Neu im Kino/Filmkritik: „Bohemian Rhapsody“ – ein Band-Biopic ohne Tiefgang

Oktober 31, 2018

Muss „Queen“ groß vorgestellt werden? Die Band, die uns so Perlen des Stadionrocks wie „We are the Champions“ (ungefähr bei jedem Fußballspiel zu hören) und „We will rock you“ (ungefähr bei jeder Party zu hören) bescherte und das als „A Kind of Magic“ bezeichnete?

Wahrscheinlich nicht.

Aber wahrscheinlich kennen die meisten nur den charismatischen Leadsänger der Band und einige ihrer Hits.

Da kann, wenn man nicht einige Lexika-Artikel, Reportagen oder sogar ein Buch über die Band lesen will, ein Dokumentarfilm oder ein Biopic, wie „Bohemian Rhapsody“, Bildungslücken schließen. Wobei man bei den Biopics vor dem angeberischen Gespräch in der Kneipe wenigstens der Wikipedia-Artikel durchlesen sollte. Denn auch in Bryan Singers „Queen“-Biopic triumphiert im Zweifelsfall die gut erzählte Anekdote und die bildgewaltige Verknappung über der historischen Genauigkeit.

In „Bohemian Rhapsody“ erzählt Singer die Geschichte von Freddie Mercury und „Queen“ von ihrer ersten Begegnung 1970 bis zu ihrem weltweit ausgestrahltem Live-Aid-Auftritt am 13. Juli 1985 im Londoner Wembley Stadion. Dieses inzwischen legendäre Kurzkonzert bildet den erzählerischen Rahmen des Films, der in den Gängen des Stadions beginnt, in das London von 1970 springt, chronologisch die Geschichte von „Queen“ erzählt und mit dem Live-Auftritt endet. „Bohemian Rhapsody“ zeigt in diesem ausführlich nachgestelltem Moment die Rockband auf dem Höhepunkt ihres globalen Ruhms.

Der Film konzentriert sich dabei auf Freddie Mercury (grandios gespielt von Rami Malek), der als begnadeter Entertainer und visionärer Bandleader gezeigt wird. Die anderen Musiker von „Queen“ – Gitarrist Brian May, Bassist John Deacon und Schlagzeuger Roger Taylor – sind nur die Staffage für die als alles bestimmende Rampensau Mercury.

Dabei überschreitet der Film immer wieder die Grenze zur Parodie. Denn in dem Biopic sind die bekannten „Queen“-Songs von Anfang an perfekt. Das Publikum ist konstant begeistert. Und die Band ist eine ultra-harmonische Familie sympathischer und akademisch gebildeter Zeitgenossen. Brian May promovierte sogar in Astrophysik.

Über etwaige Probleme und unangenehme Punkte wird hinweggegangen. Das gilt vor allem für Mercurys Sexualpartner und seine HIV-Infektion, von der er erst nach dem Live-Aid-Konzert erfuhr. Beides wird im Film nur gestreift, während in jeder Minute die passende Zeile aus einem „Queen“-Song ertönt. Bei der Songauswahl wird konsequent nach dem Prinzip „Wenn der Song zur Szene passt, wird er genommen.“ vorgegangen. Schließlich werden in einem Konzert die Songs auch nicht nach ihrer Entstehung gespielt.

Viele Songs werden auch auf der Bühne gespielt und der zwanzigminütige, sorgfältig geprobte Live-Aid-Auftritt wird, als Höhepunkt des Films, fast vollständig nachgespielt. Der Auftritt war auch ein Best-of-Queen-Medley.

Als Konzertfilm mit einigen mehr oder weniger wahren biographischen Informationen über die Band und etlichen witzig pointierten Szenen, funktioniert „Bohemian Rhapsody“ daher ausgezeichnet.

Das ist alles allerdings durchgehend reichlich oberflächlich. Es ist eine Heldenverklärung, die auch damit erklärt werden kann, dass Mercurys frühere Mitmusiker Brian May und Roger Taylor, die noch heute als „Queen“ auftreten, als Berater stark in den Film involviert waren und die Macher einen Film machen wollten, der ihnen und den anderen in die Geschichte von „Queen“ involvierten Menschen gefällt. Immerhin hätten sie mit ihrem Veto den Film stoppen können..

Für eine auch nur ansatzweise kritische Sicht ist das tödlich. Damit fällt Singers Musikfilm deutlich, um nur die neueren Musiker-Biopics zu nennen, hinter Tate Taylors „Get on Up“ (über James Brown), F. Gary Grays „Straight Outta Compton“ (über N. W. A.), Robert Budreaus „Born to be Blue“ (über Chet Baker) und Bill Pohlads „Love & Mercy“ (über „Beach Boys“-Mastermind Brian Wilson) zurück.

Er hat auch kein Interesse an der Schlüssellochperspektive, die es zuletzt in Dokus wie Brett Morgens „Cobain: Montage Of Heck“ und Asif Kapadias „Amy“ (über Amy Winehouse) gab.

Bohemian Rhapsody“ ist auch als Bryan-Singer-Film enttäuschend. Nicht auf der formalen Ebene. Da rockt der Film. Sondern, obwohl Singer immer vor allem ein Mainstream-Regisseur für ein Mainstream-Publikum ist, auf der persönlichen Ebene. In seinen vorherigen Filmen, wie „Der Musterschüler“ und vor allem den „X-Men“-Filmen, ging es immer um Außenseiter, ihre Rolle in der Gesellschaft und wie die Gesellschaft sie sieht und die Auswirkungen und der Umgang mit der Nazi-Zeit.

Das waren immer auch und leicht erkennbar, persönliche Filme. Singer wurde als Kind adoptiert, wuchs in einer jüdischen Familie auf und ist bisexuell. Die Parallelen zwischen seinem und Freddy Mercurys Leben sind offensichtlich.

Mercury wurde am 5. September 1946 in Sansibar (heute Tansania) als Farrokh Bulsara geboren. Seine Eltern kamen aus Indien und zogen später mit ihm und seiner Schwester nach London. Mercury war ebenfalls bisexuell und erst einen Tag vor seinem Tod am 24. November 1991 machte er seine bereits 1987 diagnostizierte AIDS-Erkrankung publik. Das alles wird im Musikfilm erwähnt, aber nie weiter vertieft. Es sind Dinge, die man gerne verschwiegen hätte, aber nicht verschweigen konnte. Also begräbt man sie unter einem Berg von Band-Kameradie und Rockmusik.

So ist der Film „Bohemian Rhapsody“ wie der Song „Bohemian Rhapsody“: laut, oberflächlich und auf eine primitive Art mitreisend. Am Ende ist Singers Biopic 135 Minuten Fanservice mit einem Best-of-Soundtrack und verklärenden Zwischenszenen. .

