KrimiWelt-Bestenliste Juni 2008

Mai 31, 2008

Was gibt’s am letzten Wochenende im Monat? – Richtig, die Bestenliste der KrimiWelt. Für den Juni haben die Kritiker diese internationale Liste erstellt:

1 (-) Matti Rönkä: Bruderland

2 (1) Robert Littell: Die Söhne Abrahams

3 (-) Allan Guthrie: Abschied ohne Küsse

4 (8 ) Matt Beynon Rees: Der Verräter von Bethlehem

5 (5) David Peace: 1983

6 (4) Lawrence Block: Verluste

7 (2) Lee Child: Sniper

8 (7) Marek Krajewski: Festung Breslau

9 (-) Magdalen Nabb: Vita Nuova

10 (10) Stuart MacBride: Der erste Tropfen Blut

Allan Guthrie ist ein Wiedereinstieg; in der Klammer ist immer die Platzierung vom Vormonat.

Der Stuart MacBride liegt immer noch ungelesen bei mir herum. Andere Bücher, wie der neue John Harvey „Schlaf nicht zu lange“ (empfehlenswert) oder Sebastian Faulks Bond-Roman „Der Tod ist nur der Anfang“ (erster Eindruck: naja bis mau; nach einem guten Anfang wird’s zunehmend zäh), waren wichtiger.

Den Littell finde ich etwas überbewertet. Beim Rönkä reißt es letztendlich die Sprache heraus. Child und Block liefern die gewohnte Qualität. Peace schließt sein Red Riding Quartet gewohnt brachial ab. Guthrie ist eine spannende neue Stimme für die Freunde des Gangsterromans. Wenn Sie Ted Lewis mögen, sollten sie unbedingt Guthrie anlesen.

Meine Besprechung der hier erwähnten Bücher von Lawrence Block und Allan Guthrie gibt es demnächst in der Juni-Spurensuche bei den Alligatorpapieren.


TV-Tipp für den 31. Mai

Mai 31, 2008

Das Vierte, 20.15

Der Anderson-Clan (USA 1970, R.: Sidney Lumet)

Drehbuch: Frank Pierson

LV: Lawrence Sanders: The Anderson Tapes, 1970 (Die Anderson-Bänder)

Einbruchspezialist Duke Anderson, gerade frisch aus dem Knast entlassen, plant seinen letzten großen Coup. Aber er und seine Kumpels werden pausenlos überwacht.

In seinem auf Tatsachen beruhenden Kassenknüller zeichnet Lumet ein düsteres Bild einer totalen Überwachung der Gesellschaft. Weil die verschiedenen staatlichen Stellen, die das Gebäude überwachen, keinen Kontakt zueinander haben und jeweils eigene Interessen verfolgen, können sie mit den belauschten Gesprächen nichts anfangen.

Mit Sean Connery, Dyan Cannon, Martin Balsam, Ralph Meeker, Christopher Walken, Val Avery

Hinweise

Thrilling Detective über Lawrence Sanders

New York Times: Nachruf auf Lawrence Sanders


Film Noir Collection 2: Spiel mit dem Tode

Mai 30, 2008

George Stroud (Ray Milland) sitzt gewaltig in der Patsche. Er wird in einem riesigen, leeren Bürohaus von den Wachleuten gesucht. Dabei war er vor 36 Stunden noch ein glücklich verheirateter Mann, der in wenigen Stunden in die verspäteten Flitterwochen aufbrechen wollte, und der Leiter des respektierten Magazins „Crimeways“. Sein Chef, der Zeitungsmogul Earl Janoth (Charles Laughton), schätzt ihn als Mitarbeiter, der sein Geld wert ist. Gerade hat er wieder einen flüchtigen Verbrecher ausfindig gemacht und so die Grundlage für massive Verkaufszuwächse der nächsten Ausgaben von „Crimeways“ geschaffen. Janoth möchte, dass Stroud sich weiter um die Berichte über den gefundenen Verbrecher kümmert. Aber Stroud lehnt ab. Er hat seiner Frau Georgette (Maureen O’Sullivan) die Reise versprochen. Der Konflikt zwischen Janoth und Stroud eskaliert – und Stroud kündigt.

Am Abend betrinkt er sich in einer Bar und gerät mit der schönen Blondine Pauline York (Rita Johnson) ins Gespräch. Sie betrinken sich, ziehen durch die Kneipen und landen schließlich in ihrer Wohnung. Als Stroud sie am nächsten Tag verlässt, um zu seiner Frau zu gehen, bewegt sich der Fahrstuhl nach oben. Stroud geht zur Treppe und beobachtet, wie sein ehemaliger Chef Earl Janoth den Fahrstuhl verlässt und Paulines Apartment betritt.

Stroud fährt zu seiner Frau in die Flitterwochen. Währenddessen bringt Janoth in einem Anfall von Eifersucht seine Geliebte um und beichtet seinem Assistenten Steve Hagen (George Macready) die Tat und dass er beim Betreten des Apartments von einem Nebenbuhler beobachtet wurde. Hagen, der in Janoths Imperium weiter aufsteigen will, schlägt vor, George Stroud aus den Flitterwochen zurückzuholen und mit der Jagd nach dem Unbekannten zu beauftragen.

Stroud ist einverstanden – und beginnt, während er versucht den Mörder zu überführen, sich selbst zu jagen.

