Der Schatz der Sierra Madre (Treasure of Sierra Madre, USA 1948)
Regie: John Huston
Drehbuch: John Huston
LV: B. Traven: Der Schatz der Sierra Madre, 1927
Drei Männer suchen in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Mexiko Gold. Aber das Gold bringt ihnen kein Glück.
„Der Malteser-Falke“ war die erste Zusammenarbeit von John Huston und Humphrey Bogart. Es entstand ein Klassiker. Auch ihre nächste Zusammenarbeit, „Der Schatz der Sierra Madre“, ist ein Klassiker. Auch wenn er „wahrscheinlich der am meisten überschätzte Film Bogarts“ (Hans C. Blumenberg) ist und „So beliebt dieser Film auch heute ist, so sicher er Bestandteil des Bogart-Kults ist, so wenig lassen sich seine Mängel übersehen.“ (Clifford McCarty: Humphrey Bogart und seine Filme). Denn die Botschaft des Films wird schon am Anfang des Films von Walter Huston verkündet und in den folgenden beiden Stunden bestätigt.
Danach drehten Humphrey Bogart und John Huston die Klassiker „Hafen der Laster“/“Key Largo“ und „The African Queen“.
mit Humphrey Bogart, Walter Huston, Tim Holt, Bruce Bennett, Barton MacLane
Auf der Leipziger Buchmesse unterhielt die Kriminalakte sich am 27. April 2023 mit Christopher Golden und Kim Sherwood über ihre neuen und neu auf Deutsch erschienenen Romane. Golden hatte seinen brandneuen Thriller „Road of Bones – Straße des Todes“ (Cross Cult) und den im Original bereits 2010 unter dem Pseudonym Jack Rogan erschienenen Horrorthriller „The Ocean Dark“ (Buchheim) im Gepäck. Kim Sherwood ihren ersten James-Bond-Roman „Doppelt oder Nichts“ (Double or Nothing) (Cross Cult). Der Thriller ist der Beginn einer Trilogie, die James Bond in die Gegenwart bringt und auch einen Blick auf seine Kollegen wirft. Das sind die 00-Agenten, die bis jetzt nur als „00[Nummer] wurde getötet.“ bekannt sind.
Wir sprachen über ihre neuen Bücher, über die Herausforderung, Geschichten für bereits existierende Figuren zu erfinden, und wie sie ihre Romane schreiben. Das Gespräch endet mit jeweils fünf sechs, ausführlich von Kim Sherwood und Christopher Golden begründeten Leseempfehlungen für den nächsten Urlaub.
Christopher Golden hat seit 1995 zahlreiche Horror-, Fantasy- und Thrillerromane geschrieben. Teilweise mit anderen Autoren wie Mike Mignola und Tim Lebbon, teilweise für bestehende Serien, wie die Vampirjägerin Buffy. Er schrieb auch Filmromane, wie „King Kong“, Comics und Jugendromane. Und er wechselt kontinuierlich zwischen Serien- und Einzelromanen. Seine Thriller standen auf der „New York Times“-Bestsellerliste. Sie wurden für den British Fantasy Award, den Eisner Award und, mehrmals, den Bram Stoker Award nominiert.
Kim Sherwood ist die neue James-Bond-Autorin. Ihr Debütroman „Testament“ über die Auswirkung des Holocaust auf eine Familie erhielt den Bath Novel Award und den Harper’s Bazaar Big Book Award. 2019 stand ihr Name auf der Shortlist für den Sunday Times Young Writer of the Year Award.
Sie unterrichtet Kreatives Schreiben an der Universität von Edinburgh; – wahrscheinlich nicht mehr lange.
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Christopher Goldens Buchtipps
John Irving: A Prayer for Owen Meany, 1989 (Owen Meany)
S. A. Cosby: Blacktop Wasteland, 2020 (Blacktop Wasteland)
Tana French: The Secret Place, 2014 (Geheimer Ort)
Chris Cleave: Everyone Brave is Forgiven, 2016 (Die Liebe in diesen Zeiten)
Erik Larson: The Devil in the White City, 2003 (Der Teufel von Chicago: ein Architekt, ein Mörder und die Weltausstellung, die Amerika veränderte)
Violet Castro: The Queen of the Cicadas, 2021 (-)
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Kim Sherwoods Buchtipps
Dame Hilary Mantel: Wolf-Hall-Trilogie (Wolf Hall, 2009 [Wölfe]; Bring Up the Bodies, 2012 [Falken]; The Mirror & the Light, 2020 [Spiegel und Licht])
Ian Fleming: Casino Royale, 1953 (Casino Royale)
Ian Fleming: From Russia with Love, 1957 (Liebesgrüße aus Moskau)
Elmore Leonard: Be Cool, 1999 (Schnappt Chili)
Elizabeth Bowen: The Heat of the Day, 1949 (In der Hitze des Tages)
Peter O’Donnell: Modesty-Blaise-Serie, 1965 – 1996
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Christopher Golden: Road of Bones – Straße des Todes
Einlass ist ab 19.00 Uhr. Um eine Anmeldung unter service@Otherland-berlin.de wird gebeten. Ebenso um eine Spende.
Im Gepäck hat Ben Aaronovitch, der Erfinder von Peter Grant und der witzigen „Die Flüsse von London“-Urban-Fantasy-Krimiserie, eine Vorspeise (den Kurzroman „Die schlafenden Geister des Lake Superior“), eine Hauptspeise (den Roman „Die Silberkammer in der Chancery Lane“) und zwei Nachspeisen (die Comics „Ein mieser Montag“ und „Und wenn sie nicht gestorben sind“).
„Die schlafenden Geister des Lake Supeior“ ist sein neuestes Buch. In Deutschland erschien die Geschichte mit FBI-Agentin Kimberley Reynolds über einen Monat vor der englischen Ausgabe. Die ist erst für den 8. Juni angekündigt.
