DVD-Kritik: „The Ark – Wir sind nicht allein“, aber diese Aliens sind immer so feindselig

Juli 31, 2013

 

Produktiv ist Christian Slater ja. Für dieses Jahr sind bereits sieben Filme in der IMDB gelistet, von denen man sich meisten wahrscheinlich nicht ansehen muss. Letztes Jahr hatte er, neben Sylvester Stallone, eine kleine, aber gute Rolle in Walter Hills sehenswertem „Shoutout – Keine Gnade“. In den vergangenen Jahren war er auch der Hauptdarsteller in mehreren kurzlebigen TV-Serien, die niemals im deutschen TV gezeigt wurden, aber vielversprechende Prämissen hatten; was nicht von seinem neuesten Film „The Ark“ gesagt werden kann.

Denn die Ausgangsidee von „The Ark“ stammt aus der Science-Fiction-Ursuppe. Slater spielt Colonel Gerard Bruchman, den Leiter einer vierköpfigen, einjährigen Mondmission. Während ihres Aufenthalts wird die Station „Ark“ von einem Meteoritenschwarm fast vollständig zerstört, die Funkverbindung funktioniert auch nicht mehr und eine außerirdische Lebensform, die es in die Station schafft, bereitet ihnen Probleme. Denn dieser Alien ist ihnen nicht besonders freundlich gesonnen…

Das klingt vertraut. Auch wenn man den genialen SF-Horrorfilm „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ nicht gesehen hat. Aber Ava Cameron (Amy Matysio), die einzige Frau der „Ark“-Besatzung, wird von den außerirdischen Sporen infiziert, gebärt im Schnellverfahren ein Kind und hat später auch eine besondere Beziehung zu dem Alien, das den Körper des Besatzungsingenieurs (Michael Therriault in einer Doppelrolle) dupliziert.

Und die kleine Mondstation ist dann irgendwie doch verdammt groß. Jedenfalls müssen die vier Astronauten immer unglaublich lange durch dunkle Gänge laufen, um zum Ort des Geschehens zu gelangen. Sowieso halten die Vier, die eigentlich nur die wenigen Tage, bis die Rettung von der Erde naht, überleben müssen, sich bevorzugt alleine in getrennten Räumen auf. Das ist, weil sie dem Alien damit natürlich unzählige Angriffsmöglichkeiten anbieten, nicht besonders intelligent, gehört aber zum Genre.

Außerdem habe ich nie verstanden, wann sie wo mit welchen Sauerstoffgeräten atmen können.

The Ark“ ist selbstverständlich, nach konventionellen Standards beurteilt, kein guter Film.

Aber als kleiner Invasions-Science-Fiction-Thriller mit halbwegs prominenter Besatzung (neben Slater ist auch der aus „Roswell“ und „CSI Miami“ bekannte Brendan Fehr dabei) unterhält der Film von „Battlefield Earth“-Regisseur Roger Christian (der auch eine Oscar-Nominierung für seine „Alien“-Sets erhielt) kurzweilig, aber auch wenig aufregend und ohne größere Ambitionen. So als Zwischendurchfutter für den Genrejunkie ist Christians durch und durch durchschnittliches, mit überschaubarem Budget gedrehtes, angenehm kurzes B-Picture okay.

The Ark - DVD-Cover

The Ark – Wir sind nicht allein (Stranded, Kanada 2012)

Regie: Roger Christian

Drehbuch: Christian Piers Betley, Roger Christian

mit Christian Slater, Brendan Fehr, Amy Matysio, Michael Therriault

DVD

Sunfilm

Bild: 1:2,35 (16:9)

Ton: Deutsch (DTS, DD 5.1), Englisch (DD 5.1)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Trailer (deutsch, englisch)

Länge: 84 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Facebook-Seite zum Film

Rotten Tomatoes über „The Ark“

Homepage von Christian Slater


Erster Materialrundumschlag für „Die andere Heimat“ von Edgar Reitz

Juli 31, 2013

Edgar Reitz (Homepage), der in den Achtzigern mit seiner TV-Serie „Heimat“ (einer Chronik des Jahrhunderts, spielend in dem fiktiven Hunsrück-Ort Schabbach) zeigte, was im Fernsehen alles möglich und heute unvorstellbar ist, mit „Die zweite Heimat – Chronik einer Jugend“ (1992) und „Heimat 3 – Chronik einer Zeitenwende“ (2004) würdig fortsetzte, hat jetzt, für das Kino, „Die andere Heimat“ gedreht.

Die Weltpremiere ist auf dem Internationalen Film Festival Venedig. Der deutsche Kinostart ist am 3. Oktober und ich freue mich schon riesig auf den Film

Die offizielle Synopse:

Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts Hungersnöte, Armut und Willkürherrschaft die Menschen niederdrückten, sind Hunderttausende aus Deutschland ins ferne Südamerika ausgewandert. Auch Jakob versucht alle Grenzen hinter sich zu lassen, die einem Bauernjungen in dieser Zeit gesetzt sind. Er liest jedes Buch, dessen er habhaft werden kann, er studiert die Sprachen der Urwaldindianer, er entwirft Pläne für die romantischsten Abenteuer in den Wäldern Brasiliens und beschreibt seinen Aufbruch aus dem Hunsrück in einem erstaunlichen Tagebuch, das nicht nur seine Geschichte und seine Gedanken wiedergibt, sondern das Lebensbild einer ganzen Zeit. In den Strudel von Jakobs Träumen werden alle gesogen, die ihm begegnen: Seine von Mühsal und Arbeit geplagten Eltern, sein streitbarer, älterer Bruder Gustav und vor allem das schöne Jettchen, die Tochter eines verarmten Edelsteinschleifers und ihre beste Freundin Florinchen. Was kann es in dieser kargen Bauernwelt schöneres geben, als Jakobs Erzählungen zu folgen und mit ihm Pläne zu schmieden für ein glücklicheres Leben jenseits des Weltmeeres? Die Sehnsucht der jungen Menschen droht immer wieder zu zerbrechen – an der Unwissenheit der Zeit und an Krankheiten; an Tod und Naturkatastrophen, die über das Land hereinbrechen. Die Rückkehr des Bruders Gustav aus dem preußischen Militärdienst gibt den Anstoß für Ereignisse, die die Liebe zwischen Jakob und Jettchen jäh erschüttern und Jakobs Leben in eine völlig unerwartete Richtung lenken wird.

