TV-Tipp für den 1. Oktober: Das schweigende Klassenzimmer

September 30, 2021

ZDFneo, 20.15

Das schweigende Klassenzimmer (Deutschland 2018)

Regie: Lars Kraume

Drehbuch: Lars Kraume

LV: Dietrich Garstka: Das schweigende Klassenzimmer, 2006

Eisenhüttenstadt, DDR, 1956: eine Abiturklasse steht spontan für eine Schweigeminute für die Opfer des ungarischen Volksaufstands auf. Der Regierung gefällt das überhaupt nicht. Sie will unbedingt den oder die Rädelsführer dieser subversiven, staatsgefährdenden Tat finden.

Äußerst gelungene politische Version von „Der Club der toten Dichter“. Kraumes Drama ist ein überzeugendes, auf einer wahren Geschichte basierendes Plädoyer für Zivilcourage.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Leonard Scheicher, Tom Gramenz, Lena Klenke, Jonas Dassler, Isaiah Michalski, Ronald Zehrfeld, Jördis Triebel, Florian Lukas, Burghart Klaußner, Michael Gwisdek

Die lesenswerte Vorlage (hier die Ausgabe zum Filmstart)

Dietrich Garstka: Das schweigende Klassenzimmer

Ullstein, 2018

256 Seiten (plus 16-seitiger Bildteil)

12 Euro

Hinweise

Filmportal über „Das schweigende Klassenzimmer“

Moviepilot über „Das schweigende Klassenzimmer“

Rotten Tomatoes über „Das schweigende Klassenzimmer“

Wikipedia über „Das schweigende Klassenzimmer“

Berlinale über „Das schweigende Klassenzimmer“

Meine Besprechung von Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (Deutschland 2015), mein Interview mit Lars Kraume zum Film und die DVD-Besprechung

Meine Besprechung von Lars Kraumes „Familienfest“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Lars Kraumes „Das schweigende Klassenzimmer“ (Deutschland 2018)


TV-Tipp für den 30. September: Buñuel im Labyrinth der Schildkröten

September 29, 2021

Arte, 23.20

Buñuel im Labyrinth der Schildkröten (Buñuel en el laberinto de las tortugas, Spanien Niederlande Deutschland 2018)

Regie: Salvador Simó

Drehbuch: Eligio R. Montero, Salvador Simó (basierend auf „Buñuel en el laberinto de las tortugas“ von Fermín Solís)

TV-Premiere. Von der Kritik abgefeierter Animationsfilm über die Entstehung von Luis Buñuels Frühwerk „Las Hurdes – Land ohne Brot“ (Las Hurdes – Tierra sin pan). Die Dreharbeiten in den frühen dreißiger Jahren in der bitterarmen Region Las Hurdes verknüpft Simó mit einer Selbstanalyse von Luis Buñuel, der damals mit seinen surrealistischen Filmen für Aufsehen sorgte, aber keine Geldgeber für weitere Projekte findet.

Buñuel im Labyrinth der Schildkröten“ wurde unter anderem mit dem Goya und dem Europäischen Filmkreis als Bester Animationsfilm ausgezeichnet.

Hinweise

Filmportal über „Buñuel im Labyrinth der Schildkröten“

Rotten Tomatoes über „Buñuel im Labyrinth der Schildkröten“

Wikipedia über „Buñuel im Labyrinth der Schildkröten“


Neu im Kino/Filmkritik: James Bond hat „Keine Zeit zu sterben“, wir haben „All the Time in the World“

September 29, 2021

Mit 164 Minuten ist „Keine Zeit zu sterben“ der längste James-Bond-Film. Er soll die vorherigen vier Bond-Filme mit Daniel Craig zusammenfassen und zu einem Finale führen. Er wurde, wegen der Coronavirus-Pandemie, mehrmals verschoben. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an einen Film, der viel mehr als nur der neue James-Bond-Film sein will.

Diese Erwartung und die Idee der Macher, die Demontage von Bond und den etablierten Regeln eines Bond-Films weiter und zu einem Ende zu führen, lasten dann auch schwer auf dem Film. Über große Strecken wirkt „Keine Zeit zu sterben“ wie ein Bond-Film, der kein Bond-Film, jedenfalls kein traditioneller Bond-Film, sein will.

Ein Bond-Film war, bis Daniel Craig mit „Casino Royale“ eine umfassende Neuorientierung des Franchises begann, ein eskapistischer Agentenfilm mit atemberaubenden Stunts vor traumhaften Landschaften, mit wunderschönen Frauen und Bösewichtern, die mit perfiden Plänen die Welt zerstören wollen. Diese Bösewichter hatten eine atemberaubend große Zentrale, mal in einem Vulkan, mal auf einer Insel, einmal im Weltraum, die im Finale des Films fotogen zerstört wurde. Über Bonds Vergangenheit wussten wir nichts – und es war uns egal. Bis auf den Kampf gegen die weltumspannende Verbrecher-/Terrororganisation Spectre und Ernst Stavro Blofeld, den Kopf von Spectre, gab es zwischen den Filmen keine Verbindung. Jeder Film stand für sich allein. Das wurde in der Craig-Ära anders. Der Erfolg an der Kinokasse bestätigte diese umfassende Neuorientierung. Auch die Kritiken waren überaus positiv und „Casino Royale“ und „Skyfall“ gehören zu den besten Bond-Filmen.

Diesen Weg der Demontage geht Regisseur Cary Joji Fukunaga in seinem ersten Bond-Film konsequent zu Ende.

Der Anfang wirkt dabei noch wie ein normaler Bond-Film, der unmittelbar an den vorherigen Bond-Film „Spectre“ anschließt. James Bond (Daniel Craig) fährt mit seiner Geliebten Madeleine Swann (Léa Seydoux) ins süditalienische Matera. Die gemeinsame Zeit wird durch einen Anschlag von Spectre unterbrochen.

