Nach „Wetten, daß…?“ und „das aktuelle sportstudio“ (die beide, wie immer, überziehen werden) richtet sich der Film primär an Menschen, die Ed Okins Problem teilen: Schlaflosigkeit.
Genau: Ed Okin kann einfach nicht einschlafen. Also fährt er ins Flughafenparkhaus, eine Frau springt zuerst auf seine Motorhaube, dann auf seinen Beifahrersitz und fordert ihn auf, möglichst schnell abzuhauen. Denn sie wird von einigen Killern verfolgt. Ed gibt Gas und erlebt eine aufregende Nacht.
Grandiose Komödie mit einer gehörigen Portion Slapstick, viel Schwarzer Serie und einem beeindruckendem Aufgebot von Stars, die niemand kennt, weil sie als Kollegen von „Blues Brothers“-Regisseur John Landis hauptsächlich hinter der Kamera stehen (und standen).
„Landis (…) ist wieder ein amüsantes Vexierspiel aus ironisch montierten Versatzstücken unterschiedlicher Genres gelungen, das häufig augenzwinkernd mit Zitaten spielt.“ (Fischer Film Almanach 1986)
Eine sträflich unterschätzte, selten gezeigte Filmperle
Mit Jeff Goldblum, Michelle Pfeiffer, Stacey Pickren, David Bowie, Dan Aykroyd, David Cronenberg, John Landis, Waldo Salt, Bruce McGill, Rick Baker, Colin Higgins, Daniel Petrie, Paul Mazursky, Jonathan Lynn, Paul Bartel, Carl Perkins, Don Siegel, Jim Henson, Jack Arnold, Amy Heckerling, Roger Vadim, Lawrence Kasdan, Richard Farnsworth, Vera Miles, Irene Papas, Clu Gulager, Jonathan Demme, Carl Gottlieb
Schon etwas ältere, aber sehr kluge Worte von V. S. Naipaul, der 2001 den Nobelpreis für Literatur erhielt, über das Schreiben:
VS Naipaul’s Rules for Beginners
1. Do not write long sentences. A sentence should not have more than ten or twelve words.
2. Each sentence should make a clear statement. It should add to the statement that went before. A good paragraph is a series of clear, linked statements.
3. Do not use big words. If your computer tells you that your average word is more than five letters long, there is something wrong. The use of small words compels you to think about what you are writing. Even difficult ideas can be broken down into small words.
4. Never use words whose meaning you are not sure of. If you break this rule you should look for other work.
5. The beginner should avoid using adjectives, except those of colour, size and number. Use as few adverbs as possible.
6. Avoid the abstract. Always go for the concrete.
7. Every day, for six months at least, practice writing in this way. Small words; short, clear, concrete sentences. It may be awkward, but it’s training you in the use of language. It may even be getting rid of the bad language habits you picked up at the university. You may go beyond these rules after you have thoroughly understood and mastered them.
Fletch – Der Troublemaker (USA 1985, R.: Michael Ritchie)
Drehbuch: Andrew Bergman
LV: Gregory Mcdonald: Fletch, 1974 (Fletch)
Journalist Fletch recherchiert undercover im Penner-Milieu. Da erhält er von einem reichen Pinkel den Auftrag, ihn umzubringen. Fletch wittert, neben viel Geld, eine gute Story.
Der kurzweilige Roman erhielt den Edgar-Allan-Poe-Preis und sollte unbedingt gelesen werden. Der Film ist dagegen, trotz Edgar-Nominierung, eine schwache Angelegenheit.
Alle Fletch-Romane sind bei Vintage Crime/Black Lizard im Original erhältlich. Die deutschen Übersetzungen gibt’s im Antiquariat ihres Vertrauens.
Mit Chevy Chase, Joe Don Baker, M. Emmet Walsh, Geena Davis (in einer Nebenrolle)
TATORT: Dreimal schwarzer Kater (D 2003, R.: Buddy Giovinazzo)
Drehbuch: Stephan Cantz, Jan Hinter
In einem Heim stirbt die gelähmte Lisa. Kommisar Thiel und Pathologe Boerne beginnen zu ermitteln.
Nach zwei äußert unterhaltsamen Fällen inszenierte Buddy Giovinazzo den dritten Fall: New York in Münster? Das nicht, aber gewohnt respektlos und witzig.
Mit Axel Prahl, Jan Josef Liefers, Friederike Kempter, Christine Urspruch, Mechthild Großmann, Oliver Bokern, Claus D. Clausnitzer
Wegen des ausgefeilten Plots, den differenzierten Charakterzeichnungen, dem feinen Witz und den grandiosen Schauspielerleistungen wird niemand in einen Film der „The Fast & The Furious“-Reihe gehen.