Edgar Reitz ist mit seinem neuen Film ein Ausnahmewerk, ein filmisches Epos gelungen, das in der heutigen Filmlandschaft kaum einen Vergleich finden wird. Auf Breitwand gedreht, entstanden unter der Kamera von Gernot Roll gewaltige Bilder, die ein Hunsrückdorf aus dem 19. Jahrhundert lebendig werden lassen und den Zuschauer auf eine Zeitreise einladen. Detailversessen in Ausstattung, Szenenbild und Kostüm, unterstützt durch ein junges Schauspieler-Ensemble, allen voran Jan Schneider als Jakob, Maximilian Scheidt als Gustav, Antonia Theresa Bill als Jettchen und Philine Lembeck als Florinchen, sowie Marita Breuer („Heimat“) als Mutter Simon, ist DIE ANDERE HEIMAT – CHRONIK EINER SEHNSUCHT eine bewegende Familien- und Liebesgeschichte voller Emotionalität und Sinnlichkeit.
„Edgar Reitz ist ein großes episches Werk gelungen, das zeitlos in die Filmgeschichte eingehen wird“, beurteilt die Jury der FBW zur Vergabe des Prädikats „besonders wertvoll“.
Darüber hinaus wirft der Film wie selbstverständlich genau die Fragen auf, die aktueller kaum sein könnten: die Frage nach Zugehörigkeit, Freiheit der Gedanken, und was man heute noch als Heimat benennen und wie stark eine Sehnsucht nach einem besseren Leben sein kann.

Die ersten drei Trailer:

Bei den Trailern ist klar, dass „Die andere Heimat“ ein ungewöhnlicher Film sein wird, der in jedem Fall grandios sein wird. Entweder grandios grandios oder grandios gescheitert.

Es gibt den Mitschnitt der Pressekonferenz zum Drehstart:

Ein kurzer Bericht vom Drehort

Und im September erscheint ein Buch zum Film:

Reitz - Die andere Heimat - Filmbuch

Edgar Reitz: Chronik einer Sehnsucht – Die andere Heimat

Schüren, 2013

240 Seiten

19,90 Euro

 

 


TV-Tipp für den 31. Juli: Jesse Stone – Eiskalt

Juli 31, 2013

ZDFneo, 22.30

Jesse Stone – Eiskalt (USA 2005, R.: Robert Harmon)

Drehbuch: John Fasano, Michael Brandman

LV: Robert B. Parker: Stone Cold, 2003

Das Städtchen Paradise hat zwei neue Einwohner: die Lincolns. Sie sind Serienkiller und der Polizeichef von Paradise, Jesse Stone, beginnt sie zu jagen.

Neben der erfolgreichen Spenser-Serie und der unter Fans gehassten Sunny-Randall-Serie schrieb Robert B. Parker auch die Jesse-Stone-Romane. In ihnen ist ein geschiedener L.-A.-Cop mit einem Alkoholproblem, der in der Kleinstadt Paradise bei Boston zur Ruhe kommen will, der Held. Gerade die ersten Romane waren düsterer als von Robert B. Parker gewohnt und sorgfältiger konstruiert als die Spenser-Romane, die von Parker teilweise per Autopilot geschrieben werden.

„Stone Cold“ ist der vierte Jesse-Stone-Roman, aber die erste Jesse-Stone-Verfilmung. Der angenehm altmodische Thriller wurde positiv aufgenommen. Insgesamt wurden acht Jesse-Stone-Filme im US-TV ausgestrahlt.

Mit Tom Selleck, Jane Adams, Reg Rogers, Mimi Rogers

Weitere Jesse-Stone-Filme auf ZDFneo

Mittwoch, 7. August, 22.30 Uhr: Totgeschwiegen

Mittwoch, 14. August, 22.30 Uhr: Alte Wunden

Mittwoch, 21. August, 22.30 Uhr: Dünnes Eis

Mittwoch, 28. August, 22.30 Uhr: Ohne Reue

Hinweise

Homepage von Robert B. Parker

Mein Porträt der Spenser-Serie und von Robert B. Parker

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Die blonde Witwe“ (Widow’s walk, 2002)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers “Alte Wunden” (Back Story, 2003)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Der stille Schüler“ (School Days, 2005)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Der gute Terrorist“ (Now & Then, 2007)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers “Hundert Dollar Baby” (Hundred Dollar Baby, 2006)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Trügerisches Bild“ (Painted Ladies, 2010)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers “Bitteres Ende” (The Professional, 2009)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Wildnis“ (Wilderness, 1979)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Appaloosa“ (2005)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Appaloosa“ (Appaloosa, 2005) (Übersetzung)

Meine Besprechung von Robert B. Parkers „Das dunkle Paradies“ (Night Passage, 1997)

Mein Nachruf auf Robert B. Parker

Robert B. Parker in der Kriminalakte


Cover der Woche

Juli 30, 2013

Bleeck - Ein scharfes Baby


TV-Tipp für den 30. Juli: Choke – Der Simulant

Juli 30, 2013

ZDFkultur, 22.00

Choke – Der Simulant (USA 2008, R.: Clark Gregg)

Drehbuch: Clark Gregg

LV: Chuck Palahniuk: Choke, 2001 (Der Simulant)

Schnelles Geld und schneller Sex beherrschen das triste und ziemlich verkorkste Leben von Victor. Da verliebt er sich in eine Ärztin…

Flotte, schwarzhumorige Groteske nach einem Roman von Chuck Palahniuk („Fight Club“) mit einem grandiosen Sam Rockwell über Abhängigkeiten und die Sucht danach, anderen Menschen zu gefallen. Denn hier spielt jeder Charakter den anderen etwas vor und alle Beziehungen sind gestört.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Sam Rockwell, Anjelica Huston, Kelly MacDonald, Brad William Henke, Clark Gregg

Wiederholung: Mittwoch, 31. Juli, 00.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage zum Film

Homepage von Chuck Palahniuk

Rotten Tomatoes über „Choke“

Slashfilm: Interview mit Clark Gregg über “Choke” (23. Januar 2008)

Meine Besprechung von Chuck Palahniuks „Diva“ (Tell-All, 2010)


Überwachungsstaat – Was ist das?

Juli 29, 2013

Etwas didaktisch und für Einsteiger, aber informativ


TV-Tipp für den 29. Juli: Casablanca

Juli 29, 2013

Arte, 20.15

Casablanca (USA 1942, R.: Michael Curtiz)

Drehbuch: Julius J. Epstein, Philip G. Epstein, Howard Koch

LV: Murray Burnett, Joan Alison: Everybody comes to Rick’s (Theaterstück)

Gerade hat sich Rick in Casablanca eingerichtet, als seine alte Liebe auf der Flucht vor den Nazis bei ihm auftaucht.

Casablanca ist das Kernstück des Bogart-Kults und ein Pflichttermin für Cineasten.

