TV-Tipp für den 1. August: Einer flog über das Kuckucksnest

Juli 31, 2022

Arte, 20.15

Einer flog über das Kuckucksnest (One flew over the Cuckoo’s Nest, USA 1975)

Regie: Milos Forman

Drehbuch: Lawrence Hauben, Bo Goldman

LV: Ken Kesey: One flew over the Cuckoo’s Nest, 1962 (Einer flog über das Kuckucksnest)

Ganove Randle Patrick McMurphy (Jack Nicholson) hat keine Lust auf Gefängnisarbeit. Er spielt den Verrückten. Zur Überprüfung seines Geisteszustands wird er in eine Nervenklinik eingewiesen – und gerät unter die Fuchtel von Schwester Ratched (Louise Fletcher).

Klassiker, der natürlich mühelos als Parabel auf eine reglementierte und Individualität unterdrückende Gesellschaft interpretiert werden kann.

Keseys Roman und Formans Verfilmung waren Publikumserfolge. 1976 war die Verfilmung bei den Oscars mit Auszeichnungen für Bester Film, Beste Regie, Bestes (adaptierte) Drehbuch, Bester Hauptdarsteller und Beste Hauptdarstellerin der große Gewinner.

mit Jack Nicholson, Louise Fletcher, William Redfield, Brad Dourif, Will Sampson, Danny DeVito, Scatman Crothers, Christopher Lloyd

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Einer flog über das Kuckucksnest“

Wikipedia über „Einer flog über das Kuckucksnest“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 31. Juli: Thelma & Louise

Juli 30, 2022

Arte, 20.15

Thelma & Louise (Thelma & Louise, USA 1991)

Regie: Ridley Scott

Drehbuch: Callie Khouri

Hausfrau Thelma und ihre Freundin, die Kellnerin Louise, brechen zu einem Wochenende ohne Männer auf. In einer Bar wird ein Mann zudringlich. In Notwehr erschießt Louise ihn. Weil ihnen das aber niemand glaubt, fliehen Thelma und Louise nach Mexiko. Verfolgt von der Polizei.

Ein feministisches Roadmovie, ein Kassen- und Kritikererfolg und inzwischen ein Klassiker.

Callie Khouri erhielt für ihr Drehbuch unter anderem den Oscar, einen Golden Globe und den Preis der Writers Guild of America. In ihren späteren Werken konnte sie an diesen Erfolg nicht anknüpfen.

mit Susan Sarandon, Geena Davis, Harvey Keitel, Michael Madsen, Brad Pitt

Wiederholung: Mittwoch, 3. August, 01.45 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Thelma & Louise“

Wikipedia über „Thelma & Louise“ (deutsch, englisch)

Drehbuch „Thelma & Louise“ (Final shooting script, 5. Juni 1990) von Callie Khouri

Meine Besprechung von Ridley Scotts “Prometheus” (Prometheus, USA 2012)

Meine Besprechung von Ridley Scotts “Exodus – Götter und Könige (Exodus – Gods and Kings, USA 2014)

Meine Besprechung von Ridley Scotts “Der Marsianer – Rettet Mark Watney” (The Martian, USA 2015)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „Alien: Covenant“ (Alien: Covenant, USA 2017)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „Alles Geld der Welt“ (All the Money in the World, USA 2017)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „The Last Duel“ (The Last Duel, USA 2021)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „House of Gucci“ (House of Gucci, USA 2021)

Ridley Scott in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 30. Juli: Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille

Juli 29, 2022

One, 23.25

Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille (La French, Frankreich/Belgien 2014)

Regie: Cédric Jimenez

Drehbuch: Audrey Diwan, Cédric Jimenez

Marseille, siebziger Jahre: Richter Pierre Michel will den lokalen Drogenlord Gaetano Zampa zur Strecke bringen.

Toller Franco-Thriller, der die französische Seite der „French Connection“ zeigt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechungen.

mit Jean Dujardin, Gilles Lellouche, Céline Sallette, Mélanie Doutey, Benoît Magimel, Guillaume Gouix, Bruno Todeschini, Féodor Atkine, Moussa Maaskri

Hinweise

AlloCiné über „Der Unbestechliche“

Rotten Tomatoes über „Der Unbestechliche“

Wikipedia über „Der Unbestechliche“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“ (La French, Frankreich/Belgien 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: Über den Trickfilm „DC League of Super-Pets“ und Justice League

Juli 29, 2022

Die schwerste Aufgabe für den Superhund Krypto ist, morgens sein Herrchen Superman aufzuwecken und zum Gassi gehen/fliegen durch Metropolis zu überreden. Das ist die Stadt, in der Superman, wie wir aus unzähligen Comics und Filmen wissen, lebt und die dort lebenden Menschen vor Bösewichtern wie Lex Luthor beschützt.

Dieser Lex Luthor plant jetzt wieder eine Schandtat, die Superman mit seinen Freunden von der Justice League verhindern wollen. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände landet etwas von dem besonderem Kryptonit, das Lex Luthor erfunden hat und das Superman kampfunfähig machen soll, in einem Tierheim.

Das dort in einem Käfig eingesperrte Meerschweinchen Lulu kostet von diesem Kryptonit, bekommt Superkräfte und als angehende Superbösewichtin plant sie sofort viele böse Taten.

Das will Krypto verhindern. Helfen sollen ihm dabei die anderen Tiere aus dem Tierheim, nämlich der Hund Ace, das Hängebauchschwein PB, die Schildkröte Merton und das Eichhörnchen Chip, die alle gerne neue menschliche Freunde hätten.

DC League of Super Pets“ ist ein Trickfilm für Kinder. Nach einem charmantem Anfang wird schnell deutlich, dass die Regiseure Jared Stern (u. a. Co-Autor „The Lego Batman Movie“) und Sam J. Levine sich im wesentlichen damit zufrieden geben, eine altbekannte Story noch einmal zu erzählen. Nur dass jetzt Tiere weitgehend die Rollen der Superhelden und des Superbösewichts übernehmen. Es gibt einige Witze, etwas Action und für Erwachsene ziemlich viel Langeweile aufgrund geistiger Unterforderung.

Die Film-“League of Super Pets“ basiert teilweise auf Comic-Figuren, die als League of Super Pets ihren ersten Auftritt 1962 hatten. Davor traten sie bereits in Einzelcomics auf.