Eifrige Leser der Peter-Grant-Romane kennen die FBI-Agentin seit „Ein Wispern unter Baker Street“ (Whispers Under Ground, 2012). In dem Fantasykrimi lernte die tiefreligiöse Kimberley Reynolds bei einem Auslandseinsatz Peter Grant kennen. Der Besuch in London war gleichzeitig ihre erste Begegnung mit der Welt der Magie und der Beginn ihrer Freundschaft zu Peter Grant. Jetzt gibt er ihr den entscheidenden Hinweis im Kampf gegen die „schlafenden Geister des Lake Superior“.
Der Fall beginnt mit einem Anruf des Ex-FBI-Agenten Patrick Henderson. Er warnt vor einem möglichen X-RAY SIERRA INDIA und bittet um eine Einschätzung. Genauere Informationen werde er dem FBI-Einsatzteam geben. Kimberley, die beim FBI in der Abteilung für die seltsamen, okkulten „Akte X“-Fälle arbeitet, wird mitten im tiefsten Winter nach Eloise, Wisconsin, geschickt. Als sie in der Kleinstadt eintrifft, ist Henderson spurlos verschwunden, ein Eistornado hat die Gemeindeverwaltung und das Poliizeirevier zerstört und es geschehen wirklich seltsame Dinge in der Gegend.
Ihr bleiben nur wenige Stunden, um eine Katastrophe zu verhindern.
Die flott gelesene, vergnügliche Geschichte, die Ben Aaronovitch in seinem gewohnt humorvollem Ton erzählt, gehört zu den kürzeren Geschichten, die mal als Kurzroman, mal als Novelle bezeichnet werden. Sie können an einem langen Abend gelesen werden und sie eignen sich gut als Einstieg in die Welt der „Flüsse von London“.
Schon letztes Jahr erschien „Die Silberkammer in der Chancery Lane“, der neunte Roman mit Peter Grant. Der in London lebende Grant ist Polizist. Er gehört zu der bei seinen Kollegen allgemein unbeliebten Einheit für Spezielle Analysen. Sie kümmert sich um abstruse Fälle, die normalerweise irgendetwas mit Zauberei und Okkultismus zu tun haben und mit denen normale Polizisten nichts zu tun haben wollen. Außerdem ist Grant der erste Zauberlehrling seit 1945. Sein Ausbilder, Mentor und Vorgesetzter ist Thomas Nightingale. Sein Alter ist nicht bekannt. Aber der Zauberer hat im Zweiten Weltkrieg gedient und ist seitdem nicht merklich gealtert.
In „Die Silberkammer in der Chancery Lane“ geht es um einen seltsamen Todesfall in der titelgebenden Silberkammer. In der unterirdischen Shoppingmal werden, bestens gesichert vor Diebstählen, seit Ewigkeiten wertvolle Gegenstände aus Silber verkauft. Jetzt wurde in ihr ein Mann, der gerade ein Geschäft überfiel, ermordet. Sein Herz wurde von einer unbekannten Macht herausgerissen. Die zahlreichen Überwachungskameras haben nichts aufgenommen. Also muss Peter Grant herausfinden, welcher böse Geist hier am Werk war. Und warum.
Nach gut vierhundert Seiten haben Peter Grant und seine Kollegen den Fall geklärt.
Aufgrund des großen Erfolgs seiner Peter-Grant-Romane gibt es seit 2015 auch Comics, denn, so Aaronovitch auf der Leipziger Buchmesse: „Wer will nicht Comicautor sein?“. Ben Aaronovitch schreibt die Comics zusammen mit Andrew Cartmel. Beide schrieben Drehbücher für die TV-Serie „Doctor Who“. Cartmel schreibt außerdem die „Vinyl Detektiv“-Krimis, die auf Deutsch bei Suhrkamp erscheinen.
Die Comics gehören zur Kontinuität der Romane. Sie können aber unabhängig von den Romanen gelesen werden. Wie die Romane unabhängig von den Comics gelesen werden können. Sie sind kurze Zwischenhappen, die die Zeit zwischen den Romanen verkürzen.
Zuletzt erschienen, mit jeweils einer großen Geschichte, der neunte und zehnte Comicband. Im neunten Comicband sind außerdem vier einseitige Comics enthalten.
In „Ein mieser Montag“ jagt DI Miriam Stephanopoulos eine Bande Teenager-Taschendiebe. Mehrere Razzien der Metropolitan Police bleiben ohne Ergebnis. Wahrscheinlich wurde die Gang gewarnt. Außerdem geht ein Undercover-Einsatz schief. Der Undercover-Polizist liegt jetzt im Krankenhaus. Er hat einen schwedischen Werwolf gesehen. Und damit handelt es sich um eine Angelegenheit für Peter Grant und die Einheit für okkulte Angelegenheiten.
Aaronovitch und Cartmel erzählen die zu verschiedenen Zeiten spielende Geschichte kapitelweise aus verschiedenen Blickwinkeln mit verschiedenen Protagonisten. Das Ergebnis ist dann eher unbefriedigend.
Der neueste „Die Flüsse von London“-Comic „Und wenn sie nicht gestorben sind…“ wurde von Celeste Bronfman geschrieben. Aaronovitch und Cartmel beaufsichtigten die Arbeit. Im Mittelpunkt ihrer Geschichte stehen die Zwillinge Chelsea und Olympia. Die Töchter der Flussgöttin Themse brechen in einem Park versehentlich einen Bannzauber. Das führt dazu, dass die in einem alten Märchenbuch zusammengestellten und illustrierten Märchen, wie „Der Froschkönig“ und „Schneewittchen“ jetzt zum Leben erweckt werden.
Weil Grant und Nightingale gerade mit anderen Geistern beschäftigt sind, versuchen die beiden Zwillinge das von ihnen angerichtete Unheil rückgängig zu machen.
„Und wenn sie nicht gestorben sind…“ ist eine witzige Urban-Fantasy-Geschichte, bei der Peter Grant nur in einem Panel auftaucht.
Am 3. Mai liest er um 20.30 Uhr in Würzburg in der Buchhandlung Hugendubel (Kürschnerhof 4-6)
Am 4. Mai liest er um 20.15 Uhr in München in der Buchhandlung Hugendubel am Stachus (Karlsplatz 11-12).
Beide Abende werden von Uve Techner moderiert.