Bohemian Rhapsody (Bohemian Rhapsody, USA 2018)

Regie: Bryan Singer, Dexter Fletcher (ungenannt)

Drehbuch: Anthony McCarten (nach einer Geschichte von Anthony McCarten und Peter Morgan)

mit Rami Malek, Lucy Boynton, Ben Hardy, Joseph Mazzello, Mike Myers, Gwilym Lee, Aidan Gillen, Allen Leech, Tom Hollander, Aaron McCusker

Länge: 135 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Bohemian Rhapsody“

Metacritic über „Bohemian Rhapsody“

Rotten Tomatoes über „Bohemian Rhapsody“

Wikipedia über „Bohemian Rhapsody“ (deutsch, englisch) und Queen (deutsch, englisch)

Hollywood vs. History stellt die böhmische Wahrheitsfrage

AllMusic über Queen

Meine Besprechung von Bryan Singers „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ (X-Men: Days of Future Past, USA 2014)

Meine Besprechung von Bryan Singers „X-Men: Apocalypse“ (X-Men: Apocalypse, USA 2016)

Und hier das „Live Aid“-Konzert


TV-Tipp für den 31. Oktober: Frankenstein Junior

Oktober 30, 2018

Arte, 23.20

Frankenstein Junior (Young Frankenstein, USA 1974)

Regie: Mel Brooks

Drehbuch: Gene Wilder, Mel Brooks (nach Motiven des Romans „Frankenstein“ von Mary Shelley)

Dr. Frederick Frankenstein ist ein anerkannter, in New York praktizierender Neurochirurg. Da überreicht ihm während einer Vorlesung ein Bote das Vermächtnis seines Urgroßvaters Victor von Frankenstein. Frederick reist ins ferne Transsylvanien. Dort tritt er gleich in die Fußstapfen seines experimentierfreudigen Großvaters.

Grandiose, ewig nicht mehr gezeigte Horrorfilmparodie, vor allem auf die klassischen „Frankenstein“-Filme (mit Boris Karloff). Aber auch auf viele andere Filme.

mit Gene Wilder, Peter Boyle, Marty Feldman, Teri Garr, Madeline Kahn, Cloris Leachman, Gene Hackman

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Frankenstein Junior“

TCM über „Frankenstein Junior“

Wikipedia über „Frankenstein Junior“ (deutsch, englisch)


Cover der Woche

Oktober 30, 2018


TV-Tipp für den 30. Oktober: Selma

Oktober 30, 2018

WDR, 23.55

Selma (Selma, USA/Großbritannien 2014)

Regie: Ava DuVernay

Drehbuch: Paul Webb

Mit friedlichen Protestmärschen will Dr. Martin Luther King 1965 in Selma, Alabama, für das allgemeine Wahlrecht kämpfen. Denn dort ist die Diskriminierung der Afroamerikaner besonders deutlich. Und dort eskaliert die Situation in auch von King ungeahnter Weise. Ein Diakon wird von Weißen erschlagen. Auf der Edmund Pettus Bridge werden die friedlich Demonstrierenden mit Tränengas und nackter Gewalt zurückgedrängt. Die Bilder wurden im Fernsehen ausgestrahlt. An dem Abend schlagen Klu-Klux-Klan-Mitglieder drei weiße Geistliche zusammen. Einer stirbt an den Verletzungen.

Der dritte Versuch, friedlich von Selma nach Montgomery, der Hauptstadt von Alabama, zu marschieren wird dann zwischen dem 21. und 25. März 1965 zu einem Triumphzug für die Bürgerrechtsbewegung.

Das grandiose und wichtige Drama/Biopic „Selma“ setzt King und seinen Mitkämpfern ein würdiges Denkmal. DuVernays Film wurde von der Kritik abgefeiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung

mit David Oyelowo, Tom Wilkinson, Tim Roth, Cuba Gooding Jr., Alessandro Nivola, Carmen Ejogo, Lorraine Toussaint, Ophrah Winfrey, Tessa Thompson, Giovanni Ribisi, Common, Dylan Baker, Wendell Pierce, Stan Houston

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Selma“
Moviepilot über „Selma“
Metacritic über „Selma“
Rotten Tomatoes über „Selma“
Wikipedia über „Selma“ (deutsch, englisch) und Martin Luther King (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Ava DuVernays „Selma“ (Selma, USA/Großbritannien 2014 – mit etlichen YouTube-Clips) und der DVD


Der „Bastard“ des Herrn Max de Radiguès

Oktober 29, 2018

Irgendwo im Südwesten der USA sind May und ihr Sohn Eugene auf der Flucht vor der Polizei und ihren früheren Freunden. Gemeinsam überfielen sie an einem Tag über fünfzig Banken, Postämter und Geschäfte. Aber nach der Raubserie wurden mehrere Bandenmitglieder tot aufgefunden.

Ehe man sich noch groß darüber wundern kann, warum eine Mutter einerseits ihren Sohn mit ihrem Leben beschützt und sie ihn andererseits durch ihr Verbrecherleben in Lebensgefahr bringt, sind die zwei schon mitten in einer Abfolge turbulenter Abenteuer, die sie in den Norden von New Mexico führen. In dem einsam gelegenen Lager einiger Indianer kommen sie endlich etwas zur Ruhe. Eugene kann wie ein normaler Junge leben. Nachdem May von ihren Verletzungen genesen ist, bricht sie, ohne Eugene, auf, um einige offene Rechnungen zu begleichen.

Max de Radiguès erzählt in seinem ersten auf Deutsch veröffentlichtem Comic „Bastard“ sehr dicht eine Verbrechergeschichte, die in den USA spielt, aber immer einen französischen Tonfall hat. Das zeigt sich vor allem an den Figuren, ihren Beziehungen und den überraschenden Wendungen. Das ist näher am Polar und an französischen Gangsterfilmen, als an US-Gangsterfilmen und fällt gerade deshalb positiv auf.

Dazu kommen de Radiguès‘ nur auf den ersten Blick naiven SW-Zeichnungen. Er bestimmt so die Blickrichtung, hebt wichtige Details hervor und die Stimmung der düsteren Geschichte.

Bastard“ könnte die Vorlage für einen Gangsterfilm sein, der entweder, wie die Vorlage, in den USA oder, was mir persönlich sogar besser gefiele, in Frankreich spielt. Denn abseits der französischen Hauptstadt gibt es viel Raum für eine solche Bonnie-und-Clyde-Geschichte.

Max de Radiguès: Bastard

(übersetzt von Andreas Förster)

Reprodukt, 2018

192 Seiten

14 Euro

Originalausgabe

Bâtard

Casterman, 2017

Hinweise

Homepage von Max de Radiguès

Reprodukt über „Bastard“

Wikipedia über Max de Radiguès


TV-Tipp für den 29. Oktober: Das Labyrinth

Oktober 28, 2018

Arte, 22.15

Das Labyrinth (Union Station, USA1950)

Regie: Rudolph Maté

Drehbuch: Sydney Boehm

LV: Thomas Walsh: Nightmare in Manhattan, 1950

Kidnapper haben die blinde Tochter eines Millionärs entführt. Die Geldübergabe (und die anschließende Verfolgungsjagd) findet in dem titelgebenden Bahnhof statt.

Anscheinend ist das heute die TV-Premiere des damals regulär im Kino gelaufenen semi-dokumentarischen Noirs.

Insgesamt ein spannender Thriller“ (Lexikon des internationalen Films)

Maté zeigt, dass sich die Methoden der Gangster und der Polizisten nur in Nuancen unterscheiden; der Kampf gegeneinander macht die Kontrahenten zu gefühllosen Maschinen, denen ein Menschenleben nicht viel bedeutet.“ (Paul Werner: Film noir und Neo-Noir, 2005)

mit William Holden, Nancy Olson, Barry Fitzgerald, Lyle Bettger, Jan Sterlin, Allen Roberts

auch bekannt als „Menschen ohne Seele“

Wiederholung: Sonntag, 4. November, 09.25 Uhr

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Das Labyrinth“

TCM über „Das Labyrinth“

Wikipedia über „Das Labyrinth“ (deutsch, englisch)

Noir of the Week über „Das Labyrinth“


TV-Tipp für den 28. Oktober: Jack Reacher: Kein Weg zurück

Oktober 28, 2018

Pro 7, 20.15

Jack Reacher: Kein Weg zurück (Jack Reacher: Never go back, USA 2016)

Regie: Edward Zwick

Drehbuch: Edward Zwick, Marshall Herskovitz, Richard Wenk

LV: Lee Child: Never go back, 2013 (Die Gejagten)

Als Ex-Militärpolizist Jack Reacher in einer Kaserne eine Bekannte besuchen will, wird er gleich in den Dienst zurückversetzt und mit etlichen Anklagen, unter anderem einer Vaterschaftsklage, konfrontiert. Reacher wittert eine große Verschwörung gegen ihn und seine unter falschen Anschuldigungen inhaftierte Bekannte. Er befreit sie und gemeinsam schlagen sie zurück.

Zweite Jack-Reacher-Verfilmung. Wieder ein gelungener, angenehm altmodischer Krimi. In diesem Fall ist der Film, der viele Details des Romans verändert, erstaunlicherweise näher an der Formel der Jack-Reacher-Romane als die Romanvorlage. Spannende Unterhaltung gibt es dann in Buch und Film.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tom Cruise, Cobie Smulders, Aldis Hodge, Danika Yarosh, Patrick Heusinger, Holt McCallany, Robert Knepper, Lee Child

Wiederholung: Montag, 29. Oktober, 03.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweis

Noch ziemlich Druckfrisch: die Übersetzung des 19. Jack-Reacher-Romans „Im Visier“. Dieses Mal soll Jack Reacher den Militärscharfschützen John Kott, der beim G8-Gipfel in London ein Attentat verüben will, aufhalten.

Spannende Unterhaltung, dieses Mal in der ersten Person erzählt.

Lee Child: Im Visier

(übersetzt von Wulf Bergner)

Blanvalet, 2018

416 Seiten

20 Euro

Originalausgabe

Personal

Bantam Press, 2014

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Jack Reacher: Kein Weg zurück“

Metacritic über „Jack Reacher: Kein Weg zurück“

Rotten Tomatoes über „Jack Reacher: Kein Weg zurück“

Wikipedia über „Jack Reacher: Kein Weg zurück“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Edward Zwicks „Bauernopfer – Spiel der Könige“ (Pawn Sacrifice, USA 2014) (und DVD-Kritik)

Facebook-Seite zu den Jack-Reacher-Filmen

Blanvalet über Lee Child

Homepage von Lee Child

Wikipedia über Lee Child (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Lee Childs „Tödliche Absicht“ (Without fail, 2002)

Meine Besprechung von Lee Childs „Die Abschussliste“ (The Enemy, 2004)

Meine Besprechung von Lee Childs „Sniper“ (One Shot, 2005)

Meine Besprechung von Lee Childs “Outlaw” (Nothing to Loose, 2008)

Meine Besprechung von Lee Childs „Die Gejagten“ (Never go back, 2013)

Meine Besprechung von Lee Childs (Herausgeber) „Killer Year – Stories to die for…from the hottest new crime writers“ (2008)

Meine Besprechung von Christopher McQuarries „Jack Reacher“ (Jack Reacher, USA 2012)

Meine Besprechung von Edward Zwicks „Jack Reacher: Kein Weg zurück“ (Jack Reacher: Never go back, USA 2016)

Kriminalakte über Lee Child und „Jack Reacher“

 


TV-Tipp für den 27. Oktober: The Hunter

Oktober 27, 2018

Servus TV, 20.15

The Hunter (The Hunter, Australien 2011)

Regie: Daniel Nettheim

Drehbuch: Alice Addison, Wain Fimeri (Original Adaptation)

LV: Julia Leigh: The Hunter, 1999 (Der Jäger)

Martin David (Willem Dafoe, grandios!) soll für einen Konzern den sagenumwobenen Tasmanischen Tiger finden und von ihm genetische Proben entnehmen. Allerdings jagen auch andere Menschen das Tier und David gerät in einen Konflikt zwischen Umweltschützern und Einheimischen.

„The Hunter“ ist ein angenehm altmodischer Abenteuerfilm mit Öko-Touch, einem Kopfnicken in Richtung „Mein großer Freund Shane“ und grandiosen Landschaftsaufnahmen.

mit Willem Dafoe, Sam Neill, Frances O’Connor, Sullivan Stapleton, Callan Mulvey, Morgana Davies, Jacek Koman, Dan Wyllie

Wiederholung: Sonntag, 28. Oktober, 00.05 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Homepage zum Film

Rotten Tomatoes über „The Hunter“

Wikipedia über „The Hunter

Meine Besprechung von Daniel Nettheims „The Hunter“ (The Hunter, Australien 2011)


Neu im Kino/Filmkritik: Halloween für Kinder: „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“ für Kinder, für Erwachsene nicht so sehr

Oktober 26, 2018

Wardenclyffe, New York, ist eine beschauliche All-American-Kleinstadt, in der nie etwas passiert. Jedenfalls nichts schlimmes. Das ändert sich, als die beiden Schulfreunde Sonny und Sam, die ihr Taschengeld als „Junk Brothers“ mit Entrümpelungen aufbessern wollen, in einem alten, halb verfallenem Haus, das wie ein typisches Film-Geisterhaus aussieht, eine Kiste entdecken, das in ihr liegende Buch von R. L. Stine öffnen und so die Bauchredner-Puppe Slappy zum Leben erwecken.

Als erstes weist Slappy den Halbstarken Tommy und seine Freunde, die Sonny und Sam schikanieren, in die Schranken. Danach hätte Slappy gerne eine Familie und er denkt, dass Sonny, Sonnys Schwester Sarah und ihre alleinerziehende Mutter Kathy dafür geeignet sind. Die Begeisterung der Familie Quinn hält sich in Grenzen und Slappy macht sich an Halloween (!!!) auf den Weg, einige neue und alte, teils aus dem vorherigen „Gänsehaut“-Film, teils aus den „Gänsehaut“-Büchern bekannte Freunde zu finden. Mit diesen Monstern will er Halloween feiern.

Auch wenn der Titel „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“ einen vermuten lässt, dass es sich bei diesem Gruselfilm um die Fortsetzung von „Gänsehaut“ handelt, ist Ari Sandels Film das nicht. Jedenfalls nicht im engeren Sinn. Zwar hat Jack Black, der in „Gänsehaut“ herrlich miesepetrig R. L. Stine spielte, einen kurzen Auftritt. Aber mehr als ein langes Cameo ist das nicht. All die anderen menschlichen Charaktere aus „Gänsehaut“ treten in „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“ nicht auf. Drehbuch und Regie wurden von anderen Männern übernommen.

Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“ knüpft mit seiner extra für den Film erfundenen Geschichte eher an die erfolgreichen „Gänsehaut“-Bücher von R. L. Stine an. Es geht um Kinder und Jugendliche, die sich gegen Monster wehren müssen und die Kinderbücher sollen bei den jungen Lesern vor allem eine wohlige Gänsehaut verursachen. Wenn sie dann einige Jahre älter sind, können sie sich mit Stephen King gruseln.

So ist „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“ ein Gruselfilm für Kinder mit sympathischen Kindern, einer taffen großen Schwester, gruseligen, aber nicht zu gruseligen Monstern, einer kurzen Laufzeit und einer einfachen Geschichte, die für Erwachsene etwas zu einfach ist.

Dagegen ist „Gänsehaut“ in jeder Beziehung der bessere Film. Mit R. L. Stine als wichtigen Charakter wird auch mühelos über das Leben eines Schriftstellers und dem Verhältnis von Fiktion und Realität philosophiert, während die Genreregeln kundig und liebevoll bedient werden. Garniert mit einem wahren Best-of-Horrorfilm-Soundtrack von Danny Elfman. Nicht nur wegen ihm hat Rob Lettermans Film ein beständiges Tim-Burton-Feeling.

In Sandels Film fehlt das zugunsten eines, wie gesagt, Gruselfilms für Kinder, die hier etwas Gänsehaut und einen neuen Blick auf Gummibärchen bekommen.

Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween (Goosebumps 2: Haunted Halloween, USA 2018)

Regie: Ari Sandel

Drehbuch: Rob Lieber (nach einer Geschichte von Rob Lieber und Darren Lemke)

LV: „Gänsehaut“-Bücher von R. L. Stine

mit Wendi McLendon-Covey, Madison Iseman, Jeremy Ray Taylor, Caleel Harris, Chris Parnell, Ken Jeong, Avery Lee Jones, Bryce Cass, Peyton Wich, Jack Black, R. L. Stine (Cameo)

Länge: 90 Minuten

FSK: ab 12 Jahre (gerade so, eigentlich eher bis 12 Jahre)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“

Metacritic über „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“

Rotten Tomatoes über „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“

Wikipedia über „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“

Meine Besprechung von Rob Lettermans „Gänsehaut“ (Goosebumps, USA 2015)

Meine Besprechung von R. L. Stines Filmroman „Gänsehaut“ (Goosebumps, 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: Halloween für Erwachsene: „Halloween“ mit bekannten Gesichtern und bekannter Geschichte

Oktober 26, 2018

1978 mordet sich in dem Horrorfilm „Halloween“ Michael Myers durch die US-Kleinstadt Haddonfield, Illinois. Der billig produzierte Film war ein unglaublicher Kassenhit, zog unzählige schlechtere Fortsetzungen nach sich und Jamie Lee Curtis war danach die Scream Queen. Inzwischen ist „Halloween“ ein Kultfilm und Horrorfilmklassiker. Und die Maske von Michael Myers ist ein Teil der Popkultur.

Vierzig Jahre später kehrt Michael Myers nach Haddonfield zurück und er tut das, was er am besten kann: grundlos Menschen umbringen.

Laurie Strode, die damals seinen Angriff überlebte, seitdem traumatisiert ist und sich in einer Festung eingrub, stellt sich ihm entgegen.

Sie wird wieder von Jamie Lee Curtis gespielt. Für den Film wurde sie zur alten, schrulligen Gewitterhexe geschminkt. Curtis sieht im Film mindestens zwanzig Jahre älter aus, als sie in Wirklichkeit ist.

David Gordon Green, dessen Filmographie bunt ist – Silberner Bär für „Prince Avalanche“, die improvisierte Kifferkomödie „Ananas Express“ mit Seth Rogen und James Franco, die arg harmlose Wahlkampfkomödie „Die Wahlkämpferin“ und, zuletzt, das Biopic „Stronger“ über einen Überlebenden des Anschlags auf den Boston Marathon 2013 -, übernahm die Regie. Er und John Carpenter, der Regisseur des ersten „Halloween“-Films und Kreativberater für den aktuellen Film, und einige weitere in den Film involvierte Männer machten dann erst einmal tabula rasa. Sie ignorierten alle „Halloween“-Filme, die nach dem ersten Film entstanden waren und erfanden eine Geschichte, die letztendlich einfach nur noch einmal die Geschichte von „Halloween“ (1978) erzählt. Mit einer älteren Protagonistin, schreienden Teenagern und blitzenden Messern.

Damit wirkt der Film wie ein Relikt aus dem Jahr 1978, oder genaugenommen 1978ff. Die einfache Geschichte, die Logiklücken, die Kamera, das Aussehen der Schauspieler, die Inszenierung des gesamten Films mit den schnellen Morden, den langen Kamerafahrten und den wenigen Schnitten ist einfach 1978. Man kann auch einfach damalige Kritiken, minimal aktualisiert, wiederholen. Weil die damaligen Kritiker nicht mehr arbeiten und jüngere Kritiker mit Horrorfilmen wie „Halloween“ groß wurden, sind die Kritiken für „Halloween“ (2018) durchgehend positiv.

Halloween“ (2018) ist auch ein Film, der nicht an aktuelle Diskurse und Befindlichkeiten anknüpft. Es geht um die Angst, plötzlich aus heiterem Himmel, auf offener Straße oder in der eigenen Wohnung angegriffen zu werden. Terror eben. Das Gefühl ist zeitlos.

Auch die Mythologie wird nicht weiter entwickelt. Michael Myers und Laurie Strode tun einfach noch einmal das, was sie 1978 taten.

Green inszenierte den deshalb durchgehend redundanten Film kompetent und mit einem Blick auf die Suspense-Momente. Das ist spannend, aber wie die x-te Version eines bekannten Blues-Songs, absolut vorhersehbar. Über das Ende und die Psychologie der Figuren sollte man nicht zu lange nachdenken.

Dem Publikum liefert Green mit seinem Horrorfilm damit genau das, was es verlangt.

Das bisherige US-Einspielergebnis – Platz 1 der Kinocharts mit 76,2 Millionen US-Dollar Einspiel, drittbestes Ergebnis für einen R-rated Horrorfilm, zweitbestes Ergebnis eines Films im Oktober, bester Kinostart eines „Halloween“-Films, bestes Ergebnis für einen Film mit einer über 55-jährigen Hauptdarstellerin und schon jetzt ist „Halloween“ (2018) der Film der Serie mit dem höchsten Umsatz – bestätigen das.

Für etwas kritischere Geister stellt sich die Frage, warum man einfach noch einmal 1978 wiederholen soll.

Halloween (Halloween, USA 2018)

Regie: David Gordon Green

Drehbuch: Jeff Fradley, Danny McBride, David Gordon Green (nach Charakteren von John Carpenter und Debra Hill)

mit Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Andy Matichak, Will Patton, Haluk Bilginer, Julia Gardner, Jim Courtney, Nick Castle

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

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Moviepilot über „Halloween“

Metacritic über „Halloween“

Rotten Tomatoes über „Halloween“

Wikipedia über „Halloween“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von David Gordon Greens „Die Wahlkämpferin“ (Our Brand is Crisis, USA 2015)


TV-Tipp für den 26. Oktober: Der Clan der Sizilianer

Oktober 26, 2018

BR, 23.45

Der Clan der Sizilianer (Le Clan des Siciliens, Frankreich 1969)

Regie: Henri Verneuil

Drehbuch: Henri Verneuil, José Giovanni, Pierre Pelegri

LV: Auguste Le Breton: Le Clan des Siciliens, 1967

Kamera: Henri Decae

Musik: Ennio Morricone

Ein entflohener Sträfling entführt mit einer Gangsterbande ein mit Juwelen beladenes Flugzeug. Während der Planung beginnt er ein Verhältnis mit der Schwiegertochter des Bosses. Und der sieht das gar nicht sportlich.

Allein schon die Besetzung mit Jean Gabin, Alain Delon und Lino Ventura verspricht einen vergnüglichen Abend und einen Kassenknüller. Bei der Kritik war der Film dagegen ziemlich unbeliebt: „Gut fotografierte und musikalisch intelligent akzentuierte Gaunergeschichte, die jedoch eine psychologische Darstellung und ausreichende Charakterisierung der Personen vermissen läßt.“ (Film-Dienst) oder „larmoyante Opernhandlung um sizilianische Gangsterehre“ (Der Spiegel)

mit Jean Gabin, Alain Delon, Lino Ventura, Irina Demick, Amedeo Nazzari, Sidney Chaplin, Elisa Cegani

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der Clan der Sizilianer“

Wikipedia über „Der Clan der Sizilianer“ (deutsch, englisch, französisch)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: Über die Håkan-Nesser-Verfilmung „Intrigo – Tod eines Autors“

Oktober 25, 2018

Das wird eine schwierige Besprechung. Denn Daniel Alfredson erzählt in seiner Verfilmung von Håkan Nessers Geschichte „Rein (Tod eines Autors)“ die Geschichte so umständlich und sinnlos verschachtelt, dass man sie eigentlich nur mit vielen Spoilern besprechen kann. Ich werde trotzdem versuchen, sie weitgehend zu vermeiden.

Im Film besucht David Moerk (Benno Fürmann) den älteren, auf einer Insel in einem einsam gelegenem Strandhaus lebenden Autor Henderson (Ben Kingsley). Der Übersetzer Moerk möchte von ihm seine Meinung zu einer von ihm geschriebenen Geschichte haben. Erfahrene Krimifans wissen in dem Moment natürlich, dass Moerk Henderson nicht zufällig besucht und dass er noch mindestens einen Hintergedanken hat. Sonst wäre es kein Krimi.

In Rückblenden, die Moerks autobiographischem Manuskript folgen, erfahren wir jetzt, wie Moerk während eines Bergurlaubs erfährt, dass seine Frau ihn verlassen will und was er dagegen unternimmt, und wie er Jahre später den neuen Roman von Germund Rein übersetzen soll. Während er Reins Manuskript übersetzt, hat er den immer stärkeren Verdacht, dass Rein von seiner Frau und ihrem Liebhaber ermordet wurde.

Diese beiden Geschichten mit vorhersehbaren Pointen werden im Film weitgehend chronologisch hintereinander präsentiert. Sie sind dabei so stark voneinander getrennt, dass ich während des Films vermutete, dass Daniel Alfredson und seine Co-Drehbuchautorin Ditta Bongenhielm zwei oder, wenn man den Besuch des Übersetzers bei dem Autor als eigene Geschichte betrachtet, sogar drei Kurzgeschichten, die nichts miteinander zu tun haben, denkbar ungeschickt in einem Copy&Paste-Verfahren zu einer Filmgeschichte verbunden haben.

Umso größer war meine Überraschung beim Lesen der 1996 erschienenen Vorlage „Rein (Tod eines Autors)“. Denn der Film basiert nur auf einer Geschichte und diese enthält fast alles, was man im Film sieht. Nur anders angeordnet. Im Roman (bei zweihundert Seiten kann man die Erzählung Roman nennen) erhält Moerk den Auftrag, das Manuskript von Rein zu übersetzen. Die Übersetzung will er in der Stadt anfertigen, in der Rein lebte. Während er an der Übersetzung arbeitet, erinnert Moerk sich an die letzten Tage mit seiner spurlos verschwundenen Frau. Nachdem er ihr Hüsteln auf der Aufnahme eines Klassikkonzerts hörte, glaubt er, dass sie dort lebt.

Nesser erzählt die Geschichte, im Gegensatz zum Film, ohne Metaebenen, chronologisch und mit einer klaren Trennung zwischen Haupt- (Reins „Mord“) und Nebenplot (Moerks „Mord“). Das macht die Geschichte nicht wirklich sinnvoller, aber logischer. Und wir werden von den idiotischen Gesprächen zwischen Moerk und Henderson über die Konstruktion einer Geschichte verschont.

Im Film sind die Handlungen der verschiedenen Charaktere durchgehend abstrus und psychologisch fast nie nachvollziehbar. Das gilt vor allem für das Ende. Dazu kommen Dialoge, Schauspielerleistungen und eine Inszenierung, die als Ziel nicht die große Leinwand, sondern das TV-Vorabendprogramm haben.

Dabei hat Daniel Alfredson mit seinen beiden Stieg-Larsson-Verfilmungen „Verdammnis“ (2009) und „Vergebung“ (2009) durchaus bewiesen, dass er mit Schmackes für die große Leinwand inszenieren kann. In dem für den internationalen Markt auf Englisch inszenierten Krimi „Intrigo – Tod eines Autors“ ist davon nichts zu spüren. In ihr agieren alle extrem lustlos. Gerade in der Originalfassung werden die Dialoge so gesprochen, als begriffen alle Schauspieler nie den Inhalt ihrer Sätze. In diesem Fall könnte die deutsche Synchronisation ein Gewinn sein.

Intrigo – Tod eines Autor“ ist der Auftakt einer bereits abgedrehten Anthologie-Trilogie von Nesser-Verfilmungen. Alfredson inszenierte alle Filme. Die Drehbücher sind von ihm und Ditta Bongenhielm. „Intrigo: Samaria“ und „Intrigo: Dear Agnes“, die vollkommen unabhängig von „Tod eines Autors“ sind, sollen nächstes Jahr in unsere Kinos kommen.

Intrigo – Tod eines Autors (Intrigo: Death of an Author, USA/Schweden/Deutschland 2018)

Regie: Daniel Alfredson

Drehbuch: Ditta Bongenhielm (eigentlich Birgitta Bongenhielm), Daniel Alfredson

mit Ben Kingsley, Benno Fürmann, Tuva Novotny, Veronica Ferres, Daniela Lavender, Michael Byrne

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Die Vorlage

Zum Filmstart veröffentlichte btb den Sammelband „Intrigo“, der die vier für die Kinoserie verfilmten Geschichten, die auf Deutsch bereits in anderen Sammelbänden erschienen, und die brandneue, nicht verfilmte und aus keinem nachvollziehbaren Grund 1995 spielende Geschichte „Tom“ enthält.

In „Tom“ wird die Endfünfzigerin Judith Bendler von einem Mann angerufen, der behauptet ihr vor über zweiundzwanzig Jahren verschwundener Adoptivsohn zu sein.

Mit zweihundert Seiten ist „Rein (Tod eines Autors)“ die längste Geschichte des Sammelbands. In ihr geht es um einen Übersetzer, der glaubt, in einem Romanmanuskript sorgsam platzierte Beweise für den Mord an dem Autor zu entdecken.

In „In Liebe, Agnes“ treffen sich auf einer Beerdigung zwei Schulfreundinnen, die sich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen haben. Henny, die ihren Mann loswerden will, schlägt ihrer Freundin Agnes vor, dass sie einen Mord im Stil von „Zwei Fremde im Zug“ begehen sollen.

In „Die Wildorchidee aus Samaria“ kehrt ein Sprachlehrer nach dreißig Jahren an den Ort zurück, an dem er sein Abitur machte. Kaum dort angekommen erhielt er einen Brief von Vera Kall, einer spurlos verschwundenen, von ihm begehrten Schulkameradin.

In „Sämtliche Informationen in der Sache“, mit vierzehn Seiten die kürzeste Geschichte des Sammelbands, geht es nur um eine Situation: nach dem Unfalltod einer Schülerin soll ein Lehrer trotzdem für sie das Abschlusszeugnis ausstellen. Aber nach welchen Maßstäben soll er sie beurteilen? Diese Geschichte dürfte zusammen mit „Die Wildorchidee aus Samaria“ verfilmt werden. Sie fällt auch aus dem Raster der anderen Geschichten, in denen die Vergangenheit der Protagonisten einen großen Teil der Geschichte einnimmt und das mehr oder weniger mörderische Geheimnis aus der Vergangenheit für passionierte Krimi-Leser gar nicht so überraschend ist. Kriminalgeschichten sind sie nur peripher. Mit den zahlreichen Erinnerungen der Protagonisten und den teils erst spät enthüllten Geheimnissen, beschreiben sie letztendlich vor allem Situationen. Es gibt wenig sich direkt für eine konventionelle Filmgeschichte empfehlende Handlung.

So schreibt Håkan Nesser im Vorwort: „Ein Buch ist ein Buch, ein Film ist ein Film. Geschichten müssen häufig umgestülpt werden, neue Ausdrucksformen finden, wenn sie aus dem einen Medium in ein anderes übertragen werden. Sie können sogar eine völlig neue Auflösung erhalten. (…) Doch die Ähnlichkeit, der eigentliche Kern jeder Erzählung, das, worum es genauer betrachtet wirklich geht, ist natürlich erhalten geblieben.“

Mal sehen, ob Daniel Alfredson die Umarbeitung der anderen Nesser-Geschichten besser gelang. Denn auf den ersten Blick ist keine der Geschichten ohne größere Umarbeitungen für einen Spielfilm geeignet.

Störend bei allen Geschichten ist, dass die verschiedenen Charaktere sich immer wieder unlogisch verhalten müssen. So, um nur ein Beispiel zu nennen, schreiben Henny und Agnes sich Briefe und, als ob das nicht schon dämlich genug wäre, bietet Henny Agnes eine stattliche Geldsumme für den Mord an ihrem Mann an. Das Geld überweist sie. Und das soll der Polizei nicht auffallen???

Gestandene Krimileser werden immer schnell das Ende der Geschichte erahnen und dann, leicht gelangweilt, bis zur Lösung weiterlesen.

Håkan Nesser: Intrigo

(übersetzt von Paul Berf, Christel Hildebrandt und Gabriele Haefs)

btb, 2018

608 Seiten

12 Euro

Originalausgabe

Intrigo

Albert Bonniers, Stockholm, 2018

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Intrigo – Tod eines Autors“

Moviepilot über „Intrigo – Tod eines Autors“

Rotten Tomatoes über „Intrigo – Tod eines Autors“

Homepage von Håkan Nesser

Deutsche Homepage von Håkan Nesser

Meine Besprechung von Daniel Alfredsons Stieg-Larsson-Verfilmung „Verdammnis“(Flickan som lekte med elden, Schweden 2009) (Buch und Film)

Meine Besprechung von Daniel Alfredsons Stieg-Larsson-Verfilmung „Vergebung“ (Luftslottet som sprängdes, Schweden/Dänemark/Deutschland 2009) (Buch und Film)


TV-Tipp für den 25. Oktober: Hügel der blutigen Augen

Oktober 25, 2018

Arte, 23.10

Hügel der blutigen Augen (The Hills have Eyes, USA 1977)

Regie: Wes Craven

Drehbuch: Wes Craven

Auf ihrer Fahrt nach Kalifornien kommt die Großfamilie Carter von der asphaltierten Straße ab und fällt in die Hände äußerst unfreundlicher Einheimischer.

TV-Premiere des dystopischen Horrorfilms in der alten deutschen Kinofassung, in der aus durch Atomtests mutierte Kannibalen Außerirdische wurde. An der beängstigenden Stimmung ändert das nichts.

Allerdings leidet der Film unter seinem Drehbuch und den Schauspielern. Das ist dann mehr eine drastische Abfolge von Schocks und Geschmacklosigkeiten als ein kohärenter Horrorfilm. Trotzdem wurde der Film schnell als Zeitdiagnose gelesen und zu einem kleinen Genreklassiker.

Craven drehte danach die deutlich gelungeneren Horrorfilme „Nightmare on Elm Street“ und die „Scream“-Filme.

Ein abstruser Horrorfilm, der vor allem auf blutige Effekte setzt.“ (Lexikon des internationalen Films)

mit John Steadman, Michael Berryman, Janus Blythe, Robert Houston, Susan Lanier, Russ Grieve, Dee Wallace

Wiederholung: Donnerstag, 1. November, 01.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Hügel der blutigen Augen“

Wikipedia über „Hügel der blutigen Augen“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Wes Cravens „Tödlicher Segen“ (Deadly Blessing, USA 1981)


Das „Lexikon des internationalen Films“ über das Filmjahr 2017

Oktober 24, 2018

Diese Besprechung ist schon lange überfällig: denn die aktuelle Ausgabe des immer lesens- und empfehlenswerten „Lexikon des internationalen Films“ ist schon vor einigen Tagen erschienen und sie unterscheidet sich nicht wesentlich von den vorherigen Ausgaben. Vom Aufbau. Nicht vom Inhalt. Der ist hundertprozentig neu.

Das Herzstück des Lexikons ist die alphabetische Auflistung aller in Deutschland 2017 erstmals gezeigten Filme: Spielfilme, die im Kino liefen; Spielfilme, die auf DVD und/oder Blu-ray veröffentlicht wurden, TV-Filme und TV-Serien (was den Begriff des „Films“ arg dehnt) und längere Dokumentarfilme. Zu jedem Film gibt es eine kurze Inhaltsangabe und eine kritische Einschätzung und wichtige Angaben zum Film und den beteiligten Personen. Es gibt eine Übersicht über einige wichtige Filmpreise, die Silberlinge (für herausragende DVD- und Blu-ray-Editionen, dieses Jahr unter anderem „Die Reifeprüfung“), die Auflistung der „Sehenswert“-Filme des Filmdienst (dem Herausgeber des Lexikons) und die Kinotipps der katholischen Filmkritik. Immerhin wird der Filmdienst von der katholischen Kirche herausgeben. Auf den Inhalt des von ausgewiesenen Filmkritikern geschriebenen Heftes hat das allerdings keinen Einfluss.

Es gibt, wie jedes Jahr, einen ausführlichen Überblick über das vergangene Kinojahr und ein Schwerpunktthema. Dieses Jahr ist es „Europas Kinofilme“ mit in den vergangenen Jahren bereits im Filmdienst erschienenen Texten zu wichtigen europäischen Regisseuren, wie Jean-Pierre und Luc Dardenne, Francois Ozon, Pedro Almodóvar, Lars von Trier und Michael Haneke und, mit den ausführlichen Filmdienst-Kritiken, einer Zusammenstellung von sechzig zwischen 2000 und 2017 entstandenen europäischen Kino-Highlights.

Und es gibt die von der Filmdienst-Redaktion erstellte Liste der besten Kinofilme des Jahres 2017. Das waren in der Reihenfolge ihrer Beliebtheit:

Elle (von Paul Verhoeven)

Western (von Valeska Grisebach)

Manchester by the Sea (von Kenneth Lonergan)

Körper und Seele (von Ildikó Enyedi)

Silence (von Martin Scorsese)

Blade Runner 2049 (von Denis Villeneuve)

Personal Shopper (von Olivier Assayas)

Nocturama (von Bertrand Bonello)

La La Land (von Damien Chazelle)

Hell or High Water (von David Mackenzie)

Auch wenn mir der ein oder andere dieser Filme nicht gefallen hat, sind das in jedem Fall sehenswerte Filme.

Ad hoc würde ich noch, im Lexikon blätternd, „Baby Driver, „Certain Women“, „Dunkirk“, „Fences“, „Get Out“, „Die göttliche Ordnung“, „Hidden Figures – Unbekannte Heldinnen“, „Moonlight“ und „Die rote Schildkröte“, dazu nehmen – und dabei ein gutes Dutzend weiterer guter Filme vergessen.

Aber wenn ich noch länger blättere und mir gleichzeitig notiere, welche Filme ich jetzt sehen will…

Ähem: „Das Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2017“ ist, wie die vorherigen Jahresbände, unverzichtbar für den Filmfan. Es zeigt auch, warum ein gedrucktes Jahrbuch besser als eine Internetseite ist.

P. S.: Die Damen auf dem Buchcover sind „Jahrhundertfrauen“.

Filmdienst/Katholische Filmkommission für Deutschland (Redaktion: Horst Peter Koll): Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2017

Schüren, 2018

560 Seiten

24,90 Euro

Hinweise

Homepage der Zeitschrift „Filmdienst“

Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2008“

Meine Besprechung von „Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2009“

Meine Besprechung von “Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2010″

Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2011“

Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2012“

Meine Besprechung von „Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2013“

Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2014“

Meine Besprechung von „Lexikon des Internationalen Films – Filmjahr 2015“

Meine Besprechung von „Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2016“


TV-Tipp für den 24. Oktober: Halloween – Die Nacht des Grauens

Oktober 23, 2018

Kabel 1, 22.40

Halloween – Die Nacht des Grauens (Halloween, USA 1978)

Regie: John Carpenter

Drehbuch: John Carpenter, Debra Hill

Wenige Stunden bevor der neue „Halloween“-Film, banal „Halloween“ betitelt (Besprechung folgt), in unseren Kinos anläuft, kann man sich wieder das Original ansehen: An Halloween bricht Michael Myers aus der Irrenanstalt aus und er beginnt wahllos Menschen umzubringen.

Der enorm effektive, bahnbrechende Slasher-Film war ein gigantischer Kassenerfolg (allein in den USA spielte er an der Kinokasse das 150-fache seiner Kosten ein), der Start eines Franchise meist ziemlich verzichtbarer Filme mit dem maskierten Mörder und unzähliger Nachahmer.

In der von Frank Schnelle und Andreas Thiemann erstellten Metaliste über die fünfzig besten Horrorfilme steht „Halloween – Die Nacht des Grauens“ auf dem dritten Platz.

Ein Gruselfilm der perfekten, kaltschnäuzig spekulativen Art, ohne Moral, ohne Botschaft, einfach nur böse.“ (Fischer Film Almanach 1980)

Fun Fact: der deutsche Kinostart war am 6. Juli 1979, weil wir damals Halloween noch nicht kannten.

Mit Jamie Lee Curtis, Donald Pleasence, Nancy Loomis, Charles Cyphers, Nick Castle

Wiederholung: Donnerstag, 25. Oktober, 02.50 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Halloween“

Wikipedia über „Halloween“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Carpenters „Assault – Anschlag bei Nacht“ (Assault on Precinct 13, USA 1976)

John Carpenter in der Kriminalakte


Cover der Woche

Oktober 23, 2018


„Falken jagen“ mit D. B. Blettenberg

Oktober 23, 2018

Es ist schön, wieder die Stimme von D. B. Blettenberg zu hören. Schließlich erschien sein letzter Roman „Murnaus Vermächtnis“ bereits 2010 und der war ein großes Epos.

Jetzt schickt Blettenberg wieder den Problemlöser Farang in die Schlacht. „Falken jagen“ ist allerdings kein weiteres Epos, sondern ein schlanker Hardboiled-Krimi.

In Thailand bringt ein unbekannter Killer Deutsche um und hinterlässt am Tatort, als persönliche Note, ein Epistel. Imelda, die Tochter des verstorbenen Generals Watana, einem ‚Freund‘ von Farang, fordert von Farang eine alte Ehrenschuld ein. Farang soll ihrem von den Ermittlungen hoffnungslos überforderten Bruder zu helfen und die Mordserie zu beenden. Egal wie und egal, ob der Serienmörder dabei stirbt.

Blettenberg-Fans kennen Farang, halb Thai, halb Deutscher, bereits aus den Romanen „Farang“ (1988) und „Berlin Fidschitown“ (2003). Beide Krimis erhielten den Deutschen Krimi Preis. Beide Krimis entführen in Welten, die in deutschen Kriminalromanen normalerweise nicht beachtet werden.

Farang beginnt mit seinen Freunden Tony Rojana, ein Kriminalreporter, und Bobby Quinn, ein Vietnamveteran, nach dem Mörder zu suchen. Sie bemerken, dass alle Tote im Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten waren oder, immerhin gibt es auch jüngere Opfer, deren Väter deutsche Soldaten waren.

Als Farang den Killer, der sich nur der ‚Falke‘ nennt, bei einem Mord fast erwischt, taucht dieser unter. Die Spur führt nach Griechenland zu seinem nächsten Opfer.

Falken jagen“ ist ein klassischer Thriller, der seine Spannung durch den ständigen Wechsel der Perspektive zwischen dem Jäger und dem Gejagten erhält. In Griechenland wird auch das zukünftige Opfer des Falken und sein Umfeld genauer beleuchtet.

Neben der Jagd nach dem Killer geht es in „Falken jagen“ auch um Schuld und Sühne für begangene Verbrechen. Denn das Motiv für die Taten des Falken findet sich in der Vergangenheit, als im Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten alle Bewohner eines griechischen Dorfes kaltblütig ermordeten. Auch Farang und Bobby Quinn erinnern sich an ihre gewalttätige Vergangenheit.

Blettenberg behandelt diese Frage nicht zum ersten Mal in einem Roman. So ging es in „Land der guten Hoffnung“ um den Umgang Südafrikas mit der Apartheid, der sich grundlegend vom Umgang Deutschlands mit seiner Nazi- und DDR-Vergangenheit unterscheidet.

Falken jagen“ ist ein feiner, traditionsbewusster Thriller, der einige überraschende Twists und viele vertraute Klischees hat, die zeigen, in welcher Tradition Blettenberg steht. Es ist die Tradition des US-Hardboiled-Thrillers, die in Deutschland gelesen, aber fast nie geschrieben wird.

D. B. Blettenberg: Falken jagen

Pendragon, 2018

384 Seiten

18 Euro

Hinweise

Homepage von D. B. Blettenberg

Wikipedia über D. B. Blettenberg

Lexikon der deutschen Krimiautoren über D. B. Blettenberg

Krimi-Couch über D. B. Blettenberg

Meine Besprechung von D. B. Blettenbergs „Murnaus Vermächtnis“ (2010)

Mein Gespräch mit D. B. Blettenberg über „Murnaus Vermächtnis“


TV-Tipp für den 23. Oktober: Ich und Kaminski

Oktober 22, 2018

WDR, 22.10

Ich und Kaminski (Deutschland/Belgien 2015)

Regie: Wolfgang Becker

Drehbuch: Wolfgang Becker, Thomas Wendrich

LV: Daniel Kehlmann: Ich und Kaminski, 2003

Journalist Sebastian Zöllner ist ein ausgemachtes, von sich selbst überzeugtes Arschloch, das sich mit einer Biographie über den legendären, blinden Maler Manuel Kaminski finanziell sanieren will. Dummerweise ist der 85-jährige Künstler auch kein Kind von Traurigkeit.

Enorm kurzweiliger, verspielter, einfallsreicher und in jeder Beziehung schöner Film von „Good Bye, Lenin!“-Regisseur Wolfgang Becker über unsympathische Menschen.

Mehr in meiner Besprechung.

mit Daniel Brühl, Jesper Christensen, Amira Casar, Denis Lavant, Jördis Triebel, Geraldine Chaplin, Jan Decleir, Joacques Herlin, Josef Hader, Peter Kurth, Milan Peschel, Patrick Bauchau

Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Ich und Kaminski“
Film-Zeit über „Ich und Kaminski“
Moviepilot über „Ich und Kaminski“
Rotten Tomatoes über „Ich und Kaminski“ (derzeit noch keine Kritiken)
Wikipedia über „Ich und Kaminski“ (Roman) und Daniel Kehlmann
Perlentaucher über „Ich und Kaminski“
Homepage von Daniel Kehlmann

Meine Besprechung von Daniel Kehlmann/Detlev Bucks „Die Vermessung der Welt – Das Buch zum Film“ (2012)

Meine Besprechung von Wolfgang Beckers Daniel-Kehlmann-Verfilmung „Ich und Kaminski“ (Deutschland/Belgien 2015)


TV-Tipp für den 22. Oktober: Der Mann, der zweimal lebte

Oktober 22, 2018

Arte, 22.05

Der Mann, der zweimal lebte (Seconds, USA 1966)

Regie: John Frankenheimer

Drehbuch: Lewis John Carlino

LV: David Ely: Seconds, 1964 (Das vertauschte Leben)

Bankier Arthur Hamilton langweilt sich in seinem Leben. Da nimmt er das Angebot an, nach einer Operation als Maler Tony Wilson ein neues Leben zu beginnen. Als er zurück in sein altes Leben will, wird er für die geheime Organisation, die ihm sein neues Leben verschaffte, zum Sicherheitsrisiko.

TV-Premiere der von Arte digital restaurierten Fassung – und möglicherweise sogar die TV-Premiere des düsteren Paranoia-Thrillers.

überwältigende Paranoia-Studie“ (Phil Hardy, Hrsg.: Die Science Fiction Filmenzyklopädie)

mit Rock Hudson, John Randolph, Salome Jens, Will Geer, Jeff Corey, Richard Anderson, Murray Hamilton

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der Mann, der zweimal lebte“

TCM über „Der Mann, der zweimal lebte“

Wikipedia über „Der Mann, der zweimal lebte“ (deutsch, englisch)

Meine Bepsrechung von John Frankenheimers „Die jungen Wilden“ (The Young Savages, USA 1960)


Neu im Kino/Filmkritik: Ein „Girl“ will er sein

Oktober 22, 2018

Victor will nur tanzen. Als Frau. Und das ist nicht ein, sondern zwei Probleme. Denn Victor, gerade fünfzehn Jahre, muss sich einer von ihm gewünschten Geschlechtsumwandlung unterziehen, die physisch und psychisch anstrengend ist. Zum Glück hat er mit seinem alleinerziehendem Vater, seinem jüngeren Bruder Milo und den ihn begleitenden Ärzten und Therapeuten ein stabiles, ihn bedingungslos unterstützendes Umfeld. Sie alle haben auch kein Problem damit, Victor Lara zu nennen.

Das zweite Problem ist, das er eigentlich zu wenig Balletterfahrung hat, um an der staatlichen Ballettschule in Brüssel aufgenommen zu werden. Trotzdem wird sie als Novizin für acht Wochen zur Probe aufgenommen. Und auch hier unterstützt ihn das Umfeld. Jedenfalls meistens.

Damit ist klar, wo Laras größtes Problem bei der Geschlechtsumwandlung liegt: in ihr.

In Cannes wurde das Spielfilmdebüt von Lukas Dhont zu Recht mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Unter anderem für die beste Regie und den besten Hauptdarsteller (Victor Polster).

Der 2002 in Brüssel geborene Polster nahm bereits in jungen Jahren Schauspielunterricht, absolvierte eine klassische Tanzausbildung an der Royal Ballet School in Anvers, erhielt nach einem Auftritt in einem Musikvideo ein Angebot vom Königlichen Ballett von Flandern und nahm erfolgreich an verschiedenen Tanzwettbewerben teil. „Girl“ ist sein Spielfilmdebüt.

Feinfühlig präsentiert Dhont seine Geschichte, die sich für meinen Geschmack dann doch etwas zu sehr auf Laras innere Probleme und Ballettbilder konzentriert. Innere Konflikte sind nun einmal nicht besonders filmisch. Und Aufnahmen von Balletttänzerinnen vor, während und nach dem Tanz sind zwar filmisch, bringen aber Laras Geschichte nicht unbedingt voran. Denn eigentlich hätte man gerne mehr darüber erfahren, wie es ist, wenn man als Jugendlicher eine Geschlechtsumwandlung beginnen will und wie dann Schulfreunde und Eltern darauf reagieren. „Girl“ beginnt erst danach. Alle haben ihre Entscheidung darüber bereits getroffen: Lara ist kurz vor dem Beginn der entscheidenden Hormonbehandlung. Ihr Vater und ihr Bruder unterstützen sie uneingeschränkt. Die alten Schulkameraden spielen im Film keine Rollen. Denn der chronologisch erzählte Film beginnt nach dem Umzug nach Brüssel. Und auch an der Ballettschule geht es erstaunlich harmonisch zu.

Wegen seiner weitgehend konfliktfreien Geschichte passiert wenig im Film. Denn Konflikte treiben eine Geschichte voran. Und in Konflikten zeigt sich ein Charakter und damit auch die verschiedenen Facetten eines Themas. Das gelingt dem stillen Drama, das auch zum Nachdenken anregen soll, nur bedingt.

Girl (Girl, Belgien/Niederlande 2018)

Regie: Lukas Dhont

Drehbuch: Lukas Dhont, Angelo Tijssens

mit Victor Polster, Arieh Worthalter, Oliver Bodart, Tijmen Govaerts, Katelijne Damen, Valentijn Dhaenens

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Girl“

Metacritic über „Girl“

Rotten Tomateos über „Girl“

Wikipedia über „Girl“ (deutsch, englisch, niederländisch)


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