Von Kenneth Fearing ist die Idee, des Unschuldigen, der sich selbst jagt. Jonathan Latimer, selbst ein erfolgreicher Noir-Autor, verarbeitete Fearings Roman „The Big Clock“ zu einem Noir-Klassiker, der in den hellen Gängen und Büros eines riesigen Pressehauses spielt, und 1949 für den Edgar als bester Kriminalfilm des Jahres nominiert war. „Kennwort 777“ erhielt den Preis.

Latimer hatte in Hollywood als Drehbuchautor fast vierzig Jahren lang mehr Erfolg als die ungleich bekannteren Hardboiled-Autoren Dashiell Hammett und Raymond Chandler. Er schrieb die Bücher zur Hammett-Verfilmung „Der gläserne Schlüssel“ (mit Alan Ladd und Veronika Lake), der Cornell-Woolrich-Verfilmung „Die Nacht hat tausend Augen“ (mit Edward G. Robinson), der David-Dodge-Verfilmung „Das geheimnisvolle Testament“ (mit Glenn Ford, bei beiden führte John Farrow Regie), für zwanzig Perry-Mason-Folgen (mit Raymond Burr) und, als letzte Arbeit, für den Columbo-Krimi „Die Blumen des Bösen“ (mit Ray Milland). Auch „Spiel mit dem Tode“ lebt von dem durchdachten Drehbuch, das den guten Schauspielern die Möglichkeit für große Auftritte gibt und Regisseur John Farrow unterstützt das mit seiner fast schwerelosen Kameraführung. Immer wieder gleitet sie, als ob es keine Wände gäbe, von einem Raum in den nächsten. So ist Laughtons erster Auftritt eine eindrückliche Demonstration seiner Macht. Er kommt später zu einer Besprechung seiner Chefredakteure, staucht sie wie kleine Kinder zusammen, lässt sich von vorne bis hinten bedienen und die Kamera verfolgt ihn mit dem gleichen bewundernd-demütigenden Blick, den auch die am Tisch sitzenden Journalisten haben. Sowieso ist Charles Laughton als geckenhafter, über scheinbar unbegrenzte Macht und eine unbegrenzte Armee williger Angestellter verfügender Zeitungsmogul, der immer die träge Freundlichkeit einer Kobra kurz vorm Zubeißen ausstrahlt, ein grandioser Bösewicht (Dagegen ist Gene Hackman im Remake „No way out – Es gibt kein zurück“ als verbrecherischer Verteidigungsminister zwar formal mächtiger, aber weniger furchteinflößend.).

Ray Milland als brav-bürgerlicher Journalist, der zwischen Beruf und Familie, zwischen Schuld (immerhin hat er seine fünfte Hochzeitsnacht bei einer anderen Frau verbracht) und Unschuld immer verzweifelter versucht, seine Unschuld zu beweisen und den wahren Mörder zu überführen, ist dagegen der Jedermann, der nach einem kleinen Schritt vom Pfad der Tugend immer tiefer in den Schlamassel gerät. Denn je besser er seine Arbeit macht und den unerwünschten Zeugen sucht (der dann der Justiz als Mörder präsentiert werden soll), umso mehr bringt er sein eigenes Leben in Gefahr.

Zwischen diesen beiden Männern stehen eine Armada von Vorzimmerdamen, eifrigen Journalisten und Lakaien, wie Steve Hagen. In dieser durchkapitalisierten Männerwelt hat Maureen O’Sullivan als brave Ehefrau nur die Rolle des schmückenden Beiwerks. Die Staatsmacht taucht hier nur noch als Witzfigur, gespielt von einem Schauspieler, auf.

Spiel mit dem Tode (The Big Clock, USA 1947)

Regie: John Farrow

Drehbuch: Jonathan Latimer

LV: Kenneth Fearing: The big clock, 1945

Mit Ray Milland, Charles Laughton, Maureen O’Sullivan, George Macready, Rita Johnson, Elsa Lanchester, Harold Vermilyea

Koch Media – Film Noir 2 (90 Minuten, Deutsch/Englisch, Untertitel. Englisch)

DVD-Bonus: Bildergalerie, Original Kinotrailer, 12-seitiges Booklet, alte und neue deutsche Synchronisation

Hinweise

Noir of the Week über „The Big Clock“

Modern American Poetry: Kenneth Fearing

Mystery File: John Fraser über Jonathan Latimer

Thrilling Detective über Jonathan Latimer

Kirjasto über Jonathan Latimer

Krimi-Couch über Jonathan Latimer

Mordlust über Jonathan Latimer


TV-Tipp für den 30. Mai

Mai 30, 2008

Arte, 21.00

Das Gelübde (D 2007, R.: Dominik Graf)

Drehbuch: Markus Busch, Dominik Graf

LV: Kai Meyer: Das Gelübde, 1998

Dülmen, 1818: der frisch bekehrte Clemens Brentano protokolliert die Visionen der stigmatisierten Nonne Anna Katharina Emmerick und fragt sich, ob es den Teufel wirklich gibt.

Ein Historiendrama, das unter den Händen von Dominik Graf nicht schlecht sein kann.

