TV-Tipp für den 30. Juni: Isle of Wight Festival

Juni 29, 2012

ZDFkultur, 20.00

Isle of Wight Festival

Für die Jüngeren gibt es ab 13.55 Uhr Klänge vom „Hurricane 2012“-Festival. Unter anderem Die Ärzte, The Cure, Blink 182, The Stone Roses, New Order und Sportfreunde Stiller.

Für die Älteren gibt es ab 20.15 Uhr Konzerte vom diesjährigen „Isle of Wight“-Festival. Dabei sind Bruce Springsteen, Tom Petty, Pearl Jam, Noel Gallagher’s High Flying Birds, Feeder, Ash, Primal Scream und den Stranglers.

Das ganze gibt es auch im Livestream.

Unnütze Bonusinformation: ZDFkultur ist zum ersten Mal dabei. Ich vermute Mal, dass auch das ZDF zum ersten Mal dabei ist.


Kurzkritik: Martin Compart: Die Lucifer-Connection

Juni 29, 2012

Gill, der Sicherheitsberater mit der farbigen Vergangenheit zwischen allen möglichen Geheimdiensten, ist zurück. Nachdem er in „Der Sodom-Kontrakt“ in Europa gegen eine Bande Kinderschänder vorging, geht es jetzt um mehr. Dabei beginnt für ihn alles ganz harmlos mit einer verschwundenen Katze, die er für den jungen Michael sucht.

Zur gleichen Zeit, wenige Kilometer entfernt, sucht die großbusige, sexhungrige, superschlaue, schlagkräftige und blonde Leiterin der Mordkommission Alexa Bloch nach dem Mann, der in einem Massengrab in der Nähe von Dortmund afrikanische Kinder, die niemand vermisst, vergrub. Die Spur führt in Satanistenkreise, deren Mitglieder überaus vermögend und mächtig sind.

Auch Gill, der mit seinen halbseidenen Freunden, die verschwundene Katze findet, stört die Satanisten. Als Alexa von dem Anführer der Satanisten nach Afrika verschleppt wird, machen sie sich, in schönster „Expendables“-Tradition, schwer bewaffnet auf den Weg in den Dschungel.

Selbstverständlich ist „Die Lucifer-Connection“ purer Pulp, bei dem die Wirklichkeit bis zur Kenntlichkeit überzeichnet wird. Aber während mir Gills erster Einsatz verdammt gut gefiel, hat „Die Lucifer-Connection“ doch deutliche Längen. Denn anstatt geschwind zur Tat zu schreiten und zuerst in Deutschland und später in Afrika, die Satanisten zu bekämpfen, ergehen sich Gill und seine Freunde immer wieder in endlosen Tiraden über die schlechte Welt und man glaubt, dass Gill und seinen Kumpels an der Pommesbude neben der sattsam bekannten „Tatort“-Pommesbude der Kölner Kommissar Ballauf und Schenk abhängen.

Gerade weil Compart einige hübsch perfide Ideen hat und die Wut über die Gegenwart in jeder Zeile spürbar ist, ärgerte mich beim Lesen das die Geschichte nicht voranbringende Stammtischgegröhle.

Denn ein guter Pulp-Roman hat 200 Seiten. „Die Lucifer-Connection“ kommt auf 400 engbedruckte Seiten.

Martin Compart: Die Lucifer-Connection

Evolver Books, Wien, 2011

400 Seiten

16,80 Euro

Hinweise

Blog von Martin Compart (dort gibt es auch Infos zu den realen Hintergründen der „Lucifer-Connection“)

Meine Besprechung von Martin Comparts „Der Sodom-Kontrakt“

Meine Besprechung von Martin Comparts „G-man Jerry Cotton“ (2010)

 


TV-Tipp für den 29. Juni: Thelma & Louise

Juni 29, 2012

3sat, 22.25

Thelma & Louise (USA 1991, R.: Ridley Scott)

Drehbuch: Callie Khouri

Hausfrau Thelma und ihre Freundin, die Kellnerin Louise, brechen zu einem Wochenende ohne Männer auf. In einer Bar wird ein Mann zudringlich. In Notwehr erschießt Louise ihn. Weil ihnen das aber niemand glaubt, fliehen Thelma und Louise nach Mexiko. Verfolgt von der Polizei.

Ein feministisches Roadmovie, ein Kassen- und Kritikererfolg und inzwischen ein Klassiker.

Callie Khouri erhielt für ihr Drehbuch unter anderem den Oscar, einen Golden Globe und den Preis der Writers Guild of America. In ihren späteren Werken konnte sie an diesen Erfolg nicht anknüpfen.

mit Susan Sarandon, Geena Davis, Harvey Keitel, Michael Madsen, Brad Pitt

Wiederholung: Samstag, 30. Juni, 03.45 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Thelma & Louise“

Wikipedia über „Thelma & Louise“ (deutsch, englisch)

Drehbuch „Thelma & Louise“ (Final shooting script, 5. Juni 1990) von Callie Khouri


Neu im Kino/Filmkritik: Keine Hoffnung, nirgends in den „Small Town Murder Songs“

Juni 28, 2012

Small Town Murder Songs“ ist ein sperriger Film. Ein Film, der seinen Charakteren ihre Geheimnisse lässt, der vieles nur andeutet und keine Identifikationsfigur hat. Der Kleinstadtpolizist Walter (Peter Stormare) erscheint auf den ersten Blick wie der etwas hinterwäldlerisch-gutmütige Onkel, der allerdings in der Gemeinde misstrauisch beäugt wird. Denn hinter der Fassade brodelt es. Vor kurzem verprügelte er einen Mann. Seitdem versucht er noch drängender, im Glauben Halt zu finden. Oder sind für ihn die Gebete und die Gespräche, die fast schon penetrant vor sich her getragene Gläubigkeit, nicht die Suche nach Erlösung, sondern nur eine Möglichkeit, bei seiner jetzigen Frau zu bleiben und wieder ein respektiertes Mitglied der Mennoniten-Gemeinde zu werden?

Dieses geregelte Leben, in dem Feindschaften liebevoll gepflegt werden, nicht viele Worte gemacht werden (Man kennt sich ja seit Ewigkeiten) und Walter hilflos mitansehen muss, wie die eigene Verwandtschaft mit halbseidenen Geschäften Geld verdient, wird von einem Mordfall unterbrochen. Dem ersten seit Ewigkeiten. Am See wird, nach einem anonymen Telefonanruf, die nackte Leiche einer jungen, unbekannten Frau gefunden.