Mit Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, Paul Henreid, Claude Rains, Conradt Veidt, Sydney Greenstreet, Peter Lorre, Curt Bois

Wiederholung: Dienstag, 30. Juli, 13.55 Uhr

Hinweise

Wikipedia über „Casablanca“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 28. Juli: The Minus Man – Der nette Mörder von nebenan

Juli 27, 2013

Läuft viel zu selten

RBB, 23.45

The Minus Man – Der nette Mörder von nebenan (USA 1999, R.: Hampton Fancher)

Drehbuch: Hampton Fancher

LV: Lew McCreary: The Minus Man, 1991 (Der Schrecken des letzten Lächelns; The Minus Man)

Der neue Nachbar Vann hat ein Geheimnis. Er ist ein Serienkiller. Als er sich in Ferrin verliebt, hat er die Chance auf ein neues Leben – oder sein nächstes Opfer.

Langsam erzähltes Regiedebüt von Blade-Runner-Drehbuchautor Hampton Fancher mit einem überraschendem Ende.

„Aus dem Widerspruch zwischen Kleinstadtidylle und dem leisen Grauen zieht der Film seine Spannung. Der Serienkiller ist nun auch im letzten heimeligen Ort angekommen.“ (Martin Schwarz, Zitty 20/2000)

Mit Owen Wilson, Brian Cox, Mercedes Ruehl, Janeane Garofalo, Dwight Yoakam, Dennis Haysbert, Sheryl Crow, Lew McCreary (Cameo als Mann Wendy’s Place Diner)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „The Minus Man“

Wikipedia über „The Minus Man“ (deutschenglisch)

New England Film: Ein lesenswerter Artikel über die Zusammenarbeit zwischen McCreary und Fancher


TV-Tipp für den 27. Juli: Vengeance – Killer unter sich

Juli 27, 2013

3sat, 23.40

Vengeance – Killer unter sich (Hongkong/Frankreich 2009, R.: Johnny To)

Drehbuch: Ka-Fai Wai

In Macao wird die Tochter des französischen Restaurantbesitzers Francis Costello in ihrer Wohnung schwer verletzt. Ihre Familie wird ermordet. Costello beschließt, die Täter zu stellen. Dabei helfen dem ehemaligen Profikiller einige Kollegen, die er zufällig im Hotel trifft.

Mit dem Neo-Noir „Vengeance“ zeigt Hongkong-Regisseur Johnnie To wieder einmal, wofür ihn Filmfans seitdem sie vor über zehn Jahren seinen stilisierten Gangsterfilm „The Mission“ (Unbedingt ansehen!) sahen, lieben: schnörkelloses Genrekino mit stilvoll eingestreuten Zitaten und gerade in ihrer Reduktion grandiosen Actionszenen. Das ist in seiner Stilisierung pures Kino, das näher bei Jean-Pierre Melville als an der Wirklichkeit ist.

mit Johnny Hallyday, Sylvie Testud, Anthony Wong, Simon Yam

 

Hinweis

Meine ausführliche Besprechung von „Vengeance“


TV-Tipp für den 26. Juli: Lord of War – Händler des Todes

Juli 26, 2013

RTL II, 22.35

Lord of War – Händler des Todes (USA 2005, R.: Andrew Niccol)

Drehbuch: Andrew Niccol

There are over 550 million firearms in worldwide circulation. That’s one firearm for every twelve people on the planet. The only question is: How do we arm the other 11? (Yuri Orlov)

Einer der wenigen ansehbaren Nicolas-Cage-Filme, die der Schauspieler in diesem Jahrzehnt drehte. Dafür sammelte er in den vergangenen Jahren Razzie-Nominierungen.

In der knalligen Satire „Lord of War – Händler des Todes“ spielt er Yuri Orlov, einen Waffenhändler, der ungefähr jeden Potentaten der Nach-Kalter-Kriegs-Welt mit Waffen beliefert. Der Film erzählt in kurzen Episoden die Geschichte seines märchenhaften Aufstiegs von den Hinterhöfen Little Odessas in die Hinterhöfe der Weltpolitik. Denn mit dem illegalen Waffenhandel kann viel Geld verdient werden.

That was intentional, just to be a little subversive and make almost like a ‘how-to’ film – how to be an arms dealer – and I thought that would be a more interesting way into it than a typical story structure. (Andrew Niccol)

Mit Nicolas Cage, Jared Leto, Bridget Moynahan, Ian Holm, Ethan Hawke

Wiederholung: Montag, 29. Juli, 02.15 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über “Lord of War”

Drehbuch „Lord of War“ von Andrew Niccol

Moviefreak: Interview mit Andrew Niccol

IGN: Interview mit Andrew Niccol

Spike: Andrew Niccol redet über „Lord of War“

Meine Besprechung von Andrew Niccols „Seelen“ (The Host, USA 2013)


Neu im Kino/Filmkritik: Jep Gambardella sucht „La grande Bellezza“

Juli 25, 2013

La grande Bellezza“, der neue Film von „Il Divo – Der Göttliche“- und „Cheyenne – This must be the Place“-Regisseur Paolo Sorrentino beginnt mit einem tödlichen Herzanfall und einer Geburtstagsfeier. Dem Toten werden wir nicht mehr begegnen. Aber dem Geburtstagskind schon. Es ist Jep Gambardella (Toni Servillo, grandios), ein Gesellschaftsreporter, der zu seinem 65. Geburtstag eine riesige Sause mit den Schönen und Reichen von Rom veranstaltet. Und auch wenn er einerseits die Aufmerksamkeit genießt, ist er von seinem Leben gelangweilt und er hält es für verpfuscht. Denn nach seinem hochgelobten Erstling, den er vor vierzig Jahren als junger Mann schrieb, folgte kein weiterer Roman. Nur noch Reportagen – und er stolziert wie ein italienischer Tom Wolfe, durch die Szenerie und erfreut mit seinen lebensweisen Sprüchen sein Publikum. Denn immerhin versucht er gar nicht, eine nicht vorhandene Tiefe vorzutäuschen. Er flüchtet sich, wie seine Freunde, in Banalitäten und Alkohol, der auf seiner Terrasse, mit Blick auf das Kolloseum, reichlich genossen wird.

La grande Bellezza – Die große Schönheit“ erinnert einerseits an die überbordenden Filme von Frederico Fellini. „Das süße Leben“ (La dolce Vita, 1960) und „Fellinis Roma“ (1972) werden auch von Sorrentino immer wieder als Einfluss genannt und daher in fast jeder Kritik auch erwähnt. Michelangelo Antonioni dagegen nicht. Obwohl Sorrentino gerade von dessen grandioser Trilogie „Die mit der Liebe spielen“ (L’Avventura, 1959), „Die Nacht“ (La Notte, 1960) und „Liebe 1962“ (L’Eclisse, 1962) über gesellschaftliche und erotische Depressionen in punkto Kameraarbeit und Stimmung viel geborgt hat.