DC League of Super-Pets (DC League of Super-Pets, USA 2022)

Regie: Jared Stern, Sam J. Levine (Ko-Regie)

Drehbuch: Jared Stern, John Whittington

mit (im Original den Stimmen von) Dwayne Johnson, Kevin Hart, Kate McKinnon, John Krasinski, Vanessa Bayer, Natasha Lyonne, Diego Luna, Marc Maron, Keanu Reeves, Thomas Middleditch, Ben Schwartz, Olivia Wilde, Alfred Molina, Lena Headey

(in der deutschen Fassung den Stimmen von) Emilia Schüle, Tahnee, Enissa Amani, Torsten Sträter

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „DC League of Super-Pets“

Metacritic über „DC League of Super-Pets“

Rotten Tomatoes über „DC League of Super-Pets“

Wikipedia über „DC League of Super-Pets“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Vincent Maël Cardonas Charakterstudie „Die Magnetischen“

Juli 29, 2022

Frankreich, frühe achtziger Jahre: in der Provinz betreiben die Brüder Jerôme und Philippe einen Piratensender. Jerôme ist der allgemein bewunderte Zampano. Philippe der stille Beobachter und Macher im Hintergrund. Das beginnt sich zu ändern, als sie sich in die gleiche Frau, die mit einer kleinen Tochter aus Paris zurückgekehrte Marianne, verlieben und Philippe als Soldat nach West-Berlin muss. Er kann beim britischen Militärsender, wo er den schillernden Moderator Dany trifft, arbeiten. Er überzeugt ihn mit einer spontanen Improvisation aus Tonbändern, die er live wild zusammenschneidet und mit allen Effekten, die das Studio hergibt, verfeinert. Dieser Moment, also das Zusammenschneiden eines Drei-Minuten-Stücks in drei Minuten, ist natürlich reinste Fantasy. So etwas hätte damals Tage, wenn nicht sogar Wochen, gedauert. Es ist trotzdem einer der schönsten Momente in diesem an schönen Momenten reichen Film.

In dem Sender überwindet Philippe seine Scheu vor dem Mikrofon, erkundet die pulsierende Berliner Musikszene und kehrt als anderer Mensch zurück in sein Dorf, wo die alten und neue Probleme auf ihn warten.

Beim Ansehen von Vincent Maël Cardonas „Die Magnetischen“ hat man das Gefühl, die kaum fiktionalisierten Jugenderinnerungen des Regisseurs zu sehen. So gut trifft Cardona das Gefühl vom gottverlassenen Leben in der Provinz, in der damals noch länger als in den Großstädten auf die neuesten Singles und Langspielplatten von angesagten Bands gewartet wurde. Liebevoll zusammengestellte Mixtapes wurden unter Freunden ausgetauscht und bis zum gehtnichtmehr gehört. Piratensender und, nennen wir es, ‚besondere‘ Radiosender spielten diese Singles von unbekannten Bands, die von radiohörenden Jugendlichen aufgenommen wurden (wenn sie nicht gerade darüber fluchten, dass der blöde Moderator mal wieder in den Song gequatscht hatte). Es war die Zeit nach Punk und vor dem Internet.

Dabei hat Cardona diese Zeit nicht erlebt. Er kam 1980 in der Bretagne auf die Welt und schrieb das Drehbuch zusammen mit den ungefähr gleichaltrigen Romain Compingt, Chloé Larouchi, Maël Le Garrec, Rose Philippon und Catherine Paillé. Sie wollten, so Cardona, „ermessen inwiefern die digitale Revolution die Welt verändert hat, in die wir hineingeboren wurden“. Und da sind die frühen achtziger Jahre wirklich ein Blick in eine andere, eine vordigitale Zeit, die inzwischen lang genug zurückliegt, um nostalgisch verklärt zu werden.

Es ist auch ein Blick, der sich ausschließlich auf die Liebesgeschichte und die Musik konzentriert. Politik wird nicht erwähnt. Angesichts der damaligen Proteste gegen die etablierte Politik, bei denen Jugendliche eine wichtige Rolle spielten, ist diese Lücke erstaunlich. Diese Lücke führt dazu, dass die vielfältigen, intensiven Verflechtungen zwischen Protest, Jugendprotest, Musik und Popkultur ignoriert werden. In „Die Magnetischen“ wird das Unbehagen an und der Protest gegen die Gesellschaft auf eine ästhetische Dimension, auf eine Frage der richtigen Musik, reduziert.

Die Story selbst ist vernachlässigbar in dieser Charaktestudie, die die Beschreibung eines Zustandes und eines mentalen Ortes ist. Entsprechend plötzlich kommt das Ende, das nicht von einer dramaturgischen Notwendigkeit oder Hollywood-Drehbuchkonventionen, sondern von der Laufzeit des Films diktiert wird. Das Ende, um im Duktus des Films zu bleiben, des Tonbands ist erreicht. Die Musikkassette ist voll.

Insofern ist „Die Magnetischen“ ein gelungenes Mixtape, das bei Älteren wohlige Erinnerungen heraufbeschwört und Jüngeren einen Einblick in eine noch gar nicht so lange zurück liegende, aber ganz andere Zeit gewährt.

Die Magnetischen (Les magnétiques, Frankreich/Deutschland 2021)

Regie: Vincent Maël Cardona

Drehbuch: Vincent Maël Cardona, Romain Compingt, Chloé Larouchi, Maël Le Garrec, Rose Philippon, Catherine Paillé

mit Thimotée Robart, Marie Colomb, Joseph Olivennes, Fabrice Adde, Louise Anselme, Younès Boucif, Maxence Tual, Judith Zins, Philippe Frécon

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Die Magnetischen“ 

Moviepilot über „Die Magnetischen“

AlloCiné über „Die Magnetischen“

Rotten Tomatoes über „Die Magnetischen“

Wikipedia über „Die Magnetischen“

Indiekino über „Die Magnetischen“ (Zeitzeuge Tom Dorow über den Film und wie politisch es damals zwischen Hausbesetzung, Straßenprotest und Clubbesuch in Berlin war)


Neu im Kino/Filmkritik: „Moneyboys“ wollen auch nur Liebe

Juli 29, 2022

Andere Regisseure hätten aus dieser Geschichte wahrscheinlich eines dieser fiebrigen Melodramen gemacht, in denen die Kamera den Protagonisten atemlos in verwackelten, Authentizität suggerierenden Nahaufnahmen verfolgt.

C.B. Yi wählt in seinem Spielfilmdebüt einen anderen Weg. „Moneyboys“ ist ein sehr gut aussehendes Slow-Cinema-Drama. C.B. Yi erzählt die Geschichte von Fei, einem jungen Mann, der aus einem Dorf kommt und in einer chinesischen Großstadt sein Geld als Sexarbeiter verdient. Er hat Sex mit anderen Männern und ist auch selbst schwul. Mit diesem gesellschaftlich geächtetem und auch verbotenem Lebensstil kann er seine Familie unterstützen. Die nimmt das Geld, möchte aber nicht wissen, wo es herkommt.

Diese fragile Balance gerät, ziemlich spät im Film, aus dem Gleichgewicht, als Fei von einem Jugendfreund besucht wird, der in der gleichen Branche Geld verdienen möchte, und Fei, noch später, seine erste große Liebe, den Mann, der ihn in das Sexgeschäft einführte, wieder trifft. Er ist inzwischen verheiratet und hat mehrere Kinder.

C.B. Yi erzählt Feis Geschichte in langen, meist bewegungslosen Totalen. In diesem Bühnenbild bewegen die Schauspieler sich kaum. Es sind Bilder, die deswegen für die große Leinwand komponiert sind. Auf einem kleinen Bildschirm wirken sie wie Standbilder und der Film wie ein Hörspiel, in dem viel geschwiegen und wenig erklärt wird.

C.B. Yi kam als Dreizehnjähriger aus China nach Österreich zu seinen Eltern in die Provinz. Später studierte er in der Filmakademie Wien bei Michael Haneke.