Walter verdächtigt schnell Steve (Stephen Eric McIntyre, „The Lookout“ [Die Regeln der Gewalt], „High Life“) als Mörder. Steve spannte Walter vor einem halben Jahr seine Freundin Rita (Jill Hennessy, „Law & Order“, „Crossing Jordan“) aus. Deshalb ist auch unklar, ob Steve, ein in kriminelle Aktivitäten verwickelter Posterboy für die White-Trash-Galerie, der Walter betont respektlos behandelt, wirklich etwas mit dem Mord zu tun hat oder Walter ihn nur verdächtigt, um sich so ein bisschen zu rächen.

Die Macher nennen „Small Town Murder Songs“, vollkommen zutreffend ein „gothic tale of crime and redemption“, das von „No Country for Old Men“ und „In Cold Blood“ (Kaltblütig) beeinflusst ist. Aber während in der Truman-Capote-Verfilmung „In Cold Blood“ das Böse von Außen in die friedliche Gemeinde kam, ist es in „Small Town Murder Songs“ ein integraler Bestandteil der Gemeinschaft und es gibt für Walter und die anderen Männer keine Erlösung.

Daran ändern auch die als strukturierendes Element eingestreuten religiösen Sprüche, die noch an Gass-Donnellys erste Idee, den Film als eine Abfolge von unverbundenen Szenen zu erzählen, die Roots-Rock-Musik der Indieband Bruce Peninsula und die streng durchkomponierten, atmosphärischen Landschaftsaufnahmen von Brendan Steacy nichts.

Obwohl Ed Gass-Donnellys Charakterstudie in Kanada spielt, reiht er sich in die düsteren US-amerikanischen Heimatfilme der letzten Jahre, wie der in Missouri spielenden Daniel-Woodrell-Verfilmung „Winter’s Bone“, die die Verwüstungen des Kapitalismus und der Bush-Ära im Hinterland, in dem die Moderne anscheinend nie angekommen und jede Hoffnung auf ein besseres Leben, den amerikanischen Traum, verloren ist, ein.

Small Town Murder Songs (Small Town Murder Songs, Kanada 2010)

Regie: Ed Gass-Donnelly

Drehbuch: Ed Gass-Donnelly

mit Peter Stormare, Aaron Poole, Martha Plimpton, Jill Hennessy, Stephen Eric McIntire, Ari Cohen, Jackie Burroughs

Länge: 75 Minuten

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Small Town Murder Songs“

Rotten Tomatoes über „Small Town Murder Songs“

Wikipedia über „Small Town Murder Songs“

Scope.tv: Interview mit Ed Gass-Donnelly

Und Ed Gass-Donnelly im O-Ton


TV-Tipp für den 28. Juni: Van der Valk und die Reichen

Juni 28, 2012

Das Vierte, 20.15

Van der Valk und die Reichen (D/F 1973, R.: Wolfgang Petersen)

Drehbuch: Robert Muller

LV: Nicholas Freeling: King of the rain country, 1966 (Bluthund)

Der niederländische Kommissar Van der Valk sucht im Milieu der Reichen den verschwundenen Juniorchef eines Konzerns im Milieu. Besonders fasziniert ist er von der Frau des Verschwundenen.

Der zweite von drei „Van der Valk“-Film mit Frank Finlay ist ein extrem selten gezeigtes Frühwerk von Wolfgang Petersen,

Freelings Roman wurde mit dem Edgar ausgezeichnet.

mit Frank Finlay, Judy Winter, Helmut Käutner, Hans H. Dickow

Wiederholung: Freitag, 29. Juni, 07.00 Uhr

Hinweise

Wikipedia über Nicolas Freeling (deutsch, englisch)

Das Vierte über „Van der Valk und die Reichen“ (immerhin einige Filmbilder und ein Teaser)


Neu im Kino/Filmkritik: „The Amazing Spider-Man“ erzählt, mal wieder, wie alles begann

Juni 27, 2012

Es soll ja Menschen geben, die die letzten zehn Jahre in einem Paralleluniversum lebten und daher noch nie einen Superheldenfilm gesehen oder davon gehört haben. Für die ist die Geschichte von „The Amazing Spider-Man“ sicher absolut neu, fantastisch und faszinierend.

Die anderen haben in den vergangenen Jahren schon gefühlte tausendmal gesehen, wie ein Normalo zum Superhelden wird, am Ende des Films dann auch tapfer sein Schicksal schultert und, wenn die Kasse stimmte, weitere Abenteuer erleben durfte.

Sie haben auch Sam Raimis fantastischen „Spider-Man“ gesehen – und gegen diese Comicverfilmung hat Marc Webb Version der Origin-Story von Spider-Man, die er in „The Amazing Spider-Man“ erzählt, schlechte Karten. Immerhin reden wir nicht von „Hulk“.

Webb bemühte sich, der sattsam bekannten Geschichte neue Facetten abzugewinnen und eine Mischung aus eigenständiger Geschichte, Referenzen an die „Spider-Man“-Comics und Hommagen an Sam Raimis „Spider-Man“-Film zu kreieren. Doch gerade wenn er von Raimis Version abweicht, entscheidet er sich meist für die dramaturgisch schwächere Option, also die mit dem geringeren Konfliktpotential, oder er löst den Konflikt schnell in Wohlgefallen auf.

So ist Peter Parker in dem neuen „Spider-Man“-Film ein Schüler, der, nachdem sein Vater, ein Wissenschaftler, mit seiner Mutter spurlos verschwunden ist, bei seinen Großeltern aufwächst. Er ist irgendwie der Nerd der Schule. Als er im Keller eine Aktentasche seine Vaters mit einem Forschungsbericht findet, wird er neugierig. Er sucht den Kontakt zu Dr. Curt Connors (Rhys Ifans), dem Forschungskollegen seines Vaters, der bei OsCorp, mitten in Manhattan, in einem Hochsicherheitsforschungslabor arbeitet.

In dem Labor entdeckt Parker an einer Tür das Symbol, das auch auf der Akte stand. Er betritt das schlampig gesicherte Labor (er sieht, wie ein Mitarbeiter eine Kombination auf einen Touchscreen tippt und das ist die einzige Sicherung. Keine Codekarten. Keine Fingerabdrücke. Kein Irisscan. Nur gute alte Technik im neuen Design [wobei das vielleicht auch Absicht war und wir im zweiten Teil erfahren, warum das so gemacht wurde]) und er wird von einer Spinne gebissen.

Die Umwandlung von Parker zu Spider-Man geschieht atemberaubend schnell und Parker hat auch keine Probleme mit dem Akzeptieren seiner neuen Fähigkeiten.

Nachdem er indirekt für den Tod seines Onkels verantwortlich ist, beginnt er den Mörder zu suchen. Dabei räumt er, im „Kick-Ass“-Modus, auch unter den New Yorker Verbrechern auf.

