Kaum aus dem Knast entlassen, gerät Babtou schon wieder in Schwierigkeiten. Dieses Mal will die Ausländerbehörde den in Deutschland geborenen Senegalesen abschieben. Eine Heirat könnte das verhindern. Dummerweise will keine seiner ehemaligen Freundinnen ihn heiraten. Da fragt er seinen besten Kumpel Dennis.
TV-Premiere. Köstliches Buddy-Movie, das sehr unterhaltsam und witzig viele ernste Themen anspricht und durchaus tiefgründig behandelt.
mit Farba Dieng, Julius Nitschkoff, Seyneb Saleh, Michael Maertens, Valerie Koch, Paul Wollin, Burak Yiğit, Nina Gummich, Uwe Preuss, Ibrahima Sanogo, Thelma Buabeng, Mehmet Ateşçi, Gerdy Zint, Julia Gräfner, Kwam.E, Tamer Arslan, Christopher Vantis
Beeindruckendes Biopic über die am 7. Februar 2005 in Berlin von ihrem Bruder erschossene Hatun Sürücü. Sie wurde von ihrer Familie ermordet, weil sie ein selbstbestimmtes Leben leben wollte.
Kaum aus der Haft entlassen schlägt Babtou bei einer spontanen Willkommensfeier auf einer Kreuzung einen Polizisten zusammen. Der Polizist hatte seinen besten Kumpel Dennis angegriffen. Als Babtou sich schon mental auf seinen nächsten Gefängnisaufenthalt vorbereitet, eröffnen die äußerst unsympathischen Beamten ihm, dass er, obwohl in Deutschland geboren, in den Senegal ausreisen muss. Daher kommt sein Vater und damit ist das nach dem deutschen Gesetz seine Heimat.
Babtou will allerdings nicht ausreisen. Frankfurt am Main ist seine Heimat. Dort will er bleiben. Und die einzige Möglichkeit, wie ihm das gelingen könnte ist, so seine Anwältin, eine in den nächsten Tagen geschlossene Ehe mit einer deutschen Frau.
Dummerweise haben alle Frauen, die der Kleinkriminelle Babtou kennt, so schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht, dass sie ihn unter keinen Umständen heiraten würden. Inzwischen ist aber auch die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Deshalb schlägt Babtou Dennis, seinem besten Kumpel seit Kindertagen, vor, dass sie eine Scheinehe eingehen. Schließlich hängen sie sowieso ständig miteinander ab. Außerdem wissen die beiden überzeugten und von sich überzeugten Heteros eigentlich alles übereinander.
Dennis ist einverstanden – und damit für die beiden Jugendfreunde ein wahrer Spießrutenlauf. Sie müssen penetrante Fragen von Beamten der Ausländerbehörde, die sofort eine Scheinehe vermuten, beantworten. Sie müssen zur Tarnung zusammenziehen. Babtous Verbrecherfreunde, alle ausgesprochene Machos, pflegen ihren Hass auf Schwule. Verbal und auch physisch. Und, als seien das noch nicht genug Probleme für die beiden Frankfurter Jungs, ist Dennis‘ Freundin schwanger von Dennis. Währenddessen geht Babtou, wenn er nicht gerade ein Auge auf die Nachbarin wirft, in seiner Rolle als seine Homosexualität offensiv auslebender Homosexueller auf. Als erstes dekoriert er ihre gemeinsame Wohnung mit dem Nippes und den Bildern, die gestrenge Beamte bei Homosexuellen vermuten. Danach muss, wenn sie von bestimmten Personen in der Öffentlichkeit gesehen werden, geknutscht werden.