Während eines Auslandsstudiums in Peking lernte er Mitstudierende kennen, die mit der Sexarbeit das Geld für ihr Studium verdienten, ihre Familie unterstützen und es verschweigen. C.B. Yi wollte darüber einen Dokumentarfilm machen. Nachdem er von seinem Lehrer Michael Haneke auf die möglichen Folgen für seine Interviewpartner hingewiesen wurde, entschloss er sich, einen Spielfilm darüber zu drehen. Das ermöglichte ihm beim Umgang mit dem Tabu-Thema größere Freiheiten. Die nutzte er dann nicht für eine besonders dramatische Geschichte über das chinesische Strichermilieu, ihre Probleme in der Gesellschaft und wie sie vom Staat verfolgt werden. Natürlich zeigt C.B. Yi die dunklen Seiten der Prostitution und die Zwänge der Arbeit, bei der die Jungs mehr oder weniger viel Zeit mit ihren Freiern verbringen. Er zeigt auch, unaufdringlich, wie die Modernisierung das Leben in China verändert.

Im Mittelpunkt von C.B. Yis universeller, in Taiwan gedrehter Geschichte steht Feis Gefühlsleben. Für Slow-Cinema-Fans ist der dieses Jahr mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnete Film ein Fest.

Moneyboys (Österreich/Frankreich/Belgien/Taiwan 2021)

Regie: C.B. Yi

Drehbuch: C.B. Yi

mit Kai Ko, Chloe Maayan, Yufan Bai, JC Lin

Länge: 120 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Moneyboys“

Rotten Tomatoes über „Moneyboys“

Wikipedia über „Moneyboys“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 29. Juli: Kiss the Cook – So schmeckt das Leben!

Juli 28, 2022

ZDFneo, 20.15

Kiss the Cook – So schmeckt das Leben! (Chef, USA 2014)

Regie: Jon Favreau

Drehbuch: Jon Favreau

Nachdem Starkoch Carl (Jon Favreau) gefeuert wird, macht er sich mit seinem elfjährigem Sohn und seinem Sous-Chef in einem Imbisswagen auf den Weg von Miami quer durch die Südstaaten zurück nach Los Angeles.

„Kiss the Cook“ ist ein sympathisches Feelgood-Movie, in dem etliche Stars kurze, oft prägnante Auftritte haben und man mit den drei Männern im Imbisswagen „El Jefe“ gerne seine Zeit verbringt. Nur hungrig sollte man nicht sein.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jon Favreau, Emjay Anthony, Sofia Vergara, John Leguizamo, Scarlett Johansson, Oliver Platt, Bobby Cannavale, Amy Sedaris, Dustin Hoffman, Robert Downey jr.

Wiederholung: Samstag, 30. Juli, 04.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Moviepilot über „Kiss the Cook“

Metacritic über „Kiss the Cook“

Rotten Tomatoes über „Kiss the Cook“

Wikipedia über „Kiss the Cook“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jon Favreaus „Cowboys & Aliens“ (Cowboys & Aliens, USA 2011)

Meine Besprechung von Jon Favreaus “Kiss the Cook – So schmeckt das Leben” (Chef, USA 2014)

Meine Besprechung von Jon Favreaus „The Jungle Book (The Jungle Book USA 2016)

Meine Besprechung von Jon Favreaus „Der König der Löwen“ (The Lion King, USA 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: Javier Bardem ist „Der perfekte Chef“

Juli 28, 2022

Julio Blanco hält in seiner Fabrik eine dieser salbadernden Reden, die Chefs bei wichtigen Anlässen halten und die ihre Angestellte klaglos über sich ergehen lassen. Der Chef des Familienunternehmens für Industriewaagen sagt, sie alle seien eine Familie, er betont erhaltene Auszeichnungen und deutet an, dass sie, also er, demnächst eine weitere Auszeichnung erhalten könnten. Nämlich den für exzellente Unternehmensführung, verliehen von der Regionalregierung. In den nächsten Tage werde das Auswahlkomitee überraschend die Firma besuchen und dann entscheiden, welcher der Finalisten den Preis erhalten wird.

Bis es soweit ist, vergehen noch einige Tage. Was an diesen Tagen geschieht, erzählt Fernando León de Aranoa („Loving Pablo“) in seiner sanften Satire „Der perfekte Chef“ in der Form einer Chronik. Wochentag folgt auf Wochentag. Figuren werden eingeführt. Manche von ihnen haben Probleme. Ereignisse werden präsentiert, ohne dass über eine lange Zeit deutlich wird, warum sie wichtig sind oder welche Entwicklungen sie auslösen könnten. Es ist wie die Lektüre eines Tagebuches, in das der Schreiber einfach einträgt, was ihm an dem Tag zugestoßen ist. Das ist im Fall von Blanco die Begegnung mit einer jungen, ehrgeizigen Praktikantin, die seine Tochter sein könnte (ist sie nicht). Die Bitte eines Angestellten um Hilfe in einer schwierigen Situation. Blanco hilft, weil ein guter, ein perfekter Chef, das tut. Und weil er das Problem mit einem Anruf lösen kann. Er ärgert sich über einen ehemaligen Angestellten, der lautstark vor dem Firmentor protestiert. Er ärgert sich noch mehr darüber, dass er nichts dagegen tun kann, weil der ehemalige Angestellte das auf einem Stück Land tut, auf dem er ungestört protestieren darf. Und er kümmert sich um die perfekte Ausrichtung der Waage am Firmentor.

Auf den ersten Blick wirkt Blanco wie ein Biedermann, der keiner Fliege etwas antun kann und der immer etwas überfordert von den verschiedenen Anforderungen und Wünschen seiner Angestellten ist. Bardem zeigt allerdings immer, dass das nur der äußere Schein ist. Blanco ist ein hochgradig egoistischer und egozentrischer Mann, der seine Interessen ummäntelt mit dem Wohl der Firma.

Diese Scheinheiligkeit des Firmeninhabers offenbart León de Aranoa schon in den ersten Minuten seiner schwarzen Satire, die eher zum Schmunzeln als zum Lachen anregt. Nach der entlarvenden Ansprache in der Firma zeigt León de Aranoa Blanco und seine Frau beim sonntäglichen Frühstück im Garten. Während sie essen, repariert ein Mann am Swimmingpool eine Pumpe. Auf die Frage seiner Frau, wer das sei, antwortet Blanco seelenruhig und mit einem leicht abschätzigem Tonfall, das sei einer seiner Angestellten. Auf die anschließend schüchtern von ebenjenem Angestellten vorgetragene Bitte, seinem wegen einer nächtlichen Schlägerei inhaftiertem Sohn zu helfen, reagiert Blanco zunächst ablehnend. Auf Bitten seiner Frau und weil ein guter Patriarch das tut, tätigt er dann gönnerhaft einen Anruf bei einem hochrangigem Freund. Das Problem ist gelöst und mindestens zwei Menschen sind Blanco einen Gefallen schuldig.

Alles was in den folgenden gut zwei Stunden über Blanco enthüllt wird, bestätigt nur den ersten Eindruck.

Aber dank Javier Bardems grandiosem Spiel ist „Der perfekte Chef“ sehenswert. Als Schauspielerkino, nicht als Satire.

