
Für die Kriminalakte ist das Erscheinen des neuen Romans „Das Dickicht“ von Joe R. Lansdale eine gute Gelegenheit, dem Mann einige Fragen zu stellen.
Der Texaner Joe R. Lansdale schrieb in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Romane und Kurzgeschichten in unterschiedlichen Genres, die alle irgendwie zur Spannungsliteratur gehören: Kriminalromane, Thriller, Horror-Geschichten, Western und abgedrehte Variationen davon. Einige Comics schrieb er auch und er schnüffelte an den Rändern von Hollywood herum. Ein kleiner Klassiker ist „Bubba Ho-Tep“. Don Coscarelli verfilmte mit Bruce Campbell Lansdales gleichnamige Kurzgeschichte, in der im Altersheim Elvis Presley und John F. Kennedy (ein Schwarzer) gegen eine ägyptische Mumie kämpfen. Ein großer Spaß. Demnächst läuft auf dem Fantasy-Filmfest die brandneue, prominent besetzte Romanverfilmung „Cold in July“ von Jim Mickle, mit Michael C. Hall, Don Johnson und Sam Shepard.
Äußerst beliebt bei Krimilesern sind seine knochentrockenen Geschichten mit Hap Collins und Leonard Pine. Neun Romane mit dem seltsamen Paar sind bereits erschienen.
In den vergangenen Jahren, vor allem seit dem mit dem Edgar ausgezeichntem „Die Wälder am Fluss“ (The Bottoms), schrieb Lansdale auch mehrere Romane, die in der ersten Hälfte des Jahrhunderts in seiner Heimat Osttexas spielen. Protagonist ist oft ein sehr junger Mensch und die Rassenfrage wird immer thematisiert.
Auch die Abenteuergeschichte „Das Dickicht“ spielt zu Beginn des letzten Jahrhunderts: Autos und Telefone gibt es schon, aber normalerweise bewegt man sich auf einem Pferd von einem Ort zum nächsten. Der sechzehnjährige Jack Parker macht sich, nach dem Pockentod seiner Eltern und der Ermordung seines Großvaters auf dem Sabine River, mit dem Afroamerikaner Eustace Cox, seinem Wildschwein Keiler, dem Zwerg Shorty, dem Freudenmädchen Jimmie Sue und dem Sheriff und früheren Kopfgeldjäger Winton auf die Jagd nach dem Mörder seines Großvaters und den Entführern seiner jüngeren Schwester. Das sind Cut Throat Bill, Nigger Pete und Fatty Worth, drei skrupellose Banditen, die im titelgebenden Dickicht, einer gesetzlosen Gegend, untergetaucht sind.
Was war die Inspiration für „Das Dickicht“?
Die Hauptinspiration für „Das Dickicht“ waren Geschichten über Ost-Texas, die ich als Jugendlicher hörte. Dazu kam die Lektüre von Mark Twain und pure Einbildung. Ich nehme gerne etwas, das einen Bezug zur Realität hat und entfessele meine Fantasie. Mein Vater, zum Beispiel, hatte als Kind Pocken. Er wurde 1909 geboren, ein Jahr bevor Mark Twain starb. Er hörte viele Geschichten über Ost-Texas, das große Dickicht, wo meine Geschichte spielt, und ich verwendete Geschichten, die ich von meiner Großmutter hörte. Und einige Kleinigkeiten von meiner Mutter. Wieder einmal verschmolz ich meine Fantasie mit diesen Geschichten und so entstand dieser Roman. Der Zwerg Shorty war für mich eine Überraschung. Über seinen Ursprung kann ich nichts sagen.
In den vergangenen Jahren, vor allem seit „The Bottoms“ spielen viele ihrer Geschichten in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts und oft erzählen sie die Abenteuer von jungen Menschen. Woher kommt ihr Interesse an dieser Zeit und den jugendlichen Charakteren?
Ich habe mich schon immer für Geschichte interessiert. Meine Eltern waren während dieser Zeit junge Erwachsene und Erwachsene. Es war eine schwere Zeit, also war ich neugierig. Wie ich schon bei der vorherigen Frage sagte: ich hörte viele Geschichten über die Große Depression. Sie hatte, wie du dir denken kannst, einen großen Einfluss auf meine Eltern. Meine anderen Romane entstanden, wie „Das Dickicht“, ausgehend vom Hörensagen oder eher mündlichem Geschichtenerzählen. Einige Geschichten, die mir erzählt wurden, waren wahr. Andere nicht. Manchmal waren es nur alte Geschichten, die weitererzählt wurden und nichts mit meiner Familie zu tun hatten. Aber es waren die Erfahrungen und Geschichten von anderen.
Ich denke, ich bin einer der letzten, der noch da war, um diese alten Geschichten zu hören, weil meine Eltern, als ich geboren wurde, älter waren als die Eltern von meinen Klassenkameraden. Sogar mein Bruder ist siebzehn Jahre älter als ich. Daher hat er etwas andere Erfahrungen als ich und ich habe viele Dinge von ihm gelernt. Das war so nicht geplant. Es geschah einfach.
