TV-Tipp für den 1. August: Auftrag Rache

Juli 31, 2014

Als Vorbereitung für „The Expendables 3“, der am 21. August startet und in dem Mel Gibson einen maulfaulen Bösewicht spielt

ZDFneo, 22.00

Auftrag Rache (USA/Großbritannien 2010, Regie: Martin Campbell)

Buch: William Monahan, Andrew Bovell (nach dem Drehbuch von Troy Kennedy Martin)

Vor der Haustür des Polizisten Thomas Craven erschießen Unbekannte seine Tochter. Craven glaubt, dass der Anschlag ihm gegolten hat. Er beginnt ihren Mörder zu jagen.

Nachdem Mel Gibson in den vergangenen Jahren vor allem als Regisseur und wegen anderer Dinge von sich reden machte (Hey, wir haben doch alle kopfschüttelnd die Meldungen auf den Bunten Seiten gelesen.), übernahm nach einer siebenjährigen Schauspielpause für diesen leicht noirischen Politthriller endlich wieder einmal die Hauptrolle und es wurde eine veritable Soloshow.

„Auftrag Rache“ ist das Remake der hochgelobten, sechsstündigen BBC-Serie „Am Rande der Finsternis“ (Edge of Darkness) von 1985, die ebenfalls von Martin Campbell inszeniert wurde und ein mit mehreren BAFTAs (unter anderem „Beste TV-Serie“) ausgezeichneter „Meilenstein der Fernsehgeschichte“ (Martin Compart: Crime TV) ist. Dagegen ist das Remake nur austauschbare 08/15-Kost.

„Simpler Thriller, der das Spannungspotential seiner Actionszenen inszenatorisch nicht sonderlich ausschöpft und dessen politische Hintergründe eher konfus gezeichnet sind.“ (Lexikon des internationalen Films)

William Monahan schrieb auch die Drehbücher für die ungleich gelungeneren Thriler „Departed – Unter Feinden“,Der Mann, der niemals lebte“ und „London Boulevard“ (auch Regie).

Martin Campbell inszenierte auch die James-Bond-Filme „GoldenEye“ und „Casino Royale“ (zweimal gut) und „Green Lantern“ (Gähn!).

mit Mel Gibson, Ray Winstone, Danny Huston, Bojana Novakovic, Shawn Roberts, Frank Grillo

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über „Auftrag Rache“

Metacritic über „Auftrag Rache“

Rotten Tomatoes über „Auftrag Rache“

Wikipedia über „Auftrag Rache“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Martin Campbells TV-Serie “Am Rande der Finsternis” (Edge of Darkness, GB 1985 – DIE Vorlage für “Auftrag Mord”)

Meine Besprechung von William Monahans Ken-Bruen-Verfilmung „London Boulevard“ (London Boulevard, USA/GB 2010)

Meine Besprechung von Martin Campbells „Green Lantern” (Green Lantern, USA 2011)

Meine Besprechung von Adrian Grunbergs „Get the Gringo“ (Get the Gringo, USA 2012 – mit Mel Gibson als Verbrecher)


Neu im Kino/Filmkritik: Sie waren „Jersey Boys“, Kleingangster und Musiker

Juli 31, 2014

Nachdem 2013 der jährliche Clint-Eastwood-Film ausfiel, ist er jetzt mit „Jersey Boys“ zurück und er inszenierte sein erstes Musical. Wer jetzt großartige Tanzszenen und Schauspieler, die tanzend ihre Dialoge singen, erwartet, kann sich das Geld für ein Ticket sparen. Denn „Jersey Boys“ erzählt sehr unfilmisch und bieder die Geschichte der Pop-Gruppe „Four Seasons“, deren größte Hits aus den frühen sechziger Jahren stammen. Die Schauspieler, von denen viele ihre Rolle bereits auf der Bühne spielten, singen die Hits dann ganz brav auf der Bühne stehend.

Damit ist „Jersey Boys“ die Leinwand-Version eines Musicals, die sich sehr unglücklich zwischen die Stühle setzt und alle Probleme hat, die die meisten Biopics haben. Denn es wird die gesamte Geschichte der Band erzählt, weshalb der Film über zwei Stunden dauert und zunehmend langweilt.

Die Geschichte beginnt 1951 in Belleville, New Jersey, erzählt vom Aufstieg, den großen Erfolgen, wie sich die vier Musiker teilweise zerstritten und, nach einer langen Pause, 1990 (das ist die zweite Jahreszahl, die in dem Film genannt wird), bei der Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame wieder zusammen auftraten. Bei dieser langen Zeit fehlt dann auch zunehmend dramaturgische Fokus, den der Film in den ersten Minuten hat, wenn Sänger Frankie Valli (John Lloyd Young), Bandleader Tommy DeVito (Vincent Piazza) und Bassist Nick Massi (Michael Lomenda) in New Jersey aufwachsen, in kleinen Sälen vor einem alle Altergruppen umfassendem Publikum auftreten und als jugendliche Kleingangster, unter der liebevollen Obhut des lokalen Paten Gyp DeCarlo (Christopher Walken), erste Verbrechen begehen. Dazu gehören ein grotesk schiefgehender Geldschrankdiebstahl und nächtliche Einbrüche in Kirchen, um die Akustik auszuprobieren. Jugendstreiche eben. Außerdem hat DeCarlo einen Narren an Valli gefressen und fördert deshalb seine musikalischen Ambitionen.

Irgendwann nehmen Valli, DeVito und Massi den Pianisten und Songwriter Bob Gaudio (Erich Bergen) als ‚vierten Mann“ in ihre Band auf, nennen sich „The Four Seasons“ und der Weg zum Erfolg ist, mit kleinen Hindernissen, geebnet. Als sie ihren ersten Hit haben (der an einer auch nur nacherzählbaren historischen Aufarbeitung vollkommen desinteressierte Film verrät nicht, wann das war) könnte die Filmgeschichte, die bis jetzt in einem lose an „GoodFellas“ erinnerndem Stil und mit vielen direkten Kommentare der Hauptcharaktere direkt an uns Zuschauer erzählt wurde, enden. Die Jungs sind ihrem Viertel und einer Karriere als Verbrecher entkommen.

Aber es geht weiter und „Jersey Boys“ wird immer beliebiger. Denn ziemlich zusammenhanglos werden, durchaus vergnügliche Szenen, garniert mit den bekannten Hits, anekdotisch aneinandergereiht, aber die Charaktere bleiben blass und für keinen der Musiker interessieren wir uns. Auf der Bühne, wenn die Songs durch die Bandgeschichte lose zusammengehalten werden, stört das nicht weiter. In einem Film möchte man dann doch etwas mehr erfahren. Nur es kommt nichts. Auch nicht über Frankie Valli, der als bekanntestes Bandmitglied so etwas wie der Protagonist ist. Seine Freundschaft zu Tommy DeVito ist zwar wichtig, er übernimmt sogar seine enormen Geldschulden (deren Abbezahlung angesichts des Erfolgs der Gruppe seltsam lange dauert), aber in der zweiten Filmhälfte wird sie zunehmend nebensächlicher. Seine Frau, die er noch vor dem Beginn seiner Musikerkarriere heiratete, verschwindet über weite Teile des Films, wird zur Alkoholikerin (was wir an den immer gut gefüllten Gläsern in ihrer Hand erkennen), die Kinder werden im Sauseschritt größer, weshalb wir auch wissen, dass die Zeit vergeht. Denn am Make-Up der Schauspieler sind die Jahrzehnte kaum zu erkennen. Auch nicht an der Ausstattung. Der gesamte Film spielt in einem zeitlosen Paralleluniversum, in dem es nur den Leadsänger Frankie Valli und die „Four Seasons“ gibt.

Allerdings sind die „Four Seasons“ eine Pop-Gruppe mit überschaubaren musikalischen Errungenschaften und einem vernachlässigbarem Einfluss auf spätere Musiker und Bands. Eigentlich war ihre Karriere, trotz späterer Hits, mit dem Auftauchen der Beatles vorbei. Sie waren auch nicht, wie die Doors, die ja auch in einem Spielfilm verewigt wurden, für die Jugendkultur wichtig.

Gerade weil Clint Eastwood in seinen früheren Filmen immer ein gutes Ohr für die Musik hatte, die er teilweise selbst komponierte, er mit dem grandiosen Charlie-Parker-Biopic „Bird“ einen Musikfilmklassiker und mit „Honkytonk Man“ ein unterschätzes Drama über einen Country-Musiker während der Depression inszenierte und er sich in seinem einzigen Dokumentarfilm „Piano Blues“ mit dem Blues beschäftigte, ist die Musical-Verfilmung „Jersey Boys“ so enttäuschend. Da helfen auch die live gesungenen Hits nicht.

Clint Eastwoods nächster Film als Regisseur, „American Sniper“ über einen Navy-Seal-Scharfschützen mit Bradley Cooper in der Hauptrolle, ist schon in der Postproduktion.