Ben Aaronovitch: Die schlafenden Geister des Lake Superior – Eine Kimberley-Reynolds-Story
(übersetzt von Christine Blum)
dtv, 2023
240 Seiten
11,95 Euro
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Originalausgabe (die erst in einigen Tagen erscheint)
Winter’s Gift
Orion, 2023
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Ben Aaronovitch: Die Silberkammer in der Chancery Lane
(übersetzt von Christine Blum)
dtv, 2022
416 Seiten
15,95 Euro
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Originalausgabe
Amongst our Weapons
Gollancz, London 2022
Ben Aaronovitch (Schöpfer)/Celeste Bronfman (Story)/Andrew Cartmel (Skript-Lektorat)/José María Beroy (Zeichnungen): Die Flüsse von London: Und wenn sie nicht gestorben sind… (Band 10)
(übersetzt von Kerstin Fricke)
Panini, 2023
116 Seiten
17 Euro
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Originalausgabe
Rivers of London: Deadly ever after
Titan Comics, Januar 2023
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Ben Aaronovitch (Story)/Andrew Cartmel (Story)/José María Beroy (Zeichnungen): Die Flüsse von London: Ein mieser Montag (Band 9)
Flammendes Inferno(The Towering Inferno, USA 1974)
Regie: John Guillermin
Drehbuch: Stirling Silliphant
LV: Richard Martin Stern: The Tower, 1973; Thomas N. Scortia/Frank M. Robinson: The Glass Inferno, 1974
Im 135. Stock feiert Bauherr Duncan in einem Hochhaus eine Einweihungsparty. Das von ihm in San Francisco gebaute Hochhaus ist mit 138 Stockwerken das höchste Gebäude der Welt. Während sie feiern, bricht einige Stockwerke ein Feuer aus, das das Hochhaus zerstören kann. Feuerwehrchef O’Hallorhan und einige tapfere Männer versuchen die in dem brennenden Haus eingeschlossenen Menschen zu retten.
So sahen in den Siebzigern Superheldenfilme aus: die primäre Superkraft war das Superstardasein. Einige waren sehr tapfere Helden, andere sehr gemeine Feiglinge. Die Drehbücher begnügten sich im Anordnen der Klischees (heute noch mehr als damals) und der Actionszenen, in denen möglichst viel kaputt geht.
Mit gut drei Stunden ist „Flammendes Inferno“ ein abendfüllendes Vergnügen voller Stars und leinwandfüllender Attraktionen. Alle Effekte sind praktische Effekte, weil es damals noch keine CGI gab. Ein Fest für die Stuntmen.
„Flammendes Inferno“ war ein Kassenhit.
Rückblickend war der Katastrophenfilm der letzte große Kinofilm von Steve McQueen.
mit Steve McQueen, Paul Newman, William Holden, Faye Dunaway, Fred Astaire, Susan Blakely, Richard Chamberlain, Jennifer Jones, O.J. Simpson, Robert Vaughn, Robert Wagner
Broken City – Stadt des Verbrechens (Broken City, USA 2013)
Regie: Allen Hughes
Drehbuch: Brian Tucker
Billy Taggart, Ex-Cop und inzwischen glückloser Privatdetektiv, soll die Frau des Bürgermeisters observieren. Dieser glaubt, dass sie ihn betrügt.
Biederer Neo-Noir, der mitten im Wahlkampf um den Bürgermeisterposten spielt und bei dem es um Korruption und illegale Immobiliengeschäfte geht. Die Geschichte ist vertraut (selbstverständlich hat Bürgermeister Hostetler einige Hintergedanken, selbstverständlich stolpert Taggart in eine „Chinatown“-Geschichte, selbstverständlich…). Er ist prominent besetzt. Er liefert einige ungewöhnliche Ansichten von New York und es gibt etwas Action. Am Auffallendsten ist die oft beunruhigende Musik/Soundcollage von Atticus Ross, Leopold Ross und Claudia Sarne. Ross schrieb mit Trent Reznor die Musik für die David-Fincher-Filme „The Social Network“, „Verblendung“ und „Gone Girl – Das perfekte Opfer“.
mit Mark Wahlberg, Russell Crowe, Catherine Zeta-Jones, Jeffrey Wright, Barry Pepper, Natalie Martinez, Kyle Chandler, Griffin Dunne
Wie andere Großveranstaltungen legte sie wegen der Coronavirus-Pandemie eine Zwangspause ein. Letztes Jahr fand sie nur als spontane Ad-hoc-Messe statt.
Dieses Jahr findet sie, bis Sonntag, am gewohnten Ort im gewohnten Rahmen statt.
Für die erste Post-Pandemie-Ausgabe wurde das Hallenkonzept geändert. Comics und Mangas, die immer populärer werden, sind jetzt in zwei von fünf Hallen präsent. Und wer wollte, konnte, schon vor dem Cosplay-Wettbewerb am 29. April, viele Cosplayer fotografieren.
In den restlichen drei Hallen sind Belletristik- und Sachbuchverlage. Dieses Jahr fielen mir, neben den vielen altbekannte, vertrauten und beliebten Verlagen, mehrere Musikbuchverlage auf. Und es gibt einen von mir ignorierten „Fokus Bildung“. Gefühlt gab es mehr Essensstände. Und es gab selbstverständlich viele Buchvorstellungen und Gesprächsrunden.
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Ben Aaronovitch, der Erfinder von Peter Grant und der „Flüsse von London“-Krimifantasyserie, und „Panini“ Steffen Volkmer beim Signieren. Also, natürlich nur Ben Aaronovitch. Die deutschen Ausgaben seiner Werke erschienen bei dtv und Panini.
Else Laudan vom Argument Verlag vor ihrem Ariadne-Krimiprogramm und ihrer aktuellen Top-Empfehlung für alle, die einen guten Krimi lesen wollen: der neue Roman von Mary Paulson-Ellis „Das Erbe von Solomon Farthing“.