Und damit wären wir auch bei dem großen Problem von „La grande Bellezza“. Es ist ein durch und durch musealer Film, der seine filmischen Vorbilder und Bezugspunkte in Filmen hat, die zu einer Zeit spielen, als Jep Gambardella noch in den Kinderschuhen steckte oder in seine Babywindeln machte und Paolo Sorrentino noch nicht geboren war. Sorrentino zeichnet eine römische Künstler- und Dolce-Vita-Schicht, die anscheinend in ihrer Jugend, die vor ungefähr vierzig oder fünfzig Jahren war, stehengeblieben ist und die sich absolut nicht um die aktuelle Politik und die Probleme Italiens kümmert. Und so hat die Kritik an der Kirche – ein Kardinal, der sich nur über Kochrezepte unterhalten will, eine Heilige, die ein afrikanischer Mutter-Teresa-Abklatsch ist (1997 verstorben) – etwas antiquiertes. Gambardellas Beziehung zu einer Erotic-Dancerin ist gar nicht mehr so aufregend, wie vor einem halben Jahrhundert in einem Film die Beziehung eines gebildeten Mannes zu einer Hure mit Herz.

Immer scheint die Zeit in „La grande Bellezza“ ungefähr 1965 stehen geblieben zu sein.

Das ist schade, weil die mit 146 Minuten überlange, episodische und ausufernde Charakter- und Milieustudie viele prächtige Szenen hat und Sorrentino immer wieder treffende Beobachtungen von dem leeren Leben einer nur um sich selbst kreisenden High Society gelingen. Er porträtiert ein Künstlermilieu, das auf den schönen Schein achtet, sich vollkommen von den alltäglichen Problemen in Berlusconis Italien abgekoppelt hat und noch nicht einmal zum Feindbild taugt, weil sie irgendwann aussterben wird.

Die sanft gleitende Kamera strahlt eine majestätische Ruhe aus, die eklektisch ausgewählte Musik pointiert die Bilder und eigentlich spiegelt die Länge, das Kein-Ende-finden-wollen des Films und die sich damit mit der Zeit einstellende Langeweile, auch das Leben der von sich selbst gelangweilten und sich wissentlich selbst betrügenden Protagonisten wieder.

La grande Bellezza - Plakat

La grande Bellezza – Die große Schönheit (La grande Bellezza, Italien/Frankreich 2013)

Regie: Paolo Sorrentino

Drehbuch: Paolo Sorrentino, Umberto Contarelli

mit Toni Servillo, Carlo Verdone, Sabrina Ferilli, Carlo Buccirosso, Iaia Forte, Pamela Villoresi

Länge: 146 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „La grande Bellezza“

Rotten Tomatoes über „La grande Bellezza“

Wikipedia über „La grande Bellezza“ (englisch, italienisch)

Meine Besprechung von Paolo Sorrentinos „Cheyenne – This must be the Place“ (Italien/Frankreich/Irland 2011)


Neu im Kino/Filmkritik: „Wolverine – Weg des Kriegers“ mit viel Japan-Atmosphäre und ohne X-Men-Unterstützung

Juli 25, 2013

 

Was hat man nicht alles vorher über den neuen Auftritt von Hugh Jackman als Wolverine, der unsterbliche Mutant mit dem Stahlklauen aus dem „X-Men“-Universum, gelesen. In Japan sollte er spielen (Stimmt.), sich an Frank Millers in Japan spielender „Wolverine“-Geschichte orientieren (Stimmt nicht. Er wird in den Credits noch nicht einmal als Inspiration genannt.), sich mehr um den Charakter kümmern (Hmhm.) und ein Neuanfang sein (Stimmt irgendwie schon.). Deshalb ist nach den „X-Men“-Filmen und Jackmans erstem Soloauftritt in „X-Men Origins: Wolverine“ (USA 2009) der Originaltitel „The Wolverine“. So werde deutlich, dass der Charakter im Mittelpunkt stehe und die X-Men, zu denen Wolverine gehört, in diesem Film egal seien. Im Film tauchen sie deshalb nicht auf. Und mit Regisseur James Mangold („Walk the Line“, „Todeszug nach Yuma“) und den Drehbuchautoren Mark Bomback („Stirb langsam 4.0“, „Total Recall“), Scott Frank („Out of sight“, „Minority Report“) und Christopher McQuarrie („Die üblichen Verdächtigen“, „Jack Reacher“), der eine frühere Fassung, die von Darren Aronofsky verfilmt werden sollte, schrieb, wollte man auch den Anspruch eines erwachsenen „Wolverine“-Films betonen.

Nun, der erste „Wolverine“-Film „X-Men Origins: Wolverine“ (USA/Neuseeland/Australien 2009) wurde von Gavin Hood („Tsotsi“, „Machtlos“) nach einem Drehbuch von David Benioff („25 Stunden“, „Game of Thrones“) und Skip Woods („Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben“ [Kein Kommentar]) gedreht – und schon allein bei den Credits konnte man an dem lauthals postulierten Anspruch von „Wolverine – Weg des Kriegers“ zweifeln. Obwohl „X-Men Origins: Wolverine“ eine ziemlich chaotische Geschichte erzählt, die eine Neuausrichtung durchaus rechtfertigt.

Und die Macher hatten bei „Wolverine – Weg des Kriegers“ auf den ersten Blick den Mut, in einem Superheldenfilm endlich mal etwas neues auszuprobieren. Denn sie erzählen nicht, wie der Superheld zum Superhelden wird, oder wie er in scheinbar endlosen Action-Szenen gegen einen unbesiegbaren, abgrundtief bösen Gegner, der die Welt, das Universum und den ganzen Rest vernichten will, kämpft. Nein, in „Wolverine – Weg des Kriegers“ will der unsterbliche Wolverine sterben – und der reiche, im Sterben liegende Japaner Lord Yashida (Haruhiko Yamanouchi), den er während des Atombombenabwurfs auf Hiroshima 1945 rettete, bietet ihm in der Gegenwart an, diesen Wunsch zu erfüllen.

Aber dann geht irgendetwas vollkommen schief. Drehbuchtechnisch.

Denn kaum ist Logan (so der bürgerliche Name von Wolverine) in Japan angekommen und hat Yashidas Angebot gehört, stirbt dieser und auf seiner Beerdigung wird ein Anschlag auf seine Enkeltochter Mariko (Tao Okamoto), die alles erben soll, verübt. Logan kann den Anschlag der Yakuzas verhindern. Zusammen mit ihr flüchtet er in eine einsam gelegene Hütte. Bei dem Kampf wurde Logan verletzt, aber im Gegensatz zu früheren Kämpfen, in denen seine Wunden sofort verheilten, heilen sie jetzt nicht. Er ist sterblich – und bricht nicht, weil endlich sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung geht, in Jubelgesänge aus, sondern er ist extrem stinkig, weil er jetzt Mariko retten und das Komplott gegen sie aufklären will.