Jersey Boys - Plakat

 

Jersey Boys (Jersey Boys, USA 2014)

Regie: Clint Eastwood

Drehbuch: Marshall Brickman, Rick Elice (nach ihrem Musical)

mit John Lloyd Young, Erich Bergen, Michael Lomenda, Vincent Piazza, Christoper Walken, Mike Doyle, Renée Marino, Erica Piccininni

Länge: 134 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Jersey Boys“

Moviepilot über „Jersey Boys“

Metacritic über „Jersey Boys“

Rotten Tomatoes über „Jersey Boys“

Wikipedia über „Jersey Boys“ (deutsch, englisch)

All Music über die Four Seasons

History vs. Hollywood über „Jersey Boys“

Kriminalakte: Glückwünsche zum achtzigsten Geburtstag von Clint Eastwood

Meine Besprechung von Clint Eastwoods „Hereafter – Das Leben danach“ (Hereafter, USA 2010)

Clint Eastwood in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: Ein Haus weitergezogen zur „22 Jump Street“

Juli 31, 2014

In „21 Jump Street“ wurden vor zwei Jahren einige Meta-Witze über das ideenlose Recycling von Ideen aus den Achtzigern gemacht und damit war nicht nur gemeint, dass in der Polizei ein Programm aus den Achtzigern wieder aufgelegt wird, sondern auch dass eine alte TV-Serie fit fürs Kino gemacht wird. Aber während die vorherigen Wiederbelebungen von mehr oder weniger kultigen und legendären TV-Serien für das Kino (wie „Starsky & Hutch“, „The A-Team“ und „Miami Vice“ [obwohl da sogar Serienerfinder Michael Mann federführend dabei war]) nicht erfolgreich genug für weitere Filme waren, war „21 Jump Street“ ein Überraschungserfolg, der jetzt zur Fortsetzung „22 Jump Street“ führte, die mit einigen Meta-Witzen über ideenlose Fortsetzungen gepflastert ist.

So wurde einfach der Auftrag aus dem ersten Film wieder genommen, aber dieses Mal suchen der unsportliche, aber schlaue Schmidt (Jonah Hill) und der sportliche, aber dumme Jenko (Channing Tatum) den geheimnisumwitterten Drogendealer nicht mehr an der Schule, sondern an der Universität. Natürlich ein anderer Dealer. Aber sie arbeiten wieder Undercover. Jetzt als Studenten. Es gab auch ein höheres Budget, was natürlich ausgegeben wurde für ein größeres Büro des immer noch sehr schlecht gelaunten Chefs (Ice Cube) und größere Waffen und größere Autos. Und ein Finale in Mexiko in der Küstenstadt Puerto, wo die vergnügungsssüchtigen Studentenmassen ihre Mega-Drogenparty, den Spring Break, feiern und die ordentliche Polizeiarbeit von Schmidt und Jenko effektiv behindern.

Bei soviel Selbstironie kann man dem Buddy-Movie natürlich unmöglich als Ideenlosigkeit vorwerfen, was die Macher gerade vollmundig behaupten: nämlich dass sie das gleich noch einmal machen. Nur größer. – Und wenn ich „21 Jump Street“ besprochen hätte, könnte ich einfach meine Kritik wiederveröffentlichen. Sie würde stimmen. Denn wieder ist die Story, über die man nicht länger als zwei Sekunden nachdenken sollte (die Macher haben es auch nicht getan), nur der Aufhänger für die zahlreichen mehr oder weniger treffenden Witze, in denen sich die Macher teilweise etwas zu sehr auf die Schulter klopfen für ihre Smartness, und die oft, wie bei vielen aktuellen Komödien, zu breit ausgewaltzt werden und immer wieder in Blödeleien ausarten.

So ist „22 Jump Street“, wie „21 Jump Street“, eine durchaus witzige, etwas zu lang geratene und zu selbstgenügsame Buddy-Komödie, die auch zeigt, wie Schmidt und Jenko als eingespieltes Team zusammenarbeiten und sie einige Beziehungsprobleme bearbeiten müssen, weil sie an der Universität aus persönlichen Gründen verschiedene Verdächtige haben.

Im Abspann werden schon die nächsten Fortsetzungen angekündigt – und einige haben wirklich Potential.

22 Jump Street - Plakat

22 Jump Street (22 Jump Street, USA 2014)

Regie: Phil Lord, Christopher Miller

Drehbuch: Michael Bacall, Oren Uziel, Rodney Rothman (nach einer Geschichte von Michael Bacall und Jonah Hill, sehr lose basierend auf der TV-Serie „21 Jump Street“)

mit Jonah Hill, Channing Tatum, Peter Stormare, Ice Cube, Wyatt Russell, Amber Stevens, Jillian Bell, The Lucas Brothers, Nick Offerman, Jimmy Tatro, Rob Riggle, Dave Franco

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „22 Jump Street“

Moviepilot über „22 Jump Street“

Metacritic über „22 Jump Street“

Rotten Tomatoes über „22 Jump Street“

Wikipedia über „22 Jump Street“ 


Neu im Kino/Filmkritik: „Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm“ und die unglaubliche Reise eines Paares

Juli 31, 2014

Eyjafjallajökull heißt der Vulkan, dessen Ausbruch 2010 den gesamten europäischen Flugverkehr zum Erliegen brachte, was für viele Reisende ärgerlich, aber für Alain (Dany Boon) und Valérie (Valérie Bonneton) eine Katastrophe ist. Sie sind nämlich auf dem Weg nach Griechenland zur Hochzeit ihrer Tochter, die in drei Tagen auf Korfu stattfindet. Also wird ein Auto organisiert und – nun, Alain versucht schon in München am Flughafen Valérie zu versetzen. Denn beide sind seit zwanzig Jahren geschieden und anscheinend wuchs ihre Abneigung in den vergangenen Jahren vom Hass zu etwas viel Schlimmerem.

Immerhin bringen die beiden vollkommen gegensätzlichen Charaktere sich nicht gegenseitig um.

Aber sie versuchen es. Zum Beispiel im Wohnmobil von Ezechiel, einem ziemlich durchgeknallten Gläubigem mit Knastvergangenheit. Als sie sich zufällig im Wohnteil seines Wohnmobil treffen, gehen sie gleich aufeinander los und zerstören dabei, während der Fahrt, zuerst das Mobiliar und dann das Wohnmobil. Davor wurde schon ein gemieteter Porsche, den es normalerweise nur für VIPs gibt, auf der Autobahn geschrottet und danach legt Fahrlehrer Alain in einem Kleinflugzeug, mit seiner Ex-Frau als Kopilotin, kurz vor ihrem Ziel eine Bruchlandung in einem einsamen Waldgebiet hin.

Während das frühere Liebespaar auf dem Weg von München nach Korfu munter die Fahrzeuge wechselt, versuchen sie immer wieder, den anderen hereinzulegen. Da ist dann jede Freundlichkeit das Vorspiel für eine weitere Bosheit, die man ungeachtet der Folgen für einen selbst, dem anderen zufügt.

Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm“ steht im Geist der überdrehten französischen der siebziger Jahre, in denen ein nicht zusammenpassendes, in tiefer Abneigung zueinander stehendes Paar auf eine Reise geschickt wird und sie ihr bestes tun, um die Vorhaben des anderen zu sabotieren. Das machte damals Spaß und macht auch in der aktuellen Ausgabe, wenn Alain und Valérie quer durch Deutschland, Österreich, das ehemalige Jugoslawien bis nach Griechenland mit allen zur Verfügung stehenden Fahrzeugen eine Spur der Verwüstung hinterlassen, Spaß.

Diese Reise wird mit so vielen spitzen Bemerkungen, Bosheiten und Action garniert, dass man gerne die unplausible Prämisse vergisst. Denn natürlich könnten Alain und Valérie jederzeit getrennte Wege gehen. Und beide sind in ihrer Gegensätzlichkeit vollkommen überspitze Karikaturen, die im wirklichen Leben niemals mehr als zwei Sätze miteinander gesprochen hätten.

Aber als durchaus klamaukige Action-Comedy mit herrlich abgedrehten Szenen funktioniert der Film, der auch nie behauptet mehr zu sein, als er ist.

Eyjafjallajoekull - Plakat

 

Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm (Eyjafjallajökull, Frankreich/Deutschland 2013)

Regie: Alexandre Coffre

Drehbuch: Laurent Zeitoun, Yoann Gromb, Alexandre Coffre (nach einer Originalidee von Yoann Gromb)

mit Dany Boon, Valérie Bonneton, Denis Ménochet, Albert Delpy, Bérangère McNeese, Malik Bentalha

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

AlloCine über „Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm“

Film-Zeit über „Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm“

Moviepilot über „Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm“

Wikipedia über „Eyjafjallajökull – Der unaussprechliche Vulkanfilm“ (deutsch, französisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die innere Zone“ ist eine Ödnis

Juli 31, 2014

Da hat man tolle Locations in der Schweiz und der Ukraine, kann in unterirdischen Bauwerken und an malerischen Seen, drehen, hat einen guten Kameramann und Beleuchter (die im Tunnellabyrinth spielenden Szenen sind immer gut ausgeleuchtet, die Kamera lenkt nicht von der Geschichte ab) und gute Schauspieler, die ihre Texte glaubwürdig aufsagen und sich locker vor der Kamera bewegen.

Aber man hat kein schlüssiges Drehbuch, sondern nur einen Wust unzusammenhängender Ideen, die im Presseheft pseudophilosophisch verbrämt werden („Was passiert, wenn Erinnerung und Imagination von intakter Lebenswelt auf zerstörte Umwelten trifft? Wie verändert der Klimawandel selbst Erinnerung und Imagination? Tritt an ihre Stelle eine kollektive Amnesie, die nur medial, mit Bildern, also künstlich wieder aufgefüllt werden kann?“), aber im Film nicht weiter thematisert werden und mehr Unglaubwürdigkeiten und Idiotien, als es sonst in einem hirnrissigen billigen Science-Fiction-Film gibt.

2023 soll die Psychologin Marta in der Schweiz ein Tal aufsuchen. Dort veränderte sich, nachdem ein unbekanntes Luftgemisch aus einer Tunnelbaustelle austritt, das Binnenklima. Nur noch drei Ingenieure, die sie von früher kennt, sind vor Ort. Und sie sind anscheinend von den Gasen verrückt geworden. Vielleicht sind sie auch schon tot. Denn es gibt keine Verbindung mehr zu ihnen.