Die helle Macht hinter den immer lesenswerten Noirs des „Polar“-Verlages: Jürgen Ruckh, Britta Kuhlmann und Wolfgang Franßen (von links nach rechts)
Ein romantischer Thriller über eine Frau, die als Tochter eines Nazis zwischen zwei Männern steht (naja, am Ende eher liegt): einem FBI-Agenten, der Nazis jagt und sie daher undercover zu einem Freund ihres Vaters schicken will, und einem Schurken, der sie heiraten will. Oder in den Worten der großen Filmkritikerin Frieda Grafe: in dem Film geht es „um Männer, die Frauen verachten, weil sie tun, wozu Männer sie zwingen.“
Truffaut nannte „Notorious“ Hitchcocks Quintessenz. Recht haben beide.
In Deutschland wurde “Berüchtigt”in den Fünfzigern als “Weißes Gift” gestartet und aus den Nazis wurden Drogenhändler. Später wurde die Synchronisation geändert.
Mit Ingrid Bergman, Gary Grant, Claude Rains, Louis Calhern
Minor-League-Basketballtrainer Marcus (Woody Harrelson), ein Rechthaber und Choleriker, hat mal wieder Mist gebaut. Dafür und weil er sich vor Gericht schlecht benimmt und, vielleicht, weil die von ihm genervte Richterin ihm eine Lektion erteilen will, verurteilt sie ihn nicht zu einer Geldstrafe, die er fluchend bezahlen würde, sondern zu Sozialstunden. Er muss einige Jugendliche trainieren. Dummerweise sind diese Jugendlichen ein Trupp Behinderter. Körperlich sind sie Erwachsene. Geistig sind sie auf dem Niveau von Kindern, die alles außer Disziplin haben. Begeistert spielen sie Basketball. Aber die Regeln des Spiels kennen sie nicht. Sie sind ihnen auch egal. Ein Team, das irgendwie zusammen spielt und versucht zu gewinnen, sind sie auch nicht.
Für Marcus sind sie schon auf dem ersten Blick eine Vollkatastrophe. Doch jetzt soll er aus ihnen eine Mannschaft formen und sie auf den Weg zu einer regionalen Meisterschaft führen.
Auch wer das Original – Javier Fessers spanischen Kassenhit „Wir sind Champions (Campeones, 2018) – nicht kennt, weiß, wie die Geschichte zwischen dem cholerischen Trainer und den herrlich untalentierten Spielern sich entwickeln wird. Bobby Farrelly, der Co-Regisseur von „Kingpin“ (ebenfalls mit Woody Harrelson) und „Verrückt nach Mary“, inszenierte in seinem Solo-Regiedebüt eine Feelgood-Komödie, die ihr Herz auf dem rechten Fleck hat und von ihren Schauspielern und ihrem Zusammenspiel lebt.
Der Feelgood-Film „Champions“ ist kurzweilig, amüsant, mit einigen göttlichen Basketball-Spielern und einem Trainer, der dank ihnen zu einem besseren Menschen wird. So wie es sich für einen Feelgood-Film gehört.
Champions(Champions, USA 2023)
Regie: Bobby Farrelly
Drehbuch: Mark Rizzo (basierend auf David Marqués/Javier Fessers „Wir sind Champions“)
mit Woody Harrelson, Kaitlin Olson, Matt Cook, Ernie Hudson, Cheech Marin, Madison Tevlin, Joshua Felder, Kevin Iannucci, Ashton Gunning, Matthew Von Der Ahe, Tom Sinclair, James Day Keith, Alex Hintz, Casey Metcalfe, Bradley Edens
LV: Isaac Asimov: I, Robot, 1950 (Ich, der Robot, Kurzgeschichtensammlung)
2035: Roboter nehmen uns viele Aufgaben ab. Als der Chefkonstrukteur der Firma US Robotics in den Tod stürzt, glaubt Polizist und Roboterhasser Del Spooner, dass der Konstrukteur von einem Roboter umgebracht wurde. Niemand glaubt ihm.
Unterhaltsamer SF-Actionthriller, der von Asimov vor allem die drei Robotergesetze übernommen hat. Denn Proyas interessiert sich vor allem für Design und Entertainment.
mit Will Smith, Bridget Moynahan, Alan Tudyk, James Cromwell, Bruce Greenwood, Chi McBride, Shia LaBeouf
Das Schweigen der Lämmer (The Silence of the Lambs, USA 1991)
Regie: Jonathan Demme
Drehbuch: Ted Tally
LV: Thomas Harris: The Silence of the Lambs, 1988 (Das Schweigen der Lämmer)
Jung-FBI-Agentin Clarice Starling verfolgt einen Serienkiller und verliebt sich in den inhaftierten Hannibal Lecter. Der hochintelligente Psychiater, Serienkiller und Kannibale sitzt seit Jahren in einer Hochsicherheitszelle.
Inzwischen ein Klassiker, der – zu Recht – etliche Oscars erhielt (Bester Film, Regie, Drehbuch, Hauptrolle). Beim wiederholten Sehen fällt auf, wie wenig von den schockierenden Ereignissen wirklich zu sehen ist – und wie konservativ die Kameraführung ist. Achten sie auf die erste Begegnung von Jodie Foster und Anthony Hopkins. Da ist keine Bewegung überflüssig, kein Schnitt zu viel und es wird sich in jeder Sekunde auf das Drehbuch und die Schauspieler verlassen.
Hitchcock hätte der Film gefallen.
Der Roman ist ebenfalls sehr gelungen.
Mit Jodie Foster, Anthony Hopkins, Scott Glenn, Ted Levine
Wiederholung: Donnerstag, 27. April, 03.15 Uhr (Taggenau!)
Schnell, kurz und reichlich spät komme ich meiner Chronistenpflicht nach. Denn die letzten Tage war ich mit einem Projektantrag beschäftigt. Doch das ist eine andere Geschichte, zu der ich vielleicht irgendwann mehr schreiben werde.
Jetzt schreibe ich etwas über die neuen Filme von Christian Petzold, Sam Mendes und Brandon Cronenberg, die bei allen Unterschieden eine Gemeinsamkeit haben: sie gefielen mir nicht so gut wie erwartet.