Der perfekte Chef (El buen patrón, Spanien 2021)

Regie: Fernando León de Aranoa

Drehbuch: Fernando León de Aranoa

mit Javier Bardem, Manolo Solo, Almudena Amor, Óscar de la Fuente, Sonia Almarcha, Fernando Albizu, Tarik Rmili, Rafa Castejón, Celso Bugallo, Martín Páez, Yaël Belicha, Mara Guil, Nao Albet, María de Nati

Länge: 120 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Der perfekte Chef“

Metacritic über „Der perfekte Chef“

Rotten Tomatoes über „Der perfekte Chef“

Wikipedia über „Der perfekte Chef“ (englisch, spanisch)


TV-Tipp für den 28. Juli: Love & Mercy

Juli 27, 2022

WDR, 23.35

Love & Mercy (Love & Mercy, USA 2015)

Regie: Bill Pohlad

Drehbuch: Oren Moverman, Michael Alan Lerner

Sehenswertes Biopic über „Beach Boys“-Mastermind Brian Wilson, das sich auf zwei wichtige Abschnitte in Wilsons Leben konzentriert: die Arbeit an der legendären, die Popmusik verändernden LP „Pet Sounds“ und sein Leben in den 80er Jahren als Patient des gemeingefährlichen Dr. Eugene Landy, der nichts von Wilsons neuer Bekanntschaft hält.

„Love & Mercy“ ist nicht am chronologischen Abhandeln einer Musikerbiographie, sondern am Porträtieren eines schwierigen Charakters an zwei entscheiden Punkten seines Lebens interessiert.

Für Brian-Wilson-Fans ein Pflichttermin.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit John Cusack, Paul Dano, Elizabeth Banks, Paul Giamatti, Jake Abel, Kenny Wormald, Brett Davern, Graham Rogers

Hinweise

Moviepilot über „Love & Mercy“

Metacritic über „Love & Mercy“

Rotten Tomatoes über „Love & Mercy“

Wikipedia über „Love & Mercy“ (deutsch, englisch), die Beach Boys (deutsch, englisch) und Brian Wilson (deutsch, englisch)

AllMusic über die Beach Boys und Brian Wilson

Meine Besprechung von Bill Pohlands „Love & Mercy“ (Love & Mercy, USA 2015)


Über John Laymans Abenteuergeschichte „Bermuda“

Juli 27, 2022

Vielleicht liegen in einigen Antiquariaten oder auf staubigen Dachböden noch einige Exemplare von Charles Berlitz‘ „Das Bermuda-Dreieck: Fenster zum Kosmos?“ und thematisch ähnlichen Sachbüchern herum. Schließlich waren sie vor vierzig, fünfzig Jahren Besteller, die als „Sachbuch“ verkauft wurden, letztendlich aber eine Mischung aus wilder Spekulation und Seemannsgarn sind. Das Bermuda-Dreieck war damals populär und allgemein bekannt als das Gebiet im Atlantik zwischen Florida, Puerto Rico und Bermuda, in dem unglaublich viele Schiffe und Flugzeuge spurlos und unter mysteriösen Umständen verschwinden. Erklärt wurde das mit allem möglichen vom Wetter (uncool) bis hin zu Außerirdischen (cool).

Wenn jetzt ein Comic erscheint, der sich „Bermuda“ nennt und in eben jener Gegend spielt, dann ist klar, dass eben jene Mythologie ein Teil der von John Layman erfundenen, Nick Bradshaw gezeichneten und Len O’Grady sehr farbenfroh kolorierten Geschichte ist.

Während eines Flugs gerät ein Privatflugzeug mit Robert ‚Bobby‘ Randolph und seiner siebenjährige Schwester Andi in einen Gewittersturm. Gut dreihundert Kilometer vor der Küste wird das Flugzeug getroffen und stürzt in den Atlantik. Aber es stürzt nicht ins Meer, sondern auf eine Insel, die es nicht geben sollte.

Auf der Insel sind Urviecher, vulgo Dinosaurier und noch seltsamere Kreaturen, Nachfahren von vor Jahrhunderten gestrandeten Seeräubern und die rothaarige sechzehnjährige Bermuda, die alle Gefahren der Insel kennt.

Weil Bobby und Andi bei der Bruchlandung getrennt wurden, will Bobby seine Schwester finden. Das ist leichter gesagt als getan.

Während er und Bermuda, die dem gleichaltrigem Jungen notgedrungen hilft, auf der Insel allerlei Gefahren trotzen, wissen wir, dass Randolph Inc., die Firma von Bobbys Vaters, für den Sturm verantwortlich war und bald noch schlimmere Dinge passieren könnten.

Bermuda“ ist eine fetzige Abenteuergeschichte mit einer taffen Heldin und wundervoll abgedrehten Bedrohungen, über die hier nichts verraten werden soll.

John Layman/Nick Bradshaw/Len O’Grady: Bermuda

(übersetzt von Silvano Loureiro Pinto)

Cross Cult, 2022

128 Seiten

16 Euro

30 Euro (limitierte Hardcover-Edition)

Originalausgabe

Bermuda

IDW, 2022

Hinweise

Wikipedia über John Layman

Homepage von Chew/John Layman

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss: Leichenschmaus (Band 1)“ (Chew Vol. 1: Taster’s Choice, 2009)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss: Reif für die Insel (Band 2)“ (Chew: International Flavor, 2010)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss: Eiskalt serviert (Band 3)“ (Chew Vol. 3: Just Desserts, 2010)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss!: Flambiert (Band 4)“ (Chew, Vol. 4: Flambé, 2011)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss!: Erste Liga“ (Band 5) (Chew Vol. 5: Major Legue Chew, 2012)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss!: Space Kekse (Band 6)“ (Chew Vol. 6: Space Cakes, 2013)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss!: Die letzten Abendmahle (Band 11)“ (Chew Vol. 11: The last suppers, 2016)

Meine Besprechung von John Layman/Jason Fabok/Andy Clarkes „Batman Detective Comics: Der Herrscher von Gotham (Band 3)“ (Detective Comics 13 – 20, 2012/2013)

Meine Besprechung von John Layman/Rob Guillorys „Chew – Bulle mit Biss!: Saurer Apfel (Band 12)“ (Chew Vol. 12: Sour Grapes, 2017)


TV-Tipp für den 27. Juli: Die beste aller Welten

Juli 26, 2022

BR, 00.40

Die beste aller Welten (Österreich/Deutschland 2017)

Regie: Adrian Goiginger

Drehbuch: Adrian Goiginger

Starkes autobiographisches Drama über einen Jungen und seine drogensüchtige Mutter, die ihn in einer Sozialsiedlung am Stadtrand von Salzburg groß zieht. Sie sind arm. Aber sind sie auch glücklich?