Im inzwischen fünften Teil, der im Original nur noch knapp „Fast Five“ heißt, bei uns immerhin „Fast & Furious Five“, wird am bewährten Rezept von schnellen Autos, heißen Frauen und viel Action nichts geändert. Nur an der Laufzeit wurde geschraubt. Mit 130 Minuten hat der fünfte Teil zwar den kürzesten Titel, aber die längste Laufzeit. Denn es gibt auch einiges zu erzählen. Stunttechnisch. Die Geschichte passt dagegen auf eine, zugegeben größere, Zylinderkerze als bei den vorherigen Filmen:
Dominic Toretto (Vin Diesel) und Brian O’Conner (Paul Walker) sind auf der Flucht in Rio de Janeiro gelandet. Während eines Autodiebstahls aus einem Zug geht einiges schief (Yeah, Baby, Action) und sie fragen sich, warum der örtliche Gangsterboss unbedingt ein bestimmtes Auto wollte. Sie finden in dem Flitzer das elektronische Fahrtenbuch und wissen so, wo der Drogenlord sein Drogengeld zwischenlagert. Sie wollen es (immerhin über hundert Millionen Dollar oder ein echt großer Haufen Kohle) klauen, holen ihre alten Kumpels (bekannt aus den vorherigen „Fast & Furious“-Filmen) und sorgen mit dem Überfall auf eines der Geldverstecke dafür, dass der Gangster das gesamte Geld an einem Ort versteckt. Dummerweise ist es jetzt in einem High-End-Safe im örtlichen Polizeirevier. Das hält die Jungs (und Mädels) nicht davon ab, es trotzdem zu versuchen.
Gleichzeitig ist ein superharter US-Fahnder (Dwayne Johnson) mit seinem Team auf ihrer Fährte.
Aber wegen der in fast jeder Sekunde absolut vorhersehbaren Story, die sogar die Autoren einer mediokren US-Action-TV-Serie vor Scham erblassen lassen würde, geht niemand in einen solchen Film, sondern wegen der Action. – Und die ist atemberaubend. Das beginnt mit einer Gefangenenbefreiung (ein Bus wird zerlegt), dem Diebstahl von drei Flitzern aus einem fahrendem Zug (ein Zug wird ziemlich ordentlich demoliert und ein Auto im Wasser versenkt), über eine atemberaubende Jagd durch die Favelas, einigen kleineren Action-Szenen, und endet mit dem Diebstahl des Safes, der einfach an zwei Autos angehängt, aus der Wand gerissen und durch die Stadt geschleift wird. Bei der Verfolgungsjagd wird dann mal flugs die halbe Innenstadt zerlegt. In diesen Momenten sieht man, wohin das Geld für den Film geflossen ist und, wie bei den alten Bond-Filmen, gibt es die bekannte Mischung, neu und schmackhaft angerichtet, und mit viel Arbeit für die Stuntleute garniert.
„Fast & Furious Five“ ist Entertainment fernab jeglicher Wirklichkeit, aber sehr unterhaltsames Kino der Marke „Hirn aus, Gang rein.“ – und absolut Jugendfrei. Züchtiger sahen die Frauen wohl nie aus. Unblutiger starben zuletzt in den Karl-May-Verfilmungen die Bösen. Und sogar in Punkto „Alkoholkonsum“ können diese Verbrecher als Vorbild dienen.
Fast & Furious Five (Fast Five, USA 2011)
Regie: Justin Lin
Drehbuch: Chris Morgan (basierend auf Charakteren von Gary Scott Thompson
mit Vin Diesel, Paul Walker, Jordana Brewster, Tyrese Gibson, Chris ‚Ludacris‘ Bridges, Matt Schulze, Sung Kang, Gal Gadot, Tego Calderon, Don Omar, Joaquim de Almeida, Dwayne Johnson, Elsa Pataky, Michael Irby
Obwohl Ree Dolly erst sechzehn (Buch)/siebzehn (Film) Jahre ist, ist Daniel Woodrells Country Noir „Winters Knochen“ kein Kinderbuch und auch kein wirkliches All-Ager-Buch (so nennen die Verlagsfuzzis inzwischen Jugendbücher, die auch Erwachsene ohne Schamesröte und epische Erklärungen lesen dürfen). Denn dafür erzählt Woodrell viel zu illusionslos die Geschichte eines tapferen Mädchens in einer, nun, schrecklichen Welt. Denn Ree lebt in den Ozarks. Sie muss ihre beiden jüngeren Geschwister großziehen und ihre Mutter ist nur ein weiterer Pflegefall, um den sie sich kümmern muss. Ihr Vater Jessup verdient mit dem Kochen von Crystal Meth Geld; – wenn er nicht gerade wieder Ärger mit dem Gesetz hat. So auch jetzt. Er ist seit Wochen verschwunden und wenn er nicht in wenigen Tagen vor Gericht erscheint, müssen die Dollys Haus und Hof verlassen. Denn das war die Sicherheit für die Kaution.
Ree beginnt ihren Vater zu suchen. Nicht weil sie ihn irgendwie vermisst, sondern weil sie nur so das Haus behalten kann. Entsprechend egal ist ihr, ob sie Jessup tot oder lebendig findet. Bei dieser Suche ist ihre Verwandtschaft, die alle ebenfalls Kriminelle sind und etwas mit dem Verschwinden von Jessup zu tun haben, keine große Hilfe.
Daniel Woodrell erhielt für sein bisheriges, nur aus acht schmalen Romanen und einigen Kurzgeschichten bestehendes Werk mehrere wichtige Preise (wie den PEN West Award for Fiction) und Nominierungen (wie den Edgar). Sein Western „Zum Leben verdammt“ (Woe to live on, 1987), der den amerikanischen Bürgerkrieg aus der Sicht eines Mitglieds einer irregulären Südstaaten-Einheit erzählte, wurde 1999 von „Brokeback Mountain“-Regisseur Ang Lee hochkarätig besetzt als „Ride with the Devil“ verfilmt und flopte. Woodrell selbst nannte seine Geschichten über die Ozarks und die dort lebenden Menschen, die meist mit Verbrechen ihr ärmliches Leben fristen, „Country Noir“. Und auch der bereits vor sechs Jahren erschienene, jetzt endlich fabelhaft übersetzte Roman „Winters Knochen“ gehört in diese Kategorie.