Er verliebt sich in Gwen Stacy (Emma Stone), der Tochter des Polizeichefs (Denis Leary), der ihn gnadenlos jagt. Parker gesteht ihr nach dem ersten gemeinsamen Abendessen, dass er Spider-Man ist.

Und irgendwann probiert Connors die Wunderformel an sich aus und mutiert, ratzfatz, zur Eidechse, die sich in der Kanalisation versteckt und blindwütig durch Manhattan tobt.

Und wem das jetzt zu episodisch klingt, dem muss ich sagen, dass der Film genauso episodisch ist und viel zu viele Aktionen keine Folgen haben. Fast, als habe man einfach die besten Szenen aus mehreren Drehbüchern von James Vanderbilt („Zodiac“, „The Losers“), Alvin Sargent („Paper Moon“, „Nuts“,„Spider-Man 2“, „Spider-Man 3“) und Steve Kloves (fast alle „Harry Potter“-Drehbücher, „Wonder Boys“ und, auch als Regisseur, „The Fabulous Baker Boys“) zusammengeklebt und dann schnell die gröbsten Unstimmigkeiten ausgebügelt.

Denn dass Parker in das Labor eingebrochen ist, wird später nicht mehr thematisiert. Auch nicht, warum es dieses große Spinnenlabor gibt. In Raimis Film geschah es bei einem Schulausflug und gehörte in die Kategorie „Shit happens“.

Der Bösewicht des Films, der Wissenschaftler Curt Connors, wird erst sehr spät zum Bösewicht, der als Mad Scientist austauschbar bis zur letzten Minute bleibt.

In Raimis „Spider-Man“-Film war der Bösewicht der Vater seines besten Freundes. In dem neuen „Spider-Man“-Film hat Parker keine Freunde und der Konflikt zwischen seiner Freundin und ihrem Vater ist eher behauptet als real.

Und dass er seiner Freundin gleich seine Identität als Spider-Man verrät und sie es umstandslos akzeptiert, ist, nun, nicht gerade spannungsfördernd.

Sowieso zieht er bei jeder sich passenden Gelegenheit, möglichst vor viel Publikum, seine Maske so oft ab, dass man irgendwann das Gefühl hat, dass er sie gar nicht mehr anziehen muss.

Ach ja, den Mörder seines Onkels findet er nicht. Irgendwann hat er dann ja auch, dank des durch New York tobenden The Lizard, etwas anderes zu tun.

Und so plätschert der Film zwischen den einzelnen Set-Pieces weitgehend spannungsfrei bis zum Ende vor sich hin – und während des Abspanns gibt es dann noch einen Hinweis auf den zweiten Teil, der so sicher wie das Amen in der Kirche kommt, aber erschreckend lieblos präsentiert wird.

Das „Real 3D“ hätte man sich sparen könne. Die meiste Zeit ist der 3D-Effekt überflüssig und stört nicht sonderlich, aber meistens sieht’s einfach falsch aus.

Insgesamt erinnert „The Amazing Spider-Man“ eher an „Spider-Man 3“, als an „Spider-Man 1“. Immerhin ist er deutlich besser als „Green Lantern“.

Denn, das muss ich auch zugegen, so schlecht, wie ich den Film jetzt gemacht habe, ist er auch nicht. Aber Raimis Version ist, jedenfalls in der Erinnerung, einfach viel besser.

In der Fortsetzung von „The Amazing Spider-Man“ erfahren wir dann auch vielleicht, warum Peter Parkers Vaters spurlos verschwunden ist. Dann würden die Macher wirklich neue Wege beschreiten.

The Amazing Spider-Man (The Amazing Spider-Man, USA 2012)

Regie: Marc Webb

Drehbuch: James Vanderbilt, Alvin Sargent, Steve Kloves (nach einer Geschichte von James Vanderbilt)

LV: Charakter von Stan Lee und Steve Ditko

mit Andrew Garfield, Emma Stone, Rhys Ifans, Denis Leary, Campbell Scott, Irrfan Khan, Martin Sheen, Sally Field, C. Thomas Howell, Stan Lee (Schulbibliothekar)

Länge: 136 Minuten

FSK: ab 12 Jahre (beantragt)

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „The Amazing Spider-Man“

Rotten Tomatoes über „The Amazing Spider-Man“

Wikipedia über „The Amazing Spider-Man“ (deutsch, englisch)

 


Myron Bolitar und die liebe Familie

Juni 27, 2012

Als Myron Bolitar vor fast zwanzig Jahren in „Das Spiel seines Lebens“ (Deal Breaker, 1995) die literarische Bühne betrat, waren der Sportagent und der für seine Klienten im Notfall auch als Quasi-Privatdetektiv arbeitende Ex-Sportler und sein unglaublich reicher, unglaublich schnöseliger und unglaublich taffer Freund Windsor Horne Lockwood III, genannt Win, eine Frischzellenkur für das Genre. Denn die beiden Sonnyboys schlugen sich witzelnd durch labyrinthische Plots und, auch wenn in anderen Serien der Held vielleicht einmal im Sportmilieu ermittelte, spielte noch keine Serie ausschließlich in verschiedenen Sportmilieus.

Nach dem siebten Bolitar-Roman „Darkest Fear“ (2000) schickte Harlan Coben seinen Helden in den Ruhestand und schrieb mehrere, sehr erfolgreiche Einzelromane. Erst sechs Jahre später durfte Myron Bolitar mit „Ein verhängnisvolles Versprechen“ (Promise Me, 2006) wieder Bösewichter jagen. In diesem spannenden Roman wurde er verdächtigt, einen Teenager ermordet zu haben.

In „Von meinem Blut“ (Long Lost, 2009) half er seiner Freundin Terese Collins – und legte sich mit einer sehr mächtigen Organisation an. Der Roman litt unter dem falschen Gegner für Myron und Win. Denn die Welt des internationalen Terrorismus und der Geheimdienste ist nicht ihre Welt.

In seinem neuesten Abenteuer „Sein letzter Wille“ ist Myron mit Terese Collins verlobt und er geht wieder seiner geregelten Arbeit als Agent für Sportler und Künstler nach. Da bittet ihn die schwangere Tennisspielerin Suzze T. ihren verschwundenen Mann Lex Ryder zu suchen. Der Musiker, die unscheinbare Hälfte der erfolgreichen Rock-Duos HorsePower, das seit Ewigkeiten keine Platte mehr veröffentlichte, ist, nachdem jemand auf Suzzes Facebook-Profil schrieb, dass er nicht der Vater des Kindes ist, spurlos verschwunden.