Auch Marta hat, seitdem sie vor Jahren an einem Biosphärenprojekt teilgenommen hat, Halluzinationen. Aber inzwischen kann sie, glaubt sie, damit umgehen und gerade dieses Handicap befähigt sie für diesen Auftrag. Die an Wahnvorstellungen leidende Marta soll nämlich herausfinden, was in dem Tal geschah.

Im schicken Business-Kostüm und mit einer Wasserflasche, aber ohne Begleitung, ohne Schutzkleidung (wir reden von irgendetwas, was es in der Luft gibt und das gefährlich ist), ohne ständige Verbindung zur Zentrale und ohne Hilfsmittel (außer einem superduper Analysegerät, das wie ein altmodischer Camcorder aussieht) macht sie sich auf den Weg zur Arbeitsstelle der Ingenieure. Vorher schlendert sie noch entspannt durch das verlassene Dorf, trifft einen Jungen und erfrischt sich am Brunnen (wir reden immer noch von irgendetwas, das unsichtbar und gefährlich ist). Erst dann geht sie zum Arbeitsplatz der Ingenieure und auch hier verhält sie sich wieder seltsam. Denn anstatt so schnell wie möglich die Überlebenden zu suchen, beginnt sie erst einmal die auf dem Boden herumliegenden, gut gefüllten Leitz-Ordner zu studieren. Sie steckt auch ein Blatt ein. Anscheinend steht da etwas wichtiges drauf, aber so wichtig scheint es nicht gewesen zu sein. Denn später wird das Papier nie wieder erwähnt.

Einer der Ingenieure, die sie von früher kennt, taucht auf. Offensichtlich leidet er an starken Halluzinationen. Er versucht sie zu verwaltigen. Sie kann den Angriff abwehren und – gemäß dem Motto „Eile mit Weile“ – will sie so schnell wie möglich in den Stollen. Am nächsten Tag. Nach einem Nickerchen in dem mondänen, aber verlassenem Kurhotel. Dort trifft sie eine Frau, die es manchmal in ihrer Fantasie, manchmal in der Realität gibt.

Am nächsten Tag machen sie sich auf den Weg in den Tunnel und es wird – unglaublich, aber wahr, noch abstruser.

Denn die Macher wissen nie, was sie erzählen wollen. Der potentielle Thriller-Plot (Was tritt aus dem Tunnel aus? Was tut die Regierung?) wird ignoriert. Als Wissenschaftsthriller in der Tradition von „Andromeda“ funktioniert „Die innere Zone“ ebenfalls nicht, weil die Macher, trotz ihrer Prämisse, keinen Wissenschaftsthriller drehen wollten. Stattdessen soll es wohl ein psychologisches Drama um Wahn und Wirklichkeit, um echte und falsche Erinnerungen, sein. Aber die Symbolismen sind entweder platt oder unverständlich und weil Marta sich am Anfang als Wissenschaftlerin so vollkommen irrational verhält, ist sie uns auch vollkommen egal. Wie der gesamte Film.

Die innere Zone - Plakat - 4

 

Die innere Zone (Schweiz/Deutschland 2013)

Regie: Fosco Dubini

Drehbuch: Barbara Marx, Donatello Dubini, Fosco Dubini, Heike Fink

mit Jeanette Hain, Lilli Fichtner, Dietmar Mössmer, Nikolai Kinski, Heinrich Rolfing, Bernard Marsch

Länge: 93 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Die innere Zone“

Moviepilot über „Die innere Zone“


TV-Tipp für den 31. Juli: Wilde Kreaturen

Juli 31, 2014

ZDFneo, 20.15

Wilde Kreaturen (USA/Großbritannien 1997, Regie: Robert Young, Fred Schepisi)

Drehbuch: John Cleese, Iain Johnstone (nach einer Idee von Terry Jones und Michael Palin)

Rollo Lee soll den Londoner Zoo wieder auf Erfolgskurs trimmen. Sein Rezept: Wilde Kreaturen. Aber Mensch und Tier wollen ihm nicht widerstandslos folgen.

Wilde Kreaturen“ ist nicht so gelungen wie der Klassiker „Ein Fisch namens Wanda“, die vorherige Zusammenarbeit dieses „Monty Python“-lastigen Teams mit US-Hilfe. Aber für einige gemeine Pointen reicht es allemal.

Der englische Humor kennt kein Tabu. Eine böse, zyniche und treffende Satire auf gestylte Freizeit- und Erlebnisparks.“ (Fischer Film Almanach 1998)

mit John Cleese, Jamie Lee Curtis, Kevin Kline, Michael Palin, Ronnie Corbett, Carey Lowell, Robert Lindsay

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Wilde Kreaturen“

Wikipedia über „Wilde Kreaturen“ (deutsch, englisch)


DVD-Kritik: Yeah! Yeah! Yeah! „A Hard Day’s Night“ mit den Beatles

Juli 30, 2014

Schauspielernde Musiker und Bands, um die herum zur Vermarktung ihrer Musik ein Film geschrieben wird, sind meistens schnell vergessener filmischer Sondermüll. Oder will wirklich jemand alle Elvis-Presley-Madonna-Howard-Carpendale(das war eigentlich nur ein Film)-Filme sehen? Es gibt natürlich, wie immer, einige Ausnahmen und der erste Film der Beatles gehört unbestritten dazu. Bei einer 1999 vom British Film Institute (BFI) durchgeführten Befragung von tausend Filmschaffenden zu den 100 besten britischen Filmen landete „A Hard Day’s Night“ auf dem 88. Platz. Auch das Time Magazin erwähnte ihn in seiner Liste der 100 besten Filme – um nur zwei Listen zu nennen, auf denen der Film steht.

Richard Lester erzählt in einem flotten Reigen kurzer, dokumentarisch anmutender Szenen vom alltäglichen Leben der Band. Die vier Musiker laufen vor kreischenden Fans (die von echten Fans gespielt wurden) davon, sie fahren im Zug von Liverpool nach London, wo sie in einer Live-TV-Sendung auftreten sollen, sie begegnen wieder kreischenden Fans (okay, sie begegnen überall kreischenden Fans, vor denen sie mit jugendlichem Charme flüchten), sie nehmen ihre kleinen Fluchten, was ihren Manager zur Verzweiflung treibt und am Ende treten sie in der Show auf, was dazu führt, dass sie hintereinander einige noch heute bekannte Hits spielen und die überwiegend weiblichen Fans kreischen dürfen.

Und, als Comic-Relief ist Pauls Großvater dabei, ein Mann, über dessen Zurechnungsfähigkeit spekuliert werden kann. Aber nicht über seine Geschäftstüchtigkeit. Und er ist, wie mehrfach betont wird, sauber.

Die Beatles, also John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr werden als fröhliche junge Männer gezeigt, die wie pubertierende Jungs ihr Leben genießen und trotzdem verantwortungsbewußt sind. Denn auch bei ihren zahlreichen Fluchten, die ihren gutmütigen Managers Nerven kosten, kehren sie doch pünktlich zum Auftritt zurück. Sie sind so etwas wie die Klassenclowns, die den Lehrer respektieren. Und sie würden nie etwas wirklich Schlimmes oder Böses tun; nicht so wie spätere Musikergenerationen, die mit Drogen experimentierten und – ähem – seltsame Kleider trugen und – räusper – aufrührerische Parolen skandierten.

Nein, die Beatles waren noch richtig unschuldig – und die Fanekstase mit kreischenden, sie verfolgenden Fans und kreischenden Fans während des Konzertes ist heute fast unvorstellbar; – solange wir nicht über eine austauschbare Boy-Group mit deutlich kürzerem musikalischem Haltbarkeitsdatum und vernachlässigarem Einfluss auf die Musikgeschichte reden.

Richard Lester, der hier am Anfang seiner Karriere stand und in den nächsten Jahren einige Klassiker drehte, inszenierte mit „A Hard Day’s Night“ die Blaupause für künftige Musikerporträts, indem er gelungen zwischen den Stilen, vor allem in einem atemlosen, im Rhythmus der Musk geschnittenem Cinéma-Vérité-Stil zwischen dokumentarischen und eindeutig parodistischen Szenen, wechselte, die Musker als grundsympathische Menschen inszenierte und viele Songs der nach damaliger Meinung langhaarigen Musiker präsentierte, die zuerst zu Hits und später zu Evergreens wurden. Dabei gehorcht Lester nie einer spröden dokumentarisch-faktenbasierten, sondern einer emotionalen Wahrheit.

Heute würde man „Yeah Yeah Yeah“ (so der ursprüngliche deutsche Titel) Mockumentary nennen und den kurzweiligen Film ebenso bedenkenlos genießen, wie damals während der Beatlemania.

A Hard Day's Night - DVD-Cover

 

A Hard Day’s Night (A Hard Day’s Night, Großbritannien 1964)

Regie: Richard Lester

Drehbuch: Alun Owen

mit John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr, Wilfrid Brambell, Anna Quayle, Norman Rossington

DVD

Koch-Media

Bild: 1.78:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1/2.0)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Audiokommentar mit Cast und Crew (ungefähr ein Dutzend Menschen und Tonnen Informationen), umfangreiche Bildergalerie, Deutscher und englischer Kinotrailer

Länge: 84 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Der Film erschien in identischer Ausstattung auch auf Blu-ray.