In seinen früheren Romanen, vor allem den drei Krimis mit René Shade, lotete Daniel Woodrell die Genregrenzen aus. In dem noch nicht übersetzten „The Death of Sweet Mister“ erzählte er erstmals seine Geschichte aus der Sicht eines dreizehnjährigem Jungen und steuerte zielsicher auf ein düsteres Ende zu. Dagegen endet „Winters Knochen“, einer fast schon traditionellen Entwicklungsgeschichte, sehr hoffnungsvoll. Jedenfalls für Woodrellsche Verhältnisse.
Hollywood (Nicht das Michael-Bay-Blockbuster-Hollywood, sondern das andere Hollywood) schnappte sich das Buch und die Verfilmung von „Winter’s Bone“ wurde, im Gegensatz zum ungeliebten „Ride with the Devil“, sofort allgemein abgefeiert. Der Independent-Film von Debra Granik erhielt bis jetzt 26 Preise (unter anderem auf dem Sundance Filmfestival, wo der Siegeszug des Films begann, und auf der Berlinale) und war für vier Oscars, unter anderem als bester Film des Jahres, nominiert.
Graniks Film folgt Woodrells Roman bis in die Dialoge. Sie drehte vor Ort in Missouri mit vielen unverbrauchten Gesichtern, die erstmals vor der Kamera standen, und, sagen wir mal, ungeschminkten Hollywood-Schauspielern (die sich eher in Serien und Independent-Filmen tummeln; also nicht die ganz großen Namen sind, aber an deren Gesichter man sich erinnert). All das trägt zum dokumentarischen New-Hollywood-Feeling, wie wir es aus den siebziger Jahren kennen, bei.
Und hier zeigt sich der größte Unterschied zwischen Buch und Film. Während in Woodrells Roman die Armut immer noch ein poetisches Anlitz hat, sehen wir im Film eine deprimierend ärmliche Landschaft, die eher an ein Dritte-Welt-Land erinnert. Auf den Höfen und in den Wohnungen stapelt sich Müll, der vergessen wurde, endgültig zu entsorgen. Die Menschen verdienen ihr Geld mit kriminellen Aktivitäten. Heute Meth und andere Drogen; während der Prohibition als Schnapsbrenner. Sie halten immer noch den alten Frontier-Mythos hoch. Aber es zeigt sich, auch, wo die Cowboy-Ideologie des Wilden Westens endete. Insofern ist die gelungene Verfilmung eines fantastischen Buches düsterer und am Ende sogar hoffnungsloser als die noirische Vorlage.
Obwohl; – für Daniel Woodrell ist „Winters Knochen“ kein Noir. Für ihn muss ein Noir ein tragisches Ende haben.
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Daniel Woodrell: Winters Knochen
(übersetzt von Peter Torberg)
Liebeskind, 2011
224 Seiten
18,90 Euro
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Originalausgabe
Winter’s Bone
Little, Brown and Company, New York, 2006
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Verfilmung
Winter’s Bone (Winter’s Bone, USA 2010)
Regie: Debra Granik
Drehbuch: Debra Granik, Anne Rosellini
mit Jennifer Lawrence, Isaiah Stone, Ashlee Thompson, Valerie Richards, Shelley Waggener, Garret Dillahunt, William White, Ramona Blair
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Die Romane von Daniel Woodrell
Cajun-Blues – Eiin René-Shade-Thriller (Under the bright Lights, 1986)
Zum Leben verdammt (Woe to live on; Ride with the Devil, 1987)
Zoff für die Bosse – Ein René-Shade-Thriller (Muscle for the Wing, 1988)
John X – Ein René-Shade-Thriller (The Ones you do, 1992)
Wirklich gelungene Verfilmung eines der besten Thompson-Bücher: ein Haufen Menschen geht ihren niederen Trieben (Sex, Ehebruch, Mord) nach und fühlt sich dabei von moralischen Gesetzen nicht gebunden.
Tavernier verlegte die Handlung von einem Südstaaten-Kaff nach Französisch-Westafrika, blieb aber der Seele des Buches treu.
Mit Philippe Noiret, Isabelle Huppert, Stéphane Audran, Guy Marchand
Wiederholung: Samstag, 7. Mai, 03.35 Uhr (Taggenau!)
LV: William Gibson: New Rose Hotel, 1981 (New Rose Hotel, Kurzgeschichte, zuerst erschienen in „Omni“, später in dem Sammelband „Burning Chrome“, 1986; deutsche Ausgabe: „Vernetzt“)
In der Cyberspace-Zukunft: zwei Headhunter wollen einen Wissenschaftler an den höchsten Bieter verkaufen.
SF-Noir mit einer überraschend hochkarätigen Besetzung und, im Rückblick, der Abschluss von Ferraras großer Zeit. Denn in den Neunzigern war er seit „Bad Lieutenant“ der Liebling des Feuilletons und der Arthouse-Kinos. In den vergangenen zehn Jahren drehte er zwar weiter, aber in Deutschland fand sich kein Verleiher.