Nachdem Bond fast alle Attentäter getötet hat (einer von ihnen wird ihm später noch Probleme bereiten), setzt er Swann in einen Zug. Er taucht unter.

Fünf Jahre später lebt Bond auf Jamaika ein Leben zwischen Fischer, Müßiggänger und Quartalstrinker. Er trinkt Schnaps wie andere Menschen Wasser trinken. Diese Auszeit wird von seinem CIA-Freund Felix Leiter (Jeffrey Wright) unterbrochen. Er bittet ihn, einen aus England nach Kuba entführten russischen Wissenschaftler (Frag nicht!), aus Kuba rauszuholen.

In Kuba trifft Bond auf seine 00-Nachfolgerin Nomi (Lashana Lynch). Auch sie will den Wissenschaftler haben. Denn er entwickelte in einem vom M (Ralph Fiennes) autorisiertem Geheimprojekt eine sehr gefährliche DNA-Waffe. Mit ihr kein ein Opfer präzise ausgewählt werden. In den falschen Händen kann sie die Menschheit vernichten. Und genau das möchte Lyutsifer Safin (Rami Malek) tun.

Für einen normalen Bond-Film wäre das schon genug Handlung. In „Keine Zeit zu sterben“ sind dann Safin, Swann und Bond noch persönlich miteinander verbandelt, Spectre und der in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzende Ernst Stavro Blofeld (Christoph Waltz in einem sitzendem Kurzauftritt) sind auch wieder dabei.

Die Geschichte wird in einer atemberaubenden Mischung aus Hektik und Langsamkeit, aus Hyperkomplexität und Einfachheit erzählt. So dürften höchstens die Drehbuchautoren wissen, wer wann wen warum umbringen will. Der Zuschauer geht währenddessen mit der einfachen Geschichte, dass Swann Bonds Geliebte ist und dass Safin der Bösewicht des Films ist. Mit gut drei Stunden wäre allerdings genug Zeit gewesen, die verschiedenen Facetten ihrer Beziehungen auszuleuchten. Stattdessen geht es von einer Station zur nächsten, von einem Ort zum nächsten und damit auch von einer Action-Szene zur nächsten, ohne dass die Story erkennbar voranschreitet, weil Bond zuerst in den Ruhestand geht, dann von der CIA reaktiviert wird und viel später, nach einer ordentlichen Portion Action in Kuba und auf hoher See, seinen alten Arbeitgeber in London besucht und darum bittet, wieder 007 zu werden. Diese umständliche und zeitraubende Reaktivierung von 007 wird später durch das schnelle Finden von Safins Zentrale mit einem schnöden Tastaturklick wettgemacht. Trotz aller Verwicklungen bleibt die Geschichte weitgehend episodisch, wenn Bond von einem Drecksloch zum nächsten Drecksloch reist.

Denn noch niemals sahen die touristischen Orte, die Bond auf seiner Mission besucht, hässlicher aus als in „Keine Zeit zu sterben“. Damit spiegeln sie Bonds düsteren Gemütszustand wieder. Aus dem sein Leben als globetrottender Spion mit unbegrenztem Spesenkonto und der Lizenz zum Töten geniesender Mann, wurde ein einsamer, gebrochener, verzweifelter Mann, der im Leben keinen Sinn mehr sieht. Sicher, es gibt noch seine früheren Berufskollegen, die ihn in den vergangenen Jahren nicht gesehen haben, und einige damit verbundene Loyalitäten. Aber seine große Liebe Vesper Lynd ist tot. Seine zweite große Liebe, Madeleine Swann, hat er, nachdem sie ihn verraten hat, weggeschickt. Sein Selbstmitleid ertränkt er im Alkohol. Die dunklen und unscharfen Bilder – für mein Empfinden sind sie zu dunkel und zu unscharf – visualisieren Bonds Gemütszustand. Er fühlt sich schlecht. Er sieht keinen Sinn mehr im Leben. Eine mögliche Vaterschaft – Swann hat eine ungefähr fünfjährige Tochter – ändert daran nichts.

Auch die Action-Set-Pieces passen sich dieser alkoholgetränkten, suizidalen Düsternis an. Die durchgehend am besten aussehende Actionszene spielt an einem hellichten, sonnigen Tag in Matera und ist am Filmanfang. Im Trailer, in dem etliche Bilder von ihr verwendet werden, sieht sie sogar besser aus als im Film.

Die anderen Action-Szenen wirken immer wie eine lästige Pflichterfüllung, die reichlich ruppig erledigt wird. Wobei eine spätere Actionszene in einem nebligen Wald spielt, was ihr eine irreale Atmosphäre verleiht. Vor allem weil außerhalb des Waldes am hellichten Tag die Sicht außergewöhnlich gut ist.

Das Finale spielt selbstverständlich in der Zentrale des Bösewichts. Diese liegt auf einer zwischen Japan und Russland liegenden Insel, für deren Schönheiten sich niemand interessiert. Sie ist eine am Wasser liegende Weltkrieg-II-Bunkeranlage, die etwas für Fans brutalistischer Bauwerke und grauer Betonwände ist. Ein reiner Zweckbau zum Arbeiten. Leben möchte dort niemand.

Und so ist „Keine Zeit zu sterben“ ein Bond-Film, der bis zum Finale die Erwartungen an einen Bond-Film möglichst ignoriert. Das Ergebnis ist ein Bond-Film, bei dem sich niemals das altbekannte Bond-Feeling einstellt.

Dieser Mut ist anerkennenswert.