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

Sein neuer Film „Märzengrund“ startet am 25. August. Meine Besprechung des insgesamt sehenswerten Dramas gibt es zum Kinostart.

mit Verena Altenberger, Jeremy Miliker, Lukas Miko, Michael Pink, Reinhold G. Moritz, Philipp Stix, Georg Veitl

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die beste aller Welten“

Moviepilot über „Die beste aller Welten“

Rotten Tomatoes über „Die beste aller Welten“

Wikipedia über „Die beste aller Welten“

Berlinale über „Die beste aller Welten“

Meine Besprechung von Adrian Goigingers „Die beste aller Welten“ (Österreich/Deutschland 2017)


Verfilmte Bücher: Kotaro Isakas „Bullet Train“ ist jetzt ein Film mit Brad Pitt

Juli 26, 2022

Bald ist es soweit: der neue Film mit Brad Pitt startet Anfang August in den Kinos. Die Werbemaschine mit Trailern, Pressekonferenzen und Autogrammen auf dem roten Teppich läuft und erzeugt die notwendige Aufmerksamkeit für die Actionkomödie, die auf einem Roman von Kotaro Isaka basiert.

In Japan ist der 1971 geborene Isaka ein Bestsellerautor. Bis jetzt veröffentlichte er 24 Romane. Er erhielt mehrere Preise, unter anderem von den Mystery Writers of Japan, und mehrere seiner Bücher waren für den prestigeträchtigen Naoki-Preis nominiert. Übersetzungen erschienen bereits in den USA, China, Korea, Frankreich und Italien. Mehrere seiner Bücher wurden verfilmt.

Bullet Train“, die Vorlage für die gleichnamige Verfilmung, erschien im Frühling auf Deutsch und es ist der erste ins Deutsche übersetzte Roman von Kotaro Isaka. Im Original erschien der Thriller bereits 2010. Für die Romangeschichte ist das Jahr egal. Sie spielt in einem etwas zeitlosem Paralleluniversum, in dem es Mobiltelefone und jugendliche Killer gibt und sich niemand darüber wundert.

Satoshi Oji, genannt „Der Prinz“, ist dieser jugendliche Killer. Er ist ein vierzehnjähriger hochintelligenter und hochgradig psychopathischer Schüler, der seine Mitschüler terrorisiert und bereits für mehrere Morde verantwortlich ist. Eines seiner Opfer ist Wataru Kimura. Der Sechsjährige liegt im Krankenhaus im Koma. Sein Vater Yuichi Kimura will Oji dafür töten. Früher war Kimura ein Profikiller, heute ist er ein alleinerziehender Alkoholiker.

Kimura steigt in Tokio in den Shinkansen Hayate. Neben ihm und Oji sind noch ungefähr drei weitere Killer im Zug, die nichts voneinander wissen, aber bis zur Endstation aufeinandertreffen. Einige von ihnen überleben die Begegnung nicht.

Die Prämisse von „Bullet Train“ – Ein Zug, fünf Killer, ein Koffer voller Geld: Wer überlebt? – ist so einfach wie genial. Schließlich hat sie, ohne dass der Autor lange überlegen muss, das Potential für einige Körperverletzungen, Straftaten und, selbstverständlich, Morde. Dass da schnell an eine Verfilmung gedacht wird, ist nachvollziehbar. Doch dazu später mehr. Bleiben wir zuerst bei dem Roman.

Er beginnt mit der Zugabfahrt. Fünf Seiten später befindet sich Kimura, gefesselt an einen Sitzplatz, in der Gewalt von Oji. Auf den nächsten Seiten stellt Isaka die anderen Killer vor, die ebenfalls in dem fast leeren Hochgeschwindigkeitszug mitfahren.

Das sind die beiden Killer Lemon und Tangerine, die oft für Zwillinge gehalten werden (sind sie nicht) und „Die Zitrusfrüchte“ genannt werden. Tangerine liebt klassiche Literatur. Lemon liebt eine alte Kinder-TV-Serie über Thomas, die kleine Lokomotive und seine Freunde. Er kennt alle Loks und ihre Eigenschaften. Bei ihnen ist Minegishi Junior, der von ihnen aus den Händen von Entführern befreite Sohn eines Gangsterbosses, und der Koffer mit dem Lösegeld. Dummerweise verschwindet der Koffer spurlos und Minegishi Junior verstirbt einfach so im Zug. Weil sein Vater Yoshio Minegishi einer dieser knallharten Gangsterbosse, der Fehler mit dem Tod bestraft, ahnen Lemon und Tangerine, dass das ihr Todesurteil ist.

Fünfter im Bunde ist Nanao, genannt „Der Marienkäfer“. Er soll einen Koffer klauen. Dummerweise ist er vom Pech verfolgt und damit eigentlich der ungeeignetste Mann für alle halb- und illegalen Aufträge.

Im Lauf der Geschichte stoßen weitere Killer, auch eine unscheinbar aussehende Killerin, mit teils sehr speziellen Mordmethoden dazu.

Das klingt jetzt nach einem großen Spaß: auf gut vierhundert Seiten machen sich ein über ein halbes Dutzend Killer während einer kurzen Zugfahrt in einem Hochgeschwindigkeitszug das Leben zur Hölle. Doch schnell wird „Bullet Train“ zu einer ziemlich eintönigen Zeitschinderei. Die Killer laufen immer wieder durch den Zug, lassen einen Koffer mal verschwinden, mal wieder auftauchen, nur um zu sehen, wie die anderen Passagiere darauf reagieren. Die Story bringt dieses Versteckspiel nicht voran.

Die Figuren bleiben bei diesem Hin- und Hergerenne im Zug eindimensionale Comicfiguren. Jede von ihnen hat ein, zwei Gimmicks (wie eine Leidenschaft für Thomas, die kleine Lokomotive, oder immerwährendes Pech), die ihnen einen Wiedererkennungswert, aber keine Persönlichkeit verschaffen. Sie haben keine weitergehende Motive, Ziele und Wünsche. Sie wollen nur einen Auftrag zu erledigen. Hindernisse werden aus dem Weg geräumt. Und wenn das Hindernis ein Mensch ist, wird dieser irgendwann getötet.

Problematisch ist die von Isaka gewählte Struktur. Er wechselt nämlich kontinuierlich zwischen den verschiedenen Killern. Etliche Ereignisse erzählt er aus mehreren Perspektiven. Beim Lesen stellt sich, weil wir die gleichen Ereignisse zuerst aus der Perspektive von dem einen Killer, dann aus der von einem anderen Killer noch einmal erfahren, schnell das Gefühl des Stillstands ein. Ich hatte beim Lesen sogar den Verdacht, dass ich, wenn ich nur die Geschichte von einem der Killer verfolgen und die anderen Kapitel überblättern würde, nichts wesentliches verpassen würde.

Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass der Thriller mit seinen überraschenden Wendungen, die deutlich von asiatischen Actionfilmen und Mangas inspiriert sind, mir als Teenager gefallen hätte.

Die Rechte für die Verfilmung gingen dann nach Hollywood. Aus einem harten Actionthriller wurde letztendlich eine Actionkomödie. Aus den im Buch rein japanischen Killern wurde eine beachtliche Hollywood-Starbesetzung, die sich im Shinkansen das Leben zur Hölle macht und versucht, sich gegenseitig umzubringen. Also nicht die Schauspieler, sondern die von ihnen gespielten Figuren.

