Cover der Woche
Juni 30, 2015TV-Tipp für den 30. Juni: Der große Diktator
Juni 30, 2015
ZDFkultur, 20.15
Der große Diktator (USA 1940, Regie: Charlie Chaplin)
Drehbuch: Charlie Chaplin
Grandiose Satire über Adolf Hitler: ein jüdischer Friseur und der Diktator Hynkel sehen sich zum Verwechseln ähnlich.
Wer den Film noch nicht gesehen hat,…
Mit Charlie Chaplin, Paulette Goddard, Jack Oakie
Wiederholung: Mittwoch, 1. Juli, 00.15 Uhr (Taggenau!)
Hinweise
Wikipedia über Charlie Chaplin (deutsch, englisch)
DVD-Kritik: „Out of the Dark“ kommt der Horror
Juni 29, 2015
Als gestandene Horrorfilmfans wissen wir, dass es keine gute Idee ist, in ein Haus einzuziehen, in dem es schon ein, ähem, unheimliches Ereignis gab. Vor zwanzig Jahren starb in einer regnerischen Nacht ein Mann, der von vermummten Wesen verfolgt und in den Tod getrieben wurde. Ob es sich dabei um Geister oder Kinder handelte, ist unklar.
Jetzt ziehen die Harrimans in dieses malerisch im Dschungel liegende Anwesen. Sarah soll in der kolumbianischen Stadt Santa Clara die prosperierende Papierfabrik von ihrem Vater übernehmen. Ihr Mann Paul, ein Illustrator von Kinderbüchern, und ihre Tochter Hannah begleiten sie. Sie freuen sich auf einen Neuanfang.
Aber schon bald geschehen in dem Haus unheimliche Dinge. Gegenstände bewegen sich. Hannah sieht in einem Lastenaufzug Schreckliches. Wesen, die wie vermummte Kinder aussehen, scheinen sich an ihnen rächen zu wollen.
Kurz darauf erkrankt Hannah schwer und ihre Eltern versuchen, auf getrennten Wegen, herauszubekommen woran Hannah erkrankt ist und was dagegen getan werden kann.
„Out of the Dark“ ist okayes Genrefutter, das nichts wirklich falsch macht, aber auch nie wirklich überrascht und sich gegen Ende von einem normalen Geisterhausfilm (in dem Geister entweder einfach böse sind oder sich für ein vor Jahrhunderten erlittenes Unrecht rächen wollen) zu einem Thriller mit Öko-Touch wird. Damit zeigt das Drehbuch von Javier Gullón („Enemy“) und den Brüdern David und Àlex Pastor („Carriers“, demnächst „Self/Less“ [Kritik des SF-Thrillers zum Filmstart am 20. August]) Ambitionen, die über einen üblichen Geisterhausfilm hinausgehen. Allerdings werden diese Themen, wie die Ausbeutung von Entwicklungsländern, Kapitalismus und Umweltzerstörung, nicht vertieft und auch die wirklichen Motive der Geister bleiben eher im Dunkeln.
Regisseur Lluis Quitez hat, nach einigen Kurzfilmen, in seinem Spielfilmdebüt, ein Auge für die Landschaft und immer wieder schafft er, was bei einem Geisterhausfilm ja auch einfacher ist, mit minimalen Effekten eine unheimliche Atmosphäre. Oft liefert er auch nur die bekannten Jump-Scare-Schockmomente, die zu diesen Filme gehören wie Taschentücher zu einem Nicholas-Sparks-Film.
Als Bonusmaterial gibt es ein informatives 13-minütiges „Making of“.