Ich bin ein guter Zuhörer, wenn es um Geschichten geht. Vorausgesetzt, sie interessieren mich. Während die anderen Kinder spielten, saß ich bei den Erwachsene und hörte ihnen zu.
Sie schreiben in vielen verschiedenen Genres und Comics. Woher wissen Sie, welches Genre das richtige Genre für die Geschichte ist und was sind die Vorteile von Genres?
Wenn mich jemand fragt, ob ich einen Kriminal-, Horror- oder was auch immer für eine Genre-Geschichte schreiben soll, dann kenne ich die Richtung. Aber das ist auch alles. Zuerst muss es mich interessieren, und dann habe ich die grobe Richtung in die die Erzählung sich bewegen soll. Aber danach lasse ich die Geschichte ihren eigenen Weg finden. Manchmal setzte ich mich einfach hin und beginne mit dem Schreiben. Ausgehend von einer Stimmung oder einer einzigen Idee. Dann entwickelt sich die Geschichte und sie wird, was immer sie werden will.
Ich denke, ich kann nur schreiben, indem ich die Geschichte ihre Stimme finden lasse. Ich kann gelenkt, aber nicht kontrolliert werden.
Können Sie uns etwas über ihren Schreibprozess erzählen? Wie entsteht ein Lansdale-Roman?
Ich recherchiere ohne zu denken, dass ich recherchiere. Ich lese einfach, was mich interessiert oder fasziniert, Erzählungen und Sachbücher. Ich lese viel über Geschichte; Biographien und so. Ich lese viel und ich lese fast ständig, mit kurzen Pausen, weil ich es sowieso tun würde und es mir gefällt.
Ich schreibe gern. Normalerweise schreibe ich am Morgen, kurz nachdem ich aufstehe. Ich versuche täglich mindestens drei bis fünf Seiten zu schreiben, und oft wird es mehr. Ich mache das fünf bis sieben Tage pro Woche, manchmal auch im Urlaub. Aber ich arbeite selten mehr als drei Stunden. So tue ich regelmäßig etwas und ich fühle mich jeden Tag wie ein Held.
Ich schreibe eine sehr gewissenhafte erste Fassung, mit Überarbeitungen während des Schreibens. Danach wird diese Fassung noch einmal in Details überarbeitet.
Manchmal habe ich eine Geschichte, die eine größere Überarbeitung erfordert, aber während des Schreibens überarbeite ich bereits das Geschriebene und am nächsten Tag überarbeitete ich die Arbeit des vorherigen Tages und tauche so wieder in die Geschichte ein. So erledige ich viele Überarbeitungen während des Schreiben.
Mehrere Fassungen mag ich nicht. Es deprimiert mich einfach und meine Geschichten werden mit dieser Methode nicht besser, sondern schlechter.
Am besten funktioniert für mich: Sorgfältig jetzt, kleine Veränderungen später.
Welche fünf Bücher würden Sie für den späten Sommerurlaub empfehlen?
Adventures of Huckleberry Finn (Die Abenteuer des Huckleberry Finn; Huckleberry Finn; Huckleberry Finns Abenteuer), von Mark Twain
To Kill a Mocking Bird (Wer die Nachtigall stört), von Harper Lee
True Grit (Die mutige Mattie, True Grit), von Charles Porties
The Great Gatsby (Der große Gatsby), von F. Scott Fitzgerald
The Martian Chronicles (Die Mars-Chroniken), von Ray Bradbury
Diese Liste kann sich verändern, aber diese Bücher gehören immer zu meinem Lieblingsbüchern.
Wenn ich etwa schwindeln darf, indem ich eine Kurzgeschichtensammlung hinzufüge, empfehle ich
A Good Man is hard to find, von Flannery O’Connor (diese Sammlung wurde so anscheinend nicht übersetzt, aber die Kurzgeschichten von Flannery O’Connor erschienen in verschiedenen, antiquarisch erhältlichen Sammelbänden)
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Joe R. Lansdale: Das Dickicht
(übersetzt von Hannes Riffel)
Tropen, 2014
336 Seiten
19,95 Euro
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Originalausgabe
The Thicket
Mulholland Books, 2013
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Hinweise
Homepage von Joe R. Lansdale
Stuttgarter Zeitung: Thomas Klingenmaier hat Joe R. Lansdale getroffen (25. März 2013)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Wilder Winter“ (Savage Season, 1990)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Rumble Tumble“ (Rumble Tumble, 1998 )
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Der Gott der Klinge” (The God of the Razor, 2007)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Der Teufelskeiler” (The Boar, 1998)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Akt der Liebe“ (Act of Love, 1981)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Die Wälder am Fluss“ (The Bottoms, 2000)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Kahlschlag” (Sunset and Sawdust, 2004)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Gauklersommer” (Leather Maiden, 2008)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales “Ein feiner dunkler Riss” (A fine dark Line, 2003)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Dunkle Gewässer“ (Edge of Dark Water, 2012)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Straße der Toten“ (Deadman’s Road, 2010)
Meine Besprechung von Joe R. Lansdales „Machos und Moneten“ (Captains Outrageous, 2001)
Mulholland Books: Joe R. Lansdale über die Ursprünge von „Das Dickicht“
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