Als Myron Lex in einer Nobel-Discothek findet, sieht er seine seit sechzehn Jahren Jahren verschwunden Schwägerin Kitty. Sie war damals mit seinem Bruder Brad auf einer Never-Ending-Tour um die Welt aufgebrochen. Jetzt ist sie als Drogenwrack zurückgekehrt, Brad ist spurlos verschwunden und Myron hat einen Neffen, Mickey, der ihm verdammt ähnlich sieht.

Und das alles hat etwas mit Gabriel Wire, der anderen Hälfte HorsePower, die seit Jahren zurückgezogen auf einer Insel lebt, und dem skrupellosen Mafiosi Herman Ache zu tun.

Harlan Cobens neuer Thriller „Sein letzter Wille“ ist allerdings weniger ein Krimi (und dabei rede ich noch gar nicht von den in der Geschichte begangenen Straftaten), sondern mehr ein Familiendrama, in dem Myrons Eltern, sein lange verschwundener Bruder (Wurde er überhaupt schon einmal erwähnt?) und einige, eher kleinere Familiengeheimnisse im Zentrum stehen. Denn natürlich verschwand Brad damals nicht grundlos.

Es zeigt sich aber auch schmerzlich, dass ein älter werdender Myron Bolitar nicht mehr den Esprit der früheren Abenteuer hat. Denn Myron war immer ein Sonnyboy und solche Menschen werden nicht älter oder erwachsen.

Sie haben auch keine inneren Dämonen, die sie besiegen müssen. Und so schleicht sich bei „Sein letzter Wille“ das Gefühl ein, dass Myron und Win zwar älter werden, aber pubertär bleiben. Eine ungute Mischung.

Harlan Coben: Sein letzter Wille

(übersetzt von Gunnar Kwisinski)

Goldman, 2012

384 Seiten

9,99 Euro

Originalausgabe

Live Wire

Dutton, 2011

Hinweise

Homepage von Harlan Coben

Mein Gespräch mit Harlan Coben über Myron Bolitar und seine Arbeit

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Kein böser Traum“ (Just one look, 2004)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Kein Friede den Toten“ (The Innocent, 2005)

Meine Besprechung von Harlan Coben „Der Insider“ (Fade away, 1996)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Das Grab im Wald“ (The Woods, 2007)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Sie sehen dich“ (Hold tight, 2008)

Meine Kurzbesprechung der Harlan-Coben-Verfilmung „Kein Sterbenswort“ (F 2006)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Von meinem Blut“ (Long Lost, 2009)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „In seinen Händen“ (Caught, 2010)


TV-Tipp für den 27. Juni: Hallam Foe – Aus dem Leben eines Außenseiters

Juni 27, 2012

Arte, 20.15

Hallam Foe – Aus dem Leben eines Außenseiters (GB 2007, R.: David Mackenzie)

Drehbuch: David Mackenzie, Ed Whitmore

LV: Peter Jinks: Hallam Foe, 2001 (Über roten Dächern)

Der 17-jährige Außenseiter Hallam Foe glaubt, dass seine Stiefmutter seine Mutter ermordet hat. Da trifft er die Hotelpersonalchefin Kate. Sie ist das Ebenbild seiner Mutter.

„Einfach mitreisend ist dieser Abenteuertrip eines jungen Ausreißers, faszinierend mühelos changiert das freche Szenario zwischen Murder Mystery mit Gothic Touch und moderner Lovestory. Ein Film, der ganz tief im Zuschauer seinen Widerhall findet.“ (Programm Fantasy Filmfest 2007)

„A viewing delight.“ (Variety)

Mit Jamie Bell, Sophia Myles, Ciarán Hinds, Claire Forlani

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Hallam Foe“


Cover der Woche

Juni 26, 2012


TV-Tipp für den 26. Juni: Die Spezialisten

Juni 25, 2012

BR, 21.45

Die Spezialisten (F 1984, R.: Patrice Leconte)

Drehbuch: Bruno Tardon, Patrick Dewolf, Patrice Leconte, Michel Blanc

Zwei flüchtige Verbrecher wollen ein Kasino ausrauben.

Damals gefiel mir im Kino der französische Kassenhit, der auch in Deuschland im Kino von fast 350.000 Leuten gesehen wurde (Platz 48 der 1985er Besucherstatistik).

Heute immer noch? Ich denke schon, denn: „Ein originelles Drehbuch, flotte Regie und gute Darsteller heben diesen Film über das Mittelmaß der meisten Actionstreifen hinaus.“ (Fischer Film Almanach 1986)

Leconte drehte später die Georges-Simenon-Verfilmung „Die Verlobung des Monsieur Hire“, „Der Mann der Friseuse“, „Die Frau auf der Brücke“ und „Die Witwe von Saint-Pierre“.

mit Bernard Giradeau, Gérard Lanvin, Christiane Jean, Maurice Barrier, Bertie Cortez

Hinweise

Wikipedia über „Die Spezialisten“ (deutsch, englisch, französisch)


Blu-ray-Kritik: Der als Horrorfilm getarnte Liebesfilm „Blindlings“

Juni 25, 2012

Wenn zwei junge Menschen in die Einöde fahren und irgendwann ihr Auto liegen bleibt, dann muss man kein Genrejunkie sein, um sich auszurechnen, was passieren wird. Denn in der Einöde gibt es immer mindestens einen Einsiedler, der die Eindringlinge als Beute betrachtet und sie vor der rituellen Verspeisung noch ordentlich quälen will.

Allerdings hat Wolfgang Weigl in seinem Spielfilmdebüt gar keinen Survival-Horrorthriller, sondern einen Liebesfilm gedreht. Das Spiel mit den Thriller-Erwartungen sollte die Zuschauer nur auf eine falsche Fährte locken.

Das ist ihm gelungen.

Allerdings stehen sich in dem optisch beeindruckendem „Blindlings“ der Liebesfilm und der Horrorfilm im Weg. Die Horrorfilm-Elemente sind letztendlich nur falsche Fährten, der Liebesfilm plätschert vor sich hin, weil das frühere Liebespaar Max und Eva meistens getrennt durch den winterlichen Wald stolpert. Immerhin taucht sie, knapp bekleidet, in seinen Fantasien auf und redet mit ihm.