Beginnen wir mit Sam Mendes‘ „Empire of Light“ und seiner Liebeserklärung an seine Mutter, das Kino und seine Jugend; – wobei es sich hier um kein Biopic, sondern ein ein ‚inspiriert von‘ und damit eigentlich nur um eine in der Vergangenheit spielende Geschichte handelt.
Die Filmgeschichte spielt in den frühen Achtzigern in einem an der Südküste von England liegendem Küstenort. Dort steht das Empire Kino, ein Kinopalast, der schon vor Ewigkeiten erbaut und seitdem kaum verändert wurde. Er hat seine besten Zeiten schon lange hinter sich. Überall ist die wohlige Patina besserer Zeiten. Nur noch zwei Säle werden bespielt. Das Dachrestaurant mit Seeblick ist eine verstaubte Ruine. Dort trifft sich Hilary Small (Olivia Colman), die schon etwas ältere Managerin des Empire, die psychische Probleme hat, mit Stephen (Micheal Ward). Der junge Schwarze ist der jüngste Angestellten des Kinos.
Mendes entfaltet die Beziehung zwischen den beiden und zwischen dem Kinopersonal nur langsam und in Andeutungen. Das ist von Roger Deakins edel gefilmt. Die Sets und die Ausstattung sind überaus stimmig. Trent Reznor und Atticus Ross schrieben die atmosphärische Musik. Stars des britischen Kinos, wie Colin Firth und Toby Jones, spielen mit. Und sie sind gewohnt gut. Kleine Details und Gesten sind in diesem langsam erzähltem Drama, das sich genau so entwickelt, wie man es erwartet, wichtig.
Die Probleme des Films liegen in seinem langsamen Erzähltempo und dass viele Themen, wozu auch die Konflikte und gesellschaftlichen Spaltungen während der Thatcher-Regierung, zwar angesprochen, aber nicht vertieft werden.
„Empire of Light“ ist mehr das langsame Blättern in einem edel gestaltetem Fotoalbum als ein packender Kinofilm. Alles ist einfach zu leblos.
In „Roter Himmel“ erzählt Christian Petzold von vier jungen Menschen, die einige Tage in einem abgelegen gelegenem Ferienhaus an der Ostsee verbringen und sich kennen und lieben lernen. Es sind ein Schriftsteller, der an seinem zweiten Roman schreibt, aber lieber prokrastiniert, sein Freund, ein Kunststudent, der eigentlich für seine Bewerbung bei der Universität der Künste etwas machen sollte, aber vor lauter anderen ‚Projekten‘ nicht zum prokrastinieren kommt, eine junge Frau, die im Sommer als Eisverkäuferin arbeitet und ihr Freund, ein Rettungsschwimmer, der total wahre Geschichten aus seinem Leben erzählt und nicht länger als bis zum Ende des Sommers ihr Freund ist.
Das ist, wie immer bei Petzold, gut inszeniert, gut gespielt und voller Anspielungen. Aber ich konnte mit „Roter Himmel“ nichts anfangen. Dafür blieben mir die Figuren durchgehend zu fremd. So fand ich die Freundschaft zwischen dem Schriftsteller und seinem fotografierenden Schulfreund unglaubwürdig. Dass die vier jungen Menschen am Filmanfang, eine Nacht und einen Tag in dem kleinen Ferienhaus verbringen, ohne sich zu begegnen oder sich zu begrüßen, fand ich genauso unglaubwürdig. Als würde nicht die Anwesenheit von zwei neuen Mitbewohnern neugierig machen, wird sich stattdessen in getrennten Betten vergnügt. In der zweiten Hälfte gibt es dann eine Enthüllung über die Eisverkäuferin, die nur deshalb überrascht, weil der Schriftsteller, obwohl er in sie verliebt ist, sich bis dahin nicht für ihr Leben abseits der Tage in dem Ferienhaus interessierte. Dass er ein ziemlich Stinkstiefel ist, der seine schlechte Laune kultiviert und trotzig, vollständig angekleidet, in die Ostsee starrt, anstatt ins Wasser zu springen, gefällt dann schon wieder in Petzolds Sommerkomödie.
Auf der Berlinale gab es dafür Kritkerlob und den Silbernen Bären.
Roter Himmel(Deutschland 2023)
Regie: Christian Petzold
Drehbuch: Christian Petzold
mit Thomas Schubert, Paula Beer, Langston Uibel, Enno Trebs, Matthias Brandt
Vollkommen ratlos lässt einen Brandon Cronenbergs neuer Horrorfilm „Infinity Pool“ zurück. Protagonist ist James Foster. Der Schriftsteller schiebt seit Ewigkeiten die Arbeit an seinen zweiten Roman vor sich her. Jetzt verbringt er mit seiner Frau einige Tage in einem noblen Ferienresort, in dem, unter tropischer Hitze vor sich hin dösend, die Tage zwischen Hotelbar, Hotelpool und Hotelstrand verbracht werden. Der Kontakt zu den Einheimischen beschränkt sich auf folkloristische Darbietungen im Hotelrestaurant zum Abendessen.
Als James und seine Frau mit einem Paar, das sie im Hotel kennen lernten, die hoch gesicherte Ferienanlage für einen Ausflug zu einer verschwiegenenen Bucht verlassen, nimmt ihr Leben eine dramatische Wende. Denn auf der Rückfahrt überfährt James betrunken einen Einheimischen. Ihr Plan, die Leiche verschwinden zu lassen geht schief und sie werden verhaftet. Der ermittelnde Polizist erklärt James, dass hier das Prinzip der Blutrache gelte. Aber es gäbe einen Ausweg.
In diesem Moment nimmt „Infinity Pool“ eine Wende ins fantastische und ein vollkommen wirrer Trip beginnt.
Brandon Cronenberg (Ja, der Sohn von David Cronenberg und wie sein Vater macht er Body Horror) spricht alles an, was einem zu „westliche Urlauber in Dritte-Welt-Ländern“ einfällt, garniert es mit Sex und Gewalt, und führt keinen Gedanken konsequent zu Ende. Dafür darf sich dann jeder sein persönliches Interpretationsgoldstück herausholen. So ist der Film eine Anklage gegen den Tourismus. Es geht um unser Verhältnis zu den Einheimischen, die vor den Touristen folkloristisch tanzen dürfen als müssten sie einen Film aus den Fünfzigern über den archaischen wilden Mann wieder auferstehen lassen. Es geht um Klon-Experimente, geheime Gesellschaften, das Verhältnis von Erster zu Dritter Welt, oder, weil es mehr der Attitüde der im Ferienresort urlaubenden Gästen entspricht, von Herrenmenschen zu dem Aberglauben zugeneigten Ureinwohnern.