Mit Misel Maticevic, Tanja Schleiff, Anke Sevenich, Maren Eggert, Johann von Bülow

Wiederholung: Mittwoch, 4. Juni, 01.15 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Arte zum Film (mit Interview und Pressemappe)

Homepage von Kai Meyer

Phantastik-Couch redet mit Kai Meyer


TV-Krimi-Buch-Tipps online

Mai 29, 2008

Wegen Urlaubs (Alligator-Alfred erholte sich unter südlichen Olivenhainen) erscheinen die TV-Krimi-Buch-Tipps erst heute in der schönen Version. Die Kriminalakte liefert nur den groben Überblick:

Willkommen zu zwei Wochen delikat angerichteter Leichen und weiterer Straftaten. Besonders empfehlenswerte Deliktvarianten finden Sie im ersten Trimmel-Tatort „Taxi nach Leipzig“ (nach dem unlängst wieder veröffentlichten Roman von Friedhlem Werremeier), José Giovannis „Endstation Schafott“, Jules Dassins Eric-Ambler-Verfilmung „Topkapi“, Robert Rodriguez Frank-Miller-Verfilmung „Sin City“, Alfred Hitchcocks Frederick-Knott-Verfilmung „Bei Anruf Mord“ und seiner Patrick-Hamilton-Verfilmung „Cocktail für eine Leiche“ (oder Warum Theater nicht langweilig ist.), Alan Parkers William-Hjortsberg-Verfilmung „Angel Heart“, Jacques Tourneurs Richard-Matheson-Verfilmung „Ruhe sanft GmbH“, Sidney Lumets Lawrence-Sanders-Verfilmung „Der Anderson-Clan“, Steven Spielbergs Frank-Abagnale-Verfilmung „Catch me if you can“, Sam Peckinpahs Jim-Thompson-Verfilmung „Getaway“ (nach dem Drehbuch von Walter Hill), Walter Hills John-Godey-Verfilmung „Johnny Handsome“, Claude Pinoteaus Francis-Ryck-Verfilmung „Ich – Die Nummer eins“ und Don Coscarellis Joe-R.-Lansdale-Verfilmung „Bubba Ho-Tep“ gibt sich wieder die Ehre.
Andreas Kleinerts Christine-Grän-Verfilmung „Hurenkinder“ feiert endlich seine TV-Premiere.


Neu im Kino: Remakes, oh Remakes!!!

Mai 29, 2008

Eins davon können wir mit gutem Gewissen unter Krimi verbuchen, die zwei anderen nicht (einmal Horror, einmal Geschlechterkampf), aber es passt so schön zusammen.

Funny Games U. S. (USA 2007, R.: Michael Haneke)

Drehbuch: Michael Haneke

Michael Haneke macht ein eins-zu-eins-Remake von seinem 1997er Film. Das verschafft ihm sicher in den USA einige Zuschauer, aber für die Kenner des Originals stellt sich die Frage, warum sie sich Naomi Watts und Tim Roth statt Susanne Lothar und Ulrich Mühe ansehen sollen. Und Haneke liefert auch keinen Grund: „Habe ich es zu aktualisieren? Eigentlich nicht. Die Aktualität ist innerhalb dieser zehn Jahre gewachsen, und inhaltlich fiel mir nichts Neues dazu ein.“

Mit Naomi Watts, Tim Roth, Michael Pitt, Brady Corbet, Devon Gearhart

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Funny Games U. S.“

Tip: Interview mit Michael Haneke (Oder „Das Remake eines Interviews“ – Extended Version ist angekündigt, aber derzeit ist nur der Promo-Cut vorhanden)

The Eye (USA 2008, R.: David Moreau, Xavier Palud)

Drehbuch: Sebastian Gutierrez

Ein weiteres US-Remake eines asiatischen Horrorfilms. Dieses Mal muss „Gin Gwai“ (China 2002) dran glauben. Jessica Alba spielt eine blinde Violinistin, die mit ihren neuen Augen plötzlich Geister sieht. Dass das nicht gut enden wird, erfordert keine hellseherischen Fähigkeiten.

Mit Jessica Alba, Parker Posey

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „The Eye“

Interview (USA/NL 2007, R.: Steve Buscemi)

Drehbuch: Steve Buscemi, David Schechter

Remake Nummer 3: 2003 kreuzten Pierre Bokma und Katja Schuurman in Theo van Goghs (er wurde 2004 von islamischen Extremisten ermordet) Film „Interview“ die Klingen. Jetzt fetzen sich Steve Buscemi und Sienna Miller als abgefuckter Reporter und dumme Soapblondine. Natürlich ist sie nicht so dumm und gefühllos, wie der Journalist glaubt – und dieses Remake (natürlich im Wesentlichen ein Zwei-Personen-Theaterstück) scheint wirklich auch für die, die das Original kennen, einen Blick wert zu sein.

Mit Steve Buscemi, Sienna Miller

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Interview“


Besprechung „Endstation Kabul“ online

Mai 29, 2008

In der Berliner Literaturkritik erschien meine Besprechung von Achim Wohlgethans „Endstation Kabul – Als deutscher Soldat in Afghanistan“. Wie die Überschrift „Endstation Langeweile“ verrät, hält sich meine Begeisterung für dieses Buch in sehr überschaubaren Grenzen.


TV-Tipp für den 29. Mai

Mai 29, 2008

Das Vierte, 20.15

Im Auftrag des Drachen (USA 1975, R.: Clint Eastwood)

Drehbuch: Hal Dresner, Warren Murphy (als Warren B. Murphy), Rod Whitaker

LV: Trevanian (Pseudonym von Rod Whitaker): The Eiger Sanction, 1972 (Im Auftrag des Drachen)

Jonathan Hemlock soll im Auftrag einer Geheimorganisation zwei Killer töten. Von einem ist nur bekannt, dass er an einer Besteigung der Eiger-Nordwand teilnimmt. Hemlock schließt sich den Bergsteigern an.