Und zwischen all den Yakuzas und Samurais, die mal mit ihm, mal gegen ihn kämpfen, ist auch Viper, die halbseidene, sexy Ärztin von Lord Yashida, die Logan während eines Alptraums mit einem Kuss etwas injizierte, das sein Herz angreift. Gut. Das klingt ziemlich gaga, aber nach Elizabeth Shaws Selbstoperation in Ridley Scotts „Prometheus“ darf jetzt auch Logan sich selbst operieren und ein fremdes „Lebewesen“ aus dem eigenen Körper entfernen.

Die Story selbst ist ziemlich chaotisch, arg länglich und schlecht entwickelt. Denn es dauert gefühlte Ewigkeiten, bis der Hauptplot beginnt, weil wir zuerst erfahren, was 1945 in Japan geschah, wie Logan zurückgezogen in den Bergen lebt und sich mit einigen Hinterwäldlern anlegt, bevor er von Yukio (Rita Fukushima, auch sexy) entdeckt und nach Japan mitgenommen wird. Und dann, nachdem Logan Mariko (ebenfalls sexy; – halt wie alle Frauen in dem Film) auf der Trauerfeier vor ihren Häschern retten konnte, gibt es ein langatmiges Zwischenspiel, in dem Logan etwas über die Freuden der Sterblichkeit sinniert, bevor er, lange vor dem Filmende, doch beschließt, dass er unsterblich bleiben möchte. Das ist zwar nicht wirklich überraschend, aber damit wird die von den Machern groß propagierte Frage, welche Bedeutung Sterblichkeit hat, schnell ad acta gelegt. Es gibt dann noch etwas Gerede über Samurais, Ronins und dass Krieger für einen höheren Zweck kämpfen sollen. Oder so ähnlich.

Der Höhepunkt, der Schlusskampf, ist storytechnisch ein einziges Desaster, bei dem es letztendlich nur noch um ein jeder gegen jeden geht und das anscheinend aus einem anderen Film stammt.

Da hilft es auch nicht, dass James Mangold immer wieder schöne und auch eindrucksvolle Bilder zeigt (zum Beispiel wenn Logan in einem verschneiten Bergdorf von hunderten Pfeilen niedergestreckt wird), stilistisch an Samurai-Filme anknüpft und das ländliche mit dem urbanen Japan verknüpft. Für einen über zweistündigen Film ist das einfach zu wenig und dass Mangold bereits jetzt sagt, dass er einen längeren Director’s Cut plane, klingt da wie eine Drohung. Denn schon jetzt hätte man locker eine gute halbe Stunde kürzen können.

Wolverine – Weg des Kriegers“ (selbstverständlich in 3D) hat bis auf den Hauptdarsteller eigentlich nichts mit „X-Men Origins: Wolverine“ zu tun und ist auch erwachsener als dieser. Immerhin geht es um Sterblichkeit und den Verlust der großen Liebe; gespielt von Famke Janssen als Jean Grey, Logans one and only love, die er im Schlaf mit seinen Stahlklauen tötete und die ihm jetzt Alpträume beschert. Aber ehe die Macher sich dann zu sehr mit solch tiefsinnigen Fragen über Schuld, Sühne und Unsterblichkeit beschäftigten, gibt es immer wieder mal mehr, mal weniger übertriebene Action.

Auch dieser Wolverine ist kein guter Film.

Wolverine - Weg des Kriegers - Plakat

Wolverine – Weg des Kriegers (The Wolverine, USA 2013)

Regie: James Mangold

Drehbuch: Marc Bomback, Scott Frank, Christopher McQuarrie (ungenannt)

mit Hugh Jackman, Hiroyuki Sanada, Tao Okamoto, Rila Fukushima, Famke Janssen, Will Yun Lee, Svetlana Khodchenkova, Haruhiko Yamanouchi, Brian Tee

Länge: 129 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Wolverine – Weg des Krieges“

Metacritic über „Wolverine – Weg des Krieges“

Rotten Tomatoes über „Wolverine – Weg des Krieges“

Wikipedia über „Wolverine – Weg des Krieges“ (deutsch, englisch)

 

 


TV-Tipp für den 25. Juli: Cassandras Traum

Juli 25, 2013

Kabel 1, 20.15

Cassandras Traum (USA/Fr 2007, R.: Woody Allen)

Drehbuch: Woody Allen

Die Brüder Terry und Ian haben Geldprobleme. Da bietet ihnen Onkel Howard einen Weg aus der finanziellen Misere an: sie müssen einen seiner Geschäftspartner umbringen. Das ist leichter geplant, als getan.

Nach „Match Point“ und „Scoop“ drehte Woody Allen mit „Cassandras Traum“ seinen dritten Film in England und wieder ist es eine Kriminalgeschichte, die dem Krimi-Fan gefällt. 

Mit Ewan McGregor, Colin Farrell, Tom Wilkinson, Sally Hawkins, Hayley Atwell

Hinweise

Französische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Cassandras Traum“

Rotten Tomatoes über „Cassandras Traum“

Wikipedia über „Cassandras Traum“ (deutsch, englisch)

Ain’t it Cool redet mit Woody Allen über „Cassandras Traum“

Macleans: Interview mit Woody Allen (Januar 2008 )

OutNow.ch: Hayley Atwell über “Cassandras Traum”

Homepage von Woody Allen

Deutsche Woody-Allen-Seite

Meine Besprechung von Robert B. Weides „Woody Allen: A Documentary“ (Woody Allen: A Documentary, USA 2012)

Meine Besprechung von Woody Allens “To Rome with Love” (To Rome with Love, USA/Italien 2012)

Woody Allen in der Kriminalakte  


„Hallo. Ich bin der Doktor.“ – Doctor Who und das „Rad aus Eis“

Juli 24, 2013

 

Baxter - Doctor Who - Rad aus Eis

Auf der Insel ist „Doctor Who“ Kult. Bei uns ist er höchstens ein obskures Fan-Phänomen. Denn während in England seit einem halben Jahrhundert die Science-Fiction-TV-Serie, mit einer Unterbrechung von 1989 bis 2005, die mit Büchern, Hörspielen und Sondersendungen gefüllt wurde, läuft, der Doktor von verschiedenen Schauspielern gespielt wurde, etliche TV-Macher und Autoren, wie Douglas Adams und Ben Aaronovitch, durch die „Doctor Who“-Schule gingen, „Sherlock“-Erfinder Steven Moffat derzeit verantwortlich für die Serie ist, sie etliche Preise und einen Eintrag ins Guiness-Buch als erfolgreichste TV-Science-Fiction-Serie erhielt und für November zum fünfzigjährigem Jubiläum unter anderem ein Kinofilm geplant ist, liefen im deutschen TV nur einige Folgen.

Es wurden auch einige „Doctor Who“-Romane übersetzt, die inzwischen zu teils astronomischen Preisen antiquarisch angeboten werden. Und es gibt auch in Deutschland eine kleine Gruppe von „Doctor Who“-Fans, die wirklich alles über den geheimnisumwitterten Doktor wissen.