So ist „Blindlings“, das eine Metapher über vereiste Gefühle, Sprachlosigkeit und Irrtümer sein will, eine zähe Liebesgeschichte über das Ende einer Liebe, in der Max, Eva und der Einsiedler sich möglichst bescheuert benehmen. Der Einsiedler huscht durch den Wald und, vor allem nachdem deutlich wird, dass er sie nicht zum Abendessen verspeisen will, ist sein Verhalten nur noch seltsam. Max und Eva stolpern die meiste Zeit getrennt durch den Wald und rufen den Namen des anderen. Warum sie nicht gemeinsam loslaufen, warum sie nicht am Auto aufeinander warten und Hupsignale geben, warum sie stattdessen den Namen des anderen in den Wald rufen, bleibt nebulös. Das Ende des Films funktioniert sogar nur, weil er, gegen jede Vernunft, nichts sagt.

Das Bonusmaterial ist definitiv einen Blick wert und auch der Audiokommentar von Wolfgang Weigl ist sehr informativ.

Blindlings (D 2009)

Regie: Wolfgang Weigl

Drehbuch: Wolfgang Böhm, Florian Puchert, Wolfgang Weigl

mit Mirkus Hahn, Barbara Romaner, Klaus Stiglmeier

Blu-ray

Koch Media

Bild: 2.35:1 (16:9)

Ton: Deutsch (DTS HD Master Audio 5.1)

Untertitel: Englisch

Bonusmaterial: Making Of, Deleted Scenes, alternative Artworks, Bilder vom Set, Biografien, Interviews mit Darstellern und Regisseur, Regiekommentar

Länge: 86 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

(DVD identisch)

Hinweis

Homepage zum Film


DVD-Kritik: Der flotte Franco-Actionfilm „Point Blank – Aus kurzer Distanz“

Juni 25, 2012

Dieser Film hat keine Zeit für Umwege.

Dieser Film ist kurz.

Mit knapp achtzig Minuten (ohne Abspann) ist „Point Blank – Aus kurzer Distanz“ das filmische Äquivalent zu einem Punk-Song. Und vielleicht gibt es, wie bei Fred Cavayés erstem Film „Ohne Schuld“ (Pour elle, Fr 2008), wieder ein Hollywood-Remake, das dann gute vierzig Minuten mehr Zeit zum Erzählen der Geschichte braucht. Denn das „Ohne Schuld“-Remake „72 Stunden – The next three Days“ (USA 2010) über einen Lehrer, der seine unschuldig im Gefängnis sitzende Frau befreit, dauert über 130 Minuten, ohne dem Original irgendetwas wesentliches beizufügen.

Auch in „Point Blank“ muss ein Normalo eine Entscheidung treffen, die sein gesamtes Leben beeinflusst. Wobei; – die Bösewichter für ihn die Entscheidung getroffen haben, nachdem der Krankenpfleger Samuel Pierret (Gilles Lellouche) während der Nachtwache einen Besucher, der den schwerverletzten Hugo Sartet (Roschdy Zem) umbringen wollte, verscheucht.

Als Pierret von der Nachtschicht nach Hause kommt, haben die Verbrecher seine hochschwangere Frau als Geisel genommen. Sie wollen, dass er Sartet aus dem Krankenhaus schmuggelt.

In letzter Sekunde patzt er und die Beiden befinden sich auf der Flucht. Dabei muss Pierret, dessen größtes Verbrechen bisher wahrscheinlich ein Bei-rot-über-die-Ampel-gehen war, feststellen, dass der Einbrecher Sartet von korrupten Polizisten, die über Leichen gehen, gejagt wird. Diese Zögern auch nicht, Pierret im Fernsehen als kaltblütigen Polizistenkiller hinzustellen.

Point Blank – Aus kurzer Distanz“ beeindruckt mit knackigen, altmodisch-realistischen Actionszenen, überraschenden Wendungen und einer hinterfotzigen Geschichte mit einem ordentlichem Schuss Hitchcock.

Als Bonusmaterial gibt es ein fünfzigminütiges „Making of“, das als Drehbericht einige interessante Einblick in den Film und die Dreharbeiten vermittelt. Aber im Vergleich zum Film ist dieser Blick hinter die Kulissen eindeutig zu lang geraten ist.

Point Blank – Aus kurzer Distanz (À bout portant, Frankreich 2010)

Regie: Fred Cavayé

Drehbuch: Fred Cavayé, Guillaume Lemans

mit Gilles Lellouche, Roschdy Zem, Elena Anaya, Gérard Lanvin, Mireille Perrier, Claire Pérot, Moussa Maaskri, Pierre Benoist, Valérie Dashwood

DVD

Koch Media

Bild: 2.35:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Französisch (DTS, Dolby Digital 2.0)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Blick hinter die Kulissen, Trailer

Länge: 81 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Französische Homepage zum Film

AlloCiné über „Point Blank“

Rotten Tomatoes über „Point Blank“

Wikipedia über „Point Blank“ (englisch, französisch)


TV-Tipp für den 25. Juni: Liebe ist kälter als der Tod

Juni 25, 2012

Gut, davor gibt es um 20.15 Uhr Rainer Werner Fassbinders „Fontane – Effi Briest“ (D 1974) und danach, um 23.55 Uhr, sein Regiedebüt, den Kurzfilm „Der Stadtstreicher“ (D 1965), aber für Krimifans ist natürlich erster Spielfilm „Liebe ist kälter als der Tod“ (D 1969) viel wichtiger.

Arte, 22.30

Liebe ist kälter als der Tod (D 1969, R.: Rainer Werner Fassbinder)

Drehbuch: Rainer Werner Fassbinder

Zuhälter Franz will nicht für das Syndikat (aka die US-Mafia) arbeiten. Zusammen mit dem Killer Bruno und der Hure Joanna plant er einen Bankraub. Aber zwei von den dreien spielen falsch.

Ein Gangsterdrama, das ein anderes Bild vom Verbrechen zeichnet als die Edgar-Wallace- und Stahlnetz-Filme und deutlich seine Vorbilder zitiert.

Aus all diesen Versatzstücken und Zitaten wurde indes ein persönlicher Film, der sich auch von vergleichbaren Arbeiten anderer junger Regisseure der Zeit unterscheidet, von Lemkes ’48 Stunden bis Acapulco‘ und Thomes ‚Detektive‘: er ist schäbiger, trostloser und noch hollywoodferner als diese beiden anderen Münchner Kriminalfilme.“ (Wilhelm Roth, in Rainer Werner Fassbinder, Reihe Film 2, Carl Hanser Verlag, 1985)

mit Ulli Lommel, Hanna Schygulla, Rainer Werner Fassbinder, Hans Hirschmüller, Ingrid Caven, Irm Hermann, Yaak Karsunke (als Kommissar)

Hinweise

Arte über die Fassbinder-Reihe

Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation

Wikipedia über Rainer Werner Fassbinder (deutsch, englisch)

Rainer Werner Fassbinder in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 24. Juni: Pandorum

Juni 24, 2012

Pro7, 22.00 Uhr

Pandorum (USA/D 2009, R.: Christian Alvart)

Drehbuch: Travis Milloy

Die Astronauten Bower (Ben Foster) und Payton (Dennis Quaid) erwachen auf dem Raumschiff „Elysium“ ziemlich unsanft aus dem Kälteschlaf. Schnell bemerken sie, dass das Raumschiff sich in einem desaströsem Zustand befindet und sie nicht allein an Bord sind.