Aber zu einem guten Film macht es den fünften Craig-Bond nicht. Dabei ist es einerlei, ob ich ihn an der Erwartung eines traditionellen Bond-Films oder an der eines Actionfilms über einen desillusionerden Agenten, der aus dem Ruhestand zurückkehren muss und in sein letztes Gefecht stolpert, messe. Immer ist der Actionfilm zu lang und zu uneinheitlich inszeniert. Die Geschichte ist zu konfus und zerfahren erzählt. Der Hauptbösewicht wird an die Seitenlinie verbannt. Es gibt zu viele Auftritte von Bekannten aus früheren Filmen, die primär die Funktion eines letztendlich verzichtbaren Gastauftritts haben.

Damit bleibt „Keine Zeit zu sterben“ deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Keine Zeit zu sterben (No time to die, Großbritannien 2021)

Regie: Cary Joji Fukunaga

Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga, Phoebe Waller-Bridge (nach einer Geschichte von Neal Purvis, Robert Wade und Cary Joji Fukunaga) (basierend auf – das ist zu schön um es auf ein schnödes „Figur von Ian Fleming“ zu reduzieren – „The James Bond novels and stories written by Ian Fleming, and the 24 James Bond motion pictures produced by Danjaq, LLC and its predecessors in interest“)

mit Daniel Craig, Rami Malek, Léa Seydoux, Lashana Lynch, Ben Whishaw, Naomie Harris, Jeffrey Wright, Christoph Waltz, Ralph Fiennes, Rory Kinnear, David Dencik, Ana de Armas, Billy Magnussen, Dali Benssalah

alternative Schreibweise „James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“

Länge: 164 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Keine Zeit zu sterben“

Metacritic über „Keine Zeit zu sterben“

Rotten Tomatoes über „Keine Zeit zu sterben“

Wikipedia über „Keine Zeit zu sterben“ (deutsch, englisch)

Homepage von Ian Fleming

Meine Besprechung von Ian Flemings ersten drei James-Bond-Romane “Casino Royale”, “Leben und sterben lassen” und “Moonraker”

Meine Besprechung von John Gardners “James Bond – Kernschmelze” (James Bond – Licence Renewed, 1981; alter deutscher Titel “Countdown für die Ewigkeit”)

Meine Besprechung von John Gardners „James Bond – Der Mann von Barbarossa“ (James Bond – The Man from Barbarossa, 1991)

Meine Besprechung von Sebastian Faulks’ James-Bond-Roman „Der Tod ist nur der Anfang“ (Devil may care, 2008)

Meine Besprechung von Jeffery Deavers James-Bond-Roman “Carte Blanche” (Carte Blanche, 2011)

Meine Besprechung von William Boyds James-Bond-Roman “Solo” (Solo, 2013)

Meine Besprechung von Anthony Horowitz’ “James Bond: Trigger Mortis – Der Finger Gottes” (James Bond: Trigger Mortis, 2015)

Meine Besprechung von Anthony Horowitz‘ „James Bond – Ewig und ein Tag“ (James Bond – Forever and a day, 2018)

Meine Besprechung der TV-Miniserie „Fleming – Der Mann, der Bond wurde“ (Fleming, Großbritannien 2014)

Meine Besprechung von Sam Mendes’ James-Bond-Films „Skyfall“ (Skyfall, GB/USA 2012)

Meine Besprechung von Sam Mendes’ James-Bond-Film “Spectre” (Spectre, USA/GB 2015)

Meine Besprechung von Danny Morgensterns „Unnützes James Bond Wissen“ (2020)

James Bond in der Kriminalakte

Ian Fleming in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Cary Joji Fukunagas „True Detective – Staffel 1“ (True Detective, USA 2014)


TV-Tipp für den 29. September: Madame Bovary

September 28, 2021

Arte, 20.15

Madame Bovary (Madame Bovary, Frankreich 1991)

Regie: Claude Chabrol

Drehbuch: Claude Chabrol

LV: Gustave Flaubert: Madame Flaubert, 1857 (Madame Bovary – Sitten der Provinz)

In der französischen Provinz verliebt die mit einem älteren Landarzt verheiratete Madame Bovary in einen Gutsherrn. Und das ist keine gute Idee.

Claude Chabrols gelungene Verfilmung des Klassikers.

Anschließend, um 22.30 Uhr, zeigt Arte die einstündige Doku „Der Fall Emma Bovary“ (Frankreich 2029) über den Skandalroman.

Mit Isabelle Huppert, Jean-François Balmer, Christophe Malavoy, Jean Yanne, Lucas Belvaux, Thomas Chabrol, Henri Attal

Hinweise

AlloCiné über „Madame Bovary“

Rotten Tomatoes über „Madame Bovary“

Wikipdia über „Madame Bovary“ (deutsch, englisch, französisch)


Cover der Woche

September 28, 2021


TV-Tipp für den 28. September: Tarantula

September 27, 2021

HR, 23.15

Tarantula (Tarantula, USA 1955)

Regie: Jack Arnold

Drehbuch: Robert M. Fresco, Martin Berkeley

In der Wüste experimentiert ein Biochemiker an einer Formel, die das Welthungerproblem lösen soll. Als es im Labor zu einem Unfall kommt, entkommt eine riesige, immer größer und gefräsiger werdende Tarantel.

Fünfziger-Jahre-Monster-Heuler, der inzwischen als Klassiker gilt.

mit John Agar, Mara Corday, Leo G. Carroll, Nestor Paiva, Ross Elliott, Clint Eastwood (Kurzauftritt am Filmende als die Welt rettender Armee-Pilot)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Tarantula“

Wikipedia über „Tarantula“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 27. September: Pesthauch des Dschungels/Der diskrete Charme der Bourgeoisie

September 26, 2021

Arte, 20.15

Pesthauch des Dschungels (La Mort en ce jardin, L Muerte en este jardin, Mexiko/Frankreich 1956)

Regie: Luis Buñuel

Drehbuch: Luis Alcoriza, Luis Buñuel, Raymond Queneau, Gabriel Arout (nach der Erzählung von José-André Lacour)

Irgendwo in Südamerika: die rechte Junta schlägt einen Aufstand von Diamantensuchern blutig nieder. Eine wild zusammengewürfelte Gruppe – ein Glücksritter, eine Prostituierten, ein Priester, ein alter Mann und seine taubstumme Tochter – flieht in den Urwald.