„Toubab“ ist eine angenehme Überraschung in der deutschen Filmlandschaft. Der Film ist eine rotzfreche Komödie, die sich mit aktuellen Problemen beschäftigt und sie niemals sozialarbeiterisch löst. Hier prallen Gegensätze aufeinander, ohne dass gleich eine einfache, alle zufriedenstellende Lösung angeboten wird. Im Gegensatz zu dem tonal anders gelagertem, ansonsten ebenso überzeugendem Ghettodrama „Ein nasser Hund“ basiert „Toubab“ nicht auf einer wahren Geschichte. Die Inspiration waren Theater- und Kunstprojekte, die Florian Dietrich in Wiesbaden im Gefängnis machte. Dabei begegnete er Häfltlingen, die gegen eine Abschiebung kämpften. Sie waren in Deutschland geboren und lebten seitdem in Deutschland. Aber vor dem Gesetz waren sie keine Deutschen, sondern Geduldete, deren Aufenthaltsbewilligung immer wieder verlängert wurde und die jetzt in ihre Heimat abgeschoben werden sollten. Es ist eine Heimat, die sie nicht kennen. Ausgehend von diesen Begegnungen entstnd die Idee, dieses Problem in einem Spielfilm zu verarbeiten. Und zwar nicht als dröges Sozialdrama, sondern als eine Screwball-Comedy, in der Katastrophe auf Katastrophe folgt. Das aus weitgehend unbekannten oder wenig bekannten Schauspielern bestehende Ensemble ist wunderbar stimmig. Das Milieu, in die sich bewegen, ist stimmig geschildert. Die Pointen sitzen. Und die Pointendichte ist hoch in diesem Loblied auf die Freundschaft.
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist der von Farba Dieng gespielte Babtou, ein großspuriger, aber immer sympathischer Kleingangster, der jede Situation mit einem breiten Grinsen und unerschütterlichem Optimismus meistert. Er wirkt wie die deutsche Ausgabe von Omar Sy oder Jean-Paul Belmondo, der früher auch so liebenswerte Taugenichtse spielte.
Toubab (Deutschland 2021)
Regie: Florian Dietrich
Drehbuch: Florian Dietrich, Arne Dechow
mit Farba Dieng, Julius Nitschkoff, Seyneb Saleh, Michael Maertens, Valerie Koch, Paul Wollin, Burak Yiğit, Nina Gummich, Uwe Preuss, Ibrahima Sanogo, Thelma Buabeng, Mehmet Ateşçi, Gerdy Zint, Julia Gräfner, Kwam.E, Tamer Arslan, Christopher Vantis
Beeindruckendes Biopic über die am 7. Februar 2005 in Berlin von ihrem Bruder erschossene Hatun Sürücü. Sie wurde von ihrer Familie ermordet, weil sie ein selbstbestimmtes Leben leben wollte.
Wenige Monate nach dem Kinostart und wenige Wochen nach dem DVD-Start läuft im Fernsehen das beeindruckende Biopic über die am 7. Februar 2005 in Berlin von ihrem Bruder erschossene Hatun Sürücü. Sie wurde von ihrer Familie ermordet, weil sie ein selbstbestimmtes Leben leben wollte.
In Berlin wird jedes Jahr der Hatun-Sürücü-Preis verliehen und wer wissen möchte, wer Hatun Aynur Sürücü war, sollte sich „Nur eine Frau“ ansehen. Basierend auf den Gerichtsakten, dem Buch und Film der rbb-Journalisten Matthias Deiß und Jo Goll über den Fall und eigenen Recherchen, erzählt das Biopic Hatuns Geschichte.
Die am 17. Januar 1982 geborene Deutschtürkin wird nach dem Ende der achten Schulklasse von ihren Elten vom Gymnasium gekommen und in die Türkei zwangsverheiratet. Ihr Mann, ein von ihrem Vater ausgewählter Cousin, schlägt sie. Schwanger kehrt sie zwei Jahre später nach Berlin zurück. Ihre strenggläubige, traditionsbewusste Familie, sunnitische Kurden, ist damit nicht einverstanden.
Noch im gleichen Jahr, im Oktober 1999, erhält sie einen Platz in einem Wohnheim für minderjährige Mütter. Später zieht Hatun in eine eigene Wohnung, schließt die Schule ab, beginnt eine Ausbildung als Elektroinstallateurin, zieht ihren Sohn Can allein groß, genießt das Nachtleben und verliebt sich in Tim, einen deutschen Mann. Ihre strenggläubige Familie ist mit keinem dieser Verstöße gegen die strenge sunnitische Auslegung des Islam einverstanden.