Der Doktor ist ein über tausendjähriger, menschlich aussehender Time Lord vom Planeten Gallifrey, der in einer Polizei-Notrufzelle, die eigentlich das Raumschiff TARDIS ist, mit verschiedenen Gefährten, durch die Zeit reist und versucht Katastrophen zu verhindern. Dabei nähert er sich friedfertig, aber mit nimmermüdem Forschergeist und britischem Humor (oder gallifreydscher Noblesse) den Phänomenen. Im Lauf der Jahre wurde er im TV von elf Schauspielern gespielt.

Stephen Baxter nahm für seinen jetzt erschienenen „Doctor Who“-Roman „Rad aus Eis“ den zweiten Doktor als Vorbild. Deshalb ist der Doktor hier ein Endvierziger mit Koteletten, der von Jamie McCrimmon, einem waschechten Schotten im Kilt aus dem achtzehnten Jahrhundert, und Zoe Heriot, einer aus der zweiten Hälfte des einundzwanzigsten Jahrhunderts kommenden Frau, begleitet wird. Die TARDIS schickt sie im Strudel jenseits von Raum und Zeit zu einen Saturnmond, weil es dort eine relative Kontinuum-Dislokationszone, vulgo einem Loch in der Zeit, das zu einer direkten Kontinuumsimplosion führen kann, entdeckte, die unser Sonnensystem vernichten kann.

Auf dem titelgebenden Rad aus Eis leben Menschen in drei Klassen und einer vierten für die Verbrecher, die die ganz unangenehmen Aufgaben übernehmen müssen. Letztendlich beherrscht wird die Minenkolonie, obwohl es einen fünfköpfigen inneren Rat für die Angelegenheiten des Mnemosyne-Gürtels gibt, von Florian Hart, der örtlichen Chefin des Bergbaukonsortiums, das auf dem Eismond Mnemosyne unglaublich seltenes Bernalium abbauen lässt.

In letzter Zeit häuften sich allerdings die Fälle von Sabotage und die Jugendlichen, die im Bergwerk arbeiten müssen, werden verdächtigt. Aber schon nach wenigen Minuten entdecken der Doktor und seine Gefährten, dass es kleine, blaue Wesen gibt. Deren Existenz wird von den Bewohnern geleugnet.

Als eigenständiger Roman zu einer bestehenden Serie muss „Rad aus Eis“ den Vorgaben der TV-Serie folgen und wahrscheinlich auch deshalb liest sich Stephen Baxters Roman von der Dramaturgie, der knappen Handlungszeit und den Personenkonstellationen immer wie eine Serienfolge. Gleichzeitig dient die Geschichte auch dazu, ordentlich Sozialkritik zu üben und damit verschiedene Gesellschaftsentwürfe gegenüberzustellen: den rein ökonomischen von Florian Hart, den liberal-humanistischen von dem Doktor, den aufbegehrenden Jugendlichen und den Erwachsenen, die sich bedingungslos an die Verhältnisse angepasst haben.

Es gibt eine ordentliche Portion Action und einen schönen Blick für die Absurditäten der verschiedenen Situationen. Das macht Spaß und lässt sich flüssig weglesen als kurzweilige Science-Fiction-Unterhaltung mit einem gesellschaftlichem Bewusstsein und britischem Humor. Auch für Menschen, die noch keine einzige „Doctor Who“-Folge gesehen haben. Denn Stephen Baxters Roman lässt sich auch einfach als humanistisch geprägte, in der Zukunft spielende Abenteuergeschichte lesen.

P. S.: Im Heyne Verlag, der bereits mehrere Bücher von Stephen Baxter veröffentlichte, erscheint im Dezember in der Reihe „Meisterwerke der Science-Fiction“ Stephen Baxters „Evolution“.

Stephen Baxter: Doctor Who – Rad aus Eis

(übersetzt von Claudia Kern)

Cross Cult, 2013

416 Seiten

22 Euro

Originalausgabe

Doctor Who – The Wheel of Ice

BBC Books, 2012

Hinweise

Homepage von Stephen Baxter

BBC über „Doctor Who“ (englisch, deutsch)

Wikipedia über „Doctor Who“ (deutsch, englisch)

BBC-YouTube-“Doctor Who“-Kanal (zum Abtauchen in den Strudel jenseits von Raum und Zeit)

 

 


TV-Tipp für den 24. Juli: Broken Flowers/The Limits of Control

Juli 24, 2013

HR, 23.15

Broken Flowers – Blumen für die Ex (USA/Frankreich 2005, R.: Jim Jarmusch)

Drehbuch: Jim Jarmusch (inspiriert von einer Idee von Bill Raden und Sara Driver)

Don Johnston (Stoneface Bill Murray) lungert nur noch in seiner Wohnung herum und träumt von seinen früheren Frauen. Eines Tages erhält er einen anonymen Brief, in dem steht, dass er einen 19-jährigen Sohn habe. Don, der bislang von seinem Vaterglück nichts wusste, macht sich auf den Weg quer durch die USA zu seinen alten Freundinnen, die er seit Ewigkeiten nicht gesehen hat und von denen eine die Mutter sein muss.

Jim Jarmusch erhielt für sein lakonisches Road-Movie über verpasste Chancen den Großen Preis der Jury in Cannes, einige weitere Preise, viel Kritikerlob – und an der Kinokasse lief der Film auch gut.

Mit Bill Murray, Julie Delpy, Jeffrey Wright, Sharon Stone, Frances Conroy, Chloë Sevigny, Jessica Lange, Tilda Swinton

Hinweise

Film-Zeit über „Broken Flowers“

Metacritic über „Broken Flowers“

Rotten Tomatoes über „Broken Flowers“

Wikipedia über „Broken Flowers“ (deutsch, englisch)

HR, 00.55

The Limits of Control – Der geheimnisvolle Killer (USA/Spanien 2009, R.: Jim Jarmusch)

Drehbuch: Jim Jarmusch

In Spanien soll ein schweigsamer Mann einen Auftrag ausführen. Auf seiner Reise trifft er mehrere Personen, die ihm weitere Hinweise über seinen Auftrag verraten.

“The Limits of Control“ ist sicher nicht der beste Film von Jim Jarmusch und definitiv ist er keine Wiederholung von seinem vorherigen Film „Broken Flowers“, aber der “Actionfilm ohne Action” (Jarmusch) ist natürlich sehenswert.