Ein Meisterwerk aus Buñuel sogenannter kommerzieller Phase, das damals in deutschen Kinos in einer gekürzten Fassung lief. Arte zeigt die Originalfassung.

gehört zu Luis Buñuels schönsten Arbeiten seiner mexikanischen Schaffensperiode“ (TV-Spielfilm: Das große Filmlexikon)

mit Simone Signoret, Charles Vanel, Georges Marchal, Michel Piccoli, Michèle Girardon, Tito Junco

Wiederholung: Donnerstag, 30. September, 13.50 Uhr

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Pesthauch des Dschungels“

Wikipedia über „Pesthauch des Dschungels“ (deutsch, englisch) und Luis Buñuel (deutsch, englisch)

Arte, 21.55

Der diskrete Charme der Bourgeoisie (Le charme discret de la bourgeoisie, Frankreich 1972)

Regie: Luis Buñuel

Drehbuch: Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière

Sechs miteinander befreundete Mitglieder der Bourgeoisie wollen sich zum gemeinsamen Abendessen treffen. Aber aufgrund seltsamer und absurder Zufälle scheitert das gemeinsame Essen immer wieder.

Ein Buñuel-Klassiker. Eine surrealistische Satire auf das Großbürgertum und eine Absage an die herkömmliche Spielfilmdramaturgie.

mit Fernando Rey, Delphine Seyrig, Stéphane Audran, Jean-Pierre Cassel, Paul Frankeur, Bulle Ogier, Julien Bertheau, Michel Piccoli

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“

Wiipedia über „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 26. September: Wahlsonntag

September 25, 2021

Zuerst: WÄHLEN GEHEN!!!

Dann

ARD, 17.15

ZDF, 17.00

RBB, 17.30

Phoenix, 16.00 (um 21.15 Uhr mit einer internationalen Wahlrunde, bzw. in der Senderschreibweise „phoenix internationale wahlrunde“)

RTL, 12.00 (ist da wohl wie Fußball. Das Spiel dauert neunzig Minuten, die Vorberichte mindestens hundertachtzig Minuten)

3sat zeigt Märchen, Arte „Die Unbestechlichen“ (um 20.30 Uhr, um 23.00 Uhr gbit es ein Spezial zur Wahl) und bei den anderen Sendern geben die Politiker:innen sich die desinfizierte Klinke in die desinfizierte Hand.

Um 18.00 Uhr sehen wir, wer bei den Umfragen vorne liegt, wer um 18.15 Uhr (spätestens) in der ersten Hochrechnung vorne liegt und wer danach in Berlin (hier gibt es Bundes- und Landtagswahlen und Bezirkswahlen und einen bundesweit beachteten Mieten-Volksentscheid) regiert.

Wer es gerne lokalpatriotischer hat, kann auf seinem Regionalsender die dortige Wahlberichterstattung verfolgen. WDR, NDR, BR (mit einer Unterbrechung für das 2012er Trachtler- und Musikantentreffen in der Oberpfalz) SWR/SR und HR bieten Gespräche mit den Lokalmatadoren an.


TV-Tipp für den 25. September: Die linkshändige Frau

September 24, 2021

NDR, 23.50

Die linkshändige Frau (Deutschland 1978)

Regie: Peter Handke

Drehbuch: Peter Handke

Eine Frau bittet ihren Mann ohne einen ersichtlichen Grund, sie zu verlassen. Die geplante Befreiung von ihrem Mann führt allerdings zu einem immer größeren Rückzug von der Welt.

Selten gezeigtes Spielfilmdebüt von Peter Handke. „komplexe Studie einer Frau und ihrer Einsamkeit. (…) besteht aus einer Reihe von alltäglichen Ereignissen im Leben einer Frau und ihrem Kind zuhause, wodurch ein Gefühl von Zeitlosigkeit und Schlichtheit entsteht, das an die großen japanischen Regisseure erinnert.“ (Lynda Myles, The Scotman, zitiert nach Robert Fischer/Joe Hembus: Der Neue Deutsche Film)

Danach, um 01.40 Uhr, zeigt der NDR „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, der erste richtige Spielfilm von Wim Wenders, basierend auf dem Roman von Peter Handke.

mit Edith Clever, Bruno Ganz, Markus Mühleisen, Bernhard Minetti, Bernhard Wicki, Angela Winkler, Rüdiger Vogler, Michel Lonsdale, Gérard Depardieu, Hanns Zischler

Hinweise

Filmportal über „Die linkshändige Frau“

Wikipedia über „Die linkshändige Frau“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Wim Wenders‘ „Die schönen Tage von Aranjuez“ (Les beaux jours d‘ Aranjuez, Deutschland/Frankreich 2016) (nach einem Theaterstück von Peter Handke)


Große Ereignisse kündigen sich an

September 24, 2021


Neu im Kino/Filmkritik: „Die außergewöhnliche Reise der Celeste García“ könnte zu einem fremden Planeten führen

September 24, 2021

Warum sollen Außerirdische immer in Kalifornien landen? Warum nicht auch einmal auf Kuba? Immerhin ist das eine schöne Insel in der Nähe des Bermuda-Dreiecks, das ja für seine spurlos verschwundenen Schiffe und Flugzeuge bekannt ist. Und warum sollen die Aliens nicht ganz freundliche Gesellen sein? Jedenfalls scheinen die Außerirdischen in „Die außergewöhnliche Reise der Celeste Garcia“ freundliche Gesellen zu sein. Sie bieten nämlich, als Austausch für bereits gewährte Gastfreundschaft, einer begrenzten Zahl von Menschen einen Besuch auf ihrem Heimatplaneten Gryok an. Der Ansturm auf diese Tickets ist groß.