Am 7. Februar 2005 erschießt Nuri, der jüngste Sohn der Sürücü-Familie, seine 23-jährige Schwester auf offener Straße. Damit soll die Ehre der Familie wieder hergestellt werden.
Dieser ‚Ehrenmord‘ führt zu einer breiten öffentlichen Diskussion über ‚Ehrenmorde‘ und ihrer Behandlung durch die Justiz. Es geht vor allem um die Frage, ob das Motiv der ‚Ehre‘ weiterhin strafmildernd sein soll oder ob es sich um einen kaltblütigen Mord handelt, der kollektiv von der Familie beschlossen und ausgeführt wird.
Außerdem wurde Hatun Sürücü zu einem Symbol einer jungen Frau, die ihr Leben leben will – und dabei gegen Traditionen aufbegehren muss.
Jetzt verfilmte Sherry Hormann Hatun Sürücüs Geschichte als ein ergreifendes, aber auch arg didaktisches Lehrstück und Fallstudie. Sie beginnt ihren Film mit Hatuns Tod, zeigt Dokumentaraufnahmen vom Tatort, und lässt anschließend Hatun ihre Geschichte erzählen. Mit den notwendigen Erklärungen zu Familie, Tradition und Islam. Dazwischen gibt es Texttafeln mit den sechs Kriterien des BKA, die zu einem ‚Ehrenmord‘ an einer Frau führen können. Auf Hatun treffen alle diese Gründe zu. Außerdem wird der Fluss der Erzählung immer wieder durch Fotos, die manchmal wie in einem Fotoroman die Geschichte erzählen, und einem Privatvideo, das Hatun mit ihrem Freund Tim zeigt, unterbrochen.
Gerade die Fotostrecken und das damit verbundene Einfrieren des Bildes reißt einen immer wieder aus dem Fluss der Erzählung heraus. Wenigstens für einige Sekunden wird man wird wieder zum rationalen Beobachter der Vorgeschichte eines Mordes an einer lebenslustigen, lebensbejahenden, intelligenten jungen Frau.
Bei all dem berechtigen Lob, das es zum Kinostart für „Nur eine Frau“ gab, wurde nie auf Feo Aladags „Die Fremde“ (Deutschland 2010) hingewiesen. Aladag erzählt in ihrem Film kaum fiktionalisiert Hatun Sürücüs Geschichte. Als das Drama vor knapp zehn Jahren im Kino lief, war es auch ein wichtiges Statement zu der damals breit geführten Debatte über ‚Ehrenmorde‘ und das Streben junger Frauen nach Freiheit. Im Vergleich zwischen meiner Erinnerung an „Die Fremde“ und „Nur eine Frau“ ist „Die Fremde“ der beeindruckendere und bessere Film.
Das interessante Bonusmaterial der DVD besteht aus insgesamt etwas über dreißig Minuten Interviews mit Hauptdarstellerin Almila Bagriacik, Produzentin Sandra Maischberger und Regisseurin Sherry Hormann und einem einstündigen Audiomitschnitt eines Gesprächs zwischen Almila Bagriacik, Sandra Maischberger und Sherry Hormann.
Nur eine Frau (Deutschland 2019)
Regie: Sherry Hormann
Drehbuch: Florian Oeller
mit Almina Bagriacik, Rauand Taleb, Meral Perin, Mürtüz Yolcu, Armin Wahedi, Aram Arami, Merve Aksoy, Mehmet Atesci, Jacob Matschenz, Lara Aylin Winkler, Idil Üner
–
DVD
NFP Marketing & distribution
Bild: 16:9 (1,85:1)
Ton: Deutsch, Deutsch für Sehgeschädigte
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Bonusmaterial: Interviews mit Almila Bagriacik, Sandra Maischberger und Sherry Hormann, Audiogespräch mit, Trailer