Außerdem gibt es eine Special Edition mit DVD, Blu-ray und zwei Bonus-DVDs, die insgesamt über 250 Minuten Bonusmaterial enthalten, unter anderem mit über zwei Stunden Interviews, mehrere Dokumentationen über den Film, die Beatles und Richard Lester und Richard Lesters Kurzfilm „The Running, Jumping & Standing Still“. Außerdem gibt es noch ein Booklet.

Koch Media verwandte die von Criterion hergestellte Fassung.

Hinweise

Rotten Tomatoes über „A Hard Day’s Night“

Wikipedia über „A Hard Day’s Night“ (deutsch, englisch) und die Beatles (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 30. Juli: Road to Perdition

Juli 29, 2014

Kabel 1, 20.15

Road to Perdition (USA 2002, Regie: Sam Mendes)

Drehbuch: David Self

LV: Max Allan Collins (Text), Richard Piers Rayner (Zeichnungen): Road to Perdition, 1998 (Road to Perdition, Graphic Novel)

Buch zum Film: Max Allan Collins: Road to Perdition, 2002 (Road to Perdition)

Chicago, 30er Jahre: Profikiller Michael Sullivan steht plötzlich selbst auf der Abschußliste. Nachdem seine Familie umgebracht wird, flüchtet er mit seinem Sohn aus Chicago.

„Sam Mendes ist eine äußerst sehenswerte, in die Tiefe des Vater-Sohn-Verhältnisses lotende Film-noir-Tragödie gelungen, mit exzellenten Schauspielern und großartiger Kamerarbeit von Conrad L. Hall.“ (Sönke Lars Neuwöhner, tip 18/2002) oder „großartig besetzter, klassisch epigonaler Gangsterfilm“ (Adrian Prechtel, AZ 5. 9. 2002). Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen Menschen, die die Graphic Novel dem etwas langatmigen Film vorziehen.

Max Allan Collins schrieb nach der erfolgreichen Verfilmung weitere Romane und Graphic-Novels, in denen die Geschichte von Michael Sullivan jr. weitererzählt wird. Übersetzt wurde nur die erste Fortsetzung „Road to Purgatory“ (2004, Road to Purgatory – Straße der Vergeltung).

Wie üblich dürfte die 20.15 Uhr-Ausstrahlung gekürzt sein.

Mit Tom Hanks, Paul Newman, Jude Law, Jennifer Jason Leigh, Daniel Craig, Stanley Tucci

Wiederholung: Donnerstag, 31. Juli, 01.25 Uhr (Taggenau! Und wahrscheinlich ungekürzt.)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Road to Perdition“

Wikipedia über „Road to Perdition“ (deutsch, englisch)

Homepage von Max Allan Collins

Thrilling Detective über Max Allan Collins

January Magazine: Interview mit Max Allan Collins (1999)

Comic Book Resources: Interview mit Max Allan Collins (2002 – unter anderem zu „Road to Perdition“)

Sean Chercover redet mit Max Allan Collins (2005)

Things I’d rather be doing redet mit Max Allan Collins (2007)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ “Two for the Money” (2004)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ “Der erste Quarry” (The First Quarry, 2008)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ „The last Quarry“ (2006)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ „Bones – Die Knochenjägerin: Tief begraben“ (Bones: Buried deep, 2006)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ „CSI – Crime Scene Investigation: Im Profil des Todes“ (CSI: Crime Scene Investigation – Snake Eyes, 2006)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ „CSI: NY – Blutiger Mond“ (Bloody Murder, 2006 – Comic)

Meine Besprechung von Max Allan Collins’ “CSI – Das Dämonenhaus” (Demon House, 2004 – Comic)


Cover der Woche

Juli 29, 2014

Boulle - Planet der Affen - Heyne 2001

Das ist die Heyne-Ausgabe 2001, die zum Start von Tim Burtons „Planet der Affen“-Film erschien.

Ansonsten: wegen.


TV-Tipp für den 29. Juli: Wahre Lügen

Juli 29, 2014

Tele 5, 20.15

Wahre Lügen (Kanada/Großbritannien 2005, Regie: Atom Egoyan)

Drehbuch: Atom Egoyan

LV: Rupert Holmes: Where the Truth Lies, 2003

1972 will eine junge, ehrgeizige Journalistin herausfinden, was 1957 in einem Hotelzimmer geschah. Damals wurde die Leiche einer Studentin in der Suite der erfolgreichen Entertainer Lanny Morris und Vince Collins gefunden. Die Todesursache wurde nie geklärt, aber die Freundschaft der beiden Entertainer zerbrach.

Eleganter Neo-Noir von Kritikerliebling Atom Egoyan.

„Die retrospektiv erzählte Mischung aus Film noir und 1950er-Jahre-Melodram ist als faszinierendes Spiel mit Chiffren und Symbolen konzipiert, das, inszenatorisch perfekt, auf höchst vergnügliche Weise den Widerspruch zwischen Schein und Sein demonstriert.“ (Lexikon des internationalen Films)

mit Kevin Bacon, Colin Firth, Alison Lohman, Rachel Blancard

Wiederholung: Freitag, 1. August, 00.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Wikipedia über „Wahre Lügen“ (deutsch, englisch)

Rotten Tomatoes über “Wahre Lügen”

Film-Zeit über „Wahre Lügen“

Homepage von Atom Egoyan

Deutsche Atom-Egoyan-Fanseite


Romane, die mit Filmen zusammenhängen: „Planet der Affen“ und „Planet der Affen – Revolution: Feuersturm“

Juli 28, 2014

Boulle - Planet der Affen - CrossCult

Das läuft jetzt unter nicht notwendiger vorbereitender Lektüre für den neuen „Planet der Affen“-Film, der weiter, im Reboot-Modus, die Vorgeschichte für den klassischen „Planet der Affen“-Film mit Charlton Heston erzählt. Der landete in dem 1968er Science-Fiction-Film nach einer langen Raumfahrt auf einem von Affen beherrschten Planeten, auf dem Menschen wie Tiere gehalten wurden. Am Ende entdeckte er, dass er auf der Erde gelandet war und die Menschheit sich mit dem Einsatz von Atombomben überflüssig machte.

Der Film basiert auf dem 1963 erschienenem Roman „Planet der Affen“ von Pierre Boulle, der auch „Die Brücke am Kwai“ schrieb. Es ist eine Satire, eine „politische Parabel im Sinne von Jonathan Swift“ (Ilona Grzeschik in „Filmgenres: Science Fiction“), eine Zivilisationskritik, die auch heute noch trifft und die in den neuen „Planet der Affen“-Filmen, die mit dem Roman nichts zu tun haben, nicht mehr vorhanden ist.

In Boulles Roman lesen wir ein Manuskript des Journalisten Ulysse Mérou, das er als warnende Flaschenpost dem Weltraum anvertraute. Mérou war mit zwei Wissenschaftlern auf dem Weg zum Sternensystem Beteigeuze, als sie den erdähnlichen Planeten Soror entdecken und, nach ihrer Landung, feststellen, dass Soror von Affen beherrscht wird und Menschen jede Vernunft abgesprochen wird.

Zum Filmstart veröffentlichte Cross-Cult jetzt den Roman in einer neuen Übersetzung und er kann vollkommen unabhängig von allen anderen „Planet der Affen“-Filmen, -Büchern und -Comics, die alle irgendwie mit den Hollywood-Filmen der vergangenen Jahrzehnte zusammenhängen, als eigenständiges literarisches Werk und gelungene Gesellschaftssatire gelesen werden.

Keyes - Planet der Affen - Feuersturm

 

Als vor drei Jahren „Planet der Affen: Prevolution“ in die Kinos kam, glaubte niemand an den ganz großen Erfolg. Immerhin war 2001 Tim Burtons „Planet der Affen“-Film, der ein wenig packendes Remake vom 1968er „Planet der Affen“-Film ist und zu einer Wiederbelebung des in den frühen siebziger Jahren enorm populären „Planet der Affen“-Franchise führen sollte, zwar an der Kasse erfolgreich, aber von der Kritik und den Fans ungeliebt.

Der Spielfilm „Planet der Affen: Prevolution“ erzählt, ohne sich sonderlich um die vorherigen Filme zu kümmern, den Anfang der Geschichte die zur Herrschaft der Affen über die Menschen führt. In der Gegenwart sucht das Biotech-Unternehmen GenSys nach einem Mittel gegen Alzheimer und macht dafür auch Tierversuche mit Affen. Die Versuchstiere werden durch das Medikament intelligenter, sie brechen aus, liefern sich auf der Golden-Gate-Brücke eine Schlacht mit der Polizei und verschwinden im Redwood-Nationalpark.

Planet der Affen: Revolution“, der am 7. August im Kino startet, setzt zehn Jahre später ein und erzählt eine weitere Geschichte aus dem Kampf der Menschen gegen die Affen. Die ausführliche Besprechung des insgesamt sehenswerten Films gibt es zum Filmstart.

In seinem Roman „Planet der Affen – Revolution: Feuersturm“ erzählt Greg Keyes die offizielle Vorgeschichte zum Film; wobei das durchaus großzügig interpretiert werden kann. Denn man muss das Buch nicht gelesen haben, um den Film zu verstehen. Neben den Affenanführern Caesar und Koba und einigen ihrer Freunde hat es nur Dreyfus, Ex-Polizeichef, Kurzzeitbürgermeister und, im Film, Anführer der in San Francisco überlebenden Menschen, geschafft, die zehn Jahre zwischen der Handlungszeit des Romans und dem des Films zu überleben.