Das hat durchaus seine Momente. Insgesamt ist der sich stilistisch am 70er-Jahrer-Horrrorfilm orientierende „Infinity Pool“ nach seinem vorherigen Film „„Posessor“ nur eine riesengroße, langweilige, konfuse, bestenfalls pseudo-provokante Enttäuschung mit einem unbefriedigendem Ende.
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Hm, das war jetzt doch nicht so kurz.
Infinity Pool (Infinity Pool, USA 2023)
Regie: Brandon Cronenberg
Drehbuch: Brandon Cronenberg
mit Alexander Skarsgård, Mia Goth, Cleopatra Coleman, Jalil Lespert, Thomas Kretschmann, Jeffrey Ricketts, John Ralston, Amanda Brugel, Caroline Boulton, Zijad Gracic, Ádám Boncz
Buch zum Film: Hannsdieter Loy: Tatort: Starkbier (mit Ivo Batic und Franz Leitmayr), 2010
Großer Auftritt für Carlo Menzinger, der normalerweise für die Herren Batic und Leitmayr die Laufarbeit erledigt. Er will herausfinden wer Meindl, einen Teilhaber der Benedictus-Brauerei, umbrachte. Denn dass der stocknüchterne Meindl sein Auto betrunken in die Isar fuhr, glaubt Menzinger keine Zehntelsekunde und er beginnt bei seinen Spezln mit sehr seltsamen Methoden zu ermitteln.
Vergnüglicher „Tatort“ mit einer ordentlichen Portion Lokalkolorit.
mit Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl, Michael Fitz, Christoph Gareisen, Marie Munz, Aleksandar Jovanovic, August Schmölzer
Die neunjährige Benni lebt von Wutausbruch zu Wutausbruch, von Pflegefamilie zu Pflegefamilie zu betreuter Wohnreinrichtung und zurück. Niemand hält es länger mit ihrer Zerstörungswut und ungehemmten Aggression aus. Trotzdem versucht Frau Bafané vom Jugendamt ihr zu helfen. Mit immer neuen Maßnahmen, die diesen Kreislauf beenden sollen.
Wow, was für ein Film: dicht inszeniert, nah an der Realität, klar in der Analyse und durchgehend einfache Antworten verweigernd. Der Film war ein Kritiker- und Publikumserfolg.
mit Helena Zengel, Albrecht Schuch, Gabriela Maria Schmeide, Lisa Hagmeister, Melanie Straub, Victoria Trauttmansdorff, Maryam Zaree, Tedros Teclebrhan
Zach, der gerade mit seiner Mutter von der Großstadt in die Kleinstadt gezogen ist, verguckt sich sofort in das Nachbarmädchen Hannah. Aber ihr unhöflicher Vater verbietet ihr den Umgang mit Zach. Als Zach und sein Schulfreund Champ kurz darauf, aufgeschreckt durch seltsame Ereignisse, in das Nachbarhaus einbrechen, entdecken sie einen Schrank voller Bücher von R. L. Stine. Sie öffnen eines der Bücher und all die Monster, die R. L. Stine in seine Bücher verbannte, brechen aus. Zach, Champ, Hannah und ihr Vater, R. L. Stine höchstpersönlich, versuchen, das Schlimmste zu verhindern.
„Gänsehaut“ ist eine sehr unterhaltsame Gruselkomödie für ein jüngeres Publikum, eine Liebeserklärung an die klassischen Horror- und Monsterfilme und auch eine kleine Meditation über die Arbeit eines Horrorschriftstellers, garniert mit einigen gut platzierten Witzen, die vor allem Erwachsene verstehen.
Der zweite Spielfilm von Loriot. Dieses Mal spielt er den frühpensionierten Einkaufsleiter Heinrich Lohse. Der ordnungsverliebte Spießbürger, der sich bislang aus dem Haushalt heraushielt, beginnt nun den Haushalt neu zu organisieren. Zum Leidwesen seiner davon überhaupt nicht begeisterten Frau.
Auch der Fischer Film Almanach war nicht begeistert: „erreicht die Klasse des Erstlings ‚Ödipussi‘ auch nicht annähernd. Die schmalbrüstige Story über einen nervenden Familientyrann trägt trotzt einiger gelungener Sketche nicht über 90 Minuten.“
3,5 Millionen sahen sich den Film im Kino an. Er war in Deutschland 1991 der erfolgreichste deutsche Film.
mit Loriot, Evelyn Hamann, Ortrud Beginnen, Dagmar Biener, Irm Hermann, Hans Peter Korff, Inge Wolffberg, Gerrit Schmidt-Foß, Gerd Dudenhöffer
Letzte Woche war der durchgedrehte „Cocaine Bear“, diese Woche sind die hysterisch aufgedrehten „Brady’s Ladies“ der Hollywood-Film, der, wie uns von den Machern großspurig sagen, von wahren Ereignissen inspiriert ist. Das war bei „Cocaine Bear“ Quatsch. Und auch bei „Brady’s Ladies“ hat der Film mit den wahren Ereignissen nicht mehr als die Schlagzeile einer Zeitungsnachricht zu tun. Die Inspiration für „Brady’s Ladies“ war ein Foto von fünf in New England lebenden älteren Frauen, die sich seit ihrer Kindheit kennen und die Fans von American-Football-Spieler Tom Brady und seiner Mannschaft sind. Sie nannten sich „Over 80 for Brady“ (was den Originaltitel des Films „80 for Brady“ inspirierte). Bei Spielen der New England Patriots trafen sie sich in einem ihrer Wohnzimmer, verfolgten die Spiele und jubelten an den richtigen Stellen.