Kotaro Isaka: Bullet Train

(übersetzt von Katja Busson)

Hoffmann und Campe, 2022

384 Seiten

22 Euro

Originalausgabe

Mariabitoru

Kadokawa, Tokio, 2010

Die Verfilmung (startet am 4. August; die Besprechung gibt es zum Kinostart)

 

Bullet Train (Bullet Train, USA 2022)

Regie: David Leitch

Drehbuch: Zak Olkewicz

LV: Kōtarō Isaka: Mariabitoru, 2010 (Bullet Train)

mit Brad Pitt, Joey King, Aaron Taylor-Johnson, Brian Tyree Henry, Andrew Koji, Hiroyuki Sanada, Michael Shannon, Bad Bunny, Zazie Beetz, Logan Lerman, Karen Fukuhara, Masi Oka, Sandra Bullock

Länge: 127 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Perlentaucher über „Bullet Train“

Bookmarks über „Bullet Train“

Wikipedia über Kotaro Isaka, „Bullet Train“ (Roman) und „Bullet Train“ (Film) (deutsch, englisch)


Cover der Woche

Juli 26, 2022


TV-Tipp für den 26. Juli: Inception

Juli 25, 2022

Eigentlich sollte das tolle Justizdrama „Vergiftete Wahrheit“ der heutige Tagestipp werden. Aber weil im Ersten das Halbfinale der Frauen-EM übertragen wird (wogegen wenig gesagt werden kann), ist die TV-Premiere von Todd Haynes‘ Film (mit einem grandiosem Mark Ruffalo in der Hauptrolle) jetzt nicht mehr für 22.50 Uhr, sondern für 23.45 Uhr angekündigt. Deshalb gibt es für die Nicht-Fußball-Fans, wieder einmal

Kabel 1, 20.15

Inception (Inception, USA/GB 2010)

Regie: Christopher Nolan

Drehbuch: Christopher Nolan

Leonardo DiCaprio spielt einen Spion, der sich in die Gehirne von anderen Menschen einloggt. Jetzt soll er allerdings nichts ausspionieren, sondern eine schädliche Idee in das Gehirn seines Opfers implantieren.

Die Kritiker waren begeistert von “Batman“ Christopher Nolans Mindfuck. Die Zuschauer ebenso. Die Kinobetreiber zählten strahlend die verkauften Eintrittskarten. Denn „Inception“ ist ein inzwischen seltenes Beispiel für Blockbusterkino, bei dem man sein Gehirn nicht an der Kinokasse abgeben muss.

mit Leonardo DiCaprio, Joseph Gordon-Levitt, Ellen Page, Tom Hardy, Ken Watanabe, Cillian Murphy, Tom Berenger, Marion Cotillard, Pete Postlethwaite, Michael Caine, Lukas Haas

Wiederholung: Mittwoch, 27. Juli, 01.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über “Inception”

Wikipedia über “Inception” (deutsch, englisch)

Nolan Fans (umfangreiche Homepage, auch mit den Drehbüchern zu seinen Filmen, u. a. “Inception”)

Meine Besprechung von Christopher Nolans „Interstellar“ (Interstellar, USA/Großbritannien 2014)

Meine Besprechung von Christopher Nolans „Dunkirk“ (Dunkirk, USA/Frankreich/Großbritannien 2017)

Meine Besprechung von Christopher Nolans „Tenet“ (Tenet, USA 2020)

Also eigentlich ist die Filmgeschichte ganz einfach:


TV-Tipp für den 25. Juli: Topkapi

Juli 24, 2022

Arte, 20.15

Topkapi (Topkapi, USA 1964)

Regie: Jules Dassin

Drehbuch: Monja Danischewsky

LV: Eric Ambler: The light of day, 1962 (Topkapi)

Gentleman-Gauner Walter will mit seiner Gang einen kostbaren Dolch aus dem Topkapi-Museum in Istanbul klauen. Ohne die Hilfe des zwielichtigen Fremdenführers Arthur haben sie keine Chance.

Mit dem düsteren Gangsterfilm „Rififi“ erfand Dassin das Caper-Movie, mit seiner Parodie „Topkapi“ trug er es stilbewusst, gedreht vor Ort mit einem glänzend aufgelegtem Ensemble zu Grabe. Alle späteren Capers bewegen sich in den von Dassin formvollendet präsentierten Grenzen.

Amblers Buch erhielt den Edgar-Allan-Poe-Preis. Und Peter Ustinov eine Oscar als bester Nebendarsteller.

Mit Melina Mercouri, Peter Ustinov, Maximilian Schell, Robert Morley, Akim Tamiroff

Wiederholung: Dienstag, 26. Juli, 13.50 Uhr

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Topkapi“

Wikipedia über „Topkapi“ (deutsch, englisch) und über Eric Ambler (deutsch, englisch)

Krimi-Couch über Eric Ambler

Kaliber .38: Thomas Wörtche über Eric Ambler

Meine Besprechung von Eric Amblers „Ungewöhnliche Gefahr“ (Uncommon Danger; Background to Danger, 1937)

Meine Besprechung von Eric Amblers „Die Maske des Dimitrios“ (The Mask of Dimitrios; A Coffin for Dimitrios, 1939)

Meine Besprechung von Eric Amblers „Nachruf auf einen Spion“ (Epitaph for a Spy, 1938)


TV-Tipp für den 24. Juli: Zerrissene Umarmungen

Juli 23, 2022

Arte, 20.15

Zerrissene Umarmungen (Los Abrazos rotos, Spanien 2009)

Regie: Pedro Almodóvar

Drehbuch: Pedro Almodóvar

Die Erinnerungen eines erblindeten Drehbuchautoren an eine nicht fertig gestellte Komödie, seine große Liebe und einen für sie tödlichen Autounfall dienen Almodóvar als Ausgangspunkt für einen Film im Film im Film – und wir Zuschauer sind nie verwirrt, sondern verzaubert, wenn flugs und zitatreich die Zeitebenen und Genres gewechselt werden.

Für das „Lexikon des internationalen Films“ gehört „Zerrissene Umarmungen“ „zum Anrührendsten und Schönsten, was das europäische Kino aktuell zu bieten hat“.

Anschließend, um 22.15 Uhr, zeigt Arte die brandneue einstündige Doku „Penélope Cruz: Diva im Spiegel“ (Frankreich 2022).

mit Penélope Cruz, Lluís Homar, Blanca Portillo, José Luis Gómez, Rubén Ochandiano, Tamar Novas

Wiederholung: Freitag, 29. Juli, 13.45 Uhr

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Zerrissene Umarmungen“

Wikipedia über „Zerrissene Umarmungen“ (deutschenglisch)

Noir of the Week über „Zerrissene Umarmungen“

Meine Besprechung von Pedro Almodóvars „Fliegende Liebende“ (Los amates Pasajeros, Spanien 2013)

Meine Besprechung von Pedro Almodóvars „Julieta“ (Julieta, Spanien 2016)

Meine Besprechung von Pedro Almodóvars „Leid und Herrlichkeit“ (Dolor y gloria, Spanien 2019)

Meine Besprechung von Pedro Almodóvars „Parallele Mütter“ (Madres paralelas, Spanien 2021)

Pedro Almodóvar in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 23. Juli: Rififi

Juli 22, 2022

3sat, 22.45

Rififi (Du rififi chez les hommes, Frankreich 1954)

Regie: Jules Dassin

Drehbuch: René Wheeler, Jules Dassin, Auguste le Breton

LV: Auguste le Breton: Du rififi chez les hommes, 1953

Kaum draußen aus dem Gefängnis plant Toni zusammen mit seinen Freunden Jo und Mario den Einbruch in ein Juweliergeschäft. Der Einbruch gelingt. Dann kommt ihnen eine rivalisierende Bande auf die Spur.