Celeste Garcia, eine ehemalige, sechzigjährige Lehrerin, die jetzt als Teilzeitführerin im Planetarium Kinder für das Weltall begeistert, beteiligt sich nicht an dem Run auf die Tickets. Sie hat nämlich von ihrer Nachbarin, einer seltsamen, jetzt spurlos verschwundenen Russin, eine persönliche Einladung erhalten. Celeste vermutet, dass sie zu den Außerirdischen gehört und mit einer Tarnidentität in Havanna lebte.

Vor dem Abflug nach Groyk muss Celeste in ein Vorbereitungslager, das wie eine Mischung aus Jugendfreizeitlager und lasch geführtem Gefängnis mit Mehrbettzimmern aussieht. Celeste wird bei einem älterem Musiker und zwei Frauen einquartiert. Eine der Frauen ist hochschwanger. Sie glaubt, dass der Vater einer der Außerirdischen ist.

Unter den anderen Ausreisewilligen ist auch ein Nachbar von Celeste, der offensichtlich in die ungefähr gleichaltrige Celeste verliebt ist. Aber Celeste hat kein Interesse. Denn welcher vernünftige Mann würde sich in sie verlieben?

Arturo Infantes Spielfilmdebüt „Die außergewöhnliche Reise der Celeste Garcia“ ist eine sehr sympathische Low-Key-Komödie, die wegen ihres gemächlichen Tempos, dem unverbrauchtem Handlungsort, ihrer grundsympathischen Figuren, die gemeinsam in dem Camp abhängen und ihre kleinen Fluchten genießen, und dem allumfassendem Retro-Feeling gefällt.

Die außergewöhnliche Reise der Celeste García (El viaje extraordinario de Celeste García, Kuba/Deutschland 2018)

Regie: Arturo Infante

Drehbuch: Arturo Infante

mit Maria Isabel Díaz, Omar Franco. Néstor Jiménez, Yerlin Pérez, Tamara Castellanos, Verónica Díaz Viera, Roberto Espinosa, Daysi Quintana

Länge: 92 Minuten

FSK: ?

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die außergewöhnliche Reise der Celeste García“

Moviepilot über „Die außergewöhnliche Reise der Celeste García“

Wikipedia über „Die außergewöhnliche Reise der Celeste García“


Neu im Kino/Filmkritik: Über Florian Dietrichs Spielfilmdebüt „Toubab“

September 24, 2021

Kaum aus der Haft entlassen schlägt Babtou bei einer spontanen Willkommensfeier auf einer Kreuzung einen Polizisten zusammen. Der Polizist hatte seinen besten Kumpel Dennis angegriffen. Als Babtou sich schon mental auf seinen nächsten Gefängnisaufenthalt vorbereitet, eröffnen die äußerst unsympathischen Beamten ihm, dass er, obwohl in Deutschland geboren, in den Senegal ausreisen muss. Daher kommt sein Vater und damit ist das nach dem deutschen Gesetz seine Heimat.

Babtou will allerdings nicht ausreisen. Frankfurt am Main ist seine Heimat. Dort will er bleiben. Und die einzige Möglichkeit, wie ihm das gelingen könnte ist, so seine Anwältin, eine in den nächsten Tagen geschlossene Ehe mit einer deutschen Frau.

Dummerweise haben alle Frauen, die der Kleinkriminelle Babtou kennt, so schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht, dass sie ihn unter keinen Umständen heiraten würden. Inzwischen ist aber auch die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Deshalb schlägt Babtou Dennis, seinem besten Kumpel seit Kindertagen, vor, dass sie eine Scheinehe eingehen. Schließlich hängen sie sowieso ständig miteinander ab. Außerdem wissen die beiden überzeugten und von sich überzeugten Heteros eigentlich alles übereinander.

Dennis ist einverstanden – und damit für die beiden Jugendfreunde ein wahrer Spießrutenlauf. Sie müssen penetrante Fragen von Beamten der Ausländerbehörde, die sofort eine Scheinehe vermuten, beantworten. Sie müssen zur Tarnung zusammenziehen. Babtous Verbrecherfreunde, alle ausgesprochene Machos, pflegen ihren Hass auf Schwule. Verbal und auch physisch. Und, als seien das noch nicht genug Probleme für die beiden Frankfurter Jungs, ist Dennis‘ Freundin schwanger von Dennis. Währenddessen geht Babtou, wenn er nicht gerade ein Auge auf die Nachbarin wirft, in seiner Rolle als seine Homosexualität offensiv auslebender Homosexueller auf. Als erstes dekoriert er ihre gemeinsame Wohnung mit dem Nippes und den Bildern, die gestrenge Beamte bei Homosexuellen vermuten. Danach muss, wenn sie von bestimmten Personen in der Öffentlichkeit gesehen werden, geknutscht werden.