Eine Filmstory ist das nicht. Es ist höchstens eine Meldung auf der „Vermischtes“-Seite oder, in der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit, ein längerer Text auf den Lokalseiten eines Provinzblattes.
Also haben die Drehbuchautorinnen Sarah Haskins und Emily Halpern und Regisseur Kyle Marvin munter losfantasiert. Aus den fünf Damen wurden vier Damen. Lily Tomlin, Jane Fonda, Rita Moreno und Sally Field spielen sie konstant aufgedreht, laut und gutgelaunt. Sie sind das US-amerikanische Äquivalent zu der unerträglichen Frauen-Kegelgruppe, die den gesamten Zug der Deutschen Bahn unterhält und alle nervt.
Marvins Komödie spielt 2017 vor und während des 51. Super Bowls. Damals war Tom Brady, der sich inzwischen im Ruhestand befindet, noch ein aktiver Spieler und er spielte bei den New England Patriots. Das Endspiel nahm einen dramatischen Verlauf, an den Football-Fans sich wahrscheinlich noch gut erinnern. Allen anderen sei, weil das Spiel der Höhepunkt des Films ist, gesagt, dass der Sieger erst sehr spät feststand.
Bei einem ihrer Treffen beschließen die vier alten Brady-Fans, dass sie das nächste Spiel der New England Patriots besuchen und Tom Brady im Stadion zujubeln werden. Das haben sie noch nie getan und angesichts ihres Alters haben sie nur noch wenige Gelegenheiten, ein Spiel zu besuchen. Nach kurzen Vorbereitungen machen sie sich auf den Weg nach Houston zum 51. Super Bowl. Am Eingang des NRG Stadium erfahren sie, dass ihre Karten Fälschungen sind. Ohne Karten, aber mit dem festen Willen, das Spiel im Stadion zu sehen, setzen sie Himmel und Hölle in Bewegungen – und treffen immer wieder auf deutlich jüngere Männer, die sofort dem Charme der Damen verfallen und ihnen selbstlos helfen.
„Brady’s Ladies“ ist eine absolut belanglose und rundum harmlose Komödie, die vier sympathische Altstars wieder zurück ins Kino bringt. Die Story ist nicht der Rede wert. Die Witze sind mau, aber immerhin niveauvoller als in ähnlich gelagerten Komödien, in denen männliche Altstars sich auf eine Reise begeben, die von den Machern genutzt wird für vulgären Humor und den Running Gag, dass der alte Mann bei den jungen Frauen, die locker seine Urenkeltöchter sein könnten, gut ankommt und mit ihnen Sex hat. Ich sage nur „Dirty Grandpa“.
Gegen diese Fremdschäm-Komödie ist „Brady’s Ladies“ eine Komödie, in die man mit seiner Mutter gehen kann. Wenn sie über Siebzig ist und noch fit genug ist, um ins Kino zu gehen.
Bereits am 11. Mai gibt es für die Großmütter den nächsten Ausflug ins Kino. In „Book Club – Ein neues Kapitel“ begeben sich Jane Fonda, Diane Keaton, Candice Bergen und Mary Steenburgen auf eine Italienreise, die wohl auch „Brady’s Ladies besuchen Italien“ heißen könnte.
Das klingt dann nach einem Muttertags-Doppelprogramm. Der ist am 14. Mai.
Brady’s Ladies (80 for Brady, USA 2023)
Regie: Kyle Marvin
Drehbuch: Sarah Haskins, Emily Halpern
mit Lily Tomlin, Jane Fonda, Rita Moreno, Sally Field, Tom Brady, Billy Porter, Rob Corddry, Alex Moffat, Guy Fieri, Harry Hamlin, Bob Balaban, Glynn Turman, Sara Gilbert, Jimmy O. Yang, Ron Funches, Matt Lauria
Drehbuch: David O. Selznick, Alma Reville (Adaption), Ben Hecht (ungenannt), James Bridie (ungenannt)
LV: Robert Hichens: The Paradine case, 1933 (Wege im Zwielicht)
Der verheiratete Staranwalt Keane soll die des Mordes angeklagte Mrs. Paradin verteidigen. Er verliebt sich in die Angeklagte und möchte ihre Unschuld beweisen. Aber die Beweise für ihre Schuld sind eindeutig.
„Der Fall Paradin“ war ein Lieblinsprojekt von David O. Selznick. Hitchcock hielt nie besonders viel von dem Stoff, aber er drehte den Film, um seinen Vertrag mit Selznick zu erfüllen. Selznick begann die Dreharbeiten ohne ein vollständiges Drehbuch, mischte sich immer wieder in die Drehbarbeiten ein (er gab Hitchcock täglich die zu drehenden Seiten), es wurde endlos unnützes Material gedreht, die Drehbarbeiten dauerten 92 Tage, die Kosten explodierten. Mit vier Millionen Dollar, so Donald Spoto in seiner Hitchcock-Biografie, kostete „Der Fall Paradin“ etwas mehr als Selznicks Epos „Vom Winde verweht“. Das kostete 3,9 Millionen Dollar; die allerdings auch im Film zu sehen sind. Eine erste Fassung von „Der Fall Paradin“ war fast drei Stunden. Für die Kinoauswertung wurde dann eine Stunde herausgekürzt. Dennoch ist „Der Fall Paradin“ immer noch ein dröger, langatmiger Gerichtsfilm. Halt zu viel Selznick und zu wenig Hitchcock.