Zur TV-Premiere habe ich auch ein ausführliches Gespräch mit Jim Jarmusch gepostet.

mit Isaach De Bankolé, Alex Descas, Jean-François Stévenin, Paz de la Huerta, Tilda Swinton, John Hurt, Gael García Bernal, Bill Murray

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „The Limits of Control“

Rotten Tomatoes über „The Limits of Control“

Wikipedia über „The Limits of Control“ (deutsch, englisch)

Spiegel: Interview mit Jim Jarmusch zu “The Limits of Control”

Wikipedia über Jim Jarmusch (deutsch, englisch)

The Jim Jarmusch Resource Page

Senses of Cinema über Jim Jarmusch

Jim Jarmusch in der Kriminalakte


Cover der Woche

Juli 23, 2013

Aus gegebenem Anlass

Block - Hot Pants lassen Mörder kalt

 

 


TV-Tipp für den 23. Juli: Lady Vengeance

Juli 23, 2013

3sat, 22.25

Lady Vengeance – Leben für die Rache (Sudkorea 2005, Regie: Park Chan-wook)

Drehbuch: Park Chan-wook, Jeong Seo-Gyeong

Geum-ja saß dreizehn Jahre im Gefängnis für den Mord an einem kleinen Jungen, den sie nicht begangen hat. Jetzt will sie sich an dem wirklichem Täter, einem honorigem Englischlehrer, rächen.

Ein weiteres Meisterwerk des Regisseurs von „Joint Security Area“, „Sympathy for Mr. Vengeance“ und „Oldboy“. Die Kritiker waren vom Abschluß der Rachetrilogie des Südkoreaners begeistert, die zahlenden Zuschauer ebenso – und das Erste zeigte die TV-Premiere, wie erwartet, nach Mitternacht.

Noch in einigen Kinos läuft sein gelungenes US-Debüt „Stoker“.

Mit Lee Yeong-ae, Choi Min-sik, Oh Dal-su, Kim Shi-hoo, Kim Bu-seon

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über “Lady Vengeance”

Rotten Tomatoes über “Lady Vengeance”

Wikipedia über “Lady Vengeance” (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Park Chan-wooks „Stoker“ (Stoker, USA 2012)


Düster. Dave Zeltserman verbringt „28 Minuten“ mit dem „Paria“

Juli 22, 2013

Zeltserman - Paria - 2Zeltserman - 28 Minuten

Fans von beschaulich-lustigen Heimatkrimis, von normalen Ermittlerkrimis und bluttriefenden Serienkillerthrillern sollten einen großen Bogen um die Werke von Shamus-Gewinner Dave Zeltserman machen. Der in Boston lebende Noir-Autor wird in seiner Heimat seit Jahren von Kollegen, wie Ken Bruen, Allan Guthrie, Tom Piccirilli, Steve Hamilton und Adrian McKinty, um nur einige auch bei uns bekannte Namen zu nennen, und Kritikern abgefeiert. Auf deutsch liegen erst „28 Minuten“ und „Paria“, der zweite Band der drei „Man out of Prison“-Romane (auch bekannt als „Badass Gets Out of Jail“-Trilogie), vor. In dieser Trilogie erzählt Zeltserman, ausgehend von der Situation, dass jemand aus dem Gefängnis entlassen wird und er noch einige Rechnungen zu begleichen hat, vollkommen verschiedene Noir-Geschichten.

In „Paria“ kommt Kyle Nevin nach acht Jahren frei. Der einst gefürchtete South-Boston-Gangster hat nur einen Gedanken: er will sich an Red Mahoney rächen. Denn dieser verriet ihn damals und brauchte ihn so ins Gefängnis. Red ist allerdings untergetaucht und Kyle benötigt etwas Startkapital mit einer perfekt geplanten Geiselnahme. Nun, wie es sich für einen Noir gehört, geht diese perfekt geplante Geiselnahme grandios schief und Kyle steckt, vor allem nachdem ihn die Polizei verdächtigt, tief in der Klemme.

Kyle ist ein ziemliches Großmaul und Arschloch, aber das ist auch gerade ein Grund, diesen Noir zu lesen. Denn es ist schnell klar, dass der South-Boston-Gangster Kyle an chronischer Selbstüberschätzung leidet, aber auch in der Lage ist, sich skrupellos den Weg freizuschießen oder Beweise zu manipulieren. Und eigentlich ist „Paria“ kein richtiger Gangsterthriller, sondern in der ersten Hälfte vor allem die Geschichte eines Mannes, der aus dem Gefängnis entlassen wird und wie er seine ersten Tage in Freiheit erlebt. Einer Freiheit, die vor allem eine ausgedehnte Sauftour und ein Besuchen alter Freund, die oft nichts mehr mit ihrem früheren Verbrecherleben zu tun haben wollen, ist. In der zweiten Hälfte, wenn Kyle aufgrund seines Lebens ein Buchvertrag angeboten wird, wird „Paria“ zu einer Satire auf den Buchbetrieb und den amerikanischen Celebrity-Wahn, in dem ein Gangster zu einem Star aufsteigen kann, wenn er über sein Leben als Gangster Bücher schreibt. Und „Paria“ ist, mit den verstreut eingefügten Anmerkungen für das Lektorat, auch ein schöngefärbter Tatsachenbericht über Kyles erste Tage nach seinem Knastaufenthalt.

The Washington Post nannte „Paria“ eines der besten Bücher des Jahres 2009 und das reale Vorbild für den untergetauchten Red Mahoney ist Whitey Bulger, der auch das Vorbild für Frank Costello in Martin Scorseses Gangsterdrama „Departed – Unter Feinden“ (The Departed, USA 2006) war.

In „28 Minuten“ geht es um den perfekten Banküberfall, der dann – Überraschung! – doch nicht so perfekt ist. Dabei hatte der arbeitslose Softwareexperte Dan Wilson alles perfekt geplant. Beim Überprüfen eines Codes in einer Bank stellte er fest, dass während des Selbsttests die Zeit zwischen dem Auslösen des Alarms in der Bank und der Benachrichtigung der Polizei nicht 2,8 Sekunden sondern 28 Minuten beträgt. Genug Zeit, um in aller Ruhe mit einigen arbeitslosen Kollegen, die als Mittfünziger zum alten Eisen gehören, die Bank zu überfallen und die Schließfächer des russischen Verbrechers Viktor Petrenko auszuräumen. Denn, so sein Plan, der Gangster wird der Polizei nicht sagen, was in seinen Schließfächern war und, weil sie sich während des Überfalls als Mafiosi verkleiden, wird der Überfall der Mafia in die Schuhe geschoben.

Während des Überfalls tötet Gordon allerdings zwei Geisel – und damit wird der gesamte Plan hinfällig und aus den Programmierern, die mit einem Überfall für ihr Alter vorsorgen wollten, werden von Polizisten und Gangstern gejagte Amateure, deren Überlebenschancen gegen Null tendieren. Auch weil sie sich selbst nicht grün sind.

Zeltserman treibt die Geschichte in knappen Szenen voran, wechselt dabei immer wieder zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und wir können atemlos verfolgen, wie einige gute Männer sich immer mehr in Schuld verstricken. Kein Wunder, dass Hollywood sich direkt die Rechte an dieser Geschichte sicherte.

