Wie in den vergangenen Jahren präsentiert 3sat am letzten Tag des Jahres mehr als 25 Stunden lang Konzerte von bekannten Musikern und Bands. Die meisten Mitschnitte dürften erstmals im Fernsehen gezeigt werden und die Höhepunkte sind etwas ungleich verteilt. Es geht los mit Bluesrocker Joe Bonamasa.
Um 07.00 Uhr bluest Gary Moore („Blues for Jimi“), um 08.00 Uhr Muddy Waters & The Rolling Stones, um 08.45 Uhr The Doors“, um 09.30 die Doobie Brothers und danach wird es uninteressanter. Denn es folgen unter anderem Sade (um 13.45 Uhr), Simon & Garfunkel (um 15.45 Uhr, das 2003er Madison-Square-Garden-Konzert und nach meiner Meinung der letzte Höhepunkt des Tages), Queen (um 17.15 Uhr [die sind ja immer dabei]), a-ha (um 20.00 Uhr, das Abschiedskonzert), Coldplay (um 22.00 Uhr), Die Fantastischen Vier (um 02.00 Uhr) und, als Abschluss, Iron Maiden (um 05.45 Uhr).
Na, da ist es doch gut, dass der Originaltitel „Grabbers“ nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Denn dann stünde da „Grabscher“ und ob das so verkaufsfördernd wäre, wage ich zu bezweifeln.
Denn „Grabbers“ ist eine in Irland spielende Alien-Invasionskomödie und schon das Zusammentreffen von irisch-kernigen Inselbewohnern, die jedes Irlandklischee bestätigen, und Aliens, die in dem Film in zwei Varianten vorkommen, – die eine Variante der Grabscher sieht wie ein abgeschnittener, beißwütiger Penis, die andere wie ein Octopus mit zu vielen Tentakeln aus -, sorgt für Lacher.
Bevor die Stadtpolizistin Lisa Nolan (Ruth Bradley) für einige Tage als Urlaubsvertretung nach Erin Island kommt, landen die Außerirdischen im Wasser, bringen gleich eine Bootsbesatzung und Dutzende Wale um und verstecken sich in einer Höhle. Lisa Nolan ist jung, hübsch, diensteifrig und so ziemlich das Gegenteil des Inselpolizisten Ciarán O’Shea (Richard Coyle), der ein irisch-trinkfester Säufer ist, mit einer entsprechend entspannten Arbeitsmoral und langen Aufenthaltszeiten im örtlichen Pub; dem einzigen auf der Insel. Seine Arbeitsmoral ist okay, weil auf Erin Island nie etwas passiert.
Doch jetzt geschehen ungewöhnliche Dinge. An den Strand wurde eine Herde toter Wale angeschwemmt, Menschen verschwinden und Paddy Barrett (Lalor Roddy), ein trinkfester Seemann, hat ein seltsames Wesen gefangen, das ihn in der Nacht umbringen will. Er überlebt – und die beiden Garda-Polizisten Ciarán O’Shea und Lisa Nolan und der Meeresbiologe Dr. Adam Smith (Russell Tovey, den wir noch aus „Sherlock: Die Hunde von Baskerville“ kennen), der von der noch unbekannten Spezis als Forschungsobjekt fasziniert ist, beginnen die Sache zu untersuchen. Dabei stellen sie schnell zwei Dinge fest: die Grabscher, wie sie sie, weil die Wesen ihre Opfer ergrabschen, nennen, brauchen zur Fortpflanzung Wasser und sie reagieren allergisch auf Alkohol.
Als für die Nacht ein Sturm angekündigt wird, gibt es nur eine Möglichkeit, den Aliens zu entkommen: unsere Helden verschanzen sich mit allen Inselbewohnern im Pub und sie sorgen dafür, dass ihr Alkoholpegel auf einer alienfeindlichen Höhe bleibt.
Bis auf die Idee, dass die Aliens am Besten mit Alkohol bekämpft werden, der ordentlichen Portion irischen Humors und einem leicht ausuferndem Erzählgestus, der eher an eine launige Erzählung in einem Pub erinnert, unterscheidet sich „Grabbers“ nicht sonderlich von den aus den vergangenen Jahrzehnten bekannten und beliebten Alien-Invasionsfilmen und natürlich ist „Grabbers“ auch eine gelungene Liebeserklärung an die B-Pictures der fünfziger Jahre, als die Aliens immer wieder Kleinstädte in den USA besuchten.
Gleichzeitig steht „Grabbers“ in der Tradition englischer Komödien wie „Shaun of the Dead“, in denen landestypische Besonderheiten liebevoll gepflegt werden und die Helden auf einen ungewöhnlichen Gegner stoßen. Der ganze Schmäh wird in „Grabbers“ mit einer Liebesgeschichte zwischen den beiden Polizisten garniert und fertig ist der vergnügliche Kinoabend mit einigen Pint Bier.
Grabbers (Grabbers, UK/Irland 2012)
Regie: Jon Wright
Drehbuch: Kevin Lehane
mit Richard Coyle, Ruth Bradley, Russell Tovey, Lalor Roddy, David Pearse, Bronagh Gallagher, Pascal Scott, Ned Dennehy
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DVD
Ascot-Elite
Bild: 1:2,35 (16:9 Widescreen)
Ton: Deutsch (DTS 5.1, Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Behind the Scenes, Outtakes, Originaltrailer, 12-seitiges Booklet
Auf der Amundsen-Scott-Forschungsstation in der Antarktis sucht US-Marshal Carrie Stetko einen Mörder.
„Whiteout“ von Autor Greg Rucka (da sollte ein deutscher Verlag mal einige seiner Romane übersetzen) und Zeichner Steve Lieber ist eine tolle Graphic Novel, die ihren größten Reiz aus dem Handlungsort (Hey, wer von uns war schon einmal in der Antarktis?) bezieht. Auf der Kinoleinwand ist der Rätselkrimi dann allerdings, trotz toller Bilder, nur begrenzt interessant. Vielleicht hätten die Macher doch zuerst den zweiten „Whiteout“-Band „Melt“, der ein actionhaltiger Thriller mit Polit-Touch ist, verfilmen sollen.
mit Kate Beckinsale , Gabriel Macht, Tom Skerritt, Columbus Short, Alex O’Loughlin, Shawn Doyle , Joel Keller
Blood Simple – Director’s Cut (USA 1984/2000, R.: Joel Coen)
Drehbuch: Ethan Coen, Joel Coen
Texas: Privatdetektiv Visser findet heraus, dass Abby ihren Mann, den Barbesitzer Marty, mit einem seiner Angestellten betrügt. Marty beauftragt Visser, seine Frau und den Nebenbuhler umzubringen. Der Plan geht – selbstverständlich – gründlich schief.
Ein feiner Noir, der keine Rücksicht auf seine Charaktere nimmt.