Thriller, bei dem die Landschaftsaufnahmen (Monument Valley, Schweizer Alpen) mehr beeindrucken als die Story. Was auch Clint Eastwood zugibt. Trevanians Debüt mit dem Superspion Hemlock war ein weltweiter Bestseller.

Mit Clint Eastwood, George Kennedy, Heidi Brühl, Reiner Schöne

Hinweise

Homepage von Trevanian

Homepage von Warren Murphy


Ian Fleming hat Geburtstag, Neuer Bond-Roman veröffentlicht

Mai 28, 2008

In England sind die Medien schon seit Wochen im Ian-Fleming-Fieber (The Rap Sheet bietet einen guten Überblick). Höhepunkt war heute mit dem hundertsten Geburtstag von Bond-Schöpfer Ian Fleming und der weltweiten Veröffentlichung des neuen (und ersten) James-Bond-Romans „Der Tod ist nur der Anfang“ (Devil may care) von Sebastian Faulks. Die ersten Seiten lesen sich ganz gut (das heißt: es gibt demnächst eine Besprechung).

Davor stelle ich die heute erschienenen Geburtstagsartikel zusammen: Frankfurter Rundschau, Morgenpost, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, Die Welt, Thüringer Allgemeine, Focus, Berliner Literaturkritik und 3sat. Bereits am Wochenende erschien in der NZZ eine Würdigung.

Spiegel Online über die Vorstellung von Faulks Roman in London (Wie der Spiegel darauf kommt, dass „Der Tod ist nur der Anfang“ der 15. Bond-Roman ist, kann ich mir nur mit einem vollständigen Ignorieren von allen nicht von Ian Fleming geschriebenen Bond-Romanen erklären). Über das gleiche Ereignis, aber informativer ist der Focus.

Die Welt hält den Roman (Woher haben die ihr Vorabexemplar erhalten?) für nicht gut: Der Geheimagent such den Anschluss an unsere Gegenwart – und wirkt doch ziemlich altmodisch.

Sarah Weinman hat einige Kritiken gesammelt.


Film Noir Collection 1: Die Blaue Dahlie

Mai 28, 2008

Mit einem Dreierschlag aus zwei Noir-Klassikern und einem sträflich unterschätzten Noir beginnt Koch Media seine Film Noir Collection. „Die Blaue Dahlie“, „Spiel mit dem Tode“ und „Schwarzer Engel“ wurden bis jetzt nicht auf DVD veröffentlicht und auch im Fernsehen liefen sie zuletzt vor vielen Jahren. Deshalb ist diese liebevoll gestaltete Ausgabe – die DVDs sind in einem Slim-Mediabook – ein Geschenk für Noir- und Filmfans. Die Filme wurden restauriert, was vor allem bei „Spiel mit dem Tode“ und „Schwarzer Engel“ zu einem brillanten Bild führt. Selbstverständlich gibt es den Originalton und die deutsche Synchronisation (bei „Spiel mit dem Tode“ sogar die alte und die neue Synchronisation) und klug ausgewähltes Bonusmaterial. Hier wurde nach der Methode „Klasse statt Masse“ vorgegangen. Kinotrailer, umfangreiche Bildergalerien und ein informatives zwölfseitiges Beiheft ergänzen sinnvoll die Filme.

Raymond Chandlers „Die blaue Dahlie“

Die Kriegskameraden Johnny Morrison (Alan Ladd), Buzz Wanchek (William Bendix) und George Copeland (Hugh Beuamont) kehren aus dem zweiten Weltkrieg nach Los Angeles zurück. Während George und Buzz, der durch eine Kopfverletzung geistig behindert ist, gemeinsam ein Zimmer beziehen, will Johnny zurück zu seiner Frau Helen (Doris Dowling) und seinem Sohn. Er hat sich vorher nicht angekündigt und platzt so mitten hinein in eine Party. Sie ist betrunken, hat eine Affäre mit dem aalglatten Nachtclubbestzer Eddie Harwood (Howard da Silva) und ihre Freunde zählen zur vergnügungssüchtigen Schickeria. Sie eröffnet ihm, dass sein Sohn bei einem Unfall starb und küsst Harwood. Johnny beginnt einen handgreiflichen Streit. Kurz darauf verlässt er sein Haus. In der Nacht trifft er Joyce Harwood (Veronica Lake). Sie ist, wie er erst später erfährt, die Frau des Nachtclubbesitzers.

Am nächsten Tag ist Helen tot. Die Polizei hält Johnny Morrison für den Täter. Zusammen mit Joyce sucht er den Mörder.

Nach seinen erfolgreichen Romanen interessierte Hollywood sich für Raymond Chandler. Er wurde als Drehbuchautor engagiert und „Die Blaue Dahlie“ ist das einzige von ihm verfilmte Drehbuch, das nur seinen Namen trägt. Im Rahmen eines Rätselkrimis entwirft er ein pessimistisches Bild der USA nach dem zweiten Weltkrieg. Die Kriegshelden kommen ohne Paraden und ohne Perspektiven zurück. Als sie am Filmanfang aus dem Bus steigen, wirken sie genauso verloren wie entlassene Sträflinge. Buzz verliert immer wieder sein Gedächtnis. George und Johnny haben keinen Job – und auch keinen Job in Aussicht. Die Frauen haben in den Kriegsjahren die Aufgaben der Männer übernommen. Doch – im Gegensatz zu Paul Haggis’ neuem Kriegsheimkehrerfilm „In the Valley of Elah“ – bringen in „Die Blaue Dahlie“ die drei Kriegsheimkehrer die Verrohungen des Krieges nicht in ihre Heimat. Sie schleppen zwar die Traumata des Krieges mit sich herum. Aber Gewalt, Mord, Korruption, Lug und Trug sind bereits schon lange fest in der Gesellschaft verankert. Diese Aussage wird sogar – dank des Einspruchs der Navy, die einen Soldaten als Mörder nicht akzeptieren konnte – durch die Überführung des Mörders am Ende noch verstärkt. Im Los Angeles der „Blauen Dahlie“ können die Daheimgebliebenen sich auch ganz gut ohne die Kriegsheimkehrer umbringen.