Optisch beeindruckendes, durchaus kurzweiliges Science-Fiction-B-Picture, bei dem die Story letztendlich eher abstrus als logisch ist. Aber Alvart hatte damals weitere Teile geplant.

Alvart drehte vorher den Thriller „Antikörper“.

mit Dennis Quaid, Ben Foster, Antje Traue, Cam Gigandet, Cung Le, Wotan Wilke Möhring

Wiederholung: Montag, 25. Juni, 02.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Pandorum“

Rotten Tomatoes über „Pandorum“

Wikipedia über „Pandorum“ (deutsch, englisch)

28dayslateranalysis interviewt Drehbuchautor Travis Milloy (3. September 2009)

Meine Besprechung von Marko Kregels „Hollywood – Traum und Wirklichkeit: Deutsche Regisseure im Studiosystem“ (2012) mit einem Interview mit Christian Alvart (das mich dann wirklich neugierig auf „Pandorum“ machte)

 


TV-Tipp für den 23. Juni: Misery

Juni 23, 2012

BR, 22.30

Misery (USA 1990, R.: Rob Reiner)

Drehbuch: William Goldman

LV: Stephen King: Misery, 1987 (Sie)

Des Schriftstellers Alptraum (hilflos ans Bett gefesselt in den Händen eines fanatischen Fans), des Zuschauers Vergnügen. Eine der besten Verfilmungen des Grandmasters der Mystery Writers of America.

Kathy Bates erhielt für ihre furchterregende Darstellung der helfenden Krankenschwester den Oscar, den Chicago Film Critics Association Awards und den Golden Globe als beste Schauspielerin.

Mit James Caan, Kathy Bates, Richard Farnsworth, Lauren Bacall, Frances Sternhagen

Hinweise

Homepage von Stephen King

Mein Porträt zu Stephen Kings Geburtstag

Meine Besprechung von Stephen Kings/Richard Bachmans „Qual“ (Blaze, 2007)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Nachgelassene Dinge“ (The things they left behind) in Ed McBains „Die hohe Kunst des Mordens“ (Transgressions, 2005)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Colorado Kid“ (The Colorado Kid, 2005)

Meine Besprechung der auf Stephen Kings Novelle „The Colorado Kid“ basierenden TV-Serie „Haven“

Stephen King in der Kriminalakte und in seinem Trailer-Park


Blu-Ray/DVD-Kritik: John Carpenters Klassiker „Assault – Anschlag bei Nacht“

Juni 22, 2012

In seinem Audiokommentar betont John Carpenter immer wieder, dass „Assault – Anschlag bei Nacht“ aus heutiger Sicht zu langsam erzählt sei und es ist beim Wiedersehen mit diesem Klassiker auch auffällig, wie viel Zeit er sich für das Set-Up nimmt. Immerhin dauert es eine halbe Stunde, bis es zu dem legendären Mord am Eiscremewagen kommt und erst nach vierzig Filmminuten beginnt die Belagerung des Polizeireviers von sich im Dunkeln versteckenden und aus dem Hinterhalt schießenden Straßengangmitgliedern.

Carpenters filmisches Vorbild für diese Belagerung, und daraus machte er nie einen Hehl und auch in seinem Audiokommentar betont er es mehrmals, ist Howard Hawks Western „Rio Bravo“, den er in die Gegenwart und nach Los Angeles verlegte, wo er lange nach Orten suchte, die bedrohlich genug für seinen Film aussahen.

Dabei ist diese erste Hälfte nicht langweilig. In ihr werden die einzelnen Charaktere (die sich aus verschiedenen Ethnien zusammensetzenden Gangmitglieder, der afroamerikanische Revierchef für eine Nacht, die junge Sekretärin des Reviers, der psychopathische Häftling, das kleine Mädchen, das am Eiscremewagen kaltblütig erschossen wird und ihr rachedurstiger Vater, der vor den Verbrechern in das Polizeirevier flüchtet) und das eigentlich schon geschlossene und deshalb nicht mehr arbeitsfähige Polizeirevier (das deshalb auch in der Großstadt von der Welt so abgeschnitten ist wie Rio Bravo) vorgestellt. Hier, in seinem ersten echten Spielfilm (immerhin drehte er sein Regiedebüt „Dark Star“ über mehrere Jahre; in „Assault“ hatte er dagegen ein Low-Budget-Budget, einen straffen Drehplan und richtige Schauspieler), zeigt er sich schon als ein Meister der Suspense.

Denn vom ersten Bild an liegt die bedrohliche Stimmung von nahendem Unglück, wie ein herannahendes Gewitter an einem schwülen Sommertag, über dem Film. Dass am Anfang von „Assault“ Polizisten in einen Hinterhalt Mitglieder einer Straßengang kaltblütig erschießen, hilft beim Kreieren dieser Stimmung. Und natürlich der von John Carpenter eingespielte, hypnotische Soundtrack. Als John T. Chance (so hießt John Wayne in „Rio Bravo“) übernahm Carpenter auch den Schnitt.

Das Breitwandbild verschafft dem Film auch optisch eine Western-Atmosphäre. Die Charaktere sind typische Western-Charaktere, die letztendlich ihrem Moralkodex folgen: der Polizist, der ohne zu klagen die Station verteidigt und schon vom ersten Bild an larger than life ist; der Verbrecher, der sich nichts gefallen lässt und dann doch, natürlich auch getrieben vom Überlebenswillen, ohne zu zögern sein Leben für die anderen Geisel einsetzt; die Frau, die auch mit der Waffe umgehen kann und keinen Beschützer braucht.

Und die Gewaltausbrüche sind plötzlich, heftig und auch mit einer Portion Zynismus inszeniert.

Nach „Assault“ inszenierte John Carpenter den unterschätzten und ziemlich unbekannten TV-Thriller „Das unsichtbare Auge“, die Horrorfilmklassiker „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (der weitere Nächte, von anderen Regisseuren inszeniert, folgten), „The Fog – Nebel des Grauens“ und die SF-Klassiker „Die Klapperschlange“ und „Das Ding aus einer anderen Welt“, das zunächst an der Kinokasse floppte und inzwischen kultig verehrt wird. In Deutschland war der Film bis August 2009 indiziert.