2003 geht im Irak ein Einsatz schief. SAS-Elitesoldat John Porter (Richard Armitage) verliert mehrere Männer. Er quittiert den Dienst. Jahre später erhält er die Möglichkeit, das damals versäumte nachzuholen. Denn die britische Journalistin Katie Darthmouth (Orla Brady) wurde entführt. Porter glaubt einen der Entführer zu erkennen und daher auch zu wissen, wo sie gefangen gehalten wird. Sein alter SAS-Kamerad Hugh Collinson (Andrew Lincoln), der inzwischen beim Geheimdienst MI6 arbeitet, stellt ihn als Agent für besondere Einsätze ein. Porter geht, auf sich allein gestellt, in den Irak.
In „Zimbabwe“ hat Felix Masuku (Shaun Parkes) einen Anschlag auf den Präsidenten verübt, aber nur einen Doppelgänger erwischt. Jetzt behauptet die simbabwische Regierung, dass die Engländer hinter dem Attentat stecken. Damit es zu keinen diplomatischen Verwicklungen kommt, muss Masuku so befreit werden, dass die Engländer offiziell jede Beteiligung abstreiten kann. Der unehrenhaft entlassene Einzelkämpfer John Porter soll, getarnt als Diamantenschmuggler, die Steine aus dem Feuer holen.
In „Afghanistan“ soll Porter den Computerhacker Gerald Baxter (Ewen Bremner), der mit seinem Wissen den Taliban hilft, unschädlich machen. Dummerweise gerät er dabei auch auf die Abschussliste der Amerikaner.
Und wir erfahren, was 2003 im Irak wirklich geschah.
Die ersten drei „Strike Back“-Filme, die lose auf dem gleichnamigem 2007 erschienenem Roman des Ex-SASlers Chris Ryan (er war neben Andy McNab 1991 im Irak Mitglied des Kommandos Bravo Two Zero, dessen Einsatz die Grundlage für mehrere Bücher und einen Film war), sind spannende, für das britische Fernsehen opulent produzierte Action-Thriller, die ihre hundsgemeinen Geschichten mit etwas Humor, aber vor allem einer gehörigen Portion Gewalt erzählen.
Am Besten kann „Chris Ryan’s Strike Back“ als die gelungene britische Ausgabe von „The Unit“ ohne den dort manchmal nervenden Soap-Anteil und mit einer kräftigen Portion „24“-Jack-Bauer-Einzelgängertum beschrieben werden. Und das sind wahrlich keine schlechten Vorbilder, die in „Chris Ryan’s Strike Back“ mit einer ordentlichen Portion britischem Understatement präsentiert werden.
Chris Ryan’s Strike Back (Strike Back, GB 2010)
Regie: Daniel Percival, Edward Hall
Drehbuch: Jed Mercurio
LV: Chris Ryan: Strike Back, 2007
mit Richard Armitage (John Porter), Andrew Lincoln (Hugh Collinson), Jodhi May (Layla Thompson), Shelley Conn (Danni), Laura Greenwood (Alexandra Porter), Colin Salmon (James Middleton), Nicola Stephenson (Diane Porter), Shaun Parkes (Felix Masuku), David Harewood (Colonel Tshuma), Nick Boraine (Harry Curtis), Ewen Bremner (Gerald Baxter), Toby Stephens (Arlington), Alexander Siddig (Sharq), Orla Brady (Katie Dartmouth), Dhaffer L’Abidine (Hakim Al Neseri)
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DVD
Polyband
Bild: 16:9 (1,78:1)
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: –
Bonusmaterial (untertitelt): Special Features über Produktion, Waffen und Dreharbeiten in Südafrika
Länge: 270 Minuten (drei je neunzigminütige Filme)
Zodiac – Die Spur des Killers (USA 2007, R.: David Fincher)
Drehbuch: James Vanderbilt
LV: Robert Graysmith: Zodiac, 1976 (Zodiac – Auf der Spur eines Serienkillers)
Finchers epische, detailversessene Verfilmung über die Jagd nach dem Zodiac-Killer, der auch als Inspiration für den Killer in dem ersten „Dirty Harry“-Film diente. Der Zodiac-Killer versetzte in den späten Sechzigern die Bevölkerung in und um San Francisco in Angst und Schrecken. Dazu trugen neben seinen Taten und dem ausbleibenden Fahndungserfolg der Polizei auch seine verschlüsselten Briefe an die Öffentlichkeit bei. Bis heute ist seine Identität unklar.
Das Drehbuch war für den Edgar den Preis der Writers Guild of America nominiert.
Mit Jake Gyllenhaal, Mark Ruffalo, Anthony Edwards, Robert Downey jr., Brian Cox, Cloe Sevigny, Elias Koteas, Dermot Mulroney
James Bond 007 – Ein Quantum Trost (GB 2008, R.: Marc Forster)
Drehbuch: Paul Haggis, Neal Purvis, Robert Wade
LV: Ian Fleming: Quantum of Solace, 1960 (Das Minimum an Trost, Ein Minimum an Trost [Kurzgeschichte])
TV-Premiere des zweiten, ziemlich komplett in die Hose gegangenen Einsatzes von Daniel Craig als James Bond.
Die Story aka Der Vorwand für ganz viele, ganz doll im schlechten Jason-Bourne-Stil zerschnipselten Verfolgungsjagden und Actionszenen: James Bond will den Tod von seiner Geliebten Vesper Lynd rächen und legt sich mit der geheimnisvollen Organisation Quantum (ist wahrscheinlich ein Nachfolger von Spectre) an.
Mit Daniel Craig, Olga Kurylenko, Mathieu Amalric, Judi Dench, Giancarlo Giannini, Gemma Arterton, Jeffrey Wright, Jesper Christensen, Rory Kinnear
Wiederholung: Montag, 25. April, 00.20 Uhr (Taggenau!)
Graham Greene und „Brighton Rock“ sind fast so etwas wie englische Nationalheiligtümer. Greene (2. Oktober 1904 – 3. April 1991) schrieb zahlreiche Bücher, die er selbst mal als populäre, mal als hohe Literatur einsortierte und diese Trennung irgendwann als unsinnig aufgab. Bei den populären Werken tummelte er sich gerne im Feld des Kriminalromans oder Polit-Thrillers. „Der dritte Mann“, „Unser Mann in Havanna“, „Der Honorarkonsul“ und „Der stille Amerikaner“, waren spannende, teils satirische Unterhaltung mit Tiefgang (und gefielen mir schon als Teenager).
In seinen literarischen Werken, wie „Die Kraft und die Herrlichkeit“ und „Das Herz aller Dinge“, ging’s dann eher um seinen Katholizismus und damit zusammenhängender moralischer Fragen, die, ohne diese katholische Brille, doch etwas seltsam anmuten.
Bei „Brighton Rock“ (das bei uns „Am Abgrund des Lebens“ heißt) wusste Greene selbst lange nicht, ob er den Roman bei seinen populären oder literarischen Werken einsortieren sollte.
Die Geschichte spricht natürlich für’s Populäre. In den dreißiger Jahren bekämpfen sich in dem Seebad Brighton zwei Gangsterbanden. Die eine wird, nach dem Tod ihres Anführers, von dem siebzehnjährigem, skrupellosem Pinkie, der unbedingt in der Hierarchie aufsteigen will, angeführt. Nachdem er und seine Bande einen anderen Gangster umgebracht haben, versuchen sie ihre Spuren zu verwischen. Allerdings haben sie nicht mit Ida Arnold, einer älteren Frau, die herausfinden will, warum Hale ermordet wurde und der ebenfalls siebzehnjährigen Serviererin Rose gerechnet. Pinkie macht sich an die naive Rose heran. Zuerst will er herausfinden, was sie weiß (zu viel, wie er schnell feststellen muss), später versucht er sie mundtot zu machen, indem er sie heiratet. Aber Ida beginnt auf Rose einzureden und Pinkie hat keine Ahnung, wie sehr er ihren Liebesbeteuerungen glauben kann. Außerdem ist er überhaupt nicht in sie verliebt.
Das klingt doch nach einem ausgewachsenen Gangsterroman und einem fetzigen Drama um Schuld und Sühne.
So ist Pinkie das absolut Böse. Rose dagegen engelhaft rein, gutgläubig und naiv.
Gerade diese plakative Gegenüberstellung von „Gut“ und „Böse“ ist dann auch arg langweilig. Denn anscheinend war Pinkie einfach schon immer Böse und wird es immer bleiben. Er ist dabei autonom von allen gesellschaftlichen und sozialen Bindungen. Er ist ein Monstrum; Damit ist er als jugendlicher Psychopath einerseits natürlich furchtbar und beängstigend. Andererseits berührt er als literarischer Charakter auch nicht weiter. Und die knappen Hinweise, in denen er mit seinem katholischen Glauben hadert, wirken aufgesetzt.
Seine Freundin bleibt als absoluter Gegenentwurf ebenso blass. Sie erscheint schon für die damalige Zeit etwas zu naiv und zu unschuldig.
Insofern ist Graham Greenes Roman „Am Abgrund des Lebens“, der erste seiner katholischen Romane, eine doch etwas enttäuschende, teils sogar langatmige Lektüre.
Für die erste Verfilmung schrieb Greene das Drehbuch und auch der Film spielt in den späten Dreißigern, als Brighton noch nicht, wie am Anfang des Films betont wird, ein friedlicher Touristenort war. Die Filmstory folgt der Geschichte des Buches, aber etliche Szenen wurden auch für den Film geschrieben und sind entsprechend wirkungsvoll und Richard Attenborough überzeugte in einem seiner ersten Filmauftritte als psychopathisch-amoralischer Junggangster. Danach durfte er die Rolle in unbekannteren Filmen immer wieder spielen. Er verlieh Pinkie ein Gesicht, das man noch lange nach dem Ende des Films im Gedächtnis behält.
Auch heute noch ist John Boultings Noir „Brighton Rock“ einer der besten englischen Gangsterfilme. Dort wird „Brighton Rock“ auch, immer noch, ohne zu Zögern in die entsprechenden Listen wichtiger Kriminalfilme und englischer Filme aufgenommen. Bei uns erlebte das kraftvolle Krimidrama anscheinend erst 1997 im Fernsehen (auf „tm3“!) seine Premiere und verschwand danach wieder im Archiv.
Gerade daher lohnt sich die bei uns längst überfällige Entdeckung der ersten, immer noch überzeugenden Verfilmung von „Brighton Rock“. Auch wenn die zum Start der aktuellen Verfilmung von „Brighton Rock“ veröffentlichte DVD sehr spartanisch ausgestattet ist.
Rowan Joffe, der auch das Drehbuch für „The American“ schrieb, verlegte in seinem Spielfilmdebüt die Geschichte von den Dreißigern in die Sechziger. Genauer gesagt: 1964. Damit kann er einige atmosphärische Bilder von den Kämpfen zwischen den rivalisierenden Jugendgruppen der Mods und Rocker (Remember „Quadrophenia“?) inszenieren.
Aber gleichzeitig wirkt die von Joffe abgesehen vom Verlegen der Handlungszeit kaum aktualisierte und geänderter Geschichte in diesem Umfeld arg unglaubwürdig. Denn die Naivität von Rose wirkt, im Gegensatz zum Buch und der ersten Verfilmung, einfach nur noch übertrieben und fernab jeglicher Wirklichkeit.
Dennoch gibt es in Joffes „Brighton Rock“ vieles, was für den Film spricht: die Schauspieler und ihr Spiel, die Ausstattung, die Kamera, die immer wieder angenehm altmodisch ist, die sparsam eingestreuten Referenzen auf ältere Filme (natürlich auch auf Boultings Verfilmung) und traditionsbewusste Inszenierung. So scheint das Ende von „Brighton Rock“ direkt aus einem klassischen Noir übernommen worden zu sein.
Aber letztendlich Ende hinterlässt „Brighton Rock“ ein schales Gefühl. Man will den Film lieben, man bewundert vieles, aber es bleibt museales Kunsthandwerk, bei dem die Geschichte, ihre Charaktere und ihre Konflikte, immer mehr an der Wirklichkeit scheitert. Pinkie (Sam Riley) ist einfach zu sehr ein Gangster aus einer anderen Zeit und Rose (Andrea Riseborough) ist einfach zu weltfremd. Da helfen auch Ida (Helen Mirren, die deutlich weniger Pfunde auf die Waage bringt als die von Graham Greene erfundene Ida) und ihr Freund Phil Corkery (John Hurt) nicht mehr.
Rowan Joffe über seinen Film:
Natürlich ist das Buch 1947 schon von John Boulting adaptiert worden. Doch ganz so wie ein Stück von Shakespeare verdient „Brighton Rock“ verschiedene Adaptionen. Bei der ersten Verfilmung arbeitete Greene persönlich am Drehbuch mit, und ich maße mir nicht an zu behaupten, dass ich seine Authentizität erreichen oder verbessern könnte. Aber wir arbeiten nicht unter so strengen Zensurauflagen wie in den späten Vierzigern, so dass wir die Story nun so düster, gewalttätig und fast pervers sinnlich erzählen können, wie Greene sie tatsächlich geschrieben hat. Ich überlegte anfangs, den Plot in die Gegenwart zu versetzen, denn die Parallelen zur Neuzeit mit zunehmenden Massenmorden unter britischen Jugendlichen sind offensichtlich. Aber ich entschied mich dagegen, weil die Liebesgeschichte zwischen Pinkie und der Serviererin Rose dadurch an Kraft verloren hätte. Die Unschuld und enorme Naivität des Mädchens sind undenkbar im Zeitalter des Internet, und man hätte den Roman kompromittieren müssen, um 2010 glaubhafte Gründe für eine solch isolierte Figur zu finden.
1964 durften Teenager zum ersten Mal ökonomisch, kulturell und physisch ihre Muskeln spielen lassen und natürlich war Brighton auch der Schauplatz der Bandenkämpfe zwischen den jungen Mods und gealterten Rockern. Zudem eröffneten nach der Legalisierung des Pferdewettens pro Woche über einhundert Buchmacher ihre Büros, was mit einer massiven Welle organisierten Verbrechens einherging. Es war die große Ära jener britischen Gangster, die ein Underdog wie Pinkie zu Helden der Arbeiterklasse idealisieren würde. Und: 1964 wurde in Großbritannien letztmals die Todesstrafe verhängt, sodass die Furcht vor dem Strang eine essenzielle Motivation für Pinkies verzweifelte Versuche ist, um Zeugen seines Rachemordes zu beseitigen.
Einer meiner absoluten Lieblingsfilme ist Jean-Pierre Melvilles „Vier im Roten Kreis“ (Le cercle rouge, 1970) und John [Mathieson, Kameramann u. a. bei „Gladiator“ und „Robin Hood“, A. d. V.] gelang es tatsächlich, einen kompletten Satz an Kameralinsen und Equipment aus den Sechzigern aufzutreiben. Dadurch fühlte es sich beim Drehen an, als filmten wir wie seinerzeit Melville, auch wenn wir durch die Sperrigkeit der alten Technik unsere Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Was nichts schlechtes ist, zwingt es einen doch, Szenen sehr strategisch und ökonomisch zu drehen.
Das Buch ist noch immer ein Bestseller, was auch an der brillanten Studie eines Antihelden liegt, dessen Charakter zu 99 Prozent verdorben ist – währen ein Prozent an positiven Werten noch Hoffnung auf Pinkies Läuterung lässt. Doch auch wenn er kaum zum Vorbild taugt, bietet er juvenilen Zuschauern gewisses Identifikationspotential. Zugleich aber ist sein Schicksal Warnung vor einer Spirale der Gewalt. Denn auch 2010 gibt es nicht nur in England unzählige Jugendlichen, die verzweifelt ihrer unterprivilegierten Herkunft entfliehen wollen und eine kriminelle Karriere einschlagen. Und seit den Sechzigern hat es unter britischen Jugendbanden nicht mehr so viele Messerattacken wie in den letzten Jahren gegeben.
(aus dem Presseheft)
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Graham Greene: Am Abgrund des Lebens
(übersetzt von Barbara Rojahn-Deyk)
dtv, 2011
352 Seiten
9,90 Euro
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Deutsche Ausgabe (dieser Übersetzung)
Paul Zsolnay Verlag, Wien 1994
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Originalausgabe
Brighton Rock
William Heinemann Ltd., London, 1938
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Die erste Verfilmung
Brighton Rock (Brighton Rock, Großbritannien 1947)
Regie: John Boulting
Drehbuch: Terence Rattingan, Graham Greene
mit Richard Attenborough, Carol Marsh, Hermione Baddeley, William Hartnell, Harcourt Williams
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DVD
Arthaus/Kinowelt
Bild: 1,33:1 (4:3)
Ton: Deutsch, Englisch (Mono DD)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Wendecover
Länge: 89 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Die zweite Verfilmung
Brighton Rock (Brighton Rock, GB 2010)
Regie: Rowan Joffe
Drehbuch: Rowan Joffe
mit Sam Riley, Andrea Riseborough, Helen Mirren, John Hurt, Phil Davis, Nonso Anozie, Craig Parkinson, Andy Serkis, Sean Harris, Geoff Bell
Kommissarin Lucas: Am Ende muss Glück sein (D 2011, R.: Maris Pfeifer)
Drehbuch: Friedrich Ani
Kommissarin Lucas ist schockiert: das sechzigjährige Mordopfer besserte ihre Stütze mit Sex für Geld auf. Lucas muss im Milieu des käuflichen Sex ermitteln.
Dank des Drehbuchautors und weil die “Kommissarin Lucas”-Macher sich immer um ein bestimmtes Niveau bemühen, könnte das ein spannender Krimi sein.
„Wenn schon nicht großes Kino, dann ist der erste Film von Regisseurin Maris Pfeiffer für die Krimireihe „Kommissarin Lucas“ jedoch Fernsehen, das den Mut zum Außergewöhnlichen hat, zum Unwahrscheinlichen, das reizt und irritiert.“ (Thomas Gehringer, Tagesspiegel, 22. April 2011)
mit Ulrike Kriener, Florian Stetter, Michael Roll, Inez Björg David, Alexander Lutz, Hannelore Elsner, Tilo Prückner, Hannelore Elsner, Elmar Wepper, Renate Krößner, Vladimir Burlakov
Wer die nächsten Tage nicht mit dem Verstecken und Suchen von Ostereiern beschäftigt ist, findet einige Perlen im TV-Programm. Es beginnt mit Steven Soderberghs Elmore-Leonard-Verfilmung „Out of sight“ und geht mit „Kommissarin Lucas: Am Ende muss Glück sein“ (nach einem Drehbuch von Friedrich Ani), Francis Ford Coppolas Mario-Puzo-Verfilmungen „Der Pate II“ und „Der Pate III“, Sidney Lumets Agatha-Christie-Verfilmung „Mord im Orient-Express“, Jacques Derays Derek-Raymond-Verfilmung „Mörderischer Engel“, Bertrand Taverniers Jim-Thompson-Verfilmung „Der Saustall“, Roger Spottiswoodes Patricia-Highsmith-Verfilmung „Mr. Ripley und die Kunst des Tötens“ (nach einem Drehbuch von Donald Westlake), Oliver Stones John-Ridley-Verfilmung „U-Turn – Kein Weg zurück“, Richard Brooks Evan-Hunter-Verfilmung „Die Saat der Gewalt“ und, als TV-Premiere, Béla Tarrs Georges-Simenon-Verfilmung „Der Mann aus London“ weiter.
LV: James Ellroy: Watchman/The night Watchman (Originalgeschichte)
Die Story klingt nach einem typischen Ellroy – oder dem typischen Cop-Thriller der Marke „Korrupter Cop sitzt in der Scheiße; entdeckt, (Überraschung!) dass die Polizei korrupt ist und stellt sich auf die Seite der Guten“. Denken Sie nur an die Ellroy-Verfilmung „Dark Blue“ (für die Ayer das Drehbuch schrieb), ersetzen Kurt Russell durch Keanu Reeves, lassen den Rookie Scott Speedman weg und wir haben den nächsten düsteren, bleihaltigen LA-Copthriller.
Ellroys Story ist eine nicht veröffentlichte Originalgeschichte und sollte bereits vor Jahren als „Watchman“ oder auch „The night Watchman“ verfilmt werden. David Fincher, Spike Lee und Oliver Stone waren als Regisseure im Gespräch. Für den Film wurde Ellroys Drehbuch dann von mehreren Autoren (zwei schafften es in die Credits, aber Ayer soll und John Ridley hat vor Jahren an dem Drehbuch gearbeitet) bearbeitet.
Mit Keanu Reeves, Forest Whitaker, Hugh Laurie, Chris Evans, Martha Higareda, Cedric the Entertainer, Amaury Nolasco
Wiederholung: Montag, 25. April, 02.15 Uhr (Taggenau!)
1957: Indiana Jones ist zurück. Dieses Mal, tja, also es geht irgendwie um einen außerirdischen Kristallschädel mit supertollen Kräften (Oh my god!), bösen Russen, die ihn haben wollen, einem alten Kumpel, der irgendwie zwischen die Fronten geraten ist, einen jungen Typ, der sein Sohn sein soll und viel sinnlosem Remmidemmi in Nevada und Südamerika.
Ein lahmer, vollgequasselter Actionfilm, bei dem das „Buch zum Film“ besser als der Film ist.
Mit Harrison Ford, Cate Blanchett, Karen Allen, Shia LaBeouf, Ray Winstone, John Hurt, Jim Broadbent, Igor Jijikine
„Ein Zug für zwei Halunken“ gehört zu den unbekannten und unterschätzen Werken von Robert Aldrich („Das dreckige Dutzend“, „Wiegenlied für eine Leiche“, „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“, „Rattennest“, „Vera Cruz“).
Dabei erzählt er eine für Robert Aldrich durchaus typische Geschichte: In den dreißiger Jahren fahren Landstreicher und Arbeitslose illegal auf Zügen mit. Die Zugführer versuchten dabei, mehr oder weniger erfolgreich, die Hobos am Mitfahren zu hindern (für Deutsche: es geht um das Delikt der Beförderungserschleichung). Am erfolgreichsten und auch brutalsten ist Shack (Ernest Borgnine), der Zugführer des Zugs Nummer 19. Er diskutiert nicht, sondern er schlägt gleich mit dem Hammer zu und wirft die Hobos gern vom fahrenden Zug.
Eines Tages beschließt Ass Nr. 1 (Lee Marvin), der ungekrönte König der Tramps, im Zug Nummer 19 mitzufahren. Und als ob das noch nicht gefährlich genug sei, verkündet er sein Vorhaben groß auf einem Wasserturm. Ab da wird bei den Landstreichern und dem Bahnpersonal gewettet, ob Ass Nr. 1 auf dem Zug von Shack mitfahren kann.
Das archetypische und hochgradig gekünstelte in dem archaischen Kampf zwischen dem abgrundtief bösem Shack und dem freiheitsliebendem Ass Nr. 1 unterstreichen Robert Aldrich und Drehbuchautor Christopher Knopf noch, indem Shack und Ass Nr. 1 keinen richtigen Namen und keine Back-Story haben. Wir wissen also nicht, wie sie zu den Männern wurden, die sie sind. Es wird auch nicht nach dem Sinn des Kampfes gefragt. Denn keiner von beiden verfolgt ein höheres Ziel. Stattdessen streiten sie sich wie kleine Kinder, die beide unbedingt dieses Legomobil haben müssen.
Gleichzeitig, auch weil Robert Aldrich in vielen kleinen Szenen und Geschichten immer wieder den Kapitalismus und die Conditio Humana (bzw. seinen zynischen Blick auf sie) spiegelt und sich nicht wirklich um eine Rekonstruktion der dreißiger Jahre kümmert, wird das Fabel-hafte der Geschichte deutlich und der Kampf der beiden Männer kann leicht auf andere Kämpfe übertragen werden und dann stehen Shack und Ass Nr. 1 für absolut konträre und unvereinbare Prinzipien.
Dann ist „Ein Zug für zwei Halunken“ auch ein Kommentar zu den frühen Siebzigern, als die Gesellschaft und Hollywood sich veränderten. Aber Aldrich setzt in dem Kampf von Establishment (Shack) und Anti-Establishment (Ass Nr. 1) nicht auf die Jugend. Denn Ass Nr. 1 hat zwar einen jugendlichen Begleiter (Keith Carradine), den er eher notgedrungen mitnimmt, und der bei dem Kampf von Kultur und Gegenkultur nicht für eine Seite Partei ergreift, sondern nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Das hat den damaligen Jugendlichen (die eifrige Kinogänger sind) selbstverständlich nicht gefallen.
Die älteren Kinozuschauer dürften sich dagegen an den Gewalttätigkeiten stören. Schon in den ersten Minuten wird ein Hobo von Shack handgreiflich aus seinem Zug geworfen und von einem anderem Zug überfahren. Auch der Schlusskampf zwischen Shack und Ass Nr. 1 wurde von Aldrich gewohnt hart und kompromisslos inszeniert.
Und natürlich stellt sich die Frage, was Ass Nr. 1 erreichen wollte. Er darf sich „Emperor of the North Pole“ nennen, was man mit „Besitzer eines Königreiches“ übersetzen könnte und einfach nur die höfliche Umschreibung für einen komplett bedeutungslosen Titel ist.
Die DVD
Die DVD-Ausgabe von Koch Media ist wirklich ein Geschenk für den Filmfan. Das beginnt mit dem schönen Cover (Wendecover!), geht über die tolle Bild- und Tonqualität des Films bis hin zum Bonusmaterial. Neben dem deutschen und englischem Trailer und einer Bildergalerie gibt es ein kurzes, in den Archiven gefundenes „Making of“. Das ist sozusagen die Pflicht. Die Kür ist ein informatives 28-seitiges Booklet und ein ebenfalls sehr informativer Audiokommentar von Dana Polan, Professor für Cinema Studies an der Tisch School of the Arts der New York University.
Ein Zug für zwei Halunken (Emperor of the North Pole/Emperor of the North, USA 1973)
Regie: Robert Aldrich
Drehbuch: Christopher Knopf
mit Lee Marvin, Ernest Borgnine, Keith Carradine, Charles Tyner, Malcolm Atterbury, Simon Oakland, Harry Caesar, Hal Baylor, Matt Clark, Elisha Cook Jr., Sid Haig, Lance Henriksen
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DVD
Koch Media
Bild: 1,85:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch, Italienisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: Italienisch
Bonusmaterial: Audiokommentar von Filmhistoriker Prof. Dana Polan, Making of, Deutscher Kinotrailer, Englische Teaser und Trailer, Bildergalerie, 28-seitiges Booklet, Wendecover