Out of the Dark (Out of the Dark, USA/Kolumbien/Spanien 2014)
Regie: Lluís Quílez
Drehbuch: Javier Gullón, David Pastor, Àlex Pastor
mit Julia Stiles, Scott Speedman, Stephen Rea, Pixie Davies, Alejandro Furth
–
DVD
Entertainment One
Bild: 1,78:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Making of
Länge: 90 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „Out of the Dark“
Metacritic über „Out of the Dark“
Rotten Tomatoes über „Out of the Dark“
Wikipedia über „Out of the Dark“
TV-Tipp für den 29. Juni: Der Hauptmann von Köpenick
Juni 29, 2015
Arte, 20.15
Der Hauptmann von Köpenick (Deutschland 1956, Regie: Helmut Käutner)
Drehbuch: Carl Zuckmayer, Helmut Käutner
LV: Carl Zuckmayer: Der Hauptmann von Köpenick, 1931 (Theaterstück)
Schuster Wilhelm Voigt will nach dem Verbüßen seiner Zuchthausstrafe wieder arbeiten. Eine Arbeit gibt es aber nur mit einem Pass und einen Pass erhält nur, wer eine Arbeit hat. Also entschließt der Schuster sich, sich als falscher Hauptmann einen Pass zu besorgen.
Klassiker des deutschen Tonfilms, der damals ein Publikumserfolg war (über zehn Millionen Besucher in fünf Monaten), auch für den Auslands-Oscar nominiert war, die deutschen Filmpreise abräumte und zu den bekanntesten und beliebtesten Heinz-Rühmann-Filmen gehört.
Zuckmayers Stück gehört zur Schullektüre und ist heute immer noch aktuell.
mit Heinz Rühmann, Hannelore Schroth, Martin Held, Erich Schellow, Walter Giller, Wolfgang Neuss
Wiederholung: Dienstag, 30. Juni, 13.45 Uhr
Hinweise
Neu im Kino/Filmkritik: Colin Firth trifft Nicole Kidman, „Die Liebe seines Lebens“
Juni 28, 2015
Natürlich ist ein Film mit Colin Firth und Nicole Kidman nicht ganz schlecht und natürlich ist die Lebensgeschichte von Eric Lomax (1919 – 2012), die mit den beiden Stars verfilmt wurde, durchaus beeindruckend. In England, nachdem Lomax vor zwanzig Jahren seine Autobiographie veröffentlichte und zu einer Berühmtheit wurde, ist sie auch allgemein bekannt. Lomax war im Zweiten Weltkrieg in Asien Kriegsgefangener und, nachdem er seine Frau kennen lernte, begann er sich Jahrzehnte später seinen Kriegserlebnissen zu stellen. Und dennoch wirkt „Die Liebe seines Lebens“, was auch ein einigen Freiheiten liegt, die die Macher sich im dritten Akt nahmen, wie ein psychologisch nicht stimmig ausgedachtes Gedankenkonstrukt.
Das beginnt schon mit der ersten Begegnung des späteren Paares. Während einer Bahnfahrt lernt Patti (Nicole Kidman als das schönste Mauerblümchen Englands, über deren Vergangenheit wir absolut nichts erfahren) 1980 Eric Lomax (Colin Firth) kennen. Er ist ein sympathischer Zausel, der die Fahrpläne in- und auswendig kennt, weshalb er ihr gleich einige Tipps für Zugverbindungen und Sehenswürdigkeiten geben kann. Sie verlieben sich, sie heiraten und Patti entdeckt, dass Eric doch keine so gute Partie ist. Er hat einen Ordnungsfimmel. Sie darf bei ihm wohnen, aber sie darf – was ihr vorher überhaupt nicht aufgefallen ist – nichts verändern. Er hat, weil er seine Rechnungen nicht bezahlt, finanzielle Probleme und er hat – auch das bemerkt sie erst in der Hochzeitsnacht – Alpträume, über die er nicht reden will.
Nur langsam erfährt Patti, dass ihr Mann immer noch von einen Kriegserlebnissen verfolgt wird. Er (in den Rückblenden von Jeremy Irvine gespielt) geriet 1942 mit seinen Kameraden nach dem Fall von Singapur in japanische Kriegsgefangenschaft. Dank eines mathematischen Verständnisses findet er anhand weniger Zeichen, die alle etwas mit Zügen zu tun haben, heraus, wohin sie mit dem Zug befördert werden. Sie sollen in Thailand durch unwegsames Dschungelände eine Eisenbahnstrecke bauen. Als Gefangene sind sie billiges Arbeitsmaterial. Wenn sie nicht während des Baus sterben, sterben sie durch die Folter. Lomax wird, nachdem ein von ihm im Geheimen gebautes Radio entdeckt wird, von dem japanischen Offizier und Übersetzer Takashi Nagase gefoltert.