28 Minuten“ ist ein spannender Gangsterroman und eine Abrechnung mit dem Kapitalismus, der schonungslos Menschen, die er nicht mehr braucht, aussortiert. „Outsourced“ ist dann auch der Originaltitel,

Für Zeltserman-Fans und die, die es werden wollen, gibt es eine erfreuliche Nachricht. Bei pulp master soll noch in diesem Herbst der dritte „Badass Gets Out of Jail“-Roman „Killer“ erscheinen. Dann verfolgen wir, wie ein Mafiakiller, der 28 Morde verübte und einen Deal mit dem Staatsanwalt abschloss, sich in sein neues Leben als Reinigungskraft einfügt. Zunächst.

Dave Zeltserman: Paria

(mit einem Vorwort von Roger Smith, übersetzt von Frank Nowatzki und Angelika Müller)

Pulp Master, 2013

384 Seiten

13,80 Euro

Originalausgabe

Pariah

Serpent’s Tail, 2009

Dave Zeltserman: 28 Minuten

(übersetzt von Ulrich Hoffmann)

Suhrkamp, 2011

336 Seiten

9,95 Euro (Erstauflage)

7,99 Euro (zweite Auflage im Rahmen einer Sommerkrimireihe)

Originalausgabe

Outsourced

Serpent’s Tail, 2010

Hinweise

Homepage von Dave Zeltserman

Blog von Dave Zeltserman


TV-Tipp für den 22. Juli: Der Plan

Juli 22, 2013

ZDF, 22.15

Der Plan (USA 2011, R.: George Nolfi)

Drehbuch: George Nolfi

LV: Philip K. Dick: Adjustment Team, 1954 (Kurzgeschichte)

Politiker David Norris verliebt sich in die Tänzerin Elise. Da tauchen einige seltsame Männer bei ihm auf, die behaupten, von einem Planungsbüro zu kommen und Norris‘ Leben nachzujustieren. Denn nach dem Plan gibt es zwischen David und Elise keine Liebesgeschichte.

Bei Kritik und Publikum ziemlich gut angekommenes Spielfilmdebüt von George Nolfi, dem Drehbuchautor von „Das Bourne Ultimatum“, „The Sentinel – Wem kannst du trauen?“ und „Ocean’s Twelve“, über die Frage, ob wir unser Schicksal selbst in der Hand haben.

mit Matt Damon, Emily Blunt, Anthony Mackie, John Slattery, Michael Kelly, Terence Stamp

Hinweise

Film-Zeit über „Der Plan“

Metacritic über „Der Plan“

Rotten Tomatoes über „Der Plan“

Wikipedia über „Der Plan“ (deutsch, englisch)

Homepage von Philip K. Dick

Philip K. Dick in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 21. Juli: Jackie Brown

Juli 21, 2013

Arte, 20.15

Jackie Brown (USA 1997, R.: Quentin Tarantino)

Drehbuch: Quentin Tarantino

LV: Elmore Leonard: Rum Punch, Jackie Brown, 1992 (Jackie Brown)

Stewardess Jackie Brown hat Probleme mit der Polizei und dem Gangster Ordell, der sein Schwarzgeld-Konto mit Jackies Hilfe auflösen will.

Tarantinos sehr werkgetreue Huldigung von Leonard und Pam Grier: cool (Leonards Dialoge!), etwas langatmig (Warum muß jedes Lied ausgespielt werden? Warum bemüht sich Tarantino so krampfhaft, die Antithese zu Pulp Fiction zu drehen? Warum nicht 20 Minuten kürzer?) und mit Starbesetzung (Robert de Niro, Samuel L. Jackson, Bridget Fonda, Robert Forster, Michael Keaton, Chris Tucker)

Von Leonards Homepage: „When Quentin Tarantino was a kid, he stole a copy of Elmore Leonard’s The Switch and got caught. Unrepentant, he later went back to the same store and stole the book again. Elmore Leonard was a beacon, lighting the direction that he would soon take in his films. He wrote a movie directed by Tony Scott called True Romance which he said was “an Elmore Leonard novel that he didn’t write.” It certainly was an homage; it even opens in Detroit. After Reservoir Dogs came out, Elmore wrote Rum Punch which reprises the three main characters from Tarantino’s shoplifted book, The Switch. Tarantino read it and wanted to buy it but didn’t have the money. Elmore and his agent, Michael Siegel, offered to hold it for him. When he finally did acquire the book and moved forward on the Rum Punch film project, Tarantino did not contact Elmore Leonard for a long time. When he did, he confessed a reluctance to call sooner. Elmore said, “Why, because you changed the name of my book and cast Pam Grier in the lead?” No worry. Elmore was down with that. He said, “That’s Ok, just make a good movie.” And Quentin did.

Jackie Brown is Elmore Leonard on the screen. Taking nothing away from Get Shorty and Out of Sight, Tarantino’s manic absorption of Elmore’s essence comes through in a way that only he could pull off especially for a long movie. The acting, the direction, the dialog are all great. There are so many great bits, especially with Jackson, De Niro, Chris Tucker and Bridget Fonda; and then there’s Hattie Winston as Simone the Supreme. Jackie Brown is the Elmore Leonard experience.“

Wiederholung: Mittwoch, 24. Juli, 00.50 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Metacritic über “Jackie Brown”

Rotten Tomatoes über “Jackie Brown”

Wikipedia über “Jackie Brown” (deutschenglisch)

The Quentin Tarantino Archives (Fanseite)

Everthing Tarantino (dito)

Q-Tarantino.de (noch eine Fanseite)

Meine Besprechung von Georg Seeßlens „Quentin Tarantino gegen die Nazis – Alles über ‘Inglourious Basterds’“ (Kleine Schriften zum Film: 1, 2009)

Meine Besprechung von Quentin Tarantinos “Django Unchained” (Django Unchained, USA 2012)

Kriminalakte über Quentin Tarantino und „Django Unchained“ (Bilder,Pressekonferenz)

Homepage von Elmore Leonard

Meine Besprechung von Elmore Leoanrds “Raylan” (Raylan, 2012)

Meine Besprechung von Elmore Leonards “Raylan” (2012)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Dschibuti“ (Djibouti, 2010)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Djibouti“ (2010)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Road Dogs“ (Road Dogs, 2009)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Up in Honey’s Room“ (2007)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Gangsterbraut“ (The hot Kid, 2005)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Callgirls“ (Mr. Paradise, 2004)

Mein Porträt „Man nennt ihn Dutch – Elmore Leonard zum Achtzigsten“ erschien im „Krimijahrbuch 2006“

Meine Besprechung der Elmore-Leonard-Verfilmung „Sie nannten ihn Stick“ (Stick, USA 1983)

Meine Besprechung der Elmore-Leonard-Verfilmung „Killshot“ (Killshot, USA 2008)

Elmore Leonard in der Kriminalakte