Toubab“ ist eine angenehme Überraschung in der deutschen Filmlandschaft. Der Film ist eine rotzfreche Komödie, die sich mit aktuellen Problemen beschäftigt und sie niemals sozialarbeiterisch löst. Hier prallen Gegensätze aufeinander, ohne dass gleich eine einfache, alle zufriedenstellende Lösung angeboten wird. Im Gegensatz zu dem tonal anders gelagertem, ansonsten ebenso überzeugendem Ghettodrama „Ein nasser Hund“ basiert „Toubab“ nicht auf einer wahren Geschichte. Die Inspiration waren Theater- und Kunstprojekte, die Florian Dietrich in Wiesbaden im Gefängnis machte. Dabei begegnete er Häfltlingen, die gegen eine Abschiebung kämpften. Sie waren in Deutschland geboren und lebten seitdem in Deutschland. Aber vor dem Gesetz waren sie keine Deutschen, sondern Geduldete, deren Aufenthaltsbewilligung immer wieder verlängert wurde und die jetzt in ihre Heimat abgeschoben werden sollten. Es ist eine Heimat, die sie nicht kennen. Ausgehend von diesen Begegnungen entstnd die Idee, dieses Problem in einem Spielfilm zu verarbeiten. Und zwar nicht als dröges Sozialdrama, sondern als eine Screwball-Comedy, in der Katastrophe auf Katastrophe folgt. Das aus weitgehend unbekannten oder wenig bekannten Schauspielern bestehende Ensemble ist wunderbar stimmig. Das Milieu, in die sich bewegen, ist stimmig geschildert. Die Pointen sitzen. Und die Pointendichte ist hoch in diesem Loblied auf die Freundschaft.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist der von Farba Dieng gespielte Babtou, ein großspuriger, aber immer sympathischer Kleingangster, der jede Situation mit einem breiten Grinsen und unerschütterlichem Optimismus meistert. Er wirkt wie die deutsche Ausgabe von Omar Sy oder Jean-Paul Belmondo, der früher auch so liebenswerte Taugenichtse spielte.

Toubab (Deutschland 2021)

Regie: Florian Dietrich

Drehbuch: Florian Dietrich, Arne Dechow

mit Farba Dieng, Julius Nitschkoff, Seyneb Saleh, Michael Maertens, Valerie Koch, Paul Wollin, Burak Yiğit, Nina Gummich, Uwe Preuss, Ibrahima Sanogo, Thelma Buabeng, Mehmet Ateşçi, Gerdy Zint, Julia Gräfner, Kwam.E, Tamer Arslan, Christopher Vantis

Länge: 97 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Toubab“

Moviepilot über „Toubab“

Wikipedia über „Toubab“


TV-Tipp für den 24. September: 1984

September 23, 2021

ARD Alpha, 20.15

1984 (1984, Großbritannien 1955)

Regie: Michael Anderson

Drehbuch: William Templeton, Ralph Bettinson

LV: George Orwell: Nineteen Eighty-Four, 1949 (1984)

1984 ist die Welt in drei sich bekämpfende Machtblöcken aufgeteilt. In dem Überwachungsstaat Ozeanien lebt Winston Smith das Leben eines kleinen Angestellten im Wahrheitsministerium. Der Große Bruder hat überall seine Augen. Auch als er sich in Julia verliebt

TV-Premiere der unbeliebten Verfilmung von Orwells Dystopie. Der Science-Fiction-Film ist „eine Hymne an die Vorsicht. Die vereinfachte Version des Buches verwendet wenig Aufmerksamkeit auf die Ideen, die es zu einem derart bedeutsamen Werk haben werden lassen.“ (Phil Hardy, Hrsg.): Die Science Fiction Filmenzyklopädie)

Mit Edmond O’Brien, Jan Sterling, Michael Readgrave, David Kossoff, Mervyn Johns, Donald Pleasence

alternative Schreibweise: Neunzehnhundertvierundachtzig

Wiederholung: Samstag, 25. September, 21.45 Uhr

Die Vorlage

George Orwell: 1984

(übersetzt von Gisbert Haefs)

Manesse, 2021

448 Seiten

22 Euro

George Orwell: 1984

(übersetzt von Jan Strümpel)

Anaconda, 2021

400 Seiten

6,95 Euro

Originalausgabe

Nineteen Eighty-Four

Martin Secker & Warburg Ltd., 1949

Die Graphic Novel

Sybille Titeux de la Croix/Amazing Ameziane: 1984

(übersetzt von Harald Sachse)

Splitter, 2021

232 Seiten

29,80 Euro

Originalausgabe

1984

Editions du Rocher, 2021

Hinweise

Rotten Tomatoes über „1984“

Wikipedia über „1984“ (1955) (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von George Orwells „1984 (Nineteen Eighty-Four, 1949)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Philipp Stölzls sich Freiheiten nehmende Stefan-Zweig-Verfilmung „Schachnovelle“

September 23, 2021

Sicher könnte ich darauf hinweisen, dass Stefan Zweigs „Schachnovelle“ Schullektüre und deshalb wichtig sei. Aber das mit der Schullektüre sagt man halt, wenn man sagen will, dass es sich um einen Klassiker handelt, den man dann doch nie liest. Auch wenn es sich, wie in diesem Fall, um ein gutes und sehr lesenswertes Buch handelt. Sinnvoller ist bei der „Schachnovelle“ deshalb der Hinweis auf die vielen aktuell erhältlichen Ausgaben der Geschichte. Das zeigt, wie oft die kurze Geschichte heute immer noch gekauft und sicher auch gelesen wird.

Stefan Zweig schrieb die „Schachnovelle“ im Exil. Er verschickte die Typoskripte für die verschiedenen Ausgaben der Geschichte einen Tag bevor er und seine Ehefrau Lotte Zweig am 22. Februar 1942 Suizid begingen.

In der Novelle geht um ein Schachspiel auf einem Passagierschief auf seiner Fahrt von New York nach Buenos Aires (im Film von Europa nach New York). Der eine Spieler ist Mirko Czentovic. Der amtierende Schachweltmeister ist ein primitiver, des Lesens, Schreibens und Redens kaum mächtiger, aus einem südslawischem Dorf kommender Mann, der nur spielen kann, wenn er das Schachbrett vor sich sieht. Er ist ein Barbar.