Mit der Stephen-King-Verfilmung „Christine“, der herzigen „E. T.“-Variante für Erwachsene „Starman“ und der durchgeknallten Action-Comedy „Big Trouble in Little China“ (die inzwischen im allgemein Ansehen gestiegen ist) setzte er seine Serie von bemerkenswerten Filmen fort. Seine späteren Filme „Die Fürsten der Dunkelheit“, „Sie leben!“, „Jagd auf einen Unsichtbaren“, „Die Mächte des Wahnsinns“, „Das Dorf der Verdammten“, sein grottiges „Die Klapperschlange“-Remake „Flucht aus L. A.“, sein indizierter Vampirwestern „Vampire“ (der mir gefiel), sein lärmiger Zombies-auf-dem-Mars-Western „Ghosts of Mars“ und, zuletzt, „The Ward“ konnten dann, trotz interessanter Aspekte, nicht mehr an die Erfolge seines Frühwerks anknüpfen.

Assault“ war bis zum 31. März 2005 in Deutschland indiziert. Jetzt ist er ab 16 Jahre freigegeben und, auch wenn weniger Blut fließt als in einem neuen Actionfilm, verfehlt er nicht seine Wirkung als spannender, harter Thriller mit zahlreichen filmischen Referenzen. Neben „Rio Bravo“ sind die deutlichsten Referenzen an George A. Romeros Zombie-Klassiker „Die Nacht der lebenden Toten“, in dem Zombies ein abgelegenes Haus über eine Nacht belagern und ein Afroamerikaner der Held ist.

Die Qualitäten des Thrillers wurden, wie auch Carpenter in seinem informativen und selbstkritischen Audiokommentar und dem auf der Blu-ray und DVD enthaltenem Publikumsgespräch sagt, in Europa von den Filmkritikern sofort erkannt. In den USA waren die Kritiken solala und auch an der Kinokasse lief der Film solala. Heute ist er ein Klassiker, der in keiner Liste der besten Actionfilme der siebziger Jahre fehlt und auch in vielen Listen der besten Actionfilme aller Zeiten vertreten ist.

Ein Wiedersehen mit dem Film zeigt auch warum: „Assault – Anschlag bei Nacht“ ist ein ökonomisch erzählter, harter, zynisch-illusionsloser Thriller, der intelligent und überraschend bekannte Western-Muster in die Gegenwart transferiert.

 

Die Limited Collector’s Edition von Capelight

 

Wow! Das beginnt schon mit dem schicken Retro-Cover (Tausendmal besser als das alte, doch ziemlich billig aussehende Cover) und der Verpackung. Drin sind neben einem Booklet der Film auf Blu-Ray (fantastisches Bild!) und DVD und eine weitere DVD mit der gut einstündigen Dokumentation „Do you remember Laurie Zimmer?“, in der Charlotte Szlovak vor zehn Jahren die Hauptdarstellerin von „Assault“ suchte. Denn kurz nach dem Film verschwand Laurie Zimmer aus Hollywood. Szlovak, die damals mit Laurie Zimmer einige Aufnahmen für ein Filmprojekt machte, fragte sich, was mit ihr geschah.

Assault – Anschlag bei Nacht (Assault on Precinct 13, USA 1976)

Regie: John Carpenter

Drehbuch: John Carpenter

mit Austin Stoker, Darwin Joston, Laurie Zimmer, Martin West, Tony Burton, Charles Cyphers, Nancy Loomis, Peter Bruni

auch bekannt als „Das Ende“ und „Anschlag bei Nacht“

Blu-Ray/DVD (Limited Collector’s Edition)

Capelight

Bild: 2,35:1 (16:9 anamorph) (DVD), 2,35:1 (1080p/24) (Blu-Ray)

Ton: DD 2.0 (mono, remastered), Deutsch und Englisch & DD 5.1 Deutsch und Englisch (DVD), DTS-HD Master Audio 2.0 (mono, remastered) Deutsch und Englisch & DTS-HD Master Audio 5.1 Deutsch und Englisch (Blu-Ray)

Untertitel: Deutsch, Englisch

Bonusmaterial: Audiokommentar von John Carpenter (deutsch untertitelt), Interview mit John Carpenter und Austin Stoker, Original Kinotrailer, 2 Radio-Spots, Dokumentation „Do You Remember Laurie Zimmer?“ (deutsch untertitelt), Booklet

Länge: 91 min (DVD) / 95 min (Blu-Ray)

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

John Carpenter auf seiner Homepage über „Assault – Anschlag bei Nacht“

Rotten Tomatoes über „Assault – Anschlag bei Nacht“

Wikipedia über „Assault – Anschlag bei Nacht“ (deutsch, englisch)

Evolver: Thomas Fröhlich gratuliert John Carpenter zum Geburtstag (11. Februar 2008)


TV-Tipp für den 22. Juni: Matrix

Juni 21, 2012

Pro7, 20.15

Matrix (USA 1998, R.: Andy Wachowski, Larry Wachowski)

Drehbuch: Andy Wachowski, Larry Wachowski

Hacker Neo ist der nette Nerd von nebenan, bis er erfährt, dass die Wirklichkeit nicht die Wirklichkeit ist und dass er der Erlöser ist.

Kommerziell unglaublich erfolgreicher, Hugo- und Nebula-nominierter Science-Fiction-Klassiker, in dem es erstmals gelang, die Ideen der Cyberpunk überzeugend in einen Realfilm zu transportieren. Die beiden Fortsetzungen „Matrix Reloaded“ und „Matrix Revolutions“ sind dagegen ein Fall für die filmische Mülltonne und auch bei der „Matrix“ kann man sich an einigen groben Logikfehlern und Widersprüchen stoßen. Z. B.: Warum sollten die Maschinen uns Menschen mit einer Computersimulation betäuben? Warum sollten wir Menschen aus der Computersimulation ausbrechen wollen? Vor allem, wenn die Erde ungefähr so bewohnbar wie die dunkle Seite des Mondes ist.

Danach, um 22.45 Uhr, läuft „Matrix Revolutions“.

mit Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Carrie Anne Moss, Hugo Weaving, Gloria Foster, Joe Pantoliano

Wiederholung: Samstag, 23. Juni, 01.10 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Wikipedia über „Matrix“ (deutsch, englisch)

Drehbuch “The Matrix” von Andy Wachowski und Larry Wachowski

Meine Besprechung des Keanu-Reeves-Film „Henry & Julie“

 


Neu im Kino/Filmkritik: Ein gruseliger Ausflug ohne Rückfahrt: „Chernobyl Diaries“

Juni 21, 2012

Wenn einige junge Amerikaner eine Rucksacktour durch Europa machen, besuchen sie die üblichen Touristenattraktionen.