Damals war der Film ein gewaltiger Kassenschlager. Alan Ladd und Veronika Lake spielten nach „Die Narbenhand“ (This gun for hire, USA 1942) und „Der gläserne Schlüssel“ (The glass key, USA 1942) wieder zusammen. Der beim amerikanischen Publikum sehr beliebte William Bendix hatte eine wichtige Nebenrolle und die Story verband gelungen einen Krimi mit einer pessimistischen Beschreibung der damaligen Gesellschaft. Dafür erhielt Raymond Chandler eine Oscar-Nominierung.

Heute steht „Die blaue Dahlie“ eindeutig im Schatten der fast zeitgleich gestarteten Chandler-Verfilmung „Tote schlafen fest“ (The Big Sleep, USA 1946) mit dem Traumpaar Humphrey Bogart und Lauren Bacall. Während „Tote schlafen fest“ ein einziges Feuerwerk aus flotten Sprüchen, Schlägereien und Atmosphäre ist, bemüht Chandler sich in „Die Blaue Dahlie“ mit einem positiven Helden um einen nachvollziehbaren, traditionellen Rätselplot mit einer überschaubaren Zahl von Tatverdächtigen. Doch die Frage, wer der Mörder ist, ist in der Welt des Film Noir höchstens zweitrangig.

Die Blaue Dahlie (The Blue Dahlia, USA 1945)

Regie: George Marshall

Drehbuch: Raymond Chandler

Mit Alan Ladd, Veronica Lake, Willam Bendix, Howard da Silva, Doris Dowling

Koch Media – Film Noir 1 (95 Minuten, Deutsch/Englisch, Untertitel. Englisch)

DVD-Bonus: Bildergalerie, Original Kinotrailer, 12-seitiges Booklet

Hinweise

Noir of the Week über „The Blue Dahlia“

Thrilling Detective über Raymond Chandler

Kirjasto über Raymond Chandler

Krimi-Couch über Raymond Chandler

Mordlust über Raymond Chandler


TV-Tipp für den 28. Mai

Mai 28, 2008

Kabel 1, 22.45

Die üblichen Verdächtigen (USA 1995, R.: Bryan Singer)

Drehbuch: Christopher McQuarrie

Die üblichen Verdächtigen sitzen im Knast und fragen sich: Wer ist Keyser Soze? Ein Polizist stellt sich die gleiche Frage und auch die Zuschauer wissen es nicht. Jedenfalls wenn Sie zu den wenigen Glücklichen zählen, die diese Genreperle noch nicht kennen. Alle anderen dürfen sich ein weiteres Mal an einem glänzenden Spiel zwischen Wahrheit und Lüge und Lüge erfreuen.

Mit Kevin Spacey, Benicio Del Toro, Chazz Palminteri, Gabriel Byrne, Kevin Pollak, Peter Postlethwaite, Stephen Baldwin, Dan Hedaya


R. i. P. Sydney Pollack

Mai 27, 2008

(1. Juli 1934 – 26. Mai 2008 )

Gestern starb Regisseur Sydney Pollack nach langer Krankheit im Kreis seiner Familie. Er lernte sein Handwerk beim Fernsehen und war als Spielfilmregisseur bekannt für gute Mainstream-Filme, in denen die Geschichte und die Schauspieler im Mittelpunkt stehen. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß“ (They shoot horses, don’t they?), „Jeremiah Johnson“, „Yakuza“ (The Yakuza), „Die drei Tage des Condors“ (Three days of the Condor), „Tootsie“, „Jenseits von Afrika“ (Out of Africa), „Die Firma“ (The Firm) und „Die Dolmetscherin“ (The Interpreter).

In den Neunzigern trat er auch eine Male in prägnanten Nebenrollen auf. In Stanley Kubricks letztem Film „Eyes Wide Shut“ spielte er Victor Ziegler. In Tony Gilroys Debüt „Michael Clayton“ Marty Bach.

Nachrufe gibt es bei Spiegel Online (und jetzt auch ein längerer Nachruf von Christian Buß), NZZ (AP-Meldung), Süddeutsche Zeitung, FAZ, New York Times (Michael Cieply) und weitere werden folgen.

Nachtrag: BR hat sein Programm geändert. Statt dem angekündigten Mankell-Film läuft um 23.25 Uhr die Romanze „Cherie Bitter – So wie wir waren“ (The Way we were, USA 1973) mit Barbara Streisand und Robert Redford (James Woods hat eine Nebenrolle). Das Drehbuch ist von Arthur Laurents (nach seinem Roman) und Regie führte natürlich Sydney Pollack.


Cover der Woche

Mai 27, 2008


TV-Tipp für den 27. Mai

Mai 27, 2008

Arte, 21.00

Ndrangheta – Das blutige Business einer Mafia (FR 2008, R.: Corradino Durruti)

Drehbuch: Corradino Durruti

Spielfilmlange Doku über die kalabrische Mafia. Durrutti begleitete dafür sieben Jahre lang, oft mit versteckter Kamera, den Mafiajäger Inspektor Nico Morrone.