Der Roman beginnt unmittelbar nach dem Ende von „Planet der Affen: Prevolution“. Die Affen haben sich in den Wald zurückgezogen. Gegenüber der Öffentlichkeit wird die Schlacht auf der Brücke heruntergespielt. GenSys, die Biotech-Firma, die für die Experimente an den Affen verantwortlich war, hat über ihren Mutterkonzert und beauftragt vom Bürgermeister von San Francisco ein von einem paramilitärischem Dienstleister geleitetes Expeditionsteam zusammengestellt, das die Affen im Muir-Woods-Nationalpark finden soll. Während der Jagd bemerkt der afrikanische Affenjäger Malakai, dass diese Affen sich intelligenter verhalten als gewöhnliche Affen.

Gleichzeitig gibt es in San Francisco die ersten Anzeichen einer Seuche. Ein enorm aggressiver Virus, die Simianische Grippe, bringt Menschen innerhalb weniger Tage um. Eine Ärztin versucht zu helfen. Ein Journalist versucht die Wahrheit herauszufinden. Und Dreyfus, der von der Bevölkerung immer noch respektierte Ex-Polizeichef mit Ambitionen auf das Amt des Bürgermeisters, versucht die Bevölkerung zu beruhigen, was ihm auch immer wieder gelingt. Er wird, während der Bürgermeister komplett versagt, zur Stimme der Vernunft.

Und die von Caesar angeführten Affen versuchen im Wald in Ruhe zu Leben.

Feuersturm“ erzählt parallel eine Handvoll Geschichten, die in und um San Francisco spielen und ein allererstes Bild von der beginnenden Gesellschaft der Affen und, wie wir wissen, dem Ende der Menschheit, ergeben. Außerdem erzählt Greg Keyes in zahlreichen Rückblenden auch von Malakais Jugend in Belgisch-Kongo, das später zur Demokratischen Republik Kongo wurde, und dem früheren Leben von Caesar (weniger, wir haben ja „Planet der Affen: Prevolution“ gesehen) und Koba, der die Menschen hasst, weil sie ihn immer quälten und als Forschungsobjekt benutzten.

In dem Roman werden einige Tage aus einer größeren Geschichte erzählt, deren Ende wir kennen, wobei diese „Planet der Affen“-Welt auch mit einer friedlichen Koexistenz von Affen und Menschen enden könnte. Bis dahin können allerdings noch viele Geschichten erzählt werden und „Feuersturm“ ist wie eine TV-Episode aufgebaut mit einigen Geschichten, die innerhalb des Romans zu Ende erzählt werden, anderen, die irgendwann weiter erzählt werden und einem Personal, dessen Geschichten in weiteren Romanen weiter erzählt werden können.

Für einen in sich abgeschlossenen Roman fehlt dagegen eben diese Geschlosenheit und die einzige nacherzählbare Geschichte, was die Lektüre für sich allein etwas sinnlos macht. Wer allerdings „Planet der Affen: Prevolution“ gesehen hat und wissen möchte, was nach dem Kampf auf der Brücke geschah, sollte zugreifen.

Ach ja, der dritte Teil heißt selbstverständlich „Planet der Affen: Evolution“.

Pierre Boulle: Planet der Affen

(übersetzt von Merle Taeger)

Cross Cult, 2014

272 Seiten

12,80 Euro

Originalausgabe

La Planète des Singes

Editions Julliard, Paris, 1963

Der Roman erschien schon in einer anderen Übersetzung in mehreren Ausgaben.

Greg Keyes: Planet der Affen – Revolution: Feuersturm

(übersetzt von Susanne Döpke)

Cross Cult, 2014

384 Seiten

12,80 Euro

Originalausgabe

Dawn of the Planet of the Apes: Firestorm

Titan Books, 2014

Hinweise

Wikipedia über Pierre Boulle (deutsch, englisch, französisch) und  Greg Keyes (deutsch, englisch)

Amerikanische Homepage zum Film „Planet der Affen: Revolution“

Deutsche Facebook-Seite zum Film „Planet der Affen: Revolution“

Film-Zeit über „Planet der Affen: Revolution“

Moviepilot über „Planet der Affen: Revolution“

Metacritic über „Planet der Affen: Revolution“

Rotten Tomatoes über „Planet der Affen: Revolution“

Wikipedia über „Planet der Affen: Revolution“ (deutsch, englisch)

„Planet der Affen“-Wiki


TV-Tipp für den 28. Juli: Good Night, and Good Luck – Der Fall McCarthy

Juli 28, 2014

WDR, 22.45

Good Night, and Good Luck (USA 2005, Regie: George Clooney)

Drehbuch: George Clooney, Grant Heslov

In den Fünfzigern veranstaltet US-Senator Joseph McCarthy eine Hetzjagd gegen wenige Kommunisten und viele vermeintliche Kommunisten. 1954 beginnt CBS-Moderator Edward R. Murrow die Politik von McCarthy in seiner Sendung „See it now“ zu hinterfragen. Mit den von ihm präsentierten Reportagen und, später, von ihm gemachten Interviews mit McCarthy trug er zu dessen Sturz bei.

Böswillig gesagt ist “Good Night, and Good Luck” Schulfernsehen, bei dem zuerst die historischen Fakten vermittelt und anschließend die Botschaft hinausposaunt wird. Objektiv gesehen ist Clooneys Film gutes altmodisches Kino mit einer zeitlos aktuellen Botschaft über die Verantwortung der Medien (hier des Fernsehens). Denn selbstverständlich wurde der in dem Film geschilderte wahre Fall des TV-Moderators Edward R. Murrow gegen Senator Joseph McCarthy auch als Diagnose des Verhaltens der US-amerikanischen Medien vor dem Irak-Krieg gesehen und der historisch verbürgte Aufruf von Murrow an seine Kollegen am Ende des historisch genauen Films kritisch gegen die Machthaber zu sein, konnte 2005 nur tagespolitisch verstanden werden. – Und heute denken wir an die NSA, den Whistleblower Edward Snowden und den Journalisten Glenn Greenwald.

Abgesehen davon ist „Good Night, and Good Luck“ mit seiner eleganten SW-Kamera (Robert Elswit, auch „Michael Clayton“, „There will be Blood“ und, uh, „James Bond – Der Morgen stirbt nie“), dem stimmungsvollen Soundtrack, den pointierten Dialogen und den guten Schauspielern einfach ein Fest für Filmfreunde.

Mit David Strathairn, George Clooney, Patricia Clarkson, Alex Borstein, Robert Downey Jr., Jeff Daniels, Ray Wise, Robert Knepper, Dianne Reeves, Frank Langella

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über “Good Night, and Good Luck

Rotten Tomatoes über „Good Night, and Good Luck“

Wikipedia über „Good Night, and Good Luck“ (deutsch, englisch) und Edward R. Murrow (deutsch, englisch [viel umfangreicher])

The Museum of Broadcast Communication über Edward R. Murrow

PBS über Edward R. Murrow

Meine Besprechung von George Clooneys „Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“ (Monuments Men, USA/Deutschland 2013)


„Capote in Kansas“ erzählt das Making-of zu „Kaltblütig“

Juli 27, 2014

Parks - Capote in Kansas - 2

1959 fährt Truman Capote nach Kansas. Er hat in der Zeitung von dem bestialischen Mord an der Farmerfamilie Clutter in Holcomb am 15. November 1959 gelesen. Er, der in New York gefeierte, homosexuelle Bestsellerautor von Werken wie „Frühstück bei Tiffany“, wollte ein Buch über das wahre Leben und die Auswirkungen eines Verbrechens auf die Gemeinschaft schreiben. Seine Recherchen, bei der er von seiner Kollegin Harper Lee („Wer die Nachtigall stört“) begleitet wird, gestalten sich zunächst schwierig. Denn die Landbewohner wollen nichts mit dem Paradiesvogel aus der Großstadt zu tun haben. Dennoch erlangt er ihr Vertauen und als die beiden Täter Perry Edward Smith und Richard Eugene Hickock sechs Wochen nach ihrer Tat verhaftet werden, kann er sich auch mit ihnen unterhalten. Sie werden zum Tod verurteilt. Am 14. April 1965 wird das Urteil vollstreckt.

1966 veröffentlicht Capote den Tatsachenroman „Kaltblütig“ (In cold blood), der zum Bestseller und Sachbuch-Klassiker wird. Es war sein letztes längeres Werk.

Das Buch wird zweimal verfilmt. Die Richard Brooks‘ Verfilmung von 1967 ist ein Klassiker. Jonathan Kaplans TV-Zweiteiler von 1996 ist dagegen wesentlich unbekannter, soll aber auch gelungen sein.

Die Entstehungsgeschichte des Buches wurde 2005 fast zeitgleich von Bennett Miller und Douglas McGrath in zwei Spielfilmen behandelt. Millers „Capote“ mit Philip Seymour Hoffman in der Hauptrolle überzeugte Kritik und Publikum. McGraths „Kaltes Blut“ (Infamous), immerhin mit Toby Jones und Sandra Bullock in den Hauptrollen, wurde dagegen als zweites Werk zum gleichen Thema innerhalb weniger Wochen weitgehend ignoriert.

Mit seiner zeitgleich entstandenen Graphic Novel „Capote in Kansas“, die erst jetzt auf Deutsch erschien, erzählt Autor Ande Parks seine Version der Recherchen von Truman Capote in Kansas, die sich natürlich an den inzwischen weithin bekannten Fakten orientiert. Aber auch er nimmt sich einige Freiheiten,

Bei der Geschichte setzte Parks das Wissen über das Verbrechen, die Aufklärung und das Gerichtsverfahren voraus. Denn im Mittelpunkt steht, wie der Titel verrät, Truman „Capote in Kansas“ und seine Versuche, das Material in den Griff zu bekommen. Dabei hilft ihm auch der Geist von Nancy Clutter, was die größte und entscheidende Veränderung gegenüber den anderen Annäherungen an die Geschichte ist.