Mit „Rififi“ begründete Dassin das Caper-Movie: ein Film, bei dem die Planung und Durchführung eines Einbruches mit Mittelpunkt steht. „Dassins Film wirkt ein wenig wie die Synthese aus seinen eigenen realistischen Kriminalfilmen aus Hollywood, das er der antikommunistischten Hexenjagden McCarthys wegen hatte verlassen müssen, und den französischen Filmen aus der Tradition des Poetischen Realismus. Dabei potenziert sich der Pessimismus so sehr wie die Stilisierung: In einer halbstündigen Sequenz, in der der technische Vorgang des Einbruchs gezeigt wird, gibt es weder Dialoge noch Musikuntermalung. Die technische Präzision, die fast ein wenig feierlich zelebriert wird und in der die Männer ganz offensichtlich ihre persönliche Erfüllung finden, mehr als in der Freude über die Beute, steht dabei im Gegensatz zu ihrem fast ein wenig melancholischen Wesen.“ (Georg Seeßlen)

Am Montag, den 25. Juli, zeigt Arte um 20.15 Uhr „Topkapi“ (USA 1964), Dassins gelungene und überaus beliebte „Rififi“-Parodie.

Mit Jean Servais, Carl Möhner, Robert Manuel, Robert Hossein, Perlo Vita (Pseudonym von Dassin)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Rififi

Wikipedia über „Rififi“ (deutsch, englisch)

Noir of the Week über „Rififi“

Criterion Confessions (James S. Rich) über Jules Dassin und „Rififi“

Kriminalakte: R. i. P. Jules Dassin


Neu im Kino/Filmkritik: „Monsieur Claude und sein großes Fest“ zum 40. Hochzeitstag

Juli 22, 2022

Jetzt geht die unappetitliche, kommerziell sehr erfolgreiche „Monsieur Claude“-Filmserie in die dritte Runde. Der erste Auftritt des nationalistischen Provinzanwalts lockte in Frankreich über zwölf Millionen Zuschauer in die Kinos. In Deutschland waren es gut vier Millionen. Der zweite Teil lockte in Frankreich immer noch 6,8 Millionen in die Kinos. Damit stehen beide Filme in den Top 100 der größten Erfolge in der Geschichte des französischen Films. In Deutschland sahen sich im Kino knapp 1,4 Millionen Zuschauer die Komödie an. Damit landete sie mühelos in den Top Twenty der meistbesuchten Filme des Jahres. Der dritte „Monsieur Claude“-Film hat in Frankreich bereits fast 2,5 Millionen Zuschauer erreicht. Bei uns startet er in über sechshundert Kinos.

Dieses Mal dreht sich die Filmgeschichte vor allem um den vierzigsten Hochzeitstag von Claude Verneuil und seiner Frau Marie. Während der Pensionär diesen Tag ohne größeres Aufsehen begehen möchte, planen seine vier Töchter in aller Heimlichkeit ein großes Fest, zu dem selbstverständlich auch die in der ganzen Welt verstreut lebenden Schwiegereltern eingeladen werden.

Das Chaos ist vorprogrammiert und natürlich gibt es, wenn die verschiedenen Generationen und durchweg grenzwertigen Familien aufeinanderprallen, genug Raum für Witze. Und damit kommen wir zu dem unappetitlichem Teil der Serie. Sie pflegt und bejaht fröhlich konservative und reaktionäre Ressentiments und Vorurteile.

So wird in „Monsieur Claude und seine Töchter“ (2014) zuerst postuliert, dass wir alle Rassisten sind. Das am Filmende empfohlene Gegenmittel gegen den Rassismus ist der Nationalismus in der Form des Gaullismus. In „Monsieur Claude 2“ (2019) wird das heile Provinzleben gegen das schlimme, in Kriminalität, Aggression und Hass versinkende Großstadtleben empfohlen. Am Ende der Komödie ziehen Monsieur Claudes Töchter und ihre Männer in die Provinz, in der es – abseits aller Fakten – keinen Rassismus gibt.

Im dritten „Monsieur Claude“-Film wird sich, ähnlich eindimensional, das nächste konservative Lieblingsthema vorgenommen: die angestammte Rolle der Frau, die hier, wieder einmal, auf die drei Ks „Kinder, Küche, Kirche“ reduziert wird.

Monsieur Claudes Töchter haben, zum Entsetzen des katholischen Monsieur Claude in „Monsieur Claude und seine Töchter“, einen Juden, einen algerischstämmigen Muslim, einen Chinesen und einen Schwarzafrikaner geheiratet. Die kindsköpfigen Männer verdienen jetzt in dem Dorf Chinon das Geld als Unternehmer, Anwalt, Bankier und Schauspieler. Ihre Frauen ziehen die vielen Kinder groß, besuchen die Kirche, schmeißen klaglos den Haushalt und können sich kein anderes Leben vorstellen. Sie und alle anderen Frauen in dem Film finden ihre Erfüllung in diesen Tätigkeiten.

Quasi nebenbei werden die künstlerischen Ambitionen von Monsieur Claudes Tochter Ségolène, die in der Familie geduldet werden, als talentloses, modernistisches Geschmiere abgewatscht. Wieder einmal werden die moderne Kunst und berufliche Ambitionen von Frauen der Lächerlichkeit preisgegeben. Es sind billige Pointen, die schon vor vierzig, fünfzig Jahren einen leicht ranzigen Geschmack hatten. Ebenso nebenbei bekommen im dritten „Monsieur Claude“-Film Veganer eine Klatsche. Eine Tochter von Monsieur Claude ist jetzt Veganerin. Die von ihr aufgetischten veganen Platten sind eine ausgesprochen lieblose Präsentation von Gemüse.

Diese rückwärtsgewandten Ansichten werden glorifiziert. Es wird also nicht über Monsieur Claude und seine reaktionären Ansichten gelacht, sondern es wird mit ihm gelacht. Die Filme bestätigen und verstärken so die angesprochenen Vorurteile. Eben diese Haltung macht die „Monsieur Claude“-Filme zu so unappetitlichen Komödien.