Wiederholung: Freitag, 6. Juni, 03.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Arte zur Doku

Wikipedia über die Ndrangheta (deutsch)

Wikipedia über die Ndrangheta (englisch)

Meine Besprechung von Andreas Ullrichs „Das Engelsgesicht“ (Biographie über Giorgio Basile)


TV-Tipp für den 26. Mai

Mai 26, 2008

Tele 5, 22.05

Angel Heart (USA 1987, R.: Alan Parker)

Drehbuch: Alan Parker

LV: William Hjortsberg: Falling Angel, 1978 (Angel Heart)

Privatdetektiv Harry Angel soll einen verschwundenen Jazzmusiker finden. In New Orleans verschwimmen für ihn immer mehr die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit.

Exzellenter Okkultthriller, der die Handlung des Buches von New York nach New Orleans verlegt.

William Hjortsberg zum Film: „Parker wrote an excellent script and went on to make a memorable film.”

Mit Mickey Rourke, Robert De Niro, Lisa Bonet, Charlotte Rampling, Brownie McGhee, Dann Florek

Wiederholung: Dienstag, 27. Mai, 02.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage von William Hjortsberg

Thrilling Detective über Harry Angel

Mordlust über „Angel Heart“


TV-Tipp für den 25. Mai

Mai 25, 2008

Pro 7, 23.00

Sin City (USA 2005, R.: Robert Rodriguez, Frank Miller [special guest director: Quentin Tarantino])

Drehbuch: Frank Miller

LV: Frank Miller: Sin City (verschiedene Graphic Novels)

Frank Miller erschuf in seinen düsteren Noir-Comics die Welt von „Sin City“. Robert Rodriguez verfilmte, zusammen mit Miller (und etwas Hilfe von seinem Kumpel Quentin), kongenial drei „Sin City“-Geschichten: Marv will den Mord an seiner Lieblingshure rächen; Privatdetektiv Dwight unterstützt eine Nutten-Gang gegen ein Verbrechersyndikat; Cop Hartigan will eine Stripperin aus den Fängen eines Triebtäters befreien. Keine dieser Geschichten endet wirklich glücklich, aber der Film gehört zu den wenigen geglückten Comic-Verfilmungen. Weitere Verfilmungen von „Sin City“-Geschichten sind immer noch geplant.

Mit Jessica Alba, Powers Boothe, Jude Ciccolella, Rosario Dawson, Benicio Del Toro, Josh Hartnett, Rutger Hauer, Evelyn Hurley, Michael Madsen, Frank Miller, Brittany Murphy, Clive Owen, Mickey Rourke, Bruce Willis, Elijah Wood

Wiederholung: Montag, 26. Mai, 02.45 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage zur „Sin City“-DVD

Troublemaker Studios (Homepage von Robert Rodriguez)

Spiegel: Interview mit Frank Miller zum Film

Evolver über Frank Miller (August 2005)

Fanseite über Frank Miller

Lambiek über Frank Miller

art of Frank Miller

Moebiusgraphics: Ausführliches, vollständiges (?) Werkverzeichnis


TV-Tipp für den 24. Mai

Mai 24, 2008

RBB, 20.15

NDR, 23.45

TATORT: Taxi nach Leipzig (D 1970, R.: Peter Schulze-Rohr)

Drehbuch: Friedhelm Werremeier

LV: Friedhelm Werremeier: Taxi nach Leipzig, 1970

An der Autobahn Leipzig-Berlin wird eine Kinderleiche gefunden. Als Kommisar Trimmel erfährt, dass der Vater des Kindes vor wenigen Tagen von Hamburg nach Frankfurt gezogen ist und einen gleichaltrigen Sohn hat, ist seine Neugierde geweckt. Er fährt – entgegen aller Dienstvorschriften – in die DDR.

Mit „Taxi nach Leipzig“ begann am 29. November 1970 ein Experiment, das sich „Tatort“ nannte und zuerst auf zwei Jahre befristet war. Am 27. Mai wird der siebenhundertste „Tatort“ ausgestrahlt; der ebenfalls in Leipzig spielt.

Der erste Trimmel-Tatort ist ein Klassiker. Dabei waren die nächsten Trimmel-Tatorte auch nicht schlecht. Kein Wunder, denn das Team Werremeier/Schulze-Rohr arbeitete weiter zusammen.

Friedhelm Werremeiers „Taxi nach Leipzig“ erschien vor wenigen Tagen, versehen mit einem kundigen Nachwort von Frank Göhre, in der Edition Köln. Es ist einer der Klassiker des deutschen Kriminalromans und auch heute immer noch absolut lesenswert. Werremeier schrieb mit seinem Kommissar Trimmel eine alternative Chronik der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und eigentlich sollten alle Trimmel-Romane wieder veröffentlicht werden. Bis dahin hilft nur der Gang in das nächste Antiquariat.