Stilistisch orientieren Parks und Zeichner Chris Samnee in seinen SW-Panels sich an alten Zeitungscomics und Noir- und Kriminalgeschichten, was dann auch wieder an die eindrückliche SW-Fotografie von Brooks‘ Film erinnert.

Capote in Kansas“ ist ein spannender Einblick in die Entstehungsgeschichte von „Kaltblütig“ und eine konzentrierte Auseinandersetzung mit einem Thema. Im Nachwort sagt Parks dazu: „Die allumfassende Thematik von ‚Capote in Kansas‘ ist, dass große Kunst dem Künstler große Mengen Blut kosten kann. Um es einfacher auszudrücken: Genialität verbrennt.“ Dieses Thema formulierte Parks schon im ersten Vorschlag für den Comic, der im umfangreichen Anhang von „Capote in Kansas“ abgedruckt ist. Dort findet man auch eine gestrichene Szene und mehrere Seiten mit Skizzen von Chris Samnee.

Dieser informative Anhang rundet das rundum gelungene Buch und Parks‘ interessante Interpretation der Arbeit von Truman Capote an seinem bekanntesten Buch (neben „Frühstück bei Tiffany“) ab.

Ande Parks/Chris Samnee: Capote in Kansas

(übersetzt von Monja Reichert)

Panini, 2014

164 Seiten

19,99 Euro

Originalausgabe

Capote in Kansas

Oni Press, 2005

Für die Übersetzung wurde die Neuauflage von 2014 genommen.

Hinweise

Blog von Ande Parks

Wikipedia über Ande Parks, Truman Capote (deutsch, englisch) und „Kaltblütig“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 27. Juli: Broadway Danny Rose

Juli 26, 2014

Tele 5, 00.30

Broadway Danny Rose (USA 1984, Regie: Woody Allen)

Drehbuch: Woody Allen

Woody Allen spielt einen glücklosen Künstleragenten und die von ihm betreuten Künstler, die auch nicht gerade die hellsten Leuchten in ihrem Fach sind, spielen sich selbst.

Schöne, eher unbekannte SW-Komödie, die anscheinend zuletzt, laut OFDB, am 6. September 1992 im Ersten lief.

Nächsten Sonntag (3. August) zeigt Tele 5 um 00.20 Uhr „Der Stadtneurotiker“, ein immer wieder gern gesehener Woody-Allen-Klassiker.

mit Woody Allen, Mia Farrow, Nick Apollo Forte, Sandy Baron, Corbett Monica, Jackie Gayle, Morty Gunty, Will Jordan, Howard Storm, Jack Rollins

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Broadway Danny Rose“

Wikipedia über „Broadway Danny Rose“ (deutsch, englisch)

Homepage von Woody Allen

Deutsche Woody-Allen-Seite

Meine Besprechung von Robert B. Weides „Woody Allen: A Documentary“ (Woody Allen: A Documentary, USA 2012)

Meine Besprechung von Woody Allens “To Rome with Love” (To Rome with Love, USA/Italien 2012)

Meine Besprechung von Woody Allens “Blue Jasmine” (Blue Jasmine, USA 2013)

Kriminalakte über Woody Allen


TV-Tipp für den 26. Juli: The Social Network

Juli 26, 2014

Pro 7, 20.15

The Social Network (USA 2010, Regie: David Fincher)

Drehbuch: Aaron Sorkin

LV: Ben Mezrich: The Accidental Billionaires, 2009 (Milliardär per Zufall: Die Gründung von Facebook – Eine Geschichte über Sex, Geld, Freundschaft und Betrug)

Fincher und Sorkin (The West Wing, The Newsroom), der für sein Drehbuch einen Oscar erhielt, erzählen die Geschichte von Facebook und Mark Zuckerberg.

Rasantes dialoglastiges Drama, bei dem jeder Satz trifft und einige junge Schauspieler ihr Können zeigen können.

Mit Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Rooney Mara, John Getz, Armie Hammer

Hinweise

Das Drehbuch von Aaron Sorkin

Rotten Tomatoes über „The Social Network“

Wikipedia über „The Social Network“ (deutsch, englisch)

Chasing the Frog vergleicht die Fiktion mit den Fakten

Meine Besprechung von David Finchers “Verblendung” (The Girl with the Dragon Tattoo, USA 2011)

David Fincher in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Ben Mezrichs „21“ (Bringing down the House, 2002)


Neu im Kino/Filmkritik: Am Ende gibt es ein „Feuerwerk am helllichten Tag“

Juli 24, 2014

Mit „Feuerwerk am helllichten Tag“ gewann Diao Yinan den diesjährigen Goldenen Bären, den Hauptpreis der Berlinale. Es ist, wie es sich für einen Berlinale-Gewinner gehört, ein Film, der einen Blick in eine fremde Kultur eröffnet und sich mit dieser kritisch auseinandersetzt. Es ist also ein ‚wichtiger‘ Film. In „Black Coal, Thin Ice“ (so der Berlinale-Titel) ist es das heutige China und für seine Gesellschafts- und Systemkritik bediente Yinan sich beim Film Noir und dem Polizeifilm. Beide Genres eignen sich vorzüglich zur Gesellschaftskritik; wobei der Polizeifilm unter dem Mantel der Verbrechensaufklärung einfacher die Ursachen und gesellschaftlichen Folgen von Problemen ansprechen kann, während der Film noir seine Geschichten eher im psychologischen ansiedelt, wenn der Protagonist sich in die falsche Frau, die skrupellose, männermordende Femme Fatale, verliebt und sie ihn ins Verderben stürzt. Auch in „Feuerwerk am hellichten Tag“ verliebt ein Mann sich in die falsche Frau.

Der Film beginnt 1999 in einer nordchinesischen Provinz, die vom Kohlebergbau abhängig ist. An verschiedenen, weit auseinanderliegenden Orten werden Leichenteile gefunden. Die Polizei ist zunächst ratlos, aber nachdem sie herausfinden, dass der Tote Arbeiter in einem Kohlekraftwerk war, wissen sie auch, wie die Teile von einer Person über das halbe Land verteilt werden konnten.

Als der ermittelnde Polizist Zhang Zili den mutmaßlichen Täter verhaften will, geht die Verhaftung grotesk schief. Am Ende der blutigen Slapstickszene, die sich vollkommen vom Tonfall des restlichen Films unterscheidet, sind vier Menschen, darunter zwei Polizisten und der Verdächtige, tot. Zili wird schwer verletzt und quittiert den Dienst.

Fünf Jahre später arbeitet er als Wachmann und ist ein Trinker. Da trifft er einen alten Kollegen, der ihm sagt, dass sie Wu Zhizhen beobachten. Zhizhen war damals die trauernde Witwe. Jetzt ist sie mit dem Chef einer kleinen Wäscherei liiert und in zwei neuen Mordfällen hatte sie Verbindungen zu den Opfern. Zilis Kollege Wang, der jetzt die Ermittlungen leitet, glaubt, dass sie mehr über die Morde weiß. Aber er hat keine Beweise.

Zili, der außerdem immer noch an seiner funf Jahre zurückliegenden Scheidung zu knappern hat, beginnt Zhizhen zu beobachten und er spricht sie an. Sie erkennt ihn nicht und will zunächst nichts von ihm wissen. Aber dann beginnen sie doch eine vom gegenseitigem Mißtrauen überschattete Beziehung. Immerhin könnte Zili ihr nächstes Opfer werden.

Aber Zhizhen ist viel zu zurückhaltend und zu passiv für die klassische Femme Fatale.

Sowieso ist „Feuerwerk am hellichten Tag“ viel zu kühl und zu offen inszeniert, um jemals wirkliches Interesse an den introvertiert-schweigsamen, eher passiven Charakteren aufkommen zu lassen. Das ist so ziemlich das Gegenteil von ähnlich gelagerten Neo-Noirs aus den USA, wie „Sea of Love“ oder „Basic Instinct“, in denen sich ebenfalls ein reichlich derangierter Polizist in eine Mordverdächtige verliebte.

Es gibt in Yinans Film auch zu viele Szenen, die die Geschichte in keinster Weise voranbringen. Wenn zum Beispiel in Echtzeit eine Glasflasche langsam eine lange Treppe hinunterrollt oder wenn, in einer langen Kamerafahrt, ein Moped durch einen Tunnel fährt, einen im Schnee liegenden Mann umkreist (es ist Zili) und der Mopedfahrer mit Zilis Motorrad verschwindet, dann sieht das gut aus, ist aber nur eine l’Art pour l’Art.

Unter der Oberfläche des Krimiplots und der Liebesgeschichte werden auch viele aktuelle Probleme Chinas und der Industrialisierung angesprochen. Allerdings dürften außerhalb Chinas die meisten Anspielungen nicht verstanden werden. Teils weil uns das Wissen fehlt, teils weil die Kritik so subtil formuliert wird, dass die chinesische Zensurbehörde nur einige kleine Änderungen verlangte. In China wurde der Film, was für seine gesellschaftliche Relevanz spricht, ein veritabler Hit. Innerhalb von zwanzig Tagen spielte er über 100 Millionen Yuan ein, während normalerweise solche kleineren Filme lediglich ein bis zwei Millionen Yuan einspielen.

So gelungen „Feuerwerk am helllichten Tag“ formal ist, so wenig hat er mich emotional gepackt. Auch weil mich kein Charakter wirklich interessierte und vieles auf einprägsame Bilder hin inszeniert wurde, ohne die verrätselte Geschichte wirklich voranzubringen.