Monsieur Claude und sein großes Fest (Qu’est-ce qu’on a tous fait au Bon Dieu?, Frankreich 2022)

Regie: Philippe de Chauveron

Drehbuch: Guy Laurent, Philippe de Chauveron

mit Christian Clavier, Chantal Lauby, Ary Abittan, Medi Sadoun, Frédéric Chau, Noom Diawara, Frédérique Bel, Émilie Caen, Élodie Fontan, Alice David, Pascal N‘Zonzi, Salimata Kamate, Daniel Russo, Nanou Garcia, Abbes Zahmani, Farida Ouchani, Bing Yin, Li Heling, Jochen Hägele

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Monsieur Claude und sein großes Fest“

AlloCiné über „Monsieur Claude und sein großes Fest“

Rotten Tomaotes über „Monsieur Claude und sein großes Fest“

Wikipedia über „Monsieur Claude und sein großes Fest“ (deutsch, französisch)

Meine Besprechung von Philippe de Chauverons „Monsieur Claude und seine Töchter“ (Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?, Frankreich 2014)


TV-Tipp für den 22. Juli: Der Krieger und die Kaiserin

Juli 21, 2022

One, 23.00

Der Krieger und die Kaiserin (Deutschland 2020)

Regie: Tom Tykwer

Drehbuch: Tom Tykwer

Die in Wuppertal in der Psychiatrie arbeitende und lebende Pflegerin Sissi (Franka Potente) will unbedingt den Mann finden, der nach einem Autounfall ihr Leben rettete. Aber er ist zunächst nicht zu finden, will sich dann nicht mit ihr treffen und ist in einen Banküberfall verwickelt. Nichts davon hält Sissi ab. Denn Bodo ist nicht nur ihr Lebensretter, sondern auch der Mann ihres Lebens.

Nach dem Welterfolg „Lola rennt“ war sein nächster Film „Der Krieger und die Kaiserin“, wieder mit Franka Potente in der Hauptrolle, das Kontrastprogramm: anstatt knapp achtzig Minuten Tempo gibt es Langsamkeit in epischer Länge. Trotzdem ist das über deutlich über zweistündige Märchen sehenswert. Und eine Liebeserklärung an Tykwers Geburtsort, der hier zu einem Ort wird, in dem die profane Realität nicht mehr existiert.

Eine faszinierende filmische Entdeckung der Langsamkeit, die in der urbanen Architektur Wuppertals ein reizvolles Sinnbild entdeckt.“ (Lexikon des internationalen Films)

mit Franka Potente, Benno Fürmann, Joachim Król, Lars Rudolph, Melchior Beslon, Ludger Pistor, Jürgen Tarrach, Natja Brunckhorst, Marita Breuer

Wiederholung: Samstag, 23. Juli, 02.30 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Filmportal über „Der Krieger und die Kaiserin“

Rotten Tomatoes über „Der Krieger und die Kaiserin“

Wikipedia über „Der Krieger und die Kaiserin“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Tom Tykwer/Lana & Andy Wachowski „Cloud Atlas“ (Cloud Atlas, USA/Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Tom Tykwers Dave-Eggers-Verfilmung „Ein Hologramm für den König“ (Deutschland/Großbritannien 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: „Men – Was dich sucht, wird dich finden“, auch in der englischen Provinz

Juli 21, 2022

Harper will einige Tage allein in Cotson Manor verbringen und den Tod ihres kürzlich verstorbenen Ehemannes verarbeiten. Sie fühlt sich für James‘ Tod wenigstens mitverantwortlich. Nach einem Streit stürzte er in London vom Balkon des Hauses, in dem sie wohnen. Die genaueren Umstände erzählt Alex Garland in seinem neuen Film „Men – Was dich sucht, wird dich finden“ in mehreren kurzen Rückblenden. Im Zentrum des Horrorfilms stehen Harpers Tage in Cotson. Sie streift durch den menschenleeren Wald, sieht in einer Ruine einen nackten Mann, der später in ihr Haus eindringen will. Und sie trifft andere Männer, wie den Vermieter, einen Pfarrer, Polizisten und einen einen eine Maske tragenden Jungen, die sich alle etwas seltsam und bedrohlich verhalten.

Nach zwei überzeugenden Science-Fiction-Spielfilmen – „Ex Machina“ (Ex Machina, USA/Großbritannien 2014) und „Auslöschung“ (Annihilation, USA 2018) – widmet Alex Garland sich in „Men“ dem Horrorfilm. Vor allem dem Folk-Horrorfilm und dem psychologischen Horrorfilm. Garland übernimmt vollständig den Blick seiner Hauptperson. Er erzählt seine Geschichte eindeutig aus Harpers Perspektive. Ihre Trauer, Schuldgefühle und Ängste bestimmen die Geschichte. Deshalb ist es nur konsequent, Rory Kinnear (Tanner in den Daniel-Craig-James-Bond-Filmen) fast alle Männer spielen zu lassen. Für Harper sind nach dem Tod ihres gewalttätigen Ehemannes alle Männer bedrohlich und sie sehen auch alle, mehr oder weniger, gleich aus. Sie werden auch, mehr oder weniger schnell, mehr oder weniger eindeutig, übergriffig. Der überaus servile Besitzer von Cotson Manor ist zu höflich, macht unpassende Anspielungen und stellt, als er ihr sein Haus zeigt, unverschämte Fragen, der Grüne Mann ist aufdringlich nackt und bedrohlich, der Pfarrer ist schon bei der ersten Begegnung zu besorgt und, anstatt Harper Trost zu spenden, verstärkt er ihre Schuldgefühle, der neunjährige Samuel verströmt hinter seiner Maske eine irritierende Mischung aus Unverschämtheit und Höflichkeit, der Polizist und die im Pub Bier trinkenden Männer scheinen nur daran interessiert zu sein, Harper die Schuld für ihre Probleme zuzuschieben. Wie es schon ihr tödlich verunglückter Mann getan hat.

Sie ist ein Opfer, sie soll sich als Opfer fühlen und wird von den Männern als passives Objekt ihrer Begierden betrachtet. Für Harper sollen die Tage in Cotson Manor, jedenfalls hat sie das so geplant, auch dazu dienen, sich aus dieser passiv duldenden Rolle zu befreien. Also vom Objekt zum Subjekt ihres Lebens zu werden; – wobei, je mehr wir über James‘ Tod erfahren, diese eindeutige Zuordnung diffuser wird.

Garland lotet in seiner Folk-Horror-Geschichte geduldig, mit einem präzisen Blick für religiös und mythologisch aufgeladene Details (wie die Äpfel und der Grüne Mann), in langen stummen Szenen und wenigen Dialogen Harpers Gefühlsleben aus. Dabei vertraut er auf Jessie Buckley („The lost Daughter“), die Harper spielt, ihren von Rory Kinnear gespielten Antagonisten und die Bilder von seinem Stamm-Kameramann Rob Hardy. Mit ihren intensiven Farben und dem präzise komponiertem Bildaufbau verstärken sie schon von der ersten Minute an die beunruhigende Atmosphäre.

So gelungen dieser Spannungsaufbau ist, so schnell ist auch klar, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird. Außerdem ist das Body-Horror-Finale etwas zu lang geraten.

Men – Was dich sucht, wird dich finden (Men, Großbritannien 2022)

Regie: Alex Garland

Drehbuch: Alex Garland

mit Jessie Buckley, Rory Kinnear, Paapa Essiedu, Gayle Rankin, Sarah Twomey, Zak Rothera-Oxley, Sonoya Mizuno

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Men“

Metacritic über „Men“

Rotten Tomatoes über „Men“

Wikipedia über „Men“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alex Garlands „Ex Machina“ (Ex Machina, USA/Großbritannien 2014)

Meine Besprechung von Alex Garlands Jeff-VanderMeer-Verfilmung „Auslöschung“ (Annihilation, USA 2018)