Der andere ist Dr. B. (im Film Dr. Josef Bartok), der das Schachbrett nicht sehen muss, um zu spielen. Während seiner Gefangenschaft in einem Hotelzimmer im Hotel Métropole und zwischen Gestapo-Verhören lernte er mit der Hilfe von einem Schachbuch heimlich Schach. Zuerst spielte er die Spiele aus dem Buch in seinem Kopf nach. Später erfand er neue Spiele, in denen er gegen sich spielte. Vor seiner Gefangenschaft wer er in Wien ein gut verdienender, Kultur genießender, hochnäsiger Anwalt. Er ist ein Bildungsbürger und Feingeist.

Philipp Stölzl („Der Medicus“) verfilmte jetzt diese kurze Geschichte. Je nach Ausgabe umfasst sie so fünfzig, sechzig Druckseiten. Für einen Film muss also einiges erfunden und, in diesem Fall, an der Struktur verändert werden. Denn Zweig beginnt seine Novelle mit der Abfahrt des Schiffes. Dr. B. taucht erst am Ende des ersten Drittels auf. Wenige Seiten später erzählt er einer langen Rückblende, wie er das Schachspielen lernte. Stölzl änderte dies. Dr. B., der, wie gesagt, im Film Dr. Josef Bartok heißt, ist von Anfang an präsent. Dafür erfolgt seine erste Begegnung mit dem Schachmeister Mirko Czentovic später. Im Film gibt es auch nicht eine, sondern mehrere Rückblenden zu Bartoks Leben in Wien. Außerdem erfand Stölzl neue Figuren, wie Bartoks Frau, und er schildert Bartoks Gefangenschaft im Luxushotel Métropole viel ausführlicher. Sie steht im Zentrum des Films. Auch über sein Leben vor seiner Gefangenschaft, und damit bevor die Nazis Österreich besetzten, erfahren wir mehr. Damals verwaltete er für Adlige Vermögen auf Geheimkonten. Auf diese Konten würden die Nazis gerne zugreifen. Stölzl stellt auch eine Vermutung darüber an, was mit Bartok nach seinem Spiel gegen Czentovic passiert. In der Novelle verlässt Dr. B. den Spieltisch und verschwindet im Schiff.

Stölzl und sein Drehbuchautor Eldar Grigorian haben also einiges geändert. Wobei ihre Änderungen vor allem darin bestehen, die Welt in der die Geschichte spielt, genauer zu zeichnen und zu ergänzen. Mal um wichtige Figuren, wie Bartoks schon erwähnte Frau, mal um Nebenfiguren, wie Mitglieder der Wiener Oberschicht oder Gefängniswärter, die vor allem das Bild vervollständigen. Auch der historische Hintergrund, der bei seiner Veröffentlichung 1942 als bekannt vorausgesetzt werden konnte, wird ausführlicher gezeigt. Stölzl schildert auch ausführlicher, wie Bartok in seiner Zelle das Schachspielen lernt und später dort gegen sich selbst spielt. Nachdem er die Spielfiguren in mühsamer Handarbeit hergestellt hat und sie immer wieder vor seinen Wärtern versteckt. Bei all diesen Veränderungen bleibt er in seiner überzeugenden Interpretation dem Geist der Vorlage treu.

Formal ist Stölzls „Schachnovelle“ eine konventionelle Buchverfilmung, die so ähnlich auch vor sechzig Jahren hätte inszeniert werden können und die sich auf die Schauspieler konzentriert. Und die sind gut. Oliver Masucci spielt Dr. Bartok, Albrecht Schuch (der aktuell in ungefähr jedem Film mitspielt und im November in „Lieber Thomas“ Thomas Brasch spielt) den Bartok verhörenden Gestapo-Leiter Franz-Josef Böhm und den Schachweltmeister Czentovic, Birgit Minichmayr spielt Bartoks Frau Anna, Joel Basmann (aktuell ebenfalls in ungefähr jedem Film dabei und ebenfalls in „Lieber Thomas“ dabei), Rolf Lassgård und Samuel Finzi übernahmen kleinere Rollen.

Schachnovelle (Deutschland 2021)

Regie: Philipp Stölzl

Drehbuch: Eldar Grigorian, Philipp Stölzl

LV: Stefan Zweig: Schachnovelle, 1942

mit Oliver Masucci, Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr, Rolf Lassgård, Andreas Lust, Samuel Finzi, Lukas Miko, Joel Basmann, Johannes Zeiler, Maresi Riegner, Luisa-Céline Gaffron, Moritz von Treuenfels

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Schachnovelle“

Moviepilot über „Schachnovelle“

Wikipedia über „Schachnovelle“

Meine Besprechung von Philipp Stölzls „Der Medicus“ (Deutschland 2013)

Meine Besprechung von Philipp Stölzls „Ich war noch niemals in New York“ (Deutschland 2019)


TV-Tipp für den 23. September: Rufmord – Jenseits der Moral

September 22, 2021

ServusTV, 20.15

Rufmord – Jenseits der Moral (The Contender, USA/Großbritannien/Deutschland 2000)

Regie: Rod Lurie

Drehbuch: Rod Lurie

Als der US-Präsident eine Frau (damals praktisch undenkbar, heute Realität) zu seiner Stellvertreterin ernennt, beginnt ein Republikaner eine Schmutzkampagne.

Gut, das Zieren der designierten Stellvertreterin, nichts aus ihrem Privatleben der Öffentlichkeit zu verraten, weil es nichts mit ihrer Arbeit zu tun hat, ist in der Politik (vor allem der US-Politik) so weltfremd, dass es den gesamten Film schwächt. Davon abgesehen bietet „Rufmord“ tolles Schauspielerkino, das auch einen guten Blick hinter die Kulissen der Macht gibt.