Mit Walter Richter, Edgar Hoppe, Hans Peter Hallwachs, Günter Lamprecht

Hinweise

Krimilexikon über Friedhelm Werremeier

Galerie der Detektive über Paul Trimmel

3sat über „Taxi nach Leipzig“

Das Erste über den „Tatort“

Tatort-Fundus (eine umfangreiche Fanseite)

Extra-Hinweis

Tatort-Fans dürfen sich heute ab 20.15 Uhr die volle Ladung Tatort-Klassiker geben (danach gibt’s wieder monatelangen Entzug):

RBB, 22.05: Tatort: Der Fall Schimanski (D 1991, R.: Hajo Gies, B.: Axel Götz, Thomas Wesskamp)

NDR, 01.10: Tatort: Strandgut (D 1972, R.: Wolfgang Petersen, B.: Herbert Lichtenfeld)

NDR, 02.55: Tatort: Kneipenbekanntschaft (D 1974, R.: Jörg-Michael Baldenius, B.: Hans Drawe, Rüdiger Humpert)


Gut, aber zu lang

Mai 23, 2008

Neben der überaus erfolgreichen Lincoln Rhyme/Amelia Sachs-Reihe will Jeffery Deaver mit Kathryn Dance eine weitere Reihe etablieren. Dance trat bereits in dem Rhyme/Sachs-Roman „Der gehetzte Uhrmacher“ (The cold moon, 2006) auf und in „Die Menschenleserin“ haben Rhyme/Sachs einen kurzen telefonischen Auftritt.

Aber im Mittelpunkt steht Kathryn Dance vom California Bureau of Investigation. Die alleinerziehende Mutter (ihr Mann starb bei einem Unfall) ist Verhörspezialistin. Aus den Reaktionen der Verhörten folgert sie, welche Aussagen stimmen und welche nicht.

Jetzt soll sie im Bezirksgericht von Salinas Daniel Pell verhören. Pell wurde vor acht Jahren verurteilt. „Charlie Mansons Sohn“, so nannte ihn die Anklage, hatte mit seinen Jüngern eine Familie ermordet. Vor kurzem tauchten Beweise auf, die ihn mit einem weiteren Mord in Verbindung bringen. Dance soll herausfinden, ob Pell auch diesen Mord begangen hat. Schnell bringt sie Pell in Rage und er bricht das Verhör ab. Im Büro des leitenden Staatsanwalts von Monterey County bemerkt Dance, dass die Beweise gefälscht waren, damit Pell aus dem Hochsicherheitsgefängnis zu einem Verhör in das schlechter gesicherte Bezirksgefängnis gebracht wurde. Als Dance die anderen Polizisten über den geplanten Ausbruch informieren will, ist es bereits zu spät. Eine Bombe explodiert und Pell kann in dem anschließenden Chaos ausbrechen. Dabei bringt er drei Menschen um und verletzt einen weiteren Polizisten schwer. Sie sind nicht die letzten Opfer auf seiner Flucht.

Doch in Kathryn Dance hat Pell einen ebenbürtigen Gegner gefunden. Bereits am ersten Tag seiner Flucht kann er ihr, zusammen mit der in ihn verliebten Fluchthelferin, mehrmals nur knapp entkommen.

Im Folgenden bietet Jeffery Deaver einige Action-Szenen, viel Suspense und etliche Szenen, in denen die Verhörspezialistin Dance mit ihren Fähigkeiten brillieren kann, indem sie mit den ehemaligen weiblichen Opfern von Pell redet. Und natürlich sind die Hintergründe für Pells Ausbruch Deaver-typisch komplizierter als sie auf den ersten Blick scheinen.

Aber gerade im direkten Vergleich mit den in „Gezinkt“ (More twisted, 2006 – Besprechung folgt) versammelten Kurzgeschichten enttäuscht „Die Menschenleserin“. Während die Kurzgeschichten ohne große Erklärungen auf eine Schlusspointe zusteuern, verbringt Deaver in „Die Menschenleserin“ viel zu viel Zeit mit überflüssigen Erklärungen. So erklärt er auf fünf Zeilen, was „Waco“ ist. Bei über fünfhundert Seiten sind fünf Zeilen zwar nicht viel, aber jeder Amerikaner kennt Waco. Jedes Verhör von Dance wird mit langen Erklärungen über die verschiedenen kinesischen Signale verlängert. Vieles davon ist einfach überflüssig, wie diese Ausführungen: „Das Verb ‚glauben’ ist für Verhörspezialisten von großer Bedeutung, denn es zählt zu den charakteristischen Formulierungen für eine Verleugnung – wie ‚ich kann mich nicht erinnern’ oder ‚vermutlich nicht’. Seine Bedeutung: Ich winde mich, sage aber nicht einfach nein. Dance schloss daraus, dass das Paar die Kinder problemlos im Griff hatte.“

Bei diesen länglichen Erklärungen, die sich wie ein Copy&Paste aus einem Lehrbuch lesen, und dem Ende in mehreren Häppchen drängt sich der Eindruck auf, dass Deaver eine bestimmte Menge von Seiten schreiben wollte. Gerade gegen Ende, wenn die Flucht von Daniel Pell endet, ist der Roman noch lange nicht zu Ende. Stattdessen serviert Deaver noch einige Plottwists, die ohne große Mühe wirkungsvoller mit dem Ende von Pells Flucht aufgedeckt worden wären.

Deshalb ist „Die Menschenleserin“ nur ein weiterer zu lang geratener Thriller, der gekürzt zu einem besseren Buch geworden wäre.