Als Patti herasfindet, dass Nagase immer noch lebt und in Thailand in einem Museum über den Eisenbahnbau arbeitet, macht Lomax sich auf den Weg.
Die erste Begegnung zwischen Lomax und seinem damaligem Folterer gehört dann zu den unglaubwürdigsten Szenen des ganzen Films. Denn der introvertierte Lomax wird innerhalb einer Sekunde zu einem foltergeneigtem Racheengel, der Takashi Nagase töten will. Auch wenn Firth diese Szene im schönstens „Kingsman“-Stil spielt, passt sie einfach nicht zu seinem Charakter.
Jonathan Tepliztkys „Die Liebe seines Lebens“ will mit seiner Rückblendenstrutkur, gleichzeitig ein Kriegsdrama über tapfere Engländer in der Gefangenschaft im Dschungel und ein psychologischer Liebesfilm über ein mittelaltes Paar, bei dem der Ehemann seelische Probleme hat, sein. Aber keine Geschichte packt wirklich.
Dabei hätte man die Probleme wahrscheinlich mit einigen zusätzlichen Szenen und erklärenden Sätzen beheben können.
Ein anderes Problem ist der irreführende deutsche Titel von „The Railway Man“. Denn es geht weniger um die Beziehung von Eric Lomax zu seiner Frau, sondern um seine Kriegserlebnisse (die Rückblenden machen ungefähr die Hälfte des Films aus) und wie er sie verarbeitet.
Die Liebe seines Lebens (The Railway Man, Australien/Großbritannien 2013)
Regie: Jonathan Teplitzky
Drehbuch: Andy Paterson, Frank Cottrell Boyce
LV: Eric Lomax: The Railway Man, 1995
mit Colin Firth, Nicole Kidman, Jeremy Irvine, Stellan Skarsgård, Hiroyuki Sanada, Sam Reid, Tanroh Ishida
Länge: 108 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Englische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Die Liebe seines Lebens“
Moviepilot über „Die Liebe seines Lebens“
Metacritic über „Die Liebe seines Lebens“
Rotten Tomatoes über „Die Liebe seines Lebens“
Wikipedia über „Die Liebe seines Lebens“ (deutsch, englisch)
Neu im Kino/Filmkritik: „Underdog“, der etwas andere Tierfilm
Juni 27, 2015
Als „Underdog“ 2014 in Cannes lief, waren die Juroren so begeistert, dass sie spontan die Hunde-Palme auslobten. Denn die Leistung der insgesamt 250 Hunde ist beeindruckend, vor allem in den Massenszenen, die durch das koordinierte Vorgehen der Hunde noch erschreckender wirken und etwas an das Vorgehen der Affen in den verschiedenen „Planet der Affen“-Filme erinnern. Aber dort sind es Menschen in Affenmasken oder Menschen im Motion-Capture-Verfahren und damit ein Fest für die Maskenbildner und Tricktechniker. In „Underdog“ durften sich Tiertrainer und Tiere austoben – und wir fühlen mit den Tieren.
Im Mittelpunkt steht Hagen, ein Mischlingshund. Um den vielen Hunden Herr zu werden, hatte die ungarische Regierung ein Gesetz beschlossen, nach dem Mischlinge mit einer hohen Steuer belegt werden. Für reinrassige Hunde muss dagegen keine Steuer entrichtet werden. Die Folge: viele Besitzer setzen ihre Hunde aus. Denn niemand will einen Bastard haben. Aber die dreizehnjänrige Lili liebt ihren Hund abgöttisch.
Nach einigem Ärger mit den Nachbarn und der Obrigkeit setzt ihr Vater Hagen mitten in der Stadt aus. Lili, die den Sommer bei ihrem Vater verbringen soll, beginnt Hagen auf eigene Faust zu suchen.