Inspiriert wurde „Rufmord“ von der zunehmend unappetitlichen Kampagne der Republikaner gegen Präsident Bill Clinton.

mit Gary Oldman, Joan Allen, Jeff Bridges, Christian Slater, Sam Elliott, William Petersen, Saul Rubinek, Philip Baker Hall

Wiederholung: Freitag, 24. September, 01.40 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Rufmord“

Wikipedia über „Rufmord“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Rod Luries „The Outpost – Überleben ist alles“ (The Outpost, USA/Bulgarien 2020)


TV-Tipp für den 22. September: Querdenker

September 21, 2021

3sat, 21.00

Querdenker (Deutschland 2021)

Regie: Svea Eckert, Caroline Schmidt

Drehbuch: Svea Eckert, Caroline Schmidt

Aus aktuellem Anlass: 45-minütige Doku über drei Querdenker. Nämlich einen Segellehrer und eine Kindergärtnerin, die gemeinsam vier Kinder haben und in einem Dorf in Schleswig-Holstein gegen die Coronamaßnahmen protestieren, und eine Verwaltungsfachangestellte mit zwei Kindern, die sich an die Spitze von „Querdenken Hamburg“ stellte.

Hinweis

3sat über die Doku


Cover der Woche

September 21, 2021


TV-Tipp für den 21. September: Der blinde Fleck – Das Oktoberfestattentat

September 20, 2021

SWR, 23.15

Der blinde Fleck – Das Oktoberfestattentat (Deutschland 2013)

Regie: Daniel Harrich

Drehbuch: Ulrich Chaussy, Daniel Harrich

Oktoberfest 1980: Bei einem Anschlag sterben 13 Menschen. 211 werden verletzt. Als Einzeltäter wird Gundolf Köhler, der bei dem Attentat starb, identifiziert. Dass der Student auch Mitglied der Wiking-Jugend und der rechtsradikalen Wehrsportgruppe Hoffmann war, ist egal. Aber Radioreporter Ulrich Chaussy stellt Fragen.

Das passiert selten: dem durchwachsenen Politthriller gelang es, das Oktoberfestattentat wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein zurückzuholen und auch neue Ermittlungen zu initiieren. Denn die Einzeltäterthese war schon immer umstritten.

Mit Benno Fürmann, Nicolette Krebitz, Heiner Lauterbach, August Zirner, Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec

Wiederholung: 3sat, Freitag, 24. September, 20.15 Uhr

Hinweise

Filmportal über „Der blinde Fleck“

Moviepilot über „Der blinde Fleck“

Wikipedia über „Der blinde Fleck“


TV-Tipp für den 20. September: Fahr zur Hölle, Liebling

September 19, 2021

Arte, 20.15

Fahr zur Hölle, Liebling (Farewell, My Lovely, USA 1975)

Regie: Dick Richards

Drehbuch: David Zelag Goodman

LV: Raymond Chandler: Farewell, my lovely, 1940 (Lebewohl, mein Liebling/Betrogen und gesühnt/Lebwohl, mein Liebling)

Los Angeles, 1941: Der gerade freigelassene Bankräuber Moose Malloy engagiert Philip Marlowe. Der Privatdetektiv soll Malloys Freundin Velma finden. Ein nur scheinbar einfacher Fall.

Dritte, sehr originalgetreue und sehr gelungene Verfilmung des Chandler-Buches. Heute endlich mal wieder im TV.

Mit Robert Mitchum, Charlotte Rampling, John Ireland, Harry Dean Stanton, Anthony Zerbe, Sylvester Stallone (in einer erträglich kurzen Rolle), Jim Thompson (! – der Noir-Autor in einer ganz kleinen, aber wichtigen Rolle)

Hinweise

Thrilling Detective über Philip Marlowe

Thrilling Detective über Raymond Chandler

Krimi-Couch über Raymond Chandler

Mordlust über Raymond Chandler

Rotten Tomatoes über „Fahr zur Hölle, Liebling“

Wikipedia über „Fahr zur Hölle, Liebling“ (deutsch, englisch), Philip Marlowe (deutsch, englisch) und Raymond Chandler (deutsch, englisch) u


TV-Tipp für den 19. September: Zodiac – Die Spur des Killers

September 18, 2021

Arte, 21.55

Zodiac – Die Spur des Killers (Zodiac, USA 2007)

Regie: David Fincher

Drehbuch: James Vanderbilt

LV: Robert Graysmith: Zodiac, 1976 (Zodiac – Auf der Spur eines Serienkillers)

Finchers epische, detailversessene Verfilmung über die Jagd nach dem Zodiac-Killer, der auch als Inspiration für den Killer im ersten „Dirty Harry“-Film diente. Der Zodiac-Killer versetzte in den späten Sechzigern die Bevölkerung in und um San Francisco in Angst und Schrecken. Dazu trugen neben seinen Taten und dem ausbleibenden Fahndungserfolg der Polizei auch seine verschlüsselten Briefe an die Öffentlichkeit bei. Bis heute ist seine Identität unklar.

Vanderbilts Drehbuch war für den Edgar den Preis der Writers Guild of America nominiert.

Mit Jake Gyllenhaal, Mark Ruffalo, Anthony Edwards, Robert Downey jr., Brian Cox, Cloe Sevigny, Elias Koteas, Dermot Mulroney, John Carroll Lynch, John Getz, Philip Baker Hall

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Zodiac – Die Spur des Killers“

Wikipedia über „Zodiac“ (deutsch, englisch)

Zodiac Killer Facts (eine Gegenüberstellung von Film und Wirklichkeit; – keine Ahnung, wie genau die Auflistung ist)

Chasing the Frog prüft ebenfalls den Faktengehalt des Films

Meine Besprechung von David Finchers “Verblendung” (The Girl with the Dragon Tattoo, USA 2011)

Meine Besprechung von David Finchers „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ (Gone Girl, USA 2014)

David Fincher in der Kriminalakte