Das Kinodebüt der Brüder Coen. Heute im vier Minuten kürzeren „Director’s Cut“. In jeder Fassung ist schon der typische Coen-Humor vorhanden.
Das Drehbuch war für einen Edgar nominiert.
mit John Gertz, Frances McDormand, Dan Hedaya, M. Emmet Walsh, Samm-Art Williams
auch bekannt als „Blood Simple – Eine mörderische Nacht“ (Kinotitel 1985), „Blood Simple – Blut für Blut“ (Videotitel)
Der Western „Reiter ohne Gnade“ ist zwar nicht der erste Filmauftritt von Bernard Herschel Schwartz, aber der erste, in dem er nicht mehr Anthony Curtis sondern nur noch Tony Curtis hieß. Er spielt Kid Dalton (in der deutschen Synchronisation Ken Norton). Eine Nebenrolle. Die Hauptrolle hat Audie Murphy als Jesse James (in der deutschen Synchronisation Johnny Camps), der mit seinen Bruder, den Younger-Brüdern und Kid Dalton, die später als James-Younger-Gang bekannt wurden, bei dem gefürchtetem Südstaaten-Guerillaführer William Clark Quantrill (gespielt von Brian Donlevy und auch in der deutschen Synchronisation Quantrill) anheuern wollen. Denn ihr Elternhaus wurde von Nordstaatlern, die noch nicht einmal das Gewissen von Strauchdieben haben, abgebrannt und ihre Eltern getötet. Quantrill führt eine ziemlich skrupellose Ansammlung marodierender Banditen an.
Tja, und damit dürften dann auch die historischen Tatsachen schon erschöpft sein; wobei die Originalfassung deutlich näher an der historischen Wirklichkeit als die deutsche Synchronisation ist.
Jedenfalls ist Jesse James in der Originalfassung von „Reiter ohne Gnade“ noch ein Jungspund, der Quantrill hemmungslos bewundert und überhaupt nicht auf die Warnungen von Quantrills Frau hören will. Weil er ein guter Kämpfer ist, steigt er rasend schnell auf. Er tötet Quantrills rechte Hand in einem Messerkampf, ist während eines lauschigen Abends Quantrills Saufkumpan und schon darf er bei dem nächsten Überfall auf eine Stadt Verantwortung übernehmen und ist ziemlich schockiert, dass Quantrill und seine Männer skrupellos die Bewohner umbringen. Er überzeugt Quantrill, dass er sich bei den Kämpfen an Regeln halten muss. Quantrill verspricht ihm das. Als er bei einem weiteren Überfall wieder skrupellos mordet, gibt es einen Bruch in der bis dahin straff erzählten Geschichte.
Denn anstatt jetzt abzuhauen oder gegen Quantrill, der sein Wort gebrochen hat, zu kämpfen, bleiben Jesse James und seine Freunde, weil sie eh von den Nordstaatlern gehängt würden, bei Quantrill und er steht Quantrill sogar in den letzten Stunden bei. Quantrill der bis dahin als skrupellos-egomanischer Opportunist gezeichnet wurde, geht tapfer in den Tod – und Jesse James kann zum Banditen werden.
„Reiter ohne Gnade“ ist ein weitgehend schmissiger Routine-Western, der im letzten Drittel hoffnungslos den Faden verliert und sich davor auch nicht so richtig entscheiden kann, wie er Jesse James porträtieren soll. Denn dummerweise wissen wir, dass er und seine Freunde später zu gefürchteten Banditen werden. Da sind die Jahre bei Quantrill nur die Lehrjahre, in denen aus einem jungen Burschen ein Verbrecher wird. Wobei Historiker davon ausgehen, dass der damals Sechzehnjährige Jesse James, im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Frank, nicht bei Quantrill, sondern bei dem ehemaligen Quantrill-Mann William T. „Bloody Bill“ Anderson war und er die moralischen Skrupel, die er in „Reiter ohne Gnade“ hat, in Wirklichkeit nicht hatte.
Weil Ray Enright, ein vielbeschäftigter Routinier, diese Geschichte so nicht erzählen wollte, hängt „Reiter ohne Gnade“ auch mit seiner Aussage eigentümlich in der Luft.
Wenn man „Reiter ohne Gnade“ allerdings, vollkommen herausgelöst aus seinem historischen Kontext, einfach als Entwicklungsgeschichte betrachtet, in der der Held am Ende vielleicht doch ein ehrliches Leben beginnt, dann ist der B-Western kurzweilige Unterhaltung.
Das Bonusmaterial besteht aus dem Trailer, einer Bildergalerie und einem vernachlässigbarem, weil viel zu unkritischem, mit vielen Trailern verlängertem Featurette über Audie Murphy.
Zum Abschluss noch zwei Meinungen, die sich auf die deutsche Fassung beziehen:
„Handlungsreicher Audie-Murphy-Western mit atmosphärisch treffendem Zeitkolorit.“ (Lexikon des internationalen Films)
„Kein bisschen historische Wahrheit in der Geschichte und den Figuren, aber viel Flair und authentisches Kolorit.“ (Joe Hembus: Das Western-Lexikon)
Und ein Wort zur Bild- und Tonqualität der DVD, die viel, viel besser als in der YouTube-Clip ist, der nur einen sehr ungefähren Eindruck von der Bildpracht des Films vermittelt.
Reiter ohne Gnade (Kansas Raiders, USA 1950)
Regie: Ray Enright
Drehbuch: Robert L. Richards
mit Audie Murphy, Brian Donlevy, Marguerite Chapman, Scott Brady, Tony Curtis, James Best, Richard Long
Die Damen und Herren der KrimiZeit-Bestenliste haben aus den Krimis, die sie in den vergangenen Monaten auf ihre monatliche Bestenliste gehoben haben, die zehn besten Krimis des Jahres 2012 herausgefiltert.
Drehbuch: Earl W. Wallace, William Kelley (nach einer Geschichte von William Kelley, Pamela Wallace und Earl W. Wallace)
In Philadelphia beobachtet ein achtjähriger Amish-Junge einen Polizistenmord. Auf dem Polizeirevier kann der Junge die Mörder identifizieren: es sind Kollegen des ermittelnden Detective John Book. Book muss mit dem Zeugen und seiner Mutter bei den Amish untertauchen. Dort entdeckt er eine Welt, die das Gegenteil seiner Eigenen ist.
Polizeifilmklassiker, der im Genrekostüm die Geschichte eines Culture Clash erzählt.
„Weir hat einen überaus spannenden (Kriminal-)Film geschaffen, der auf Action – mit Ausnahme der gewalttätigen Schlusssequenz, die sich aber aus der Fabel völlig motiviert – weitgehend verzichten kann, weil er von Menschen handelt, die von sich aus faszinierend genug sind.“ (Fischer Film Almanach 1986)
Das Drehbuch erhielt den Edgar Allan Poe Award, den Writers Guild of America Award (WGA Award) und den Drehbuchoscar. Peter Weir und Harrison Ford waren für Oscars nominiert und als bester Film war „Der einzige Zeuge“ ebenfalls nominiert. Die Schmonzette „Jenseits von Afrika“ erhielt dann den Oscar als bester Film.
mit Harrison Ford, Kelly McGillis, Jan Rubes, Josef Sommer, Lukas Haas, Alexander Godunov, Danny Glover, Viggo Mortensen (Debüt)
Wie sich die Zeiten ändern sieht man an „Die rote Flut“ (Red Dawn, USA 1984) und dem heute im Kino startendem Remake „Red Dawn“.
1984 war „Die rote Flut“ ein Skandalfilm, gegen den die Menschen auf die Straße gingen und Vorführungen blockierten. Regisseur und Autor John Milius („Apocalypse Now“, „Conan, der Barbar“) erzählte von einer Invasion der Russen in die USA und dem Kampf einer Gruppe Jugendlicher gegen sie. Ideologisch reflektierte der konservative Waffennarr, vollkommen ironiefrei, das damalige Klima in den USA unter Präsident Ronald Reagan und der allgemeinen Angst vor dem Weltuntergang. Neben den ganzen rechtslastigen „Rambo“- und „Missing in Action“-Filmen wurde hier am deutlichsten politische Propaganda betrieben.
Daher ist „Die rote Flut“ auch heute noch als zeithistorisches Dokument interessant. Filmisch ist die Wehrertüchtigung dagegen banal, aber mit einem aufsehenerregendem Cast. Denn die damals angesagten und kommenden Jungstars spielten mit: Patrick Swayze, C. Thomas Howell, Lea Thompson, Charlie Sheen, Darren Dalton, Jennifer Grey, Brad Savage und Doug Toby. Einige wurden danach vergessen oder zogen sich vom Filmgeschäft zurück. Die anderen kennen wir noch heute.
Ergänzt wurde der Cast um einige bewährte Schauspieler, wie Ben Johnson, Harry Dean Stanton, Ron O’Neal, William Smith, Vladek Sheybal und Powers Boothe.
2009 wurde dann ein Remake des Kalter-Kriegs-Paranoia-Werkes „Die rote Flut“ gedreht, das sich weitgehend an das Original hält und, wenn schon damals die Grundidee ziemlich idiotisch war, ist heute die Idee einer Invasion einer fremden Macht in die USA (trotz Afghanistan und Irak) vollkommen bescheuert. Und dabei ist es egal, ob die Invasoren Chinesen (wie ursprünglich geplant) oder Nordkoreaner (wie jetzt, aufgrund der – höhö – geänderten weltpolitischen Lage) sind. Die würden in der Realität die USA ganz anders in die Kniee zwingen.
Aber um Politik, verstanden als auch nur halbwegs nachvollziehbare Analyse einer realen Bedrohung, geht es in „Red Dawn“, das genauso ironiefrei und witzlos wie das Original ist, auch nicht.
„Red Dawn“ ist der feuchte Traum der Tea Party – und als solcher wirklich nur von begrenztem Interesse.
Immerhin zeigt das überflüssige Remake, was passiert, wenn man aus einem ideologischem Bollwerk eben jene ideologische Komponente entfernt und den Rest (okay, der Schlusskampf findet in „Red Dawn“ im Hauptquartier des erstaunlich blassen Bösewichts statt und es geht um einen Koffer, der einen Superdupercode enthält) beibehält: aus einem politischen Ärgernis wird ein Ärgernis.
Denn „Red Dawn“ ist absurd unpolitisches, sich manchmal politisch gebendes Actionkino, das außer den doch eher durchschnittlichen Actionszenen nichts zu bieten hat. Nie hat man den Eindruck, einen Post-9/11-Film zu sehen. Stattdessen glaubt man, in jeder Beziehung, einen dreißig Jahre alten Film, den man damals im Kino verpasst hat, zu sehen. Das führt immerhin dazu, dass die Actionszenen nicht in einem Schnittgewitter untergehen.
P. S.: Tony Gilroy, die Bourne-Filme, „Michael Clayton“ und „Duplicity – Gemeinsame Geheimsache“, wurde 2009, kurz vor dem Beginn des Drehs, für ein Rewrite engagiert und anscheinend änderte er nicht viel an dem Buch. In den Credits taucht er jedenfalls nicht auf und die Nationalität des Bösewichts wurde erst nachträglich geändert.
Red Dawn (Red Dawn, USA 2012)
Regie: Dan Bradley
Drehbuch: Carl Ellsworth, Jeremy Passmore, Tony Gilroy (ungenannt) (nach dem Drehbuch „Red Dawn“ von Kevin Reynolds und John Milius)
mit Chris Helmsworth, Josh Peck, Adrianne Palicki, Josh Hutcherson, Connor Cruise, Will Yun Lee, Jeffrey Dean Morgan, Brett Cullen, Isabel Lucas, Edwin Hodge, Alyssa Diaz, Julian Alcaraz, Michael Beach, Fernando Funan Chien
LV: Robert Daley: Tainted Evidence, 1993 (Nacht über Manhattan)
Der junge Staatsanwalt Casey möchte seinen Vater verteidigen. Nur ist der Vater nicht so unschuldig, wie sein Sohn annimmt.
Lumet inszenierte eine makellose Mischung aus Polizeifilm, Gerichtsdrama und Thriller.
Der Fischer Film Almanach schrieb zutreffend: „Großes Kino alter Schule: Perfekte Inszenierung, psychologisch ausgefeilte Szenen, die das Ringen der Personen transparent machen, eine adäquat karge Ausstattung, exzellente Darsteller und die Musik von Mark Isham fesseln bis zur letzten Minute.“
Mit Andy Garcia, Richard Dreyfuss, Lena Olin, Ian Holm, Ron Leibman, James Gandolfini
Wenn Sie jetzt, verursacht von den vielen Weihnachtsfilmen und Predigten, einen Anfall christlicher Nächstenliebe bekommen und für ihren Nachbarn auf dessen Katze aufpassen wollen: Lassen Sie es sein. Denn es könnte Ihnen wie Hank Thompson ergehen.
Hank ist Barkeeper in New York. Lower East Side. Ein netter Kalifornier, dessen Baseball-Karriere mit einem Unfall endete, dessen Collegezeit, mangels Antrieb, ohne Abschluss endete, der mit einer Schauspielerin nach New York zog, von ihr herausgeworfen wurde, zu viel trinkt und keine große Karriere in Aussicht hat, aber er ist, wie gesagt, ein netter, ehrlicher, hilfsbereiter Typ, der keiner Fliege was zuleide tun kann.
Deshalb nimmt er für einige Tage die Katze von seinem Nachbarn in seine Obhut – und kurz darauf wird er zusammengeschlagen, bei ihm und dem Nachbarn wird eingebrochen und plötzliche zeigen viele zwielichtige Charaktere ein erstaunliches Interesse an dem Nobody Hank.
Aber „Der Prügelknabe“ Hank Thompson hat Glück im Unglück. Er kann mit dem Geld aus New York entkommen. Im zweiten Band der „Hank-Thompson-Trilogie“, die jetzt unter diesem Titel bei Heyne als Sammelband erschien, ist er „Der Gejagte“ und im dritten Band „Ein gefährlicher Mann“.
Dabei ist er immer der friedfertige Pechvogel, der, weil die Umstände halt so sind, wie sie sind, eine beeindruckende Menge an Gewalt ausüben muss, ihm unglaubliche Schmerzen zugefügt werden (rückblickend betrachtet war der Sportunfall harmlos) und er eine beeindruckende Menge an Leichen, für die er mehr oder weniger unmittelbar verantwortlich ist, hinterlässt. Zu seinen Gunsten spricht, dass er kein kaltblütiger Killer ist, es auch nie wird (was ihm in „Ein gefährlicher Mann“ vor wirklich schwierige Probleme stellt) und dass wir, dank Charlie Hustons schnörkelloser Hardboiled-Schreibe, mit ihm viele vergnügliche Stunden erleben können.
Und genau deshalb verrate ich jetzt auch nichts über die weiteren, von Charlie Huston schnörkellos, schwarzhumorig erzählten Abenteuer von Hank Thompson in Mexiko und etlichen Bundesstaaten der USA von der West- bis zur Ostküste.
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Charlie Huston: Die Hank-Thompson-Trilogie
Heyne, 2013
1024 Seiten
13,99 Euro
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enthält
Der Prügelknabe
(übersetzt von Markus Naegele)
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Originalausgabe
Caught Stealing
Ballantine Books, 2004
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Der Gejagte
(übersetzt von Alexander Wagner und Markus Naegele)
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Originalausgabe
Six Bad Things
Ballantine Books, 2005
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Ein gefährlicher Mann
(übersetzt von Alexander Wagner und Markus Naegele)
Männer, die auf Ziegen starren (USA 2009, R.: Grant Heslov)
Drehbuch: Peter Straughan
LV: The men who stare at goats, 2004 (Durch die Wand; Männer, die auf Ziegen starren)
Ein Journalist hört von einer Armeeeinheit, die ihre Gegner mit gewaltfreien, teils übersinnlichen Methoden bekämpft. Er macht sich auf die Suche nach ihr.
Die Story von „Männer, die auf Ziegen starren“ klingt erfunden, ist aber wahr und der Film folgt dem Sachbuch erstaunlich genau.
LV: Dennis Lehane: Shutter Island, 2003 (Shutter Island)
Shutter Island, 1954: U. S. Marshall Teddy Daniels und sein neuer Partner Chuck Aule sollen auf Shutter Island herausfinden, wie die Mehrfachmörderin und Patientin Rachel Solando aus dem streng abgesicherten Hospital entkommen konnte. Schnell ist Daniels einer größeren Verschwörung auf der Spur. Aber kann er seinen Sinnen noch trauen?
Und was kann bei dem Team Scorsese/DiCaprio schon schief gehen? Vor allem wenn sie als Spielmaterial einen spannenden Thriller von Dennis Lehane haben.
Nun, entgegen der allgemeinen Euphorie fand ich „Shutter Island“ todsterbenslangweilig und ungefähr so subtil wie Scorseses John-D.-MacDonald-Verfilmung „Kap der Angst“ (Cape Fear, USA 1991). Lehanes Roman ist dagegen grandios.
Mit Leonardo DiCaprio, Ben Kingsley, Mark Ruffalo, Max von Sydow, Michelle Williams, Emily Mortimer, Patricia Clarkson, Jackie Earle Haley, Ted Levine, John Carroll Lynch, Elias Koteas
Er selbst nannte seinen neuen Comic, bevor er veröffentlicht wurde, „naked Propaganda“ und das ist „Holy Terror“ auch. Und wie immer bei politischer Propaganda ist kein Platz für Differenzierungen. Die Guten sind gut. Die Bösen böse. Die dick aufgetragene politische Botschaft entweder ganz großer Mist oder die triumphale Verkündung der Wahrheit. In Frank Millers neuester Graphic Novel „Holy Terror“ sind die Bösen eine Al-Qaida-Gruppe, die Empire City (vulgo Gotham, vulgo Sin City, vulgo New York) vernichten will. Und nur der „Richter“ (vulgo Batman) und die „Katze“ Natalie Stack (vulgo Catwoman) können die Katastrophe verhindern.
Frank Miller, der den Klassiker „Batman: Die Rückkehr des dunklen Ritters“ und die Noir-Serie „Sin City“ schrieb, wollte die Geschichte ursprünglich als Batman-Geschichte erzählen und überlegte es sich, weil sie nicht in den Batman-Kosmos passe, anders. Dennoch sind die Parallelen zu Batman noch vorhanden. Vor allem am Anfang sind sie überdeutlich. Aber dass die Bösewichter mordgierige Islamisten sind und dass alle guten Amerikaner sich gegen sie verbünden müssen und dass in diesem Kampf alle Mittel erlaubt sind, macht „Holy War“ zu einem Stück ärgerlicher, humorloser, konservativer Propaganda, bei der man sich wirklich fragt, ob man Frank Miller früher anders betrachtet und seine reaktionäre Weltanschauung übersehen hat oder ob er, der auch die gesamte Occupy-Bewegung für einen Haufen Nichtsnutze hielt, in den letzten Jahren zunehmend konservativer wurde.
Jedenfalls können sein abstrakter „Sin City“-Zeichenstil, die hier noch abstrakter geraten ist, und die oft beidseitigen Panels nicht über die Botschaft, die wie ein sehr verspäteter Nachklapp zur Post-9/11-Paranoia und einem Geburtstagsgeschenk für die Tea Party wirkt, und die erzählerischen Schwächen der banalen Geschichte hinwegtäuschen.
„Holy Terror“ ist ein ärgerliches Werk auf dem Niveau seiner komplett vermurksten „The Spirit“-Verfilmung, das mit einem Zitat von Mohammed beginnt („Tötet die Heiden, wo immer ihr sie findet.“) und mit der Widmung „Mit Respekt Theo Van Gogh gewidmet (1957 – 2004)“ endet.
Nuff said.
Vor einigen Jahren war Frank Miller, wie ein Blick in den jetzt erschienenen Sammelband „All-Star Batman“ zeigt, politisch noch nicht so drauf. In dem Sammelband sind die zehn „All-Star Batman“-Bände „All Star-Batman & Robin, the Boy Wonder“ enthalten, die in den USA in einem arg unregelmäßigem Rhythmus erschienen; nämlich September, November, Dezember 2005, März 2006, Juli, September, November 2007, Januar, April und August 2008.
Frank Miller schrieb die Geschichte und Jim Lee, der für die Verspätungen verantwortlich war, zeichnete, eher traditionell und schön bunt, die grandiosen Panels. Sie erzählen, wie Batman Bruce Wayne den zwölfjährigen Dick Grayson, Sohn einer Hochseilartistenfamilie, aus den Händen von Gangstern befreit (Oh, ja, die Gangster ermordeten seine Eltern), zwangsrekrutiert und in der Bathöhle, feinfühlig wie ein von niemandem kontrollierter Kasernenhofschleifer, zu seinem Gehilfen Robin macht. Diese Wie-der Held-zum Helden-wurde-und-seinen-Gehilfen-rekrutierte-Geschichte ist außerhalb der offiziellen Kontinuität des DC-Comic-Universums, weshalb Frank Miller sich bei seiner Neuerzählung bekannter Ereignisse einige Freiheiten nehmen konnte.
Das ist zwar auch kein Meisterwerk, aber ein ungleich gelungeneres Werk.
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Frank Miller: Holy Terror
(übersetzt von Bernd Kronsbein)
Panini, 2012
124 Seiten
29,95 Euro
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Originalausgabe
Holy Terror
Legendary, 2011
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Frank Miller (Autor)/Jim Lee (Zeichner)/Scott Williams (Tusche): All-Star Batman
(übersetzt von Steve Kups)
Panini 2012
252 Seiten
19,95 Euro
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Originalausgabe
All Star Batman & Robin: The Boy Wonder, Issue 1 – 10
Ist das Leben nicht schön? (USA 1946, R.: Frank Capra)
Drehbuch: Frances Goodrich, Albert Hackett, Frank Capra, Jo Swerling (zusätzliche Szenen), Michael Wilson (ungenannt) (nach einer Geschichte von Philip Van Doren Stern)
Am Heiligabend (also heute, vor langer Zeit in einer anderen Welt) will sich der hochverschuldete Familienvater George Bailey (James Stewart) umbringen. Bevor er zur Tat schreitet, taucht Engel Clarence auf und schildert ihm, wie es ohne ihn in dem lauschigen Städtchen Bedford Falls aussähe.
Im Kino war der Film kein Erfolg, dann lief er im Fernsehen so lange an den Weihnachtstagen bis er zu dem Weihnachtsfilm wurde. Regisseur Capra und Hauptdarsteller Stewart nannten den Film ihren Lieblingsfilm – und inzwischen ist er auch der Lieblingsfilm von vielen, vielen Menschen. So steht er in der IMDB-Top-250-Liste auf dem 30. Platz und alle vorher platzierten Filme sind, bis auf „Casablanca“, deutlich jünger; sowieso stehen wenige Filme, die über sechzig Jahre alt sind, auf dieser Liste.
Mit James Stewart, Donna Reed, Lionel Barrymore, Henry Travers, Thomas Mitchell, Beulah Bondi, Ward Bond
Unstoppable – Außer Kontrolle ( USA 2010, R.: Tony Scott)
Drehbuch: Mark Bomback
Zugfahren mit „Last Boy Scout“ Tony Scott: nach „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“ lässt Tony Scott in seinem letzten Spielfilm den feuchten Traum jedes Trassenküssers wahr werden: ein Zug mit sehr gefährlicher Ladung donnert im Affentempo auf sein Ziel zu. Nur zwei Männer wissen, wie man die Superduperkatastrophe verhindern kann. Sie besteigen den fahrenden Zug.
„Unstoppable“ basiert auf wahren Ereignissen. Aber die Macher haben sich einige spannungsfördernde Freiheiten genommen.
LV: A. J. Quinnell: Man on Fire, 1980 (Der Söldner, Mann unter Feuer)
Ex-CIA-Agent John Creasy ist in Mexiko City der Leibwächter einer siebenjährigen Millionärstochter. Als sie von Gangstern entführt wird, startet er einen blutigen Rachefeldzug.
Scotts formale Brillanz bei der Bild- und Tongestaltung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Mann unter Feuer“ ein viel zu lang geratenes, eindimensionales Rachedrama ist.
Mit Denzel Washington, Dakota Fanning, Christopher Walken, Giancarlo Giannini, Mickey Rourke
Die Skepsis vor dem Start der zweiten Staffel war bei den „The Walking Dead“-Fans groß. Immerhin wurde der Showrunner Frank Darabont kurzfristig gefeuert. Der TV-unerfahrene Frank Darabont scheint zwar eine ziemliche Kontrollmanie gehabt zu haben, aber er war auch der Mann, der die erste „The Walking Dead“-Staffel über eine kleine Gruppe Menschen, die in einer postapokalyptischen Welt gegen Zombies kämpfen und versuchen ihre Menschlichkeit zu bewahren, mit seiner Vision zum Erfolg führte. Beim TV-Publikum, bei den Kritikern und auch bei den Fans der Comicserie, die die TV-Serie inspirierte.
Mit Glen Mazzara, unter anderem „The Shield“, übernahm ein erfahrener TV-Mann den Showrunner-Stuhl, den er nach der dritten Staffel aufgrund kreativer Differenzen mit dem Sender wieder verlässt. Außerdem wurde die Zahl der Folgen erhöht: von sechs (immerhin wusste anfangs niemand, ob „The Walking Dead“ ein Erfolg wird) auf dreizehn. Das Budget wurde allerdings nicht im gleichen Maß erhöht. Und die Fans befürchteten schon das Schlimmste. Denn zu einer Zombie-Serie gehören nun mal zahlreiche Außendrehs (teuer!), Massenszenen (teuer!) und Special Effects (teuer!), auch wenn Menschen, die zu Zombies geschminkt werden und herausplatzende Gedärme noch mit der guten alten Spezialeffekte-Schule gelöst werden können.
Die Skeptiker haben, das kann jetzt schon verraten werden, teilweise recht behalten. Denn die kleine Gruppe Überlebender um den Polizisten Rick Grimes (Andrew Lincoln) befindet sich, nachdem sich das Seuchenzentrum in Atlanta, Georgia, als Sackgasse entpuppte, wieder auf der Flucht vor den Zombies. Während einer Zombie-Attacke auf einer Autobahn flüchten Rick und Sophia (Madison Lintz) in den Wald. Er lässt das zwölfjährige Mädchen in einem Versteck zurück und lenkt die Zombies ab. Als er zurückkehrt, ist sie verschwunden.
Während sie sie suchen, entdecken sie die Farm von Hershel Greene (Scott Wilson), der sie aufnimmt. Denn als Otis (Pruitt Taylor Vince), einer von Herschels Männern, auf einen Hirsch schoss, verletzte er auch Ricks Sohn Carl schwer.
Und ab da spielt die Geschichte der zweiten „The Walking Dead“-Staffel budgetschonend auf der Farm, die die Fans der „The Walking Dead“-Comics aus dem zweiten „The Walking Dead“-Band „Ein langer Weg“ kennen. Etliche Details, wie Carls Schussverletzung, die Farm und die Zombies in der Scheune, wurden auch in den Film übernommen.
Gleichzeitig bewegt sich die Geschichte, als ob die Macher nicht wüssten, wie es weitergehen soll, im Schneckentempo voran. Die Charaktere, ihre Beziehungen zueinander und wie das fragile Gleichgewicht der Gruppe auf der sicheren Farm zerbricht, stehen im Mittelpunkt. So kämpfen Rick und sein alter Polizistenkollege Shane Walsh (Jon Bernthal; der sich den Schädel kahl rasiert und wir wissen alle, was das bedeutet) um die Führung der Gruppe und um Ricks Frau Lori (Sarah Wayne Callies), die lange Zeit ihre Schwangerschaft vor Rick verheimlicht. Daryl Dixon (Norman Reedus), der bislang der Einzelgänger der Gruppe war, engagiert sich sehr bei der Suche nach Sophia. Sophias Mutter Carol Peletier (Melissa McBride) versucht das erwartbare Ende der Suche nach ihrer Tochter zu akzeptieren und macht die Anderen für ihren Verlust verantwortlich. Andrea (Laurie Holden) entwickelt sich von der suizidgefährdeten Frau zur Kämpferin. Der ältere Dale Horvarth (Jeffrey DeMunn) entwickelt sich zunehmend zur moralischen Instanz. Glenn Rhee (Steven Yeun) verliebt sich in Hershels Tochter Maggie (Lauren Cohan). Die Frauen übernehmen zunehmend die traditionellen Frauenrollen (die drei Ks „Kinder, Kirche, Küche“, aber ohne die Kirche), die Männer streifen durch den Wald.
Und anstatt der Action (vulgo: Zombie-Klatschen) steht die Suspense im Vordergrund. Immer wieder wird mit der Bedrohung gespielt und, weil jeder Charakter sterben kann, ist auch immer unklar, ob nicht die Person, die gerade durch den Wald schleicht, auch wieder heil zurückkehrt.
Das ist, wenn man sich die dreizehn Folgen in einem Rutsch ansieht, nach anfänglichen Irrungen in den ersten Episoden, durchaus spannend. Denn die Macher ignorieren zugunsten einer einzigen langen Geschichte die Konventionen des seriellen TV-Erzählens. Auch kleinere Geschichten erstrecken sich über mehrere Episoden, nicht immer wird eine wichtige Geschichte innerhalb einer Folge abgeschlossen und nicht jede Folge endet, wie „24“ (wo es zur vollen Stunde immer eine Katastrophe gab), mit einem Cliffhanger. Das kennen die Fans der Comicserie „The Walking Dead“ allerdings auch von den Comics, in denen Serienerfinder und Autor Robert Kirkman sich auch einfach nur für das Erzählen seiner Geschichten interessiert und sich dabei wenig um die Seitenvorgabe für die einzelnen Hefte kümmert.
Im US-TV lief „The Walking Dead“ allerdings mit der üblichen Dosis von einer Folge pro Woche und einem Mid-Season-Finale (nach sieben Folgen gab es eine mehrmonatige Pause) und da fragten die Fans sich zu recht, was das soll: keine Zombies, viel Charakterentwicklung und dann die in der Serie tagelange (im TV wochenlange) Suche nach einem verschwundenen Kind, das wahrscheinlich schon lange tot ist. Gleichzeitig verrieten die Macher nicht, wie die Serie weitergehen soll. Immerhin gehört es zu „The Walking Dead“, dass jeder sterben kann und die Leser der Comics mussten schon einige schmerzhafte Verluste wegstecken. In den zahlreichen Audiokommentaren sprechen die „The Walking Dead“-Macher auch ausführlich über die negativen Fanreaktionen, dass sie von Anfang an die zweite Staffel auf der Farm spielen lassen und tiefer in die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander eintauchen wollten. Und dass die lange Suche nach Sophia dazu diente, das Mid-Season-Finale, das Massaker auf der Farm, vorzubereiten und dann in der zweiten Hälfte, die sich nahtlos an die erste Hälfte anschließt, die Karten neu gemischt werden.
Und ab diesem Moment wird die zweite Staffel von „The Walking Dead“ richtig gut. Denn ab dem Finale der siebten Folge wird deutlich, wohin die Konflikte, die in der ersten Staffelhälfte teilweise arg langwierig etabliert wurden führen sollen.
Am Ende der Staffel müssen Rick und seine Gefährten, mit einigen neuen Mitreisenden und ohne einige alte Gefährten, die Farm verlassen, Michonne taucht auf (und wird daher in der dritten Staffel eine wichtige Rolle übernehmen), das letzte Bild zeigt am Horizont das Gefängnis, in dem in den Comics Rick Grimes und seine Gruppe eine lange Zeit verbringen und sie, auch das verrät ein Blick in die Ankündigungstexte der dritten Staffel, gegen den selbsternannten Gouverneur von Woodbury, einem furchterregendem Gegner über mehrere „The Walking Dead“-Bände, kämpfen müssen.
Das Bonusmaterial
Das Bonusmaterial ist, wie schon bei der ersten Staffel, erfreulich umfangreich und informativ. Auf der vierten DVD gibt es hundert Minuten Hintergrundberichte und geschnittene Szenen. Produzent Glen Mazzara erklärt die Schnitte und besonders die Erklärung für den ersten großen Schnitt ist eine kleine Lektion im filmischen Geschichten-Erzählen. Denn die erste Folge der zweiten Staffel sollte ursprünglich neunzig Minuten dauern. Es wurde ein anderer Anfang gedreht, der später wieder entfernt wurde. Mazzara erklärt in seinem Audiokommentar einleuchtend, was an dem ursprünglich geplanten Anfang nicht funktionierte.
Die meisten Featurettes beschäftigen sich mit wichtigen Filmszenen, die meistens auch etwas für das Auge bieten. Also Zombies, Action und die Schlacht um Herschels Farm im Staffelfinale.
In „Die Tinte lebt“ äußerst sich „The Walking Dead“-Erfinder Robert Kirkman zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen seinem Comic und der Serie und warum er für die Änderungen ist.
Und dann gibt es noch fünf Audiokommentare, die alle sehr interessant sind. Jedenfalls wenn man sich für die Hintergründe der Serie interessiert und erfahren möchte, was die Macher sich dabei dachten. Bei „Zukunft im Rückspiegel“ unterhält Showrunner Glen Mazzara sich mit Executive Producer Gale Anne Hurd, Executive Producer David Alpert und Robert Kirkman, bei „Tod oder Lebendig“ mit Regisseur Michelle MacLaren, Autor Scott M. Gimple und Film Editor Julius Ramsay, bei „Nebraska“ mit Autor Evan Reilly, mit „Hershel Greene“-Darsteller Scott Wilson und „Glenn Rhee“-Darsteller Steven Yeun, bei „Sorry Bruder!“ mit Regisseur Gregory Nicotero (der auch für das Zombie-Make-Up verantwortlich ist), Autorin Angela Kang und „Andrea“-Darstellerin Laurie Holden und bei „Die Mahd“ mit Regisseur Ernest R. Dickerson, Robert Kirkman, Gregory Nicotero und „Daryl Dixon“-Darsteller Norman Reedus.
The Walking Dead – Staffel 2 (The Walking Dead, USA 2011)
Erfinder: Frank Darabont
LV: Comicserie von Robert Kirkman, Charlie Adlard und Tony Moore
mit Andrew Lincoln (Rick Grimes), Sarah Wayne Callies (Lori Grimes), Chandler Riggs (Carl Grimes), Jon Bernthal (Shane Walsh), Jeffrey DeMunn (Dale Horvath), Laurie Holden (Andrea), Steven Yeun (Glenn Rhee), Norman Reedus (Daryl Dixon), IronE Singleton (Theodore ‚T-Dog‘ Douglas), Melissa McBride (Carol Peletier), Scott Wilson (Hershel Greene), Lauren Cohan (Maggie Greene), Emily Kinney (Beth Greene)
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DVD
Entertainment One/WVG Medien GmbH
Bild: 16:9
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: 5 Audiokommentare, Featurettes (Gedärme und Innereien, Leben und sterben lassen, Die Musik zum Film, Feuer am Set, Die Tinte lebt, Der Klang der Effekte, In toten Gewässern, Du könntest einen Mord begehen, Sie wird kämpfen, Die Kostüme, Der Cast von Staffel 2), Deleted Scenes (optional mit Audiokommentar von Glen Mazzara) (100 Minuten; alle Extras mit deutschen Untertiteln)
Länge: 554 Minuten (4 DVDs)
FSK: ab 18 Jahre
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„The Walking Dead“ – Die Folgen der zweiten Staffel
Zukunft im Rückspiegel (What lies ahead, Erstausstrahlung: 16. Oktober 2011)
Regie: Ernest R. Dickerson, Gwyneth Horder-Payton
Drehbuch: Frank Darabont (als Ardeth Bey), Robert Kirkman
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Blutsbande (Bloodletting, Erstausstrahlung 23. Oktober 2011)
Regie: Ernest R. Dickerson
Drehbuch: Glen Mazzara
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Die letzte Kugel (Save the last one, Erstausstrahlung: 30. Oktober 2011)
Regie: Phil Abraham
Drehbuch: Scott M. Gimple
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Die Cherokee-Rose (Cherokee Rose, Erstausstrahlung 6. November 2011)
Regie: Bill Gierhart
Drehbuch: Evan Reilly
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Chupacabra (Chupacabra, Erstausstrahlung 13. November 2011)
Regie: Guy Ferland
Drehbuch: David Leslie Johnson
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Beichten (Secrets, Erstausstrahlung 20. November 2011)
Regie: David Boyd
Drehbuch: Angela Kang
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Tod oder Lebendig (Pretty much dead already, Erstausstrahlung 27. November 2011)
Regie: Michelle MacLaren
Drehbuch: Scott M. Gimple
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Nebraska (Nebraska, Erstausstrahlung 12. Februar 2012)
Regie: Clark Johnson
Drehbuch: Evan Reilly
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Am Abzug (Triggerfinger, Erstausstrahlung 19. Februar 2012)
Regie: Billy Gierhart
Drehbuch: David Leslie Johnson
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Ausgesetzt (18 Miles Out, Erstausstrahlung 26. Februar 2012)
Regie: Ernest R. Dickerson
Drehbuch: Scott M. Gimple, Glenn Mazzara
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Sorry, Bruder! (Judge, Jury, Executioner, Erstausstrahlung 4. März 2012)
Regie: Gregory Nicotero
Drehbuch: Angela Kang
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Die besseren Eingel unserer Natur (Better Angels, Erstausstrahlung 11. März 2012)
Regie: Guy Ferland
Drehbuch: Evan Reilly, Glen Mazzara
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Die Mahd (Beside the dying Fire. Erstausstrahlung 18. März 2012)
James Bond: Stirb an einem anderen Tag (USA/GB 2002, R.: Lee Tamahori)
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade
LV: Charakter von Ian Fleming
Buch zum Film: Raymond Benson: Die Another Day, 2002
Nachdem James Bond kurzzeitig von M gefeuert wird, darf er wieder die Welt retten. Aktuelle Schauplätze sind Nordkorea, Hongkong, Kuba, London und Island.
Vierter und letzter Bond-Film mit Pierce Brosnan, der sich nicht sonderlich von den vorherigen unterscheidet: kurzweiliges Popcornkino für die ganze Familie.
Mit Pierce Brosnan, Halle Berry, Rick Yune, Judi Dench, John Cleese, Toby Stephens, Michael Madsen, Rosamund Pike, Michael G. Wilson, Madonna
Beginnen wir mit der beruhigenden Meldung: Nichts Neues im David-Ayer-Kosmos. Auch „End of Watch“ ist ein Polizeifilm, der in Los Angeles, genauer South Central, spielt und sich nahtlos an seine vorherigen Filme „Training Day“ (Drehbuch), „Dark Blue“ (Drehbuch), „Street Kings“ (Regie, nach einer Geschichte von James Ellroy) und, weniger, „Harsh Times – Leben am Limit“ (Drehbuch, Regie) anschließt. Sogar in seinen Popcorn-Filme „The Fast and the Furious“ (Drehbuch) und „S. W. A. T. – Die Spezialeinheit“ (Drehbuch), die ja gerne verschwiegen werden, geht es um Polizisten und Verbrecher.
Auch in „End of Watch“ stehen Polizisten im Mittelpunkt. Wieder spielt die Geschichte in South Central. Wieder wirft sie einen ungeschönten Blick auf das dortige Leben.
Aber dieses Mal verschob David Ayer seinen erzählerischen Fokus und auch innerhalb des Genres sind die Verschiebungen, die er vornimmt, sehr interessant.
Doch bevor wir uns der Geschichte zuwenden, müssen wir über die Inszenierung reden. Ayer inszenierte den Polizeifilm, bis auf wenige Ausnahmen, im Found-Footage-Stil.
Der Grund für die Videofilmerei ist ein Schulprojekt von Officer Brian Taylor (Jake Gyllenhaal), der sich beruflich verbessern will. Er will für ein Videoprojekt seinen Alltag als Polizist dokumentieren. Sein langjähriger Partner, Officer Mike Zavala (Michael Peña), hilft ihm dabei und seine Kollegen wissen von der Filmerei, die daher von ihnen während der Arbeit öfters angesprochen wird.
Ayer mischte in seinem Polizeifilm Aufnahmen aus Überwachungskameras, Camcodern und Spionagekameras (so tragen die beiden Helden fast unsichtbare Knopfkameras an ihren Uniformen). Entsprechend schlecht und verwackelt sind die Aufnahmen. Es gibt auch öfters Bildaussetzer. Kurz gesagt: eine dieser Nachmittags-Pseudo-Dokus sieht dagegen gut aus und wem schon bei den Bourne-Filmen schwindelig wird, der sollte auf den Kinobesuch verzichten.
Mir gefiel diese Inszenierung und sie passt auch gut zur Geschichte, die von der straffen Inszenierung, den grandiosen Schauspielern und den guten Dialogen getragen wird. Allerdings, das muss auch gesagt werden, sollte David Ayer es bei diesem einmaligen Experiment belassen und seine nächsten Filme wieder traditioneller Drehen.
Jetzt können wir uns der Geschichte zuwenden. Ayer erzählt in „End of Watch“ von den beiden Streifenpolizisten Brian Taylor und Mike Zavala. Taylor ist noch Junggeselle und auf der Suche nach seiner großen Liebe, die er auch im Verlauf des Films findet. Zavata ist glücklich verheiratet mit seiner Schulfreundin und das erste Kind ist unterwegs. Zwischen den einzelnen Einsätzen frotzeln sie – oft reichlich vulgär – herum und bei der Arbeit legen sie die Gesetze manchmal etwas weit aus. Aber sonst kann man in South Central, das immer stärker von skrupellosen Gangs beherrscht wird, nicht überleben und sie sind letztendlich grundehrliche und grundanständige Polizisten, die bei ihrer Arbeit zufällig die Kreise einer großen Drogengang stören und auf eigene Faust weiter ermitteln. Denn ihre Vorgesetzten scheinen sich nicht dafür zu interessieren.
Eher zufällig entdecken sie in einem Haus unter primitiven Umständen gefangene illegale Einwanderer. Ein Beamter eines Sonderkommandos, der sie von oben herab behandelt, sagt, dass sie ihre Finger davon lassen sollen.
In dem Moment ist es allerdings schon zu spät. Das mexikanische Sinaloa-Drogenkartell will die beiden neugierigen Polizisten aus dem Weg haben.
Die Story ist für David Ayer allerdings nur die Krücke, um vom Leben von zwei Polizisten zu erzählen, die, abgesehen von ihrer Sprache und einer gewissen Hitzköpfigkeit, Vorbildbeamte sind. Sie würden niemals ein Bestechungsgeld annehmen. Korruption und Machtmissbrauch sind in „End of Watch“, im Gegensatz zu seinen vorherigen Polizeifilmen „Training Day“, „Dark Blue“ und „Street Kings“, kein Thema. Jetzt inszeniert er ein Loblied auf den einfachen, ehrlichen Polizisten.
Und Taylor und Zavala machen ihren Job gerne und finden ihn auch nicht furchtbar belastend. Im Gegenteil: er macht ihnen Spaß. Sie haben eine durchaus realistischen Blick auf South Central, das hier noch heruntergekommener aussieht, als in den älteren Filmen, wie „Colors – Farben der Gewalt“ und „Training Day“. Taylor und Zavala haben auch keine Illusionen über die Wirkung ihrer Arbeit. Sie wissen, dass sie die Verhältnisse nicht verändern können. Aber sie sind nicht resigniert und auch überhaupt nicht zynisch.
End of Watch (End of Watch, USA 2012)
Regie: David Ayer
Drehbuch: David Ayer
mit Jake Gyllenhaal, Michael Peña, Anna Kendrick, Nathalie Martinez, America Ferrera, Frank Grillo, David Harbour, Cody Horn, Maurice Compte, Richard Cabral, Yahira Garcia
Im Rahmen des 3sat-Wim-Wenders-Abends (um 22.25 Uhr gibt es „In weiter Ferne, so nah!“ und um 03.15 Uhr „Von einem der auszog – Wim Wenders‘ frühe Jahre) empfehle ich
3sat, 01.15
Der amerikanische Freund (D/F 1976, R.: Wim Wenders)
Drehbuch: Wim Wenders
LV: Patricia Highsmith: Ripley´s Game, 1974 (Ripley´s Game oder Regel ohne Ausnahme, Ripley´s Game oder Ein amerikanischer Freund)
Restaurator Jonathan hat Leukämie. Ripley bietet ihm einen gut bezahlten Mordauftrag an. Jonathan nimmt an und sein Leben gerät aus den Fugen.
Die freie Verfilmung des dritten Ripley-Romans ist eine der besten Highsmith-Verfilmungen. Wenders zu den Veränderungen: „Ich möchte, dass meine Filme von der Zeit handeln, in der sie entstehen, von den Städten, den Landschaften, den Gegenständen, von allen, die mitarbeiten, von mir. Diesen Spielraum hat mir Ripley´s Game gelassen. Weil er in der Arbeitsweise der Highsmith auch schon enthalten ist. Deshalb glaube ich, dass ich dem Buch doch nahe geblieben bin, so sehr ich mich auch davon entfernt habe. Es gibt nicht ´die Verfilmung´. Es gibt zwei grundverschiedene Sachen: Bücher und Filme. In ihnen kann eine gleiche ´Einstellung´ zu den Dingen vorhanden sein, aber nicht die gleichen Dinge.“
Stellvertretend für die vielen euphorischen Kritiken Hans C. Blumenberg: „Wenders zeigt den urbanen Alptraum, wie man ihn noch nie in einem europäischen Film gesehen hat: halb als uraltes, verkommenes Abbruchviertel, halb als futuristische Schreckenslandschaft…Die große Faszination dieses Films hat direkt mit seiner Vielschichtigkeit zu tun. Man kann ihn als pessimistischen Kommentar zur nachrevolutionären Bewußtseinskrise der späten siebziger Jahre verstehen, aber auch als brillanten Kriminalfilm, man kann ihn als urbanen Alptraum von der Zerstörung der Städte bewundern, aber man kann ihn auch als poetische Ballade einer Freundschaft lieben. Sein Reichtum, der nicht ohne Gefahren ist, erlaubt bei jedem Sehen neue Abenteuer, neue Entdeckungen.“ Außerdem entwarf er eine Gleichung: „Hitchcock + Ray + Scorsese = Wenders“ (die Gültigkeit dieser Gleichung für andere Wenders-Filme darf bezweifelt werden.)
Mit Bruno Ganz, Dennis Hopper, Lisa Kreuzer, Gérard Blain, Nicholas Ray, Samuel Fuller, Peter Lilienthal, Daniel Schmid, Lou Castel