankreich sind „8 Frauen“, „Die fabelhafte Welt der Amelie“, „Ein Prophet“ und „Carlos – Der Schakal“ (wobei die Lang- oder TV-Fassung eindeutig besser ist) dabei.
Aus Deutschland gibt es „Das Leben der anderen“, „Der Baader Meinhof Komplex“, „Yella“ und den Überraschungserfolg „Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte“.
Von einigen Regisseuren wie Pedro Almodovar, Joel & Ethan Coen, David Fincher, Michael Mann, Jason Reitman und Quentin Tarantino wurde fast jeder Film aufgenommen, was dann doch vielleicht etwas zu viel der Liebe ist.
Denn einige wichtige Regisseure wurden teils erstaunlich wenig beachtet. Bei Woody Allen beschränkte man sich mit „Match Point“ und „Vicky Cristina Barcelona“ auf die offensichtliche Wahl. Ebenso bei Clint Eastwood mit „Million Dollar Baby“ und „Gran Torino“. „Mystic River“ fehlt dagegen. Steven Spielberg und Martin Scorsese sind mit nur je einem Film vertreten. Erstgenannter mit „München“, zweitgenannter mit „Departed – Unter Feinden“ (einem Remake des hier nur auf DVD erschienenen Hongkong-Cop-Thrillers „Infernal Affairs“), was so konsensfähig, wie wenig aufregend ist, aber dazu führt, dass „Gangs of New York“ und „Aviator“ fehlen.
Es gibt auch seltsame Entscheidungen wie die Aufnahme von den doch eher belanglosen Komödien „Ricky Bobby – König der Rennfahrer“, „Hangover“ und „Stichtag“. Auch „State of Play – Stand der Dinge“ (nach einer TV-Serie) und „Barney’s Version“, die mir zwar gefallen haben, scheinen mir durch die Aufnahme in das Buch doch etwas überbewertet zu sein.
Dafür fehlen Alexander Paynes „Sideways“, Patty Jenkins‘ Serienkillerbiographie „Monster“ mit der Oscar-prämierten Charlize Theron, Robert Altmans „Gosford Park“, Tod Williams‘ John-Irving-Verfilmung „The Door in the Floor“ und Antoine Fuquas „Training Day“.
Aber insgesamt ist die Auswahl in Ordnung und, gerade auch wegen der seltsamen Entscheidungen, gibt „Filme der 2000er“ einen gelungenen Rückblick auf die letzten zehn Kinojahre.
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Jürgen Müller (Herausgeber): Filme der 2000er
Taschen, 2011
864 Seiten
29,99 Euro
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Hinweise
Taschen über „Filme der 2000er“ (mit einem Blick ins Buch und der Liste der präsentierten Filme)
TV-Tipp für den 23. Januar: Die Killer/Hammett
Januar 23, 2012Die „Film Noir“-Reihe von Arte geht weiter
Arte, 20.15
Die Killer (USA 1946, R.: Robert Siodmak)
Drehbuch: Anthony Veiller
LV: Ernest Hemingway: The Killers, 1927 (Kurzgeschichte)
Ex-Boxer Pete, genannt „Der Schwede“ (bzw. Swede) wartet tatenlos in einem schäbigen Zimmer auf zwei Auftragskiller, die ihn umbringen sollen. Nach seinem Tod fragt sich ein Versicherungsdetektiv, warum sich jemand einfach so erschießen lässt. Er beginnt zu recherchieren.
„Eine Figur des Film noir, die noch resignierter ist als sonst bereits üblich: Swede weiß, dass die Vergangenheit ihn einholen wird, wenn nicht heute, dann morgen – wozu also davonlaufen? Der Versicherungsagent Riordan, der (in ausgefuchsten Rückblenden) der Vergangenheit Swedes nachforscht, erhält auch keine befriedigende Antwort, und seine Jagd auf die Killer scheint absurd und purer Selbstzweck.“ (Paul Werner: Film noir, 1985, mehrere erweiterte Neuauflagen)
„Noch heute ist dieser Film (…) der radikalste Anschlag auf den Mythos des Hollywood Helden.“ (Norbert Grob, Die Zeit, 6. Juli 1990)
John Huston, der die erste Drehbuchversion schrieb, übernahm von Ernest Hemingway nur die Grundidee und am Ende entstand ein Noir-Klassiker, der auch einen Edgar erhielt und für vier Oscars nominiert war.
1964 ging Don Siegel mit der Kurzgeschichte ähnlich rabiat um und er erzählte eine ganz andere Geschichte.
mit Edmond O’Brien, Ava Gardner, Albert Dekker, Sam Levene, Burt Lancaster, William Conrad
auch bekannt als „Rächer der Unterwelt“
Wiederholung: Dienstag, 24. Januar, 14.40 Uhr
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Hinweise
Wikipedia über „The Killers“ (deutsch, englisch)
Turner Classic Movies über „The Killers“
Noir of the Week: Bill Hare über „The Killers“
Meine Besprechung von Don Siegels Remake „Der Tod eines Killers“ (The Killers, USA 1964)
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Arte, 21.55
Hammett (USA 1982, R.: Wim Wenders)
Drehbuch: Ross Thomas, Dennis O´Flaherty, Thomas Pope
LV: Joe Gores: Hammett, 1975 (Dashiell Hammetts letzter Fall, Hammett)
Ex-Privatdetektiv Dashiell Hammett, der inzwischen Pulp-Autor ist, wird von einem alten Freund gebeten um einen Gefallen gebeten – und der Rest ist eine Geschichte, die Dashiell Hammett erfunden haben könnte, wenn es nicht Hammett-Kenner Joe Gores einige Jahrzehnte später gemacht hätte.
Ein feiner Film, einer von Wenders‘ besten Filmen, aber auch sein unpersönlichster Film, der aber gleichzeitig viele seiner bekannten Themen bearbeitet und rückblickend immer besser wird. Denn jetzt muss „Hammett“ nicht mehr mit den damaligen Kinohits konkurrieren.
Mit Frederic Forrest, Peter Boyle, Marilu Henner, Roy Kinnear, Elisha Cook, R. G. Armstrong, Samuel Fuller, Silvia Sydney, Jack Nance, Ross Thomas (einer der Männer im Sitzungszimmer)
Wiederholung: Samstag, 28. Januar, 01.50 Uhr (Taggenau!)
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Hinweise
Wikipedia über „Hammett“ (deutsch, englisch)
Wim Wenders in der Kriminalakte
Thrilling Detective über Joe Gores
Joe Gores: Why I write Mysteries
Meine Besprechung von Joe Gores’ „Hammett“ (Hammett, 1975)
Joe Gores in der Kriminalakte (mit viel Stoff zu und über Dashiell Hammett)
Dashiell Hammett in der Kriminalakte
Meine Besprechung von Wim Wenders‘ „Hammett“ (Hammett, USA 1982)