Wenn die jungen Amerikaner nach Osteuropa gehen, weichen sie immer noch nicht von ihrem geplanten Touristenprogramm ab.

Aber selbstverständlich lassen sie sich einen Ausflug nach Tschernobyl nicht entgehen. Genaugenommen Pripyat, das einen Steinwurf weit weg von den zerstörten Reaktoren ist. Und zu Hause können sie dann mit einem besonderen „Mein Besuch in der Todeszone“-Erlebnis protzen.

Wenn diese Rucksacktouristen die Protagonisten eines Films sind, dann ist dieser Ausflug keine lauschige Landpartei mit, wenn der Geigerzähler etwas ausschlägt, mildem Gänsehautfaktor.

Nein. Dann ist Tschernobyl keine vor einem viertel Jahrhundert verlassene, menschenleere Gegend, sondern irgendwelche mutierten Tiere und andere Wesen sind immer noch da und die Überlebensaussichten der Touristen tendieren gegen Null.

Das haben wir schon oft gesehen und „Chernobyl Diaries“ hält sich auch brav an die Genrekonventionen. Aber trotzdem ist der von Regiedebütant Brad Parker, nach einer Geschichte von Oren Peli (der auch diesen Film und „Paranormal Activity“ produzierte), Carey van Dyke und Shane van Dyke, inszenierte Film einen Blick wert. Denn sie erzählen die Geschichte fast schon altmodisch gemütlich. Sie lassen sich, bis zum ersten Angriff, viel Zeit. Vieles bleibt im Dunklen – und damit der Fantasie des Zuschauers überlassen, der im Zweifelsfall viel schlimmere Bilder imaginiert, als die Macher zeigen können. Sowieso konzentriert Parker sich mehr auf das Schaffen von Suspensemomenten als auf Schocks und Blut. Die Schauspieler und die improvisierten Dialoge sind okay. Oscar-verdächtige Leistungen erwartet in so einem Film sowieso niemand.

Das größte Plus des in Belgrad und der Umgebung von Budapest gedrehten Film (immerhin ist bei diesem Film verständlich, warum nicht vor Ort gedreht wurde) sind die Locations: die herbstliche Landschaft (gedreht wurde im November) und die verlassene Trabantenstadt, die von den Jugendlichen erkundet wird. Diese Bilder einer von Menschen verlassenen und jetzt verfallenden Stadt beklemmen – und sind der Grund, den 08/15-Horrorfilm anzusehen.

Ach ja, und wer Pripyat besuchen will, kann das ganz legal tun. Denn es gibt inzwischen Touren in das verseuchte Gebiet.

Chernobyl Diaries (Chernobyl Diaries, USA 2012)

Regie: Brad Parker

Drehbuch: Oren Peli, Carey van Dyke, Shane van Dyke (nach einer Geschichte von Oren Peli)

mit Devin Kelley, Jonathan Sadowski, Ingrid Bolsø Berdal, Olivia Taylor Dudley, Jesse McCartney, Nathan Phillips, Dimitri Diatchenko

Länge: 85 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über „Chernobyl Diaries“

Rotten Tomatoes über „Chernobyl Diaries“

Wikipedia über „Chernobyl Diaries“ (deutsch, englisch)

Bonusmaterial

einige Filmbilder


TV-Tipp für den 21. Juni: Amigo – Bei Ankunft Tod

Juni 21, 2012

ZDFneo, 21.45

Amigo – Bei Ankunft Tod (D/I 2010, R.: Lars Becker)

Drehbuch: Lars Becker

LV: Lars Becker: Amigo, 1991

Zwei BKA-Ermittler sollen in Neapel einen vor zwanzig Jahren untergetauchten RAFler verhaften. Die Verhaftung geht schief und der RAFler macht sich auf den Weg nach Hamburg. Dort will er den Mann, der ihn an die Polizei verriet, zur Strecke bringen.

Seltsam, seltsam, dass Lars Becker seinen zwanzig Jahre alten Krimi, bei dem das Zeitkolorit sehr wichtig war, erst 2010 verfilmt. Entsprechend aus der Zeit gefallen und anachronistisch wirkt „Amigo“ dann auch über weite Strecken.

mit Tobias Moretti, Jürgen Prochnow, Florian David Fitz, Luca Ward, August Zirner, Ina Weisse, Uwe Ochsenknecht

Hinweise

Arte über “Amigo – Bei Ankunft Tod”

Lexikon der deutschen Krimi-Autoren über Lars Becker

Lars Becker in der Kriminalakte


Kurzkritik: Wolfgang Brenner: Alleingang

Juni 20, 2012

Mit „Alleingang“ legt Wolfgang Brenner, wieder einmal bei einem anderen Verlag, einen durchaus gelungenen Politthriller vor, in dem eine Soldatenbraut sich fragt, warum die deutsche Regierung ihren Mann für tot erklärt, während er mit ihr telefoniert, geheimnisvolle Andeutungen macht und er befürchtet, ermordet zu werden. Außerdem darf sie während der Trauerfeier seine Leiche nicht sehen. Er sei, so die offizielle Erklärung, bei dem Selbstmordanschlag in Kundus bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt worden.

Sie versucht nun herauszufinden, was mit ihrem Mann geschah, der auf seiner letzten Videobotschaft an sie gar nicht mehr nach dem korrekten, auf Äußerlichkeiten achtenden Vorbild-Soldaten aussah, und warum sie vom Militär belogen wird. Gleichzeitig will sie ihren neunjährigen Sohn beschützen. Denn wenn die seltsamen Warnungen ihres Mannes stimmen, schweben sie in Lebensgefahr.

Die Geschichte ist, wie bei Wolfgang Brenner nicht anders zu erwarten, gut entwickelt und auch gut erzählt.

Aber „Alleingang“ liest sich, mit seinen wenigen Schauplätzen (die Geschichte spielt hauptsächlich in dem Haus der Soldatenbraut in Koserow auf Usedom und einigen zum Militär gehörenden Büros in Berlin ) und dem überschaubarem Personal, wie die Romanfassung eines guten 20.15-Uhr-TV-Films. Nur das Ende dürfte heute im deutschen Fernsehen so nicht mehr akzeptiert werden.

Wolfgang Brenner: Alleingang

Gmeiner Verlag, 2012

288 Seiten

9,90 Euro

Hinweise

Lexikon deutschen Krimiautoren über Wolfgang Brenner

Krimi-Couch über Wolfgang Brenner

Meine Besprechung von Wolfgang Brenners „Bollinger und die Friseuse“ (2007)


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