Feuerwerk Am Helllichten Tage - Plakat

Feuerwerk am helllichten Tag (Bai Ri Yan Huo, China/Hongkong 2014)

Regie: Diao Yinan

Drehbuch: Diao Yinan

mit Liao Fan, Gwei Lun Mei, Wang Xuebing, Wang Jingchun, Yu Ailei, Ni Jingyang

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Feuerwerk am helllichten Tag“

Moviepilot über „Feuerwerk am helllichten Tag“

Rotten Tomatoes über „Feuerwerk am helllichten Tag“

Wikipedia über „Feuerwerk am helllichten Tag“ (deutsch, englisch)

Berlinale: Pressekonferenz zum Film


TV-Tipp für den 25. Juli: Tödliche Entscheidung

Juli 24, 2014

3sat, 22.35

Tödliche Entscheidung (USA 2007, Regie: Sidney Lumet)

Drehbuch: Kelly Masterson

Andy, der für Drogen Geld aus der Firmenkasse nahm, kann seinen Bruder Hank überreden, das elterliche Juweliergeschäft zu überfallen. Der Überfall, auch weil die Mutter gar nicht daran denkt, irgendwelchen hergelaufenen, maskierten Verbrechern die Juwelen zu geben, geht schief – und dann bröckelt die heile Fassade der Familie verdammt schnell ab.

Mit seinem letzten Film drehte Sidney Lumet, nach einigen schwächeren Werken, mit einer Familientragödie noch einmal so richtig voll auf. Er seziert, wieder einmal, die Kehrseite des amerikanischen Traums anhand. Dieses Mal am Beispiel einer ziemlich kaputten, weißen Mittelstandsfamilie.

Der Pitch war vielleicht: „Family Business“, aber ohne Lacher.

„Tödliche Entscheidung“ ist ein feiner Noir und, kein Wunder bei der Besetzung, großes Schauspielerkino. Ein potentieller Klassiker.

mit Philip Seymour Hoffman, Ethan Hawke, Albert Finney, Marisa Tomei, Aleksa Palladino, Michael Shannon, Amy Ryan, Sarah Livingston, Brían F. O’Byrne, Rosemary Harris

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Französische Homepage zum Film

Wikipedia über „Tödliche Entscheidung“ (deutsch, englisch)

Film-Zeit über „Tödliche Entscheidung“

Rotten Tomatoes über “Tödliche Entscheidung”

Die Zeit: Katja Nicodemus trifft Sidney Lumet (12. April 2008)

Mein Nachruf auf Sidney Lumet (25. Juni 1924 – 9. April 2011)


Neu im Kino/Filmkritik: „The Raid 2“ – Action gut, Story mau

Juli 24, 2014

Als vor zwei Jahren „The Raid“ im Kino anlief, war der Film für Action-Fans eine Wohltat. Regisseur und Drehbuchautor Gareth Evans brannte ein hundertminütiges, extrem hartes Actionfeuerwerk mit einer minimalistischen Geschichte (eine Gruppe Polizisten soll in einem Hochhaus einen Gangster verhaften) und handgemachten Action-Szenen, bei denen man wirklich die beeindruckenden Leistungen der Kämpfer bewundern konnte, ab.

Der Film war ein Erfolg und mit „The Raid 2“ knüpft Gareth Evans unmittelbar an „The Raid“ an, allerdings mit einem größeren Budget und einer größeren Geschichte. Während „The Raid“ eine Kurzgeschichte war, ist „The Raid 2“ ein Epos; was sowohl für als auch gegen den Film spricht.

Der harte Action-Thriller beginnt wenige Minuten nach dem Ende von „The Raid“ und führt in die Unterwelt von Jakarta. Der Polizist Rama (Iko Uwais) nimmt, nachdem sein Bruder ermordet wurde, einen Undercover-Auftrag an. Er soll sich mit dem Verbrechersohn Uco befreunden. Dafür muss Rama im Gefängnis als Verbrecher Ucos Vertrauen gewinnen. Nach seiner zweijährigen Haftstrafe wird er in Ucos Familie aufgenommen und er gerät in einen Gangsterkrieg, weil der ehrgeizige Uco den Posten seines Vaters Bangun übernehmen will. Bangun hat vor einem Jahrzehnt mit der japanischen Mafia eine Vereinbarung geschlossen. Seitdem sind die Reviere in Jakarta aufgeteilt. Uco beginnt den Frieden zu stören. Schnell entsteht, vor allem nachdem Uco sich mit dem skrupellosem Bejo verbündet, ein blutiger Kampf zwischen den verschiedenen Gangstergruppen. Rama, dessen Loyalität zu seinem Diensteid und seine Freundschaft zu Uco unvereinbar sind, steht zwischen den Fronten – und wir bekommen einen Gangsterfilm und einen Undercover-Polizeithriller mit viel Action serviert.

Dabei ist die Action, wie schon in „The Raid“, spektakulär und der Grund sich diesen Thriller anzusehen. Denn sie wurde ohne die heute üblichen CGI-Hilfsmittel inszeniert. Es wurde ganz altmodisch live gekämpft und Autos geschrottet. Es wurde wenig geschnitten, was die Szenen noch spektakulärer macht und die Schauspieler sind teilweise Kampfsportler, die wissen, wie sie sich bewegen müssen. Es gibt, unter anderem, einen Massenkampf auf einem Gefängnishof, wo ungefähr vier Gruppen im Matsch gegeneinander kämpfen. Es gibt eine innerstädtische Autoverfolgungsjagd mit Faustkämpfen in den fahrenden den Autos. In einer voll besetzten U-Bahn tötet Hammer Girl mit einem Hammer ihre Opfer – und versprüht dabei den Charme eines komplett fehlgeleiteten Hit Girls. Es gibt, mit allem, was den Kämpfern in die Finger gerät, Kämpfe in geschlossenen Räumen, wie einer Discothek, in der der ziemlich durchgeknallte Prakoso ermordet werden soll. Dabei ist Prakoso eine Reinkarnation von Ramas Gegner Mad Dog aus dem ersten „The Raid“-Film. Kampfsportler Yayan Ruhian spielt beide Rollen, Und am Ende, stürmt Rama allein die Zentrale der Verbrecher, was Gareth Evans die Gelegenheit gibt, die Kampfkünste von Iko Uwais ausführlich zu zeigen in der Garage des Hauses, in Gängen, in der Küche und schließlich im Restaurant, in dem Uco und Bejo sind.

Jede diese Action-Szenen inszenierte Evans nach der Methode „mehr ist besser“.

Aber dieses Mal gibt es zwischen der Action auch einen unnötig komplizierten Plot, in dem Gangster sich gegenseitig aufs Kreuz legen und jeder Charakter wird, in schönster Quentin-Tarantino-Manier, episch eingeführt. Auch wenn das für die weitere Geschichte egal ist und die Geschichte nur unnötig verlängert. Deshalb braucht Evans für seinen nach Schema F ablaufenden Gangsterfilmplot dann epische 150 Minuten, die man mit einem stringenterem Drehbuch locker um etliche Minuten auf zwei Stunden hätte kürzen können.

So ist „The Raid 2“, der mit seinem Titel unnötige Vergleiche mit „The Raid“ provoziert, eine milde Enttäuschung. Denn während „The Raid“ gerade wegen seiner von jeglichem erzählerischem Ballast befreiten Geschichte, die im Dienst der Action-Szenen standen, begeisterte, wird in „The Raid 2“ viel zu viel unnötiger Ballast mitgeschleift und die klare, auf das nötigste reduzierte Geschichte des ersten Teils wird hier zu einem ausuferndem Gangsterepos, das gerade auf der erzählerischen Ebene nur die bekannten Gangsterfilmtopoi unoriginell abhandelt.

Aber die Action ist wieder einmal atemberaubend – und den Kinobesuch wert.

The Raid 2 - Plakat

 

The Raid 2 (The Raid 2, Indonesien/USA 2014)

Regie: Gareth Evans

Drehbuch: Gareth Evans

mit Iko Uwais, Yayan Ruhian, Arifin Putra, Oka Antara, Tio Pakusadewo, Alex Abbad, Julie Estelle, Cok Simbara, Ken’ichi Endô, Ryûhei Matsuda, Kazuki Kitamura

Länge: 150 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Film-Zeit über „The Raid 2“

Moviepilot über „The Raid 2“

Metacritic über „The Raid 2“

Rotten Tomatoes über „The Raid 2“

Wikipedia über „The Raid 2“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Gareth Evans‘ „The Raid“ (The Raid, Indonesien/USA 2011)


Neu im Kino/Filmkritik: Der französische Kassenhit „Monsieur Claude und seine Töchter“

Juli 24, 2014

Wenn in Frankreich für „Monsieur Claude und seine Töchter“ nicht über zehn Millionen Kinotickets gekauft worden wären und wenn in Frankreich nicht vor wenigen Wochen bei der Wahl zum Europaparlament die Front National mit fast 25 Prozent die stärkste Partei geworden wäre, könnte man „Monsieur Claude und seine Töchter“ als eine sicher gut gemeinte, aber missglückte Komödie über Vorurteile und deren Überwindung ad acta legen.