Zur gleichen Zeit verfolgen wir Hagen, der bislang behütet bei Lili und ihrer Mutter lebte. Jetzt muss er sich allein in Budapest durchschlagen. Er sucht Essen. Er weiß nicht, wem er vertrauen kann. Er freundet sich mit anderen Hunden an, die eine eigene Gesellschaft gegründet haben. Sie werden von Hundejägern verfolgt, die für jeden gefangenen herrenlosen Hund eine Prämie kassieren. Sie werden für Hundekämpfe abgerichtet und in Tierheimen gequält und getötet. Denn ein Mischling ist kein vollwertiger Hund.
Während die Ungarn in Kornel Mundruczos Film „Underdog“, der die Realität zuspitzt, leicht eine Parabel auf ihre Gesellschaft und ihr Verhalten gegenüber Minderheiten, wie Roma, Juden und Ausländern, sehen, sehen wir einen spannenden, leicht dystopischen Tierthriller, der mit einer eindrucksvollen Leistung der Tiertrainer aufwarten kann. Das gilt vor allem für die Massenszenen, wenn die gefangenen Mischlinge koordiniert ausbrechen und durch die leeren Straßen Budapests laufen, oder sie vor ihren Häschern fliehen, aber auch für die Szenen mit weniger Hunden. Dagegen ist ein CGI-bearbeiteter Affenaufstand eine langweilige Angelegenheit.
Underdog (Fehér isten, Ungarn 2014)
Regie: Kornel Mundruczo
Buch: Kata Weber, Kornel Mundruczo, Viktoria Petranyi
mit Zsófia Psotta, Sándor Zsótér, Lili Horváth, Szabolcs Thuróczy, Lili Monori
Länge: 121 Min
FSK: 12 Jahre
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Hinweise
Homepage zum Film
Film-Zeit über „Underdog“
Moviepilot über „Underdog“
Metacritic über „Underdog“
Rotten Tomatoes über „Underdog“
Wikipedia über „Underdog“
TV-Tipp für den 27. Juni: Laut Stark Draußen
Juni 26, 20153sat, 05.55
Laut Stark Draußen
Ein Thementag, der viele Open-Air-Konzertmitschnitte präsentiert. Vor allem vom Hurricane Festival. Ausschnitte aus dem diesjährigen Hurricane-Festival gibt es von 20.15 Uhr bis 23.15 Uhr.
Davor gibt es unter anderem die Rolling Stones (13.00 Uhr), Die Toten Hosen (14.50 Uhr), Linkin Park (16.50 Uhr) und Coldplay (18.15 Uhr, VPS 18.20 Uhr; ihr Glastonbury-Auftritt).
Danach, um 23.15 Uhr, Queen mit ihrem Auftritt von 1986 in Budapest.
Neu im Kino/Filmkritik: „Freistatt“ – vorbildliche Erziehung vor fünfundvierzig Jahren
Juni 26, 2015„Freistatt“ hat ein wichtiges Thema: die Erziehung von Kindern und Jugendlichen in Heimen in den Nachkriegsjahren bis weit in die siebziger Jahre in Westdeutschland. Erst durch die von den 68er angestoßene Diskussion über Erziehungsmethoden und die Frage von Gewalt in der Erziehung wurden die Vorgänge in den Heimen, in die Waisen und schwer erziehbare Kinder geschickt wurden, zu einem in der Gesellschaft diskutierten Thema. Heime wurden aufgelöst. Die Erziehung reformiert.
Aber auch nach einem Runden Tisch Heimerziehung, der 2010 seinen Abschlussbericht vorlegte, und eine Entschädigung versprochen wurde, warten immer noch viele ehemalige Zöglinge auf diese Entschädigung und eine Anerkennung ihres Leids. Denn die Erziehung in den Heimen bestand darin, die Jugendlichen in ein System von Befehl und Gehorsam einzufügen. Sie zu gefügigen Untertanen zu machen. Eine der härtesten Einrichtungen war Freistatt, gelegen im Landkreis Diepholz in Niedersachsen, betrieben von der Diakonie Bethel, geführt als Wirtschaftsbetrieb mit den Zöglingen als kostenlosen Arbeitskräften, die Torf stechen mussten.
Das ist der heute wohl ziemlich unbekannte historische Hintergrund von Marc Brummunds Film „Freistatt“, in dem er die Geschichte von Wolfgