TV-Tipp für den 30. Juni: James Bond: Stirb an einem anderen Tag

Juni 29, 2019

RTL, 22.00

James Bond: Stirb an einem anderen Tag (Die another day, USA/Großbritannien 2002)

Regie: Lee Tamahori

Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade

LV: Charakter von Ian Fleming

Buch zum Film: Raymond Benson: Die Another Day, 2002

Nachdem James Bond kurzzeitig von M gefeuert wird, darf er wieder die Welt retten. Aktuelle Schauplätze sind Nordkorea, Hongkong, Kuba, London und Island.

Vierter und letzter Bond-Film mit Pierce Brosnan, der sich nicht sonderlich von den vorherigen unterscheidet: kurzweiliges Popcornkino für die ganze Familie.

Mit Pierce Brosnan, Halle Berry, Rick Yune, Judi Dench, John Cleese, Toby Stephens, Michael Madsen, Rosamund Pike, Michael G. Wilson, Madonna

Hinweise

Rotten Tomatoes über “James Bond: Stirb an einem anderen Tag”

Wikipedia über “James Bond: Stirb an einem anderen Tag” (deutsch, englisch)

Homepage von Ian Fleming

Meine Besprechung von Ian Flemings ersten drei James-Bond-Romanen “Casino Royale”, “Leben und sterben lassen” und “Moonraker”

Meine Besprechung von John Gardners “James Bond – Kernschmelze” (James Bond – Licence Renewed, 1981; alter deutscher Titel “Countdown für die Ewigkeit”)

Meine Besprechung von John Gardners „James Bond – Der Mann von Barbarossa“ (James Bond – The Man from Barbarossa, 1991)

Meine Besprechung von Sebastian Faulks’ James-Bond-Roman „Der Tod ist nur der Anfang“ (Devil may care, 2008)

Meine Besprechung von Jeffery Deavers James-Bond-Roman “Carte Blanche” (Carte Blanche, 2011)

Meine Besprechung von William Boyds James-Bond-Roman “Solo” (Solo, 2013)

Meine Besprechung von Anthony Horowitz’ “James Bond: Trigger Mortis – Der Finger Gottes” (James Bond: Trigger Mortis, 2015)

Meine Besprechung der TV-Miniserie „Fleming – Der Mann, der Bond wurde“ (Fleming, Großbritannien 2014)

Meine Besprechung von Sam Mendes’ James-Bond-Films „Skyfall“ (Skyfall, GB/USA 2012)

Meine Besprechung von Sam Mendes’ James-Bond-Film “Spectre” (Spectre, USA/GB 2015)

James Bond in der Kriminalakte

Ian Fleming in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Lee Tamahoris „Mahana – Eine Maori-Saga“ (Mahana, Neuseeland/Australien 2016)


TV-Tipp für den 29. Juni: Erin Brockovich

Juni 28, 2019

Vox, 20.15

Erin Brockovich – Eine wahre Geschichte (Erin Brockovich, USA 1999)

Regie: Steven Soderbergh

Drehbuch: Susannah Grant

Erin Brockovich ist eine wandelnde Katastrophe: keine Ausbildung, drei Kinder, alleinerziehend, quasi pleite, nicht auf den Mund gefallen und mit Kleidungsvorstellungen, die nicht eine Anwaltskanzlei passen. Dennoch hilft sie in der Kanzlei von Ed Masry aus und stößt zufällig auf einen Umweltskandal, in den sie sich verbeißt. Der Fall wird zu einem der größten Schadenersatzprozesse der USA.

Auf einem wahren Fall beruhende, märchenhafte David-gegen-Goliath-Geschichte, die Soderbergh locker-leicht inszenierte. Er landete damit einen Kassen- und Kritikererfolg.

„Soderbergh (…) gibt einem jedenfalls den Glauben an Hollywood wieder. Als ich das Kino verließ, dachte ich: It’s a wonderful life!“ (Hans Schifferle, Schnitt 2/2000)

Julia Roberts erhielt einen Oscar als beste Hauptdarstellerin. Außerdem war der Film in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“, „Bestes Drehbuch“ und „Bester Nebendarsteller“ (Albert Finney) nominiert.

Außerdem war Susannah Grants Drehbuch für den Edgar Allan Poe Award und den Preis der Writers Guild of America nominiert.

mit Julia Roberts, Albert Finney, Aaron Eckhart, Marg Helgenberger, Cherry Jones, Peter Coyote, Erin Brockovich (Cameo als Kellnerin)

Wiederholung: Sonntag, 30. Juni, 14.30 Uhr

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Erin Brockovich“

Wikipedia über „Erin Brockovich“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Girlfriend Experience – Aus dem Leben eines Luxus-Callgirls” (The Girlfriend Experience, USA 2009)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Contagion“ (Contagion, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Haywire” (Haywire, USA 2011)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Magic Mike” (Magic Mike, USA 2012)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen“ (Side Effects, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs “Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll (Behind the Candelabra, USA 2013)

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Logan Lucky“ (Logan Lucky, USA 2017) und der DVD

Meine Besprechung von Steven Soderberghs „Unsane: Ausgeliefert“ (Unsane, USA 2018)

Steven Soderbergh in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 28. Juni: Taxi Driver

Juni 28, 2019

3sat, 22.25

Taxi Driver (Taxi Driver, USA 1976)

Regie: Martin Scorsese

Drehbuch: Paul Schrader

Taxifahrer Travis Bickle nimmt das Gesetz in die eigene Hand.

Das bekannteste Werk des Teams Scorsese/Schrader, einer von De Niros bekanntesten Filmen und die letzte Arbeit von Hitchcock-Komponist Bernard Herrmann. „Taxi Driver“ ist die eindrucksvolle Studie eines soziopathischen Einzelgängers und eine Liebeserklärung an New York. Ein unumstrittener Klassiker

mit Robert De Niro, Jodie Foster, Cybill Shepherd, Peter Boyle, Harvey Keitel, Leonard Harris, Albert Brooks, Martin Scorsese (Mann im Taxi am Filmende)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Taxi Driver“

Wikipedia über „Taxi Driver“ (deutsch, englisch)

Martin-Scorses-Fanseite

Meine Besprechung von Martin Scorseses “Hugo Cabret” (Hugo, USA 2011)

Meine Besprechung von Martin Scorseses „The Wolf of Wall Street“ (The Wolf of Wall Street, USA 2013) und ein Infodump dazu

Meine Besprechung von Martin Scorseses „Silence“ (Silence, USA 2016)

Martin Scorsese in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: „Ein Becken voller Männer“ und eine Meisterschaft im Synchronschwimmen

Juni 27, 2019

Habe ich den Film nicht schon einmal gesehen? Und ist es nicht, wieder einmal, „Ganz oder gar nicht“ unter Synchronschwimmern?

Irgendwie schon. „Ein Becken voller Männer“ erzählt die Geschichte von Bertrand (Mathieu Amalric), der an einer ausgewachsenen Midlife Crisis leidet. Er ist seit Ewigkeiten arbeitslos, schluckt Antidepressiva und hängt meistens deprimiert und antriebslos in der Wohnung herum. Niemand will etwas von ihm und niemand möchte ihm einen Job geben. Immerhin liebt ihn seine Frau.

Eines Tages entdeckt er einen Zettel, mit dem eine Synchronschwimmer-Gruppe nach neuen Mitgliedern sucht. Irgendetwas spricht ihn an und er wird Mitglied der städtischen Synchronschwimmer-Mannschaft. Sie besteht aus mittelalten Männern, die sich zwar redlich, aber glücklos bemühen, so etwas wie eine stimmige Performance zu kreieren. Trotzdem entschließen sie sich, an einer Meisterschaft teilzunehmen.

Davor müssen sie, was sie bis jetzt nicht taten, zielstrebig trainieren. Denn bis zu der Schnapsidee mit der Teilnahme an der Weltmeisterschaft waren die Treffen zum Synchronschwimmen für sie eine angenehm ambitionslose Ersatzfamilie, in der sie sich vorbehaltlos akzeptierten und über bestimmte Dinge nicht gesprochen wurde. Denn sie sind alle an ihren hochfliegenden Träumen gescheitert. So sieht der eine sich immer noch als erfolgreichen Unternehmer, während er ständig Ärger mit der Bank hat. Der andere träumt immer noch von einer Karriere als Rockmusiker, während er in einer Kantine arbeitet und in einem Wohnwagen lebt.

Diese Synchronschwimmermannschaft wird unter anderem von Mathieu Amalric, Guilaume Canet, Benoit Poelvoorde und Jean-Hugues Anglade gespielt. Und allein diese hochkarätige Besetzung ist einen Blick wert.

Die ordentlich flott erzählte Geschichte nimmt sich viel Zeit für ihre Charaktere. Sie bewegt sich dabei, mehr dramatisch und melancholisch als witzig, in den etablierten Bahnen zum Finale. Bei dem erstaunt dann vor allem die Leistung der Provinz-Synchronschwimmer-Mannschaft, die wir bis dahin ins Herz geschlossen haben und die sich bis dahin kaum über Wasser halten konnte. In diesem Moment wachsen sie, angesichts der ihnen haushoch überlegenen Konkurrenz, über sich hinaus.

Der Feelgood-Ensemblefilm „Ein Becken voller Männer“ ist das Solo-Regiedebüt von Gilles Lellouche. Er war Co-Regisseur und Autor von „Die wunderbare Welt des Gustave Klopp“ und „Männer und die Frauen“. Außerdem ist er Schauspieler. In den Krimis „Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“ und „Point Blank – Aus kurzer Distanz“ (der Film erhält gerade ein US-Remake) übernahm er Hauptrollen.

Angesichts der derzeitigen Temperaturen ist „Ein Becken voller Männer“ besonders empfehlenswert. Immerhin entführen diese schwimmenden Männer einen über zwei Stunden in einen dunklen, angenehm kühlen Saal.

Ein Becken voller Männer (Le grand bain, Frankreich 2018)

Regie: Gilles Lellouche

Drehbuch: Gilles Lellouche, Ahmed Mamidi, Julien Lamroschini

mit Mathieu Amalric, Guilaume Canet, Benoit Poelvoorde, Jean-Hugues Anglade, Virginia Efira, Leila Bekhti, Marina Fois, Philippe Katerine, Félix Moati, Alban Ivanov

Länge: 122 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Ein Becken voller Männer“

AlloCiné über „Ein Becken voller Männer“

Rotten Tomatoes über „Ein Becken voller Männer“

Wikipedia über „Ein Becken voller Männer“ (französisch, englisch)


DVD-Kritik: Corps „Germania“ unter Beobachtung

Juni 26, 2019

Es ist schon eine seltsame Welt, die Lion Bischof in seinem sehenswerten Dokumentarfilm „Germania“ porträtiert. Es ist die Welt des Corps Germania, einer in München beheimateten schlagenden Studentenverbindung. Bischof beobachtet die Corps-Mitglieder in ihrem Alltag, bei Feiern, dem Fechttraining und Ausflügen. Bier ist dabei ein ständiger Begleiter dieser jungen Männer. Frauen gibt es nur während einer bierseligen Party im Corpshaus.

In Interviewpassagen erzählen die jungen Männer über sich und was ihnen das Corps Germania bedeutet.

In seinem Film beobachtet der gerade dem Studentenalter entwachsene Bischof die jüngeren Männer ohne sie zu verurteilen. Er verzichtet auch auf einen Sprecher, der Informationen vermittelt, Ereignisse einordnet und, möglicherweise, eine Meinung und Haltung vorgibt. Die muss der Zuschauer sich, ausgehend von seinen Beobachtungen, selbst bilden.

Diese Herangehensweise führt allerdings auch dazu, dass man wenig über die Regeln und Strukturen des Corps erfährt. Zum Beispiel, wie viel Zeit die Studenten miteinander verbringen und wie sehr sie sich damit von den anderen Studenten abkoppeln.

Im Film gibt es auch keine Hintergrundinformationen zum Corps Germania, den Mitgliedern des Corps (nach Wikipedia sind die letzten beiden Politiker, die auch Corps-Mitglieder sind, FPÖ-MdEP Franz Obermayr und AfD-MdEP Markus Buchheit), der Stellung von Studentenverbindungen in Deutschland und an Universitäten und wie aus einer progressiven eine reaktionäre Bewegung werden konnte.

Unter Studenten sind sie heute eine Randgruppe. Weniger als ein Prozent der Studierenden sind Mitglied einer Studentenverbindung.

Bischof zeigt auf einer im Film nicht offen angesprochenen Metaebene die jungen Corps-Mitglieder als Suchende, die in den Traditionen und Regeln des Corps Halt finden. Eine dieser Regeln ist dabei das Verköstigen von Unmengen Bier. In der gesamten Doku gibt es kaum ein Bild, in dem nicht getrunken wird.

Über den Gruppendruck und die politischen und gesellschaftlichen Ansichten der Corps-Mitglieder erfährt man dagegen nichts. Im Audiokommentar meint Bischof, dass er nicht danach gefragt hatte, weil er darauf nur formelhafte Antworten bekommen hätte.

Germania“ erfasst, wie alle rein beobachtenden Dokumentarfilmen, notgedrungen nur einen Teil des Phänomens. Schließlich versteht man durch reines Beobachten auch nicht die Regeln eines Fußballspiels.

Als Einblick in die geschlossene Welt einer schlagenden Studentenverbindung ist „Germania“ allerdings gelungen und auch faszinierend. Schließlich sind das die Studenten, die man an der Universität nur bemerkt, wenn sie in einer Aktion in ihrer Uniform einmal durch die Universität laufen und anschließend wieder in ihrem Haus verschwinden.

Das Bonusmaterial besteht aus einem interessanten, an Hintergrundinformationen reichen Audiokommentar von Regisseur Lion Bischof. Jedenfalls wenn er redet. Gefühlt schweigt er allerdings die meiste Zeit.

Germania (Deutschland 2019)

Regie: Lion Bischof

Drehbuch: Lion Bischof

DVD

Mindjazz Pictures

Bild: 2,39:1 (Cinemascope)

Ton: Deutsch (DD 5.1)

Untertitel: Englisch, Spanisch

Bonusmaterial: Audiokommentar des Regisseurs, Trailer

Länge: 78 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Germania“

Moviepilot über „Germania“

 


TV-Tipp für den 27. Juni: I am Love

Juni 26, 2019

Tele 5, 20.15

I am Love (Io sono l’amore, Italien 2009)

Regie: Luca Guadagnino

Drehbuch: Luca Guadagnino, Barbara Alberti, Ivan Cotroneo, Walter Fasano

Die Russin Emma (Tilda Swinton) ist mit dem reichen Firmenerben Tancredi verheiratet. Ihre drei Kinder sind erwachsen. Alles scheint perfekt, bis Emma den Koch Antonio, einen Freund von einem ihrer Söhne, kennen lernt und sich in ihn verliebt.

Familienepos, das mit sicherem Gespür für Ausstattung, Kostüme und Inszenierung die Rituale und Beziehungen innerhalb einer großbürgerlichen Familie seziert.“ (Lexikon des internationalen Films)

mit Tilda Swinton, Flavio Parenti, Edoardo Gabbriellini, Alba Rohrwacher, Pippo Delbono, Diane Fleri, Maria Paiato, Marisa Berenson, Waris Ahluwalia

Hinweise

Moviepilot über „I am Love“

Metacritic über „I am Love“

Rotten Tomatoes über „I am Love“

Wikipedia über „I am Love“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Luca Guadagninos „A bigger Splash“ (A bigger Splash, Italien/Frankreich 2015) und der DVD

Meine Besprechung von Luca Guadagninos „Call me by your Name“ (Call me by your Name, USA 2017)

Meine Besprechung von Luca Guadagninos „Suspiria“ (Suspiria, Italien/USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Wenn Fliegen träumen“, die andere deutsche Komödie

Juni 26, 2019

Bei dem Anfang wettet niemand auf das Überleben von Naja (Thelma Buabeng). Auf einer für Berliner gut erkennbaren verschneiten Brücke unterhält sie sich mit dem Tod über ihre Beerdigung.

Allerdings könnte es auch ein Traum sein und die ganze Geschichte endet doch gut für Naja.

Bis man das erfährt, nimmt uns Schauspielerin Katharina Wackernagel in ihrer ersten Spielfilmregie, auf eine ziemlich abgedrehte Reise nach Norwegen. 1999 inszenierte sie nach einem Buch von ihrem Bruder Jonas Grosch den Kurzfilm „Think Positive!“. Das Drehbuch für ihr Spielfilmdebüt schrieb ebenfalls Grosch. In den Kinofilmen „Résiste! Aufstand der Praktikanten“, „Die letzte Lüge“ und „bestefreunde“ arbeiteten sie ebenfalls zusammen. Grosch schrieb für die Filme immer das Buch und inszenierte. Wackernagel stand vor der Kamera.

Ihr Roadmovie „Wenn Fliegen träumen“ beginnt mit dem Tod von Najas Vater, zu dem sie keinen Kontakt mehr hatte. Auch nicht zu ihrer suizidgefährdeten Halbschwester Hannah (Nina Weniger). Aber das Erbe muss nun schwesterlich geteilt werden. Es besteht aus einem schrottreifen Feuerwehrauto und einem Haus in Norwegen, über dessen Zustand sie nichts wissen. Kurzentschlossen machen die beiden gegensätzlichen Schwestern sich auf den Weg. Weil Maja eine einsame Psychotherapeutin ist, wird sie von ihrer Therapiegruppe verfolgt. Schließlich können die Mitglieder der Therapiegruppe ohne ihre Therapeutin ihre Therapie nicht fortsetzen. Zur Gruppe gehört auch ein deutscher Autorenfilmer, der in jeder Situation schon Ideen für künstlerisch wertvolle deutsche Filme entwickelt.

Wenn Fliegen träumen“ von Katharina Wackernagel und ihrem Bruder Jonas Grosch ist ein richtiger Independent Film, der sich wenig um Konventionen und Zuschauererwartungen kümmert. Wie es sich für ein Roadmovie gehört, werden locker Reiseerlebnisse aneinandergereiht. Hannah und Naja kommen sich auf der Fahrt näher. Mit Carlos (Johannes Klaussner) haben sie einen jesushaften Reisebegleiter. Und ihre Verfolger finden wundersamerweise in der weiten skandinavischen Landschaft immer wieder die richtigen Spuren. Bei der Interpretation hilft dann der Autorenfilmer.

Sie alle sind eine in jeder Beziehung wundervoll dysfunktionale Familie, die gerade deshalb gut zusammenpasst. Diese schrägen Figuren mit ihrem vielen Komplexen, Eigenheiten und Schrullen torpedieren zuverlässig, allein schon durch ihre Anwesenheit, jeden Ansatz einer auch nur halbwegs stringenten Geschichte.

Wackernagel drehte die wundervolle Offbeat-Komödie mit einem Mini-Budget, viel Enthusiasmus und einem schrägen Humor. Auf Fördergelder und eine TV-Beteiligung verzichteten sie, Grosch und seine Filmproduktionsfirma Résistefilm. Wobei sicher eine Beteiligung von Arte oder dem Kleinen Fernsehspiel drin gewesen wäre. Aber in der Zeit, in der sie auf die zustimmenden Bescheide hätten warten müssen, drehten sie lieber den Film.

Wenn Fliegen träumen (Deutschland 2018)

Regie: Katharina Wackernagel

Drehbuch: Jonas Grosch

mit Thelma Buabeng, Nina Weniger, Niels Bormann, Johannes Klaussner, Katharina Wackernagel, Zoltan Paul, Tina Amon Amonsen, Robert Glazeder, Sebastian Schwarz, Helmut Mooshammer, Sabine Wackernagel, Robert Beyer, Iver Kjekshus, Marie Burchard

Länge: 83 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Der Soundtrack

Bratzgitarren, ordentlich abgehangener Rock und eine mehr als satte Portion Balkan-Folklore dröhnt aus den Boxen. Das macht Spaß, auch wenn man für diesen Soundtrack den Plattenspieler entstauben muss. Oder kaufen muss. Denn der Soundtrack erscheint nur als LP.

Enthalten sind Songs von Bukahara, Ali Gator & His Real Hot Reptile Rockers, Jochen Wenz, Ivana Rushaidat & Rakete, Slowdog und Ray Collins‘ Hot-Club.

Wenn Fliegen träumen (Soundtrack)

off label records/Timezone

Hinweise

Filmportal über „Wenn Fliegen träumen“

Moviepilot über „Wenn Fliegen träumen“

 


TV-Tipp für den 26. Juni: Sneakers – Die Lautlosen

Juni 25, 2019

Nitro, 20.15

Sneakers – Die Lautlosen (Sneakers, USA 1992)

Regie: Phil Alden Robinson

Drehbuch: Phil Alden Robinson, Walter F. Parkes, Lawrence Lasker

Martin Bishop und sein Team brechen im Auftrag von Firmen in Computersysteme ein. Als sie einen halbseidenen Regierungsauftrag erhalten, geraten sie in Teufels Küche.

Sozusagen die unglamouröse Variante von „Ocean’s Eleven“. Was den Film nicht weniger unterhaltsam macht.

Danach, um 22.30 Uhr, läuft „The Big Lebowski“.

mit Robert Redford, Sidney Poitier, Dan Aykroyd, Ben Kingsley, Mary McDonnell, River Phoenix, David Strathairn, Timothy Busfield, James Earl Jones

Wiederholung: Donnerstag, 27. Juni, 00.35 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Sneakers – Die Lautlosen“

Wikipedia über „Sneakers – Die Lautlosen“ (deutsch, englisch)


Cover der Woche

Juni 25, 2019


TV-Tipp für den 25. Juni: Zentralflughafen THF

Juni 24, 2019

Arte, 23.10

Zentralflughafen THF (Deutschland/Frankreich/Brasilien 2018)

Regie: Karim Aïnouz

Drehbuch: Karim Aïnouz

Sehenswerte beobachtende Doku über die Flüchtlinge, die im Zentralflughafen Tempelhof in Berlin viele Monate untergebracht waren.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Ibrahim Al Hussein, Qutaiba Nafea

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Zentralflughafen THF“

Moviepilot über „Zentralflughafen THF“

Rotten Tomatoes über „Zentralflughafen THF“

Berlinale über „Zentralflughafen THF“

Meine Besprechung von Karim Ainouz‘ „Zentralflughafen THF“ (Deutschland/Frankreich/Brasilien 2018)


Fast normaler Schulunterricht in der „Deadly Class“

Juni 24, 2019

Schule ist, wie wir vor allem aus US-Highschoolfilmen wissen, die Hölle. Bei uns gibt es ja nur Paukerfilme, „Fack ju Göhte“ und die eigenen, gar nicht so schlimmen Erfahrungen. Jedenfalls im Vergleich zu dem, was an US-Schulen passiert.

Für Marcus Lopez ist eine Schule allerdings in mehrfacher Hinsicht ein Fortschritt. Er muss dann nicht mehr in San Francisco auf der Straße leben, er erhält Bildung, ein Dach über dem Kopf und, in dieser Schule, sogar eine Zusatzausbildung als Profikiller. Denn selbstverständlich muss auch die Kunst des Tötens gelehrt werden. An der elitären, im Geheimen existierenden Kings-Dominion-Schule der Tödlichen Künste, in der meistens schon die Eltern und Großeltern der jetzigen Schüler das Assassinen-Handwerk lernten, steht auch die Kunst des Tötens auf dem Lehrplan.

Gerade diese Ausbildung gefällt Marcus besonders gut. Denn er will Ronald Reagan töten. Der hat nämlich dafür gesorgt, dass alle psychiatrischen Anstalten kein Geld mehr erhalten. Also entließen die Anstalten ihre Patienten und eine der Entlassenen tötete Marcus‘ Eltern.

Bevor Marcus den Präsidenten der USA töten kann, muss er sich mit den normalen Schulproblemen herumschlagen: strenge Lehrer und schnöselige Schulkameraden und -kameradinnen. Diese Blicken, auch wenn Marcus nicht direkt von der Straße gekommen wäre, auf den Neuling herab. Davon abgesehen zerfallen sie in verschiedene Cliquen, die auch von den 80er-Jahre-Subkulturen beeinflusst sind. Sie sind die Söhne und Töchter von CIA-Agenten, Arischen Brüdern, Rednecks, Drogenbossen, South-Central-LA-Gangstern und Yakuza-Killern.

Die Coming-of-AgeProbleme zwischen Krach mit diesen verschiedenen Cliquen, Freundschaften, erster Liebe und ersten (?) Drogenerfahrungen nehmen dann auch in „Deadly Class“ einen großen Raum ein.

Rick Remender erfand vor sechs Jahren die Serie „Deadly Class“, die viele Reminiszenzen an achtziger Jahre (seine Schulzeit) enthält und von eigenen Erinnerungen inspiriert ist. Obwohl er damals in Phoenix Skatepunk hörte und San Francisco ganz weit weg war. Zeichner Wes Craig und Kolorist Lee Loughridge setzen die Geschichte in bunten Hardboiled-Noir-Bildern um, die gekonnt die Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit schlagen.

Über die spannende Handlung kann ich allerdings wenig schreiben, weil der zweite Band an den ersten anknüpft.

Der dritte „Deadly Class“-Band „Die Schlangengrube“ ist für Mitte August angekündigt. Und weil die Serie in den USA seit Januar 2014 veröffentlicht wird und seitdem fast jeden Monat ein weiteres „Deadly Class“-Comicheft erscheint, ist für Nachschub gesorgt.

Inzwischen wurde aus dem Comic eine Syfy-Serie, die bei uns auf verschiedenen Streaming-Plattformen gezeigt wird. Nach dem stylischen Trailer sieht die Serie mehr nach den achtziger Jahren aus, als die achtziger Jahre jemals aussahen:

Rick Remender/Wes Craig/Lee Loughridge: Deadly Class: 1987 – Die Akademie der tödlichen Künste (Band 1)

(neu übersetzt von Michael Schuster)

Cross Cult, 2019

176 Seiten

16, 80 Euro

Originalausgabe

Deadly Class Volume 1: Reagan Youth

Image Comics, 2014

enthält

Deadly Class # 1 – 6

Rick Remender/Wes Craig/Lee Loughridge: Deadly Class: 1988 – Kinder ohne Heimat (Band 2)

(neu übersetzt von Michael Schuster)

Cross Cult, 2019

176 Seiten

16,80 Euro

Originalausgabe

Deadly Class Volume 2: Kids of the Black Hole

Image Comics, 2015

enthält

Deadly Class # 7 – 11

Die deutschen Erstausgaben erschienen bei Panini Comics und wurden von Marc-Oliver Frisch übersetzt.

Hinweise

Homepage von Rick Remender

Wikipedia über „Deadly Class“ (Comic) (TV-Serie: deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Rick Remenders „Punisher 4: Frankencastle 2“ (FrankenCastle # 17 – 19, 2010)


DVD-Kritik: Über Idris Elbas Victor-Headley-Verfilmung „Yardie“

Juni 24, 2019

Als Victor Headleys Debütroman „YaRDiE“ 1992 in England in dem Kleinstverlag X Press erschien, war es ein Überraschungserfolg, der nicht über die normalen Wege, also Buchhandlungen, verkauft wurde. Headley erzählt auf den ersten Blick die schon tausendmal erzählte Geschichte des Aufstiegs eines skrupellosen Verbrechers. Auf den zweiten Blick, und das machte seinen Debütroman so ungewöhnlich, erzählt er die Geschichte eines jungen Jamaikaners, der aus Jamaika nach London kommt, sich dort seinen Platz erobert, mit viel Lokalkolorit, vielen Informationen über die Drogenkriminalität in London und die jamaikanische Kultur, vor allem natürlich die Reggae-Musik. Damit porträtiert „YaRDiE“ auch und vor allem einen Teil der in London lebenden jamaikanischen Community, die sich in dem Roman auch selbst erkennt. Sie machte das Buch in England zu einem Bestseller. Und, was sicher zum Erfolg beitrug, Headley erzählt D.s Geschichte nicht im normalen Schriftenglisch, sondern im Jamaican English.

Für einen Übersetzer ist das Übersetzen eines lautmalerischen Dialekts eine Horrorvorstellung, die Jürgen Bürger für die deutschen Ausgaben gut löste. Victor Headleys Trilogie „YaRDiE“, „Exce$$ – The Sequel to YaRDiE“ und „Yush! – The final Score“ erschien bei Rowohlt in der inzwischen eingestellten rororo-thriller-Reihe.

Trotzdem liest man die Romane besser im Original und lässt sich einfach von der lautmalerischen Sprache, dem Patois, mitreißen.

Nach der Trilogie veröffentlichte Headley fünf weitere Romane, von denen „The Best Man“ (1999) manchmal zu den YaRDiE-Büchern gezählt wird. 2002 legte er eine jahrelange Veröffentlichungspause einlegte, die er erst letztes Jahr mit „Domino“ beendete.

Eine Verfilmung von „YaRDiE“ war jahrelang, eigentlich jahrzehntelang, im Gespräch. Idris Elba, ein 1972 in Hackney, London, geborenes Einwandererkind (sein Vater kommt aus Sierra Leone, seine Mutter aus Ghana), verdiente in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren auch als DJ Geld. Später konzentrierte er sich auf seine Schauspielerkarriere.

Mit seinem biographischen Hintergrund, der ihm damals einen Einblick in die Szene verschaffte, in der die „YaRDiE“-Bücher spielen, und dem Willen, diese Zeit in seinem Regiedebüt wieder aufleben zu lassen, war er auf den ersten Blick eine gute Wahl für die Regie. Und „Yardie“ überzeugt als Gangsterfilm, der – jedenfalls nach meiner Erinnerung an das Buch – den Protagonisten in einem milderen Licht erscheinen lässt.

In Headleys Roman kommt D. als Drogenkurier aus Jamaika nach London. Er soll ein Kilo erstklassiges Kokain abliefern. Aber er will es als Grundstein für sein Gangsterimperium benutzen.

Die Verfilmung beginnt 1973 auf Jamaika. In Kingston bekämpfen die Verbrecherbanden sich blutig. Als bei einem Schusswechsel ein Kind stirbt, will D.s älterer Bruder mit einem Versöhnungskonzert Frieden stiften. Während des als Versöhnung geplanten Höhepunkt des Abends wird er auf offener Bühne von einem Jungen erschossen.

Zehn Jahre später will D. immer noch den Tod seines Bruders rächen. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Drogenverkäufer für King Fox. Eines Tages schickt King Fox ihn nach London. Er soll Rico Drogen bringen.

In London hält D. Rico auf den ersten Blick für unzuverlässig. Gleichzeitig trifft er Yvonne wieder, die eine vierjährige Tochter von ihm hat, und er trifft auf einige Jugendliche, die D.s Drogenpäckchen wollen. D. beschließt, mit ihnen nach einem Abnehmer für den Stoff zu suchen und er hilft ihnen mit ihrem Sound System. Denn letztendlich ist D. in seinem Herzen kein böser Gangster, sondern ein DJ

Und er trifft wieder auf den Mörder seines Bruders.

Für die Verfilmung mixen die Drehbuchautoren Brock Norman Brock („Bronson“) und Martin Stellman („Quadrophenia“) und Regisseur Idris Elba eine traditionelle Gangstergeschichte mit einem Musikfilm, einer Familiengeschichte und einem Rachedrama.

Das Ergebnis ist ein angenehm quer zu den Genreerwartungen liegender Gangsterfilm, dem es so auch gelingt, das Leben und die Zerrissenheit von D. zu reflektieren.

Mit deutlich über fünfzig Minuten fällt das Bonusmaterial quantitativ erfreulich umfangreich aus. Qualitativ handelt es sich vor allem um Werbeinterviews. Selbstverständlich gibt es in ihnen auch einige Informationen zur Vorlage, dem realen Hintergrund und den Dreharbeiten. Aber insgesamt sind es Werbefloskeln bar jeglicher Distanz und mit überschaubarem Informationswert.

Yardie (Yardie, Großbritannien 2018)

Regie: Idris Elba

Drehbuch: Brock Norman Brock, Martin Stellman

LV: Victor Headley: YaRDiE, 1992 (Yardie)

mit Aml Ameen, Shantol Jackson, Sheldon Shepherd, Stephen Graham, Fraser James, Everaldo Creary, Akin Gazi, Mark Rhino Smith, Naomi Ackie, Antwayne Eccleston

 

DVD

Studiocanal

Bild: 2,40:1 (anamorph)

Ton: Deutsch (5.1 DD), Englisch (Stereo DD, 5.1 DD)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Idris Elbas Regiedebüt (Featurette), Rites of Passage – D’s Reise (Featurette), Idris Elba im Gespräch mit Blaker, Idris Elba im Gespräch mit Aml Ameen, Interview mit Idris Elba, Interview mit Aml Ameen, Interview mit Shantol Jackson, Geschnittene Szenen, Trailer

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Blu-ray identisch

Hinweise

Moviepilot über „Yardie“

Metacritic über „Yardie“

Rotten Tomatoes über „Yardie“

Wikipedia über „Yardie“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Yardie“

Homepage von Victor Headley


TV-Tipp für den 24. Juni: Violette Nozière

Juni 23, 2019

Arte, 20.15

Violette Nozière (Violette Nozière, Frankreich/Kanada 1978)

Regie: Claude Chabrol

Drehbuch: Odile Barski, Hervé Bromberger, Frédéric Grendel

LV: Jean-Marie Fitère: Violette Nozière, 1975 (Violette Nozière)

Paris 1933: Die siebzehnjährige Violette Nozière führt ein Doppelleben. Sie will aus ihrer kleinbürgerlichen Existenz ausbrechen. Das scheint nur zu gehen, indem sie ihre Eltern umbringt. Sie wird verhaftet und zum Tod verurteilt.

Damals erregte der Fall in Frankreich großes Aufsehen. Surrealistische Dichter verklärten die Angeklagte zu einer Heldin gegen die bürgerliche Familie. Aragon, Magritte, Simone de Beauvoir und Piere Brasseur waren von Violette Nozière und ihrer widersprüchlichen Persönlichkeit gefesselt. Chabrol zeigt diese Widersprüche mit zahlreichen Rückblenden. Fast allen Handlungen von Violette Nozière können mehrere, einander widersprechende Motive zugeordnet werden.

Einer von Chabrols besten Filmen, inszeniert mit seinen bewährten Schauspielern Isabelle Huppert, Stéphane Audran und Jean Carmet

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Violette Nozière

Wikipedia über „Violette Nozière“ (deutsch, englisch) und über Claude Chabrol (deutsch, englisch, französisch)

Mein Nachruf auf Claude Chabrol

Claude Chabrol in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 23. Juni: I Am Not Your Negro

Juni 23, 2019

Arte, 22.15

I Am Not Your Negro (I Am Not Your Negro, Frankreich/USA/Belgien/Schweiz 2016)

Regie: Raoul Peck

Drehbuch: James Baldwin

Sehr gelungene, informative und zum Nachdenken anregende Doku-Collage, die vor allem auf James Baldwins letztem, unvollendetem Manuskript „Remember This House“ basiert. In dem Text wollte Baldwin die Geschichte des Rassismus in den USA anhand dreier Freunde, die von Attentätern ermordet wurden, erzählen. Es handelt sich um die Bürgerrechtler Medgar Evers, Malcolm X und Martin Luther King. Peck ergänzt Baldwins unvollendetes Manuskript um weitere Texte von Baldwin und TV-Auftritte Baldwins.

Damit eignet sich Raoul Pecks Film zugleich als Einstieg in Baldwins Werk und als Essay über den Rassismus in den USA und die Bürgerrechtsbewegung. Dabei ist Baldwins Analyse, wie Peck zeigt, heute immer noch aktuell.

Hinweise

Moviepilot über „I Am Not Your Negro“

Metacritic über „I Am Not Your Negro“

Rotten Tomatoes über „I Am Not Your Negro“

Wikipedia über „I Am Not Your Negro“ (deutsch, englisch)

Neu übersetzt und lesenswert

Zum Filmstart von „Beale Street“ erschien bei dtv die Taschenbuchausgabe von James Baldwins Roman „Beale Street Blues“. Fast gleichzeitig erschien James Baldwins Essay „Nach der Flut das Feuer“. In dem Essay, das 1963 als „The Fire next Time“ erschien, schreibt er über die Rassenproblematik in den USA. In dem Gespräch im Lincoln Center empfiehlt Raoul Peck dieses Buch als Einstieg in das Denken von James Baldwin.

James Baldwin: Beale Street Blues

(neu übersetzt von Miriam Mandelkow, mit einem Nachwort von Daniel Schreiber)

dtv, 2019

224 Seiten

12,90 Euro

Originalausgabe

If Beale Street could talk

Dial Press, New York, 1974

James Baldwin: Nach der Flut das Feuer – The Fire next Time

(neu übersetzt von Miriam Mandelkow, mit einem Vorwort von Jana Pareigis und einer Nachbemerkung von Miriam Mandelkow zur Übersetzung)

dtv, 2019

128 Seiten

18 Euro

Originalausgabe

The Fire next Time

Dial Press, New York, 1963


TV-Tipp für den 22. Juni: Captain Phillips

Juni 22, 2019

RTL II, 20.15

Captain Phillips (Captain Phillips, USA 2013)

Regie: Paul Greengrass

Drehbuch: Billy Ray

Vorlage: Captain Richard Phillips/Stephan Talty: A Captain’s Duty: Somali Pirates, Navy SEALS, and Dangerous Days at Sea, 2010 (Höllentage auf See – In den Händen von somalischen Piraten – gerettet von Navy Seals)

Am 8. April 2009 entern somalische Piraten die „Maersk Alabama“ und schnell beginnt ein Psychoduell zwischen Captain Richard Phillips und Muse, dem Anführer der Piraten.

Spannendes, auf Tatsachen basierendes Geiseldrama, das auch die Seite der Piraten zeigt.

mit Tom Hanks, Catherine Keener, Barkhad Abdi, Barkhad Abdirahman, Faysal Ahmed, Mahat M. Ali, Michael Chernus, David Warshofsky, Corey Johnson, Max Martini

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Captain Phillips“

Metacritic über „Captain Phillips“

Rotten Tomatoes über „Captain Phillips“

Wikipedia über „Captain Phllips“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood über „Captain Phillips“

Meine Besprechung von Paul Greengrass’ “Captain Phillips” (Captain Phillips, USA 2013)

Meine Besprechung von Paul Greengrass‘ „Jason Bourne“ (Jason Bourne, USA 2016)


Neu im Kino/Kinokritiken (kurz): „Brightburn“, „Tolkien“, „Eine moralische Entscheidung“, „O beautiful Night“, „Tal der Skorpione“, „Inna de Yard – The Soul of Jamaica“ – da dürfte für fast jeden Geschmack etwas dabei sein

Juni 22, 2019

Manchmal hat man weniger Zeit als gedacht und in vollen Zügen zu arbeiten ist auch nicht so prickelnd. Vor allem wenn ein selbsternannter, bierbäuchiger und biertrinkender Männergesangsverein gerade Weihnachtslieder entdeckt.

Daher gibt es jetzt die Kinoneustarts der Woche, leicht geordnet, aber nicht unbedingt in der Reihenfolge des Gefallens und ihrer Bedeutung

Als mitten in der Nacht im ländlichen Kansas ein unbekanntes Objekt vom Himmel herabfällt, unterbrechen Tori und Kyle Breyer ihr Liebesspiel.

Zwölf Jahre später entwickelt sich ihr über alles geliebter Junge Brandon prächtig. In der Schule ist er ungewöhnlich gut, aber er ist auch extrem jähzornig und er interessiert sich für ein in der Scheune vor ihm verstecktes Objekt.

Brightburn: Son of Darkness“, produziert von „Guardians of the Galaxy“ James Gunn, inszeniert von David Yarovesky nach einem Drehbuch von Brian und Mark Gunn, ist ein kleiner SF-Horrorthriller, in dem der vom Himmel herabgefallene Alien Brandon zu Beginn seiner Pubertät kein netter Junge mehr ist, sondern ein richtiger rachsüchtiger Fiesling wird. Sozusagen Bad Superman.

Yarovesky konzentriert sich in dem B-Picture auf wenige Figuren, verzichtet auf epische Subplots und erzählt die Geschichte für heutige Verhältnisse erstaunlich langsam und, immerhin ist James Gunn involviert, humorfrei.

Brightburn“ ist ein kleiner, sympathischer Film für den Genrejunkie. Ein robuster Magen ist empfehlenswert.

Brightburn: Son of Darkness (Brightburn, USA 2019)

Regie: David Yarovesky

Drehbuch: Brian Gunn, Mark Gunn

mit Elizabeth Banks, David Denman, Jackson A. Dunn, Abraham Clinkscales, Christian Finlayson, Jennifer Holland, Emmie Hunter, Matt Jones, Michael Rooker

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

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Moviepilot über „Brightburn“

Metacritic über „Brightburn“

Rotten Tomatoes über „Brightburn“

Wikipedia über „Brightburn“

 

Weiter geht es mit einem Biopic über John Ronald Reuel Tolkien, den Autor von „Herr der Ringe“.

Regie führte „Tom of Finland“-Regisseur Dome Karukoski. „Pride“-Autor Stephen Beresford und David Gleeson schrieben das Drehbuch. Nicholas Hoult übernahm die Hauptrolle. Und trotzdem ist das Biopic ein dröges Werk, das chronologisch vor allem Tolkiens Kindheit, Jugend und jungen Erwachsenenjahre abhandelt. Es geht um seine Liebe zu Edith Bratt, die er mit sechzehn Jahren kennenlernte und später heiratete. Edith starb 1971; Tolkien 1973. Es geht um seine künstlerisch und literarisch interessierten Schulfreunden Robert Gilson, Geoffrey Smith und Christopher Wiseman, mit denen er die „Tea Club and Barrovian Society“ (TCBS) gründete. Und es geht um seine Erlebnisse während des Ersten Weltkriegs in den Schützengräben, die ihn zu seinen Fantasy-Werken inspirierten. Das wird so spannungsfrei erzählt, dass „Tolkien“ vor allem für Fans von „Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ ist, die jetzt etwas über den Autor dieser Epen erfahren wollen.

Tolkien (Tolkien, USA 2019)

Regie: Dome Karukoski

Drehbuch: David Gleeson, Stephen Beresford

mit Nicholas Hoult, Lily Collins, Colm Meaney, Derek Jacobi

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Tolkien“

Metacritic über „Tolkien“

Rotten Tomatoes über „Tolkien“

Wikipedia über „Tolkien“ (deutsch, englisch) und über J. R. R. Tolkien (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood macht den Tolkien-Test

Meine Besprechung von Dome Karukoskis „Tom of Finland“ (Tom of Finland, Finnland 2017)

Meine Besprechung von Peter Jacksons Tolkien-Verfilmung „Der Hobbit – Smaugs Einöde“ (The Hobbit: The Desolation of Smaug, USA 2013)

 

Dr. Kaveh Nariman ist in Teheran ein äußerst gewissenhafter Gerichtsmediziner. Als er eines Nachts auf dem Heimweg eine vierköpfige, auf einem unbeleuchteten Motorrad fahrende Familie touchiert, verletzt sich deren achtjähriger Sohn Amir leicht am Kopf. Erst nachdem Amirs Vater etwas Geld von ihm annimmt und ihm versichert, dass er seinen Sohn zu einem Krankenhaus fahren wird, lässt Nariman die Familie weiterfahren.

Am nächsten Tag erfährt Nariman, dass der Junge verstorben ist. Er fragt sich, ob er dafür verantwortlich ist. Er ordnet Untersuchungen an und auch als die Obduktion ergibt, dass Amir an einer Lebensmittelvergiftung gestorben ist, lässt er nicht locker.

Vahid Jalilvands „Eine moralische Entscheidung“ ist für mich ein zwiespältiger Film. Auf der einen Seite zeigt Jalilvand mit bitterer Konsequenz, wie eine Handlung eine andere zur Folge hat. Nariman und Amirs Vater verstricken sich dabei in Schuld und Schuldgefühlen. Jalilvand zeichnet außerdem ein hochinteressantes und komplexes Bild der iranischen Gesellschaft, die angesichts der Nachrichtenmeldungen und -bilder aus dem Gottesstaat, erstaunlich westlich ist. Alle Figuren sind vor allem mit weltlichen Problemen beschäftigt. Die Religion ist ihnen da herzlich egal.

Auf der anderen Seite konnte ich Narimans Problem und sein damit verbundenes Tun immer weniger nachvollziehen. Anstatt als rationaler Wissenschaftler das Ergebnis der gründlichen, von einer Kollegin durchgeführten Untersuchung zu akzeptieren, setzt er alle Hebel in Bewegung, um einen Beweis zu finden, der ihn für den Tod des Jungen verantwortlich macht.

Eine moralische Entscheidung (No date, no signature [Internationaler Titel], Iran 2017)

Regie: Vahid Jalilvand

Drehbuch: Ali Zarnegar, Vahid Jalilvand

mit Navid Mohammadzadeh, Amir Agha’ee, Hediyeh Tehrani, Zakiyeh Behbahani, Sa’eed Dakh, Alireza Ostedi

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Moviepilot über „Eine moralische Entscheidung“

Metacritic über „Eine moralische Entscheidung“

Rotten Tomatoes über „Eine moralische Entscheidung“

Wikipedia über „Eine moralische Entscheidung

 

Während in „Eine moralische Entscheidung“ Narimans Konflikt immerhin intellektuell nachvollziehbar bleibt, versagt „O beautiful Night“ auf dieser Ebene vollkommen.

Juri ist ein junger Hypochonder, der kaum seine Wohnung verlässt und nach seiner eigenen Erwartung schon lange Tod sein müsste. Als er doch sein Zimmer verlässt, trifft er in einer Bar einen Mann, der behauptet, der Tod zu sein und dass er Juri töten werde. Anstatt sich jetzt mit einem lauten „Endlich, es ist vollbracht!“ seinem Schicksal hinzugeben, lässt Juri sich vom Tod durch ein Panoptikum seltsamer Großstadttypen und -orte schleifen. Immer kurz davor, getötet zu werden.

Eine Geschichte ohne einen Konflikt ist keine Geschichte. So ist Xaver Böhms Debütfilm „O beautiful Night“ eine Ansammlung bizarrer, schnell langweilender Situationen. Immerhin haben sie immer wieder eine morbide Faszination, die wenigstens das Auge erfreut.

Böhms Abschlussfilm „Roadtrip“ an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee war für den First Steps Award und den Deutschen Kurzfilmpreis nominiert.

O beautiful Night (Deutschland 2018)

Regie: Xaver Böhm

Drehbuch: Xaver Böhm, Ariana Berndl

mit Noah Saavedra, Marko Mandic, Vanessa Loibl, Vincent Rosenow, David Ali Rashed, Elmar Gutmann, Peter Henze

Länge: 86 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

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Filmportal über „O beautiful Night“

Moviepilot über „O beautiful Night“

Wikipedia über „O beautiful Night“

Berlinale über „O beautiful Night“

 

Für „Tal der Skorpione“ konnte Patrick Roy Beckert etliche prominente Namen, sozusagen die üblichen Verdächtigen des Trash-TV und deutscher Proll-Filme, verpflichten. Dass die Jungs mal für Wolfgang Petersen durch „Das Boot“ liefen muss man angesichts ihrer Leistungen im „Tal der Skorpione“ als Jugendsünde verbuchen. Eine Story ist nicht erkennbar. Wahrscheinlich weil schon in der ersten Minute, bei einer epischen Ballerei in einer Sandgrube, das Drehbuch zerschossen wurde. Danach laufen ein Haufen Männer durch einen Wald, der „Breakdown Forest“ (gleichzeitig der ursprüngliche Filmtitel und internationale Titel) genannt wird. Sie ballern, ballern, ballern und ballern. Viel Blut spritzt. Also sehr viel Blut. Es gibt einige Kloppereien. Dazwischen gibt es Explosionen und tiefergelegte Prollsprüche. Manchmal erkennbar geklaut aus anderen Filmen. Ach ja: und Micaela Schäfer stellt ihre Talente aus.

Die irgendwann erahnbare Story ist eine weitere Variante von „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ (The Most Dangerous Game, USA 1932). Wobei die Macher sich wohl eher an „Harte Ziele“ (Hard Target, USA 1993) und „Battle Royale“ (Batoru Rowaiaru, Japan 2000) orientieren, ohne auch nur im Ansatz die Qualität dieser Filme zu erreichen. Es geht also um eine Menschenjagd im Wald, in der – hier ist das nicht vorhandene Drehbuch etwas unschlüssig – reiche Menschen arme Menschen jagen oder die Organisatoren durch Bestenauslese den Über-Soldaten finden wollen.

Weil die Figurenzeichnung sich auf die Anwesenheit des Schauspielers beschränkt, ist es auch egal, wer wann warum stirbt. Oder doch nicht stirbt.

Schlechter als ähnlich gelagerte Billigst-US-Werke ist „Tal der Skorpione“ nicht. Aber das Ziel sollte nicht sein, schlechte Imitate schlechter Filme zu machen.

Tal der Skorpione (Deutschland 2019)

Regie: Patrick Roy Beckert

Drehbuch: Patrick Roy Beckert

mit Patrick Roy Beckert, Thomas Kercmar, Bert Wollersheim, Ralf Richter, Martin Semmelrogge, Claude-Oliver Rudolph, Mathieu Carrière, Elena Carrière, Uwe Fellensiek, Micaela Schäfer, Anouschka Renzi, Taynara Wolf, Bert Wollersheim, Dirc Simpson, Mascha von Kreisler

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

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Filmportal über „Tal der Skorpione“

Moviepilot über „Tal der Skorpione“

 

Zum Abschluss ein Dokumetarfilm für den Musikfan: Peter Webber beobachtet für seine Doku „Inna de Yard – The Soul of Jamaica“ die Reggae-Urgesteine Ken Boothe, Winston McAnuff, Kiddus I und Cedric Myton, die es noch einmal wissen wollen. Oberhalb von Kingston proben sie für ein neues Album mit Unplugged-Versionen iher alten Hits und eine Welttournee. Währenddessen porträtiert Peter Webber die Musiker auch privat.

Für Reggae-Fans ist die Doku als Making-of zu dem „Inna de Yard“-Album „The Soul of Jamaica“ natürlich ein Pflichttermin. Für Nicht-Reggae-Fans sind die porträtierten Musiker vor allem eine Ansammlung sympathischer alter Zausel, die immer etwas zu Rauchen griffbereit haben. Über die Geschichte der Reggae-Musik und die kulturelle und politische Bedeutung der Musik erfährt man dagegen so gut wie nichts. Dafür gibt es ein Blättern durch alte LPs, begleitet mit vielen zustimmenden Geräuschen und Halbsätzen, in denen immer wieder gesagt wird, wie toll die LP, der Musiker und die Band seien. Das ist dann doch etwas oberflächlich.

Vor allem weil Webber ein bekennender Reggae-Fan ist, der die Musik schon als Teenager in den 70er Jahren in London hörte.

Inna de Yard – The Soul of Jamaica (Inna de Yard – The Soul of Jamaica, Frankreich 2018)

Regie: Peter Webber

Drehbuch: Peter Webber

mit Ken Boothe, Cedric Myton, Kiddus I, Winston McAnuff, Judy Mowatt, Var, Jah9, Kush McAnuff, Derajah, Bo Pee, Steve Newland, Lloyd Park

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Inna de Yard“

Rotten Tomatoes über „Inna de Yard“

Meine Besprechung von Peter Webbers „Emperor – Kampf um den Frieden“ (Emperor, USA 2012)


TV-Tipp für den 21. Juni: Mahana – Eine Maori-Saga

Juni 20, 2019

Arte, 20.15

Mahana – Eine Maori-Saga (Mahana, Neuseeland/Australien 2016)

Regie: Lee Tamahori

Drehbuch: John Collee

LV: Witi Ihimaera: Bulibasha: King of the Gypsies, 1994

Neuseeland, fünfziger Jahre: der Maori-Clan der Mahanas hat es zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Oberhaupt Tamihana herrscht diktatorisch über die Schafschererfamilie. Da begehrt der vierzehnjährige Simeon gegen seinen Großvater auf.

Mahana“ ist ein bittersüßer Film, der geduldig sein reichhaltiges Personal entfaltet und einen guten Eindruck von dem damaligen Leben in Neuseeland in der Provinz in festgefügten Familienstrukturen vermittelt. Es ist aber auch ein Film, der letztendlich keinen zentralen Konflikt, sondern viele kleine und große, mehr oder weniger wichtige Konflikte hat und wie ein Puzzle Erinnerungen zusammenfügt. Das funktioniert in einem Roman dann besser als in einem Film.

Sehenswert ist Lee Tamaharis Film trotzdem.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Temuera Morrison, Akuhata Keefe, Nancy Brunning, Jim Moriarty, Regan Taylor, Maria Walker, Yvonne Porter

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Berlinale über „Mahana“

Moviepilot über „Mahana“

Rotten Tomatoes über „Mahana“

Wikipedia über „Mahana“

Meine Besprechung von Lee Tamahoris „Mahana – Eine Maori-Saga“ (Mahana, Neuseeland/Australien 2016)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: „Verachtung“ in der vierten Runde

Juni 20, 2019

Wer hätte das gedacht? Nachdem die ersten drei Jussi-Adler-Olsen-Verfilmungen „Erbarmen“, „Schändung“ und „Erlösung“ massive Probleme hatten, machen die Macher bei der vierten Verfilmung alles richtig. Jedenfalls wenn man auf skandinavische Krimis steht und sich nicht an den oft elaborierten Plänen der Bösewichter und den Logiklöchern stört. Dass für die Verfilmung der Plot des Romans für den Film stark verändert wurde, kennen die Adler-Olsen-Fans von den vorherigen Sonderdezernat-Q-Verfilmungen.

Carl Mørck und sein Kollege Assad vom Sonderdezernat Q, der in den Keller verbannten Cold-Case-Abteilung der Polizei von Kopenhagen, stehen im Film „Verachtung“ vor einem wahrlich bizarren Rätsel. Als die Mietwohnung von Gitte Charles von Handwerkern aufgebrochen wird, entdecken sie eine luftdicht abgeschlossene Kammer. In dieser Kammer sitzen drei mumifizierte Menschen an einem Tisch. Ein Platz ist noch frei und die Mieterin der Wohnung, die seit zwölf Jahren pünktlich die Miete zahlt, ist verschwunden.

Durch die Rückblenden und den Subplot mit Dr. Curt Wad und der von ihm angeführten rechtsradikalen Partei kann man sich in Christoffer Boes Thriller schnell zusammenreimen, wie alles miteinander zusammenhängt. Entsprechend uninteressant ist für uns Zuschauer die Frage, wer der Mörder ist.

Im Roman wird das Zimmer mit den fünf Leichen erst kurz vor dem Finale entdeckt und geöffnet. Hier beginnen die Ermittlungen, weil Mørck und Assad sich wieder den Fall der 1987 spurlos verschwundenen ‚erotischen Tänzerin‘ Rita Nielsen vornehmen. Aufgrund der Umstände ihres Verschwindens glauben sie die offizielle These, dass sie sich selbst umbrachte, nicht. Als die Ermittler nach weiteren nicht gelösten Vermisstenfällen suchen, entdecken sie mehrere ähnlich gelagerte Fälle aus dem Jahr 1987. Sie fragen sich, ob es einen Zusammenhang gibt. Bei ihren Ermittlungen stoßen sie ebenfalls auf Dr. Wad und die Mietwohnung, die im Film von Gitte Charles, im Roman von Nete Rosen, geborene Hermansen, seit Jahren pünktlich bezahlt wird.

Weil Jussi Alder-Olsen den Roman auf zwei bis drei Zeitebenen (der Roman spielt 2010 und 1987, wo die Täterin sich an ihre Kindheit und Jugend in den fünfziger Jahren erinnert) spielen lässt, gibt es hier für den Leser ebenfalls keine großen Überraschungen. Der Roman zerfällt letztendlich in eine 1987 spielende Rachegeschichte und einen 2010 spielenden Ermittlerkrimi.

Der Film legt dagegen den Schwerpunkt auf den Thrillerplot, in dem Mørck und Assad gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner kämpfen müssen. Damit entwickelt sich die sinnvoll entwickelte Geschichte, mit deutlichen Unterschieden zur Romangeschichte, spannend auf die finale Konfrontation(en) zwischen Mørck, Assad, Gitte Charles/Nete Hermansen (der Mieterin der Wohnung mit dem Todeszimmer) und Dr. Wad und seiner Organisation.

Außerdem gibt es im Film zwei wichtige, im Buch nicht enthaltene Subplots. In dem einen kümmert sich Assad um eine junge, schwangere Nichte. Weil ihr Vater davon nichts erfahren soll, geht sie zu dem renommierten Abtreibungsarzt Dr. Wad, der immer noch die Gesellschaft vor lebensunwertem Leben beschützen will.

Gleichzeitig will Assad aufgrund einer Beförderung das Team verlassen. Mørck, der immer behauptet, es sei ihm egal, ist nicht damit einverstanden. Aber er sagt es nicht.

Trotzdem, und das ist die schon seit dem ersten Film überfällige Veränderung, arbeiten sie, wozu auch ihre Assistentin Rose gehört, zusammen und sie werden erstmals als sich ergänzendes und sich vertrauendes Team gezeigt. Außerdem ist Mørck nicht mehr, wie in den vorherigen Filmen (und auch noch im Buch) der blindgeleitete Sturkopf, der ohne irgendwelche Beweise Spuren verfolgt, ständig Grundlagen des Ermittlerhandwerks ignoriert und alle beleidigt. Er war bis jetzt das unaufmerksame Kind, das man mit einem Gameboy in die Ecke setzt, damit die Erwachsenen ihre Arbeit tun können. In „Verachtung“ arbeitet er endlich mit. Er ist Teil des Teams.

Das Thema des Films ist historisch verbürgt, erschreckend, immer noch aktuell und wird als Mordmotiv im Trailer noch deutlicher verraten als im Klappentext des Buches.

Von 1923 bis 1961 wurden auf der Insel Sprogø Frauen gebracht, die mit dem Gesetz oder den damaligen Moralvorstellungen in Konflikt gerieten oder für debil erklärt wurden. Dort wurden sie drangsaliert und sterilisiert. Diese Sterilisationen geschahen aufgrund damals gültiger Gesetze zur Rassenhygiene und Eugenik. In Dänemark waren für diese Gesetze und ihre Durchführung sozialdemokratische Regierungen verantwortlich.

Zwischen 1929 und 1967 wurden in Dänemark etwa elftausend Personen, vor allem Frauen, sterilisiert. Etwa die Hälfte der Fälle waren Zwangssterilisationen. In „Verachtung“ führt Dr. Wad, ein glühender Anhänger der Rassenlehre, diese Sterilisationen ohne das Einverständnis der Frauen durch.

So ist der Thriller eine willkommene Ergänzung im Feld der skandinavischen Kriminalfilme und die bislang beste Adler-Olsen-Verfilmung. All die von den Drehbuchautoren Nikolaj Arcel, Drehbuchautor der vorherigen Adler-Olsen-Verfilmungen „Erbarmen“, Schändung“ und „Erlösung“, Mikkel Nørgaard, Regisseur der Adler-Olsen-Verfilmungen „Erbarmen“ und „Schändung“, und Bo Erhard Hansen gemachten Änderungen stärken die Geschichte, ohne sie zu verraten. Im Rahmen eines konventionellen Thrillerplots wird sogar Adler-Olsens Anklage gegen die staatlich verordneten Zwangssterilisationen und sein Hinweis auf das Fortbestehen rassistischen Denkens deutlicher.

Der Roman selbst ist ein langweiliges Desaster. Über viele Seiten herrscht immer wieder Stillstand. Überraschende Wendungen gibt es nicht. Und auch sonst fehlt „Verachtung“ alles, was man von einem Thriller erwartet. Naja, eigentlich erwartet man von einem Thriller nur diese atemlose Spannung, die einen immer weiter lesen lässt, auch wenn langsam die Sonne aufgeht.

Inzwischen ist mit „Marco effekten“ für 2020 eine fünfte Sonderdezernat-Q-Verfilmung angekündigt. Dann allerdings mit Ulrich Thomsen und Zaki Youssef als Carl Mørck und Assad.

Verachtung (Journal 64, Dänemark/Deutschland 2018)

Regie: Christoffer Boe

Drehbuch: Nikolaj Arcel, Bo Erhard Hansen, Mikkel Nørgaard

LV: Jussi Adler-Olsen: Journal 64, 2010 (Verachtung)

mit Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Johanne Louise Schmidt, Søren Pilmark, Fanny Leander Bornedal, Clara Rosager, Luise Skov, Amanda Radeljak, Anders Hove, Nicolas Bro, Elliott Crosset Hove, Birthe Neumann, Anders Juul, Michael Brostrup, Marianne Høgsbro

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Die Vorlage

(zum Filmstart mit neuem Cover)

Jussi Adler-Olsen: Verachtung

(übersetzt von Hannes Thiess)

dtv, 2019 (Filmausgabe)

544 Seiten

10,95 Euro

Deutsche Erstausgabe (als Gebundene Ausgabe)

dtv, 2012

Originalausgabe

Journal 64

Politikens Forlagshus A/S, Kopenhagen, 2010

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Moviepilot über „Verachtung“

Rotten Tomatoes über „Verachtung“

Wikipedia über den Roman „Verachtung“

Dänische Homepage von Jussi Adler-Olsen

Deutsche Homepage von Jussi Adler-Olsen

Krimi-Couch über Jussi Adler-Olsen

Wikipedia über Jussi Adler-Olsen

Meine Besprechung von Jussi Adler-Olsens „Erbarmen“ (Kvinden i buret, 2008)

Meine Besprechung von Mikkel Nørgaards „Erbarmen“ (Kvinden i buret, Dänemark/Deutschland/Schweden 2013)

Meine Besprechung von Mikkel Nørgaards „Erbarmen“ (Kvinden i buret, Dänemark/Deutschland/Schweden 2013) (DVD)

Meine Besprechung von Mikkel Nørgaards Jussi-Adler-Olsen-Verfilmung „Schändung – Die Fasanentöter“ (Fasandræberne, Dänemark/Deutschland/Schweden 2014) und der DVD

Meine Besprechung von Hans Petter Molands „Erlösung“ (Flaskepost fra P, Dänemark/Deutschland/Schweden/Norwegen 2016)


TV-Tipp für den 20. Juni: Who killed Marilyn?

Juni 20, 2019

EOTV, 21.55

Who killed Marilyn? (Poupoupidou, Frankreich, 2011)

Regie: Gérald Hustache-Mathieu

Drehbuch: Gérald Hustache-Mathieu, Juliette Sales (Mitarbeit)

Jura: Der Krimi-Autor David Rousseau will herausfinden wer die Dorfschönheit und Wetterfee Candice Lecoeur ermordete.

Und weil Candice eine große Bewunderin von Marilyn Monroe war, gibt es in dieser gelungenen Krimikomödie auch zahlreiche Anspielungen auf MMs Leben.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jean-Paul Rouve, Sophie Quinton, Guillaume Gouix, Olivier Rabourdin, Clara Ponsot, Arsinée Khanjian, Eric Ruf

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Französische Homepage zum Film

Rotten Tomatoes über „Who killed Marilyn?“

Wikipedia über „Who killed Marilyn?“

Meine Besprechung von Gérald Hustache-Mathieus „Who killed Marilyn?“ (Poupoupidou, Frankreich, 2011)


„Berlin Prepper“, man muss ja vorbereitet sein

Juni 20, 2019

Der Titel und das Cover sind schon einmal zu gute Argumente, um das Buch zu lesen. Also jedenfalls, um mit der Lektüre zu beginnen. Auch der Klappentext klingt interessant.

Aber das heißt vor allem, dass die Werbeabteilung gute Arbeit geleistet hat.

Fachlicher ist da schon die Krimibestenliste. Dort steht Johannes Groschupfs „Berlin Prepper“ auf dem ersten Platz.

Groschupf, ein früherer Reisejournalist und Jugendbuchautor, erzählt in „Berlin Prepper“ eine Geschichte nah an den aktuellen Schlagzeilen und gesellschaftlichen Problemen. Sein Ich-Erzähler, der Mittvierziger Walter Noack, ist Content Moderator einer großen Zeitung (die ungefähr im Axel-Springer-Hochhaus beheimatet ist). Er liest und löscht unzählige Leserkommentare. Im Sekundentakt muss er entscheiden, ob ein pöbelnd-hetzerischer Kommentar gegen die Regierung und Flüchtlinge noch gerade zu tolerieren ist oder gelöscht werden muss.

In seiner Freizeit ist er ein Prepper. In seiner Wohnung lagert er Vorräte für mehrere Monate und alle erdenklichen Katastrophen (Kleiner Hinweis: es gibt auch andere Dosennahrung als Ravioli). In der Stadt hat er einige Verstecke mit Vorräten angelegt. Er treibt Sport, lebt allein und hat sporadisch Kontakt zu seinem erwachsenem Sohn Nick.

Eines Nachts wird er beim Verlassen des Redaktionsgebäudes zusammengeschlagen. Der Täter kann unbekannt entkommen.

Wenige Wochen später wird seine Kollegin Peppa, eine Studentin, mit der er befreundet ist, ebenfalls vor dem Redaktionsgebäude angegriffen. Sie kann sich allerdings wehren und beißt dem Angreifer in die Hand.

Die an den Ermittlungen desinteressierte Polizei kommt bei ihren Ermittlungen nicht weiter. Also beginnen Noack, Nick und Peppa den Täter zu suchen. Er soll aus dem Containerdorf für Flüchtlinge kommen.

Zur gleichen Zeit gerät Noack immer stärker in die rechte und Reichsbürgerszene, die sich für einen kommenden Krieg präpariert und sehr gute Kontakte zur Polizei hat.

Das liest sich jetzt vielleicht wie der Auftakt für einen spannenden Thriller. Immerhin wird „Berlin Prepper“ als Thriller angekündigt. Aber das ist er nicht. Eher schon ein Roman und das Psychogramm eines Mannes, der ein Prepper ist und der etwas ins rechte Milieu hineinschnuppert.

Groschupf schildert das mit einem Blick für Details, die für ein authentisches Berlin-Feeling sorgen. Die zahlreichen Nennungen von Straßen und Plätzen tragen ebenfalls dazu bei. Auch sprachlich überzeugt der Roman, der nicht witschig sein will und auch dem Leser auch nicht die richtige Meinung einhämmern will. Kühl, fast wie ein objektiver Beobachter, schildert Noack sein Leben und warum es sinnvoll ist, sich auf Katastrophen vorzubereiten. Er selbst erlebte als Jugendlicher Tschernobyl und die darauf folgende Angst vor Strahlen. Ältere Berliner erinnern sich noch an die Luftbrücke und noch immer gibt es von der Regierung Hinweise für den Fall einer Katastrophe. Ein ausreichender Vorrat von Lebensmitteln gehört dazu.

Umso enttäuschender ist der Plot. Wenn man „Berlin Prepper“ streng innerhalb der Konventionen eines Thrillers betrachtet, muss man sogar von einem Reinfall sprechen.

Noack findet viel zu leicht heraus, wer die Straftaten begangen hat. Letztendlich gestehen die Täter ihm frank und frei, was sie warum getan haben und das Finale (laut Klappentext: „während der brutalen Sommerhitze zu Großbränden, Unruhen und offener Anarchie kommt“) enttäuscht. In dem Moment will auch keine Spannung aufkommen, weil es keinen Antagonisten gibt und es auch vollkommen unklar ist, auf welchen finalen Konflikt die Geschichte sich hinbewegt. Denn die verschiedenen Täter sind schon vor dem Finale überführt und, was entscheidender ist, Noack interessiert sich nicht weiter für sie. Die im Finale folgenden Ereignisse haben dann auch keine sich aus den vorherigen Ereignissen ergebenden Konsequenzen, weil sie mit diesen Ereignissen nichts zu tun haben. Emotional berühren sie nicht.

Als Roman, sozusagen als verspätete Coming-of-Age-Geschichte, in der der Protagonist am Ende der Geschichte endlich seinen Heimatort verlässt, ist das etwas anderes. Aber mit dieser Leseerwartung bin ich nach Cover und Klappentext nicht an „Berlin Prepper“ herangegangen.

Letztendlich ist „Berlin Prepper“ ein Roman, der eine gute Idee, aber keinen Plot hat. Er ist nicht wirklich schlecht, aber auch nie so gut, wie die Werbeabteilung verspricht und man nach dem ersten Platz auf der Krimibestenliste glauben könnte.

Johannes Groschupf: Berlin Prepper

Suhrkamp, 2019

240 Seiten

14,95 Euro

Hinweise

Suhrkamp über Johannes Groschupf

Perlentaucher über „Berlin Prepper“