Dabei ist die Grundidee für eine Culture-Clash-Komödie zwar weit hergeholt, aber gar nicht mal so schlecht: Monsieur Claude Verneuil ist ein glühender Gaullist, also ein konservativer Franzose, der an die Überlegenheit Frankreichs glaubt. Seine Frau Marie ist tiefkatholisch. Und sie lieben ihre Töchter, die einen Chinesen (Religion unklar), einen Moslem und einen Juden, die alle eine recht legere Haltung zu ihrer Religion haben, heiraten. Da will auch ihre vierte und letzte Tochter heiraten und zur Freude der Eltern ist ihr Künftiger ein Katholik. Das wäre für die in der malerischen Provinz lebenden bourgeoisen Eltern ein wahres Gottesgeschenk, wenn er nicht ein Schwarzer von der Elfenbeinküste wäre.

Und spätestens jetzt wird es sehr unappetitlich. Denn nicht nur Monsieur Claude ist ein Rassist. Auch seine drei Schwiegersöhne sind Rassisten. Der künftige Brautvater André Koffi ebenso. Koffi darf die meiste Zeit auch das Klischee des wütenden Barbaren mit drohend aufgerissenen Augen und fletschenden Zähnen mimen.

Die Frauen sind, soweit sie überhaupt etwas zum Geschehen beitragen dürfen, zwar etwas moderater, aber dafür bleibt es vollkommen rätselhaft, warum sie ihre Männer geheiratet haben. Die Männer sind allesamt dürftige Klischees, die Frauen austauschbar (Oder kann irgendjemand nach dem Film die überaus ansehnlichen Frauen mit der Ausstrahlung einer Barbie-Puppe fehlerfrei ihren Männern zuordnen?) und Monsieur Claudes Ehefrau wird zunehmend zu einer verblendeten Katholikin, was immerhin den Originaltitel „Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?“ erklärt und die Frage für eine religionskritische Komödie hätte sein können, wenn der Chinese gläubig wäre und der Afrikaner mehr als eine Laissez-faire-Haltung zum Glauben hätte. Aber in dem Film geht es nicht um Glaube und Religion, auch nicht um die Prüfung des Glaubens, sondern um Vorurteile gegenüber anderen Rassen, die man locker am Essenstisch bei einem Glas Rotwein äußert.

Das propagierte Familienbild stammt aus den fünfziger Jahren, als es für Frauen „Kinder, Küche, Kirche“ (die drei berühmten Ks) hieß, was sich im Film an der von den Frauen organisierten Kindererziehung, während die Männer Geld verdienen, und einem lauschigen Weihnachtsabend im Kreis der Familie zeigt: während die Frauen in der Küche den Abwasch machen, nehmen die Männer nebenan etwas Alkohol zu sich und schmettern, um ihr Französisch-Sein zu bezeugen, voller Nationalstolz die Marseillaise.

Jetzt könnte beim Zusehen dieser wohlsituierten Rassisten wenigstens die Erkenntnis wachsen, dass Rassismus, Vorurteile und Hass etwas Schlechtes sind, aber Regisseur Philippe de Chauveron verkleistert die Scheinkonflikte, als ob es sich um Fantum zu verschiedenen Musikern handele, am Ende mit einer Toleranzbotschaft, die wohl schon in den fünfziger Jahren schwer erträglich war. Monsieur Claude und Koffi, die beiden Väter, verbrüdern sich bei einer Sauftour. Außerdem sind sie beide glühende Gaullisten; – was dann die Hautfarbe vergessen lässt.

Auf dem fröhlichen Hochzeitsfest am Filmende tanzen dann alle zusammen. Die Botschaft ist: Mit ein bisschen gutem Willen geht es. Auch ohne dass sich jemand ändert. Das ist dann meilenweit von irgendwelchen aktuelleren Diskursen über das Zusammenleben von unterschiedlichen Kulturen entfernt, aber erschreckend nah an Diskursen von Rechtsextremen und Rassisten, die sich in ihrer Feindschaft gegen das Fremde verbünden und so ihre Vorurteile nicht hinterfragen müssen. „Monsieur Claude und seine Töchter“ ist der Film für das konservative Bürgertum und die Front-National-Wähler.

Denn der Humor transportiert eine erschreckend reaktionäre Botschaft. Die Zuschauer vergewissern sich nämlich während des gesamten Films ihrer Vorurteile. Der Film bestätigt sie und sie gehen mit dem Wissen, dass sie sich nicht ändern müssen, aus dem wortlastigem Film. Dass das ganze dann noch gut gespielt ist, macht die Klischees, die hier immer und immer wieder bestätigt werden, und die daraus resultierende Botschaft noch ungenehmer.

Dabei kann die Idee, innerhalb der Filmgeschichte auf eine moralische Instanz zu verzichten und diese komplett auszulagern an die Inszenierung und das Publikum, das zum Nachdenken angeregt werden soll, funktionieren.

In „Monsieur Claude und seine Töchter“ funktioniert sie nicht. Es wird noch nicht einmal versucht.

Monsieur Claude und seine Töchter - Plakat

Monsieur Claude und seine Töchter (Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?, Frankreich 2014)

Regie: Philippe de Chauveron

Drehbuch: Philippe de Chauveron, Guy Laurent

mit Christian Clavier, Chantal Lauby, Ary Abittan, Medi Sadoun, Frédéric Chau, Noom Diawara, Frédérique Bel, Julia Piaton, Emilie Caen, Elodie Fontan, Pascal Nzonzi, Salimata Kamate, Tatiana Rojo

Länge: 97 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Monsieur Claude und seine Töchter“

Moviepilot über „Monsieur Claude und seine Töchter“

AlloCine über „Monsieur Claude und seine Töchter“

Rotten Tomatoes über „Monsieur Claude und seine Töchter“

Wikipedia über „Monsieur Claude und seine Töchter“ 


Neu im Kino/Filmkritik: „Viel Lärm um nichts“ mit William Shakespeare in der Gegenwart

Juli 24, 2014

 

Als Joss Whedon zwischen dem Dreh und dem Schnitt von „Marvel’s The Avengers“ einige Tage Zeit hatte, lud er seine Freunde zu sich nach Hause ein. Etwas abhängen. Etwas Spaß haben. Was Männer halt so treiben, wenn sie nichts zu tun haben.

Und weil diese Freunde bekannte Schauspieler sind, Whedon ein Shakespeare-Fan ist, der seine Freunde zu regelmäßigen Shakespeare-Lesungen einlädt und die Shakespeare-Texte zum schauspielerischen Bildungsgut zählen, wurde das Whedonsche Anwesen für zwölf Tage zum Anwesen des Gouverneurs von Messina umgestaltet, der von Don Pedro besucht wird – und sie und ihr Gefolge machen „Viel Lärm um nichts“ indem Amy Acker, Clark Gregg, Reed Diamond, Alexis Denisof, Fran Kranz, Jillian Morgese, Riki Lindhome, Spencer Treat Clark und Nathan Fillion (komödiantische Extrapunkte als Holzapfel) den Shakespeare-Text in atemberaubender Geschwindigkeit präsentieren.

Der Witz bei Whedons Shakespeare-Interpretation ist, dass die Geschichte erkennbar in der Gegenwart spielt mit Anzügen statt Rüstungen, Autos statt Pferden, aber an dem Text, abgesehen von einigen Straffungen, nichts geändert wurde. Daher empfiehlt sich auch der Genuss der untertitelten Originalversion und vielleicht ein Blick in die Synopse des Stückes. Denn sonst sind die Liebesbande und Intrigen vor der Hochzeitsnacht kaum zu verfolgen. Auch weil einiges vom historischen Hintergrund heute abstrus anmutet.

Allerdings trägt die Idee, die Geschichte ohne Veränderungen in die Gegenwart zu verlegen, nur wenige Minuten. Ungefähr die Länge eines TV-Sketches. Danach fällt auf, dass Whedon, im Gegensatz zu einigen anderen Shakespeare-Interpretationen, die die Geschichte ebenfalls mehr oder weniger in die Gegenwart verlegten und eigenständig, teils sehr radikal interpretierten, genau dies nicht im Sinn hat. Er will, wie bei einem Studententheater, einfach den Originaltext auf die Bühne bringen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und er ließ diese Aufführung, die um einige Improvisationen zwischen Slapstick und Burleske ergänzt wurde (wie die Szene, in der Nathan Fillion und Tom Lenk am Auto die Autoschlüssel suchen), mit einer SW-Handkamera, bei der man sich weniger Gedanken um die Farben machen muss, aufnehmen.

Viel Lärm um nichts“ ist ein kurzweiliger Spaß für Shakespeare-Fans – und wegen des Ensembles ein Fest für Whedon-Fans. Denn viele der Schauspieler spielten bereits in den Whedon-Werken „Firefly“, „Buffy“, „Angel“, „Dollhouse“ und „Marvel’s The Avengers“ mit.

 

Viel Lärm um nichts - Plakat

 

Viel Lärm um nichts (Much ado about nothing, USA 2012)

Regie: Joss Whedon

Drehbuch/Adaption: Joss Whedon

LV: William Shakespeare: Much ado about nothing, 1600 (Viel Lärm um nichts, Theaterstück)

mit Amy Acker, Alexis Denisof, Clark Gregg, Reed Diamond, Fran Kranz, Jillian Morgese, Nathan Fillion, Sean Maher, Spencer Treat Clark, Riki Lindhome, Tom Lenk, Ashley Johnson, Emma Bates, Joshua Zar, Nick Kocher, Brian McElhaney, Paul M. Meston, Romy Rosemont, Elsa Guuillet-Chapuis

Länge: 109 Minuten

FSK: ? (ab 12 Jahre beantragt)

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Viel Lärm um nichts“

Moviepilot über „Viel Lärm um nichts“

Metacritic über „Viel Lärm um nichts“

Rotten Tomatoes über „Viel Lärm um nichts“

Wikipedia über „Viel Lärm um nichts“ (deutsch, englisch)