Jeffery Deaver: Die Menschenleserin

(übersetzt von Thomas Haufschild)

Blanvalet, 2008

544 Seiten

19,95 Euro

Originaltitel

The sleeping doll

Simon & Schuster, Inc., New York, 2007

Hinweise
Homepage von Jeffery Deaver

Blanvalet Homepage über Jeffery Deaver

Amazon.com: Interview mit Jeffery Deaver zu “The sleeping doll”

Meine Besprechung von “Auf ewig” (Forever, 2005)


TV-Tipp für den 23. Mai

Mai 23, 2008

Pro 7, 20.15

Der Knochenjäger (USA 1999, R.: Philip Noyce)

Drehbuch: Jerome Iacone

LV: Jefferey Deaver: The bone collector, 1997 (Die Assistentin, Der Knochenjäger)

Der fast vollständig gelähmte Superdetektiv Lincoln Rhyme sucht mit seinem Assistenten, der Streifenpolizistin Amelia Donaghy, einen Serienkiller.

Nach all den Serienkiller-Filmen ist „Der Knochenjäger“ ziemlich langweilige Kost.

Mit Denzel Washington, Angelina Jolie, Ed O´Neill, Michael Rooker, Queen Latifah, Luis Guzman

Wiederholung: Sonntag, 25. Mai, 00.15 (Taggenau!)

Hinweise

Homepage von Jeffery Deaver

Meine Besprechung von „Die Menschenleserin“ (The sleeping doll, 2007)

Meine Besprechung von „Auf ewig“ (Forever, 2005)


Sprache: gut, Plot: ungenügend

Mai 22, 2008

In seinem zweiten Kriminalroman hat Matti Rönkä seinen Ich-Erzähler Viktor Kärppä endgültig die Seiten wechseln gelassen. Bereits in „Der Grenzgänger“ funktionierte Kärppä nur leidlich als Vorbild für angehende Privatdetektive. Das lag nicht an seinem schlechten Einkommen (kein literarischer Privatdetektiv zählt zu den Großverdienern), seinen Kontakten zur Polizei und zu Verbrechern (irgendwie muss er ja an seine Informationen herankommen), seiner Vergangenheit (besonders beliebt sind ehemalige Staatsdiener; inzwischen haben sich auch einige Vorbestrafte zu dem illustren Kreis der Privatdetektive gesellt), seinem Single-Dasein (Privatdetektive haben Sex, vielleicht sogar eine feste Beziehung, aber sie sind nicht verheiratet), sondern an seiner – nun ja – laxen Arbeitsauffassung. In „Der Grenzgänger“ ermittelte er ziemlich halbherzig und machte nebenbei Geschäfte mit der Organisierten Kriminalität. In Helsinki hilft ihm bei letzterem seine Herkunft als Russe und ehemaliger Elitesoldat mit den dazugehörigen Verbindungen zum Geheimdienst.

In „Bruderland“ verdient Viktor Kärppä sein Geld als Subunternehmer für verschiedene Baufirmen. Selbstverständlich beschäftigt er Schwarzarbeiter. Außerdem handelt er mal mehr, mal weniger legal mit Gütern und versorgt die finnische Skinationalmannschaft mit illegalen Aufputschmitteln. Dieser Geschäftsbereich ist wegen polizeilicher Ermittlungen derzeit nicht aktiv. Sein Detektivbüro hat er für dieses, in dem angenehm schmalen Roman breit erzählte, diversifizierte Unternehmertum aufgegeben.

Jetzt fordert ihn sein Polizeifreund Korhonen auf, herauszufinden, wer ein Superheroin, das bereits viele Jugendliche umbrachte, verkauft. Die Spur führt in die ehemalige Sowjetunion und Kärppä hat immer noch ausgezeichnete Kontakte in den Osten zum Geheimdienst und zur Russenmafia – wobei einige seiner Freunde mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion einfach die Seiten gewechselt haben.

Wer jetzt allerdings, wie in „Der Grenzgänger“, einen fetzigen Privatdetektivkrimi der Hardboiled-Schule erwartet, wird in Matti Rönkäs zweitem Roman nur halbherzig bedient. Schon in „Der Grenzgänger“ war die Entwicklung des Krimiplots nicht überragend. Aber immerhin gab es am Ende einige hübsche Überraschungen. In „Bruderland“ kann davon keine Rede mehr sein. Kärppä ermittelt in „Bruderland“ noch weniger als in „Der Grenzgänger“. Bis er im letzten Viertel des Romans „Bruderland“ eine Reise nach Russland unternimmt, ermittelt er nicht und es gibt auch keine erkennbaren Hinweise auf die Rauschgiftschmuggler. Kurz: die Geschichte bewegt sich nicht voran. Dafür erzählt Kärppä viel – und unterhaltsam – von seinen halbseidenen Geschäften und liest die Mails seiner gerade in den USA studierenden Freundin.

Doch auch als Kärppä gegen Ende nach St. Peterburg fährt, sucht er dort nicht nach den Rauschgifthändlern, sondern verdient als Geldeintreiber für die dortige Russenmafia Geld, während der Bandenchef für ihn herausfindet, wer hinter den Rauschgiftlieferungen steckt. Zurück in Helsinki gibt es dann eine überflüssige Action-Szene, ein, zwei Überraschungen und das war’s.

Wenn Matti Rönkä nicht in einem so angenehm lakonischen Tonfall erzählen würde, wäre „Bruderland“ ein Fall für die Mülltonne. Denn der zusammengehauene Krimiplot erreicht kaum die Qualität eines C-Picture.

Matti Rönkä: Bruderland

(übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara)

Grafit, 2008

224 Seiten

17,90 Euro

Originaltitel

Hyvä veli, paha veli

Gummerus Kustannus Oy, Helsinki/Finnland, 2003

Hinweis

Meine Besprechung von „Der Grenzgänger“


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