P. S.: In der deutschen Fassung wurde aus ‚Paradine‘ ‚Paradin‘.
Mit Gregory Peck, Ann Todd, Charles Laughton, Ethel Barrymore, Louis Jordan, Alida Valli, Leo G. Carroll
„In meinen ersten Jahren als regelmäßiger Kinobesucher waren die tollsten Vorfilme, zwischen Eiscremekonfekt- und Zigarettenwerbung, ein paar Trickfilme von Loriot, die für kurze Zeit von Horst Wendlandt im Kino eingesetzt wurden. Viele Hauptfilme waren nach den „Herren im Bad“ enttäuschend für den Jungen von damals. Ich habe auch selten ein Publikum ausgelassener lachen hören.“ (Peter Geyer)
Der Spruch, dass die Summe weniger als die einzelnen Teile ist, trifft auch auf „Loriots große Trickfilmrevue“ zu. Gleichzeitig fallen in der Summe bestimmte Sachen auf, die, wenn man sich die einzelnen Sketche mit mehr oder weniger langen Unterbrechungen ansieht, nicht auffallen. Denn selbstverständlich ist es idiotisch, fast achtzig Minuten lang einen Sketch nach dem nächsten zu sehen und dann noch darauf zu hoffen, dass es in der Sketchparade große Lacher gibt. Vor allem, wenn man die Sketche mehr oder weniger schon kennt. Und das kann von Loriots Sketchen behauptet werden. Sie gehörten zum bildungsbürgerlichen Kanon und Loriot ist immer noch einer der größten deutschen Humoristen.
Insofern ist die jetzt im Kino startende „Loriots große Trickfilmrevue“ ein gewagtes Experiment – Lohn es sich wirklich, die bekannten Sketche noch einmal, dieses Mal im Kino, zu sehen? – und eine Enttäuschug. Wie beim Verzehr einer XXL-Schachtel Pralinen in einem Gang ist es einfach zu viel und die Köstlichkeiten sind sich zu ähnlich.
Für den Film stellte Peter Geyer 31 Loriot-Sketche zusammen. Die von ihm ausgewählten Sketche liefen erstmals zwischen 1967 und 1993 im Fernsehen. Fast ein Drittel der im Film gezeigten Sketche ist aus den Sechzigern. Über die Hälfte ist aus den Siebzigern. Sie wurden für die Kinopräsentation in 4K restauriert. Die ganz alten Sketche, die in den Sechzigern im Fernsehen in Schwarzweiß ausgestrahlt wurden, wurden koloriert. Weil einige der alten Sketche von Auftragzeichnern auf der Basis von Loriots Zeichnungen erstellt wurden, wurden sie jetzt für die Kinoauswertung im Stil von Loriot nachgezeichnet. Es sind sparsam animierte Trickfilme, die in „Loriots große Trickfilmevue“ einfach hintereinander gezeigt werden. Fast achtzig Minuten lang folgt ein Sketch auf den nächsten. Trotzdem sind die Lacher und das Amüsement überschaubar. Das hat zwei Gründe. Einige Sketche sind nicht so witzig, andere sind einfach zu bekannt.
Gleichzeitig wird das Prinzip von Loriots Humor deutlich. Fast immer geht es um gescheiterte Kommunikation. Überaus höflich und gewählt reden die Menschen aneinander vorbei. Eine Schlusspointe fehlt fast immer. Wichtiger ist ihm die Beschreibung einer mehr oder weniger absurden Situation. Das kann auf der Pferderennbahn, im Badezimmer oder in der eigenen Wohnung sein. Das kann ein Fernsehinterview mit einem Experten sein, dem es nicht gelingt, die Fragen des Reporters zu beantworten. Das können Expertengespräche, lange vor der Erfindung der allabendlichen TV-Talkshows, sein. Immer wieder zeigt Loriot, wie diese Menschen konsequent aneinander vorbeireden. Es ist, als ob zwei Chatbots versuchten, miteinander zu reden.
Gleichzeitig fällt auf, wie sehr diese doch zeitlosen Sketche in der Bundesrepublik der sechziger, siebziger und achtziger Jahre verwurzelt sind. Gerade diese Entdeckung ist dann schon den wiederholten Genuss von „Auf der Rennbahn“ (der einzige nicht von Loriot geschriebene Sketch), „Das Frühstücksei“, „Fernsehabend“, „Feierabend“ und, selbstverständlich, zwei „Herren im Bad“ wert. Gerne wieder als Vorfilm im Kino.
Loriots große Trickfilmrevue(Deutschland 2023)
Zusammenstellung/Regie: Peter Geyer
Regie der Trickfilme: Loriot (Vicco von Bülow)
Drehbuch: Loriot
Länge: 79 Minuten
FSK: ? (dürfte aber in Richtung „ab 0 Jahre“ gehen)
präsentiert werden in wundervollen Farben, ohne nervige Werbepausen und ohne einen störenden Ansager
Farbfernsehen (1967/2023)
Fernsehansagerin (1969/2023), gesprochen von Roswitha Roszak
Studiointerview (1976/2023)
Der Hasenbrüter (1970/2023)
Kaninchen (1968/2023)
Die Volksdroge (1969/2023)
Der Vampir (1971/2023)
Mainzelfrau (1972/2023)
Postleitzahlen (1993/2023)
Comedian Harmonists (1976/2023), gesungen von Ari Leschnikoff (Erster Tenor), Erich A. Collin (Zweiter Tenor), Harry Frommermann (Tenorbuffo), Roman Cycowski (Bariton), Robert Biberti (Bass) und Erwin Bootz (Klavier)
Der Kunstpfeifer (1972/2023)
Auf der Rennbahn (1972/2023), geschrieben von Wilhelm Bendow, gesprochen von Wilhelm Bendow und Franz-Otto Krüger
Zum Kinostart von „Loriots große Trickfilmrevue“ zeigt Deutschlands bester Hauptstadtsender Loriots „Ödipussi“. Das kann kein Zufall sein.
Paul Winkelmann (Loriot) ist Chef des Möbelhauses Winkelmann & Sohn. Außerdem lebt der verklemmte Mittfünfziger noch bei seiner resoluten Mutter. Da trifft er die Diplompsychologin Margarethe Tietze (Evelyn Hamann) und die Mutter-Sohn-Beziehung gerät aus der Balance.
Erster Kinoausflug von Loriot, dem „Goldschmied unter den deutschen Humoristen“ (Fischer Film Almanach 1989). Die Kritiker meinten, der Film erreiche nicht das Niveau seiner TV-Sketche. Dem Publikum gefiel’s.
mit Loriot, Evelyn Hamann, Katharina Brauren, Edda Seipel, Richard Lauffen, April de Luca, Rosemarie Fendel
Wiederholung: Freitag, 21. April, 01.05 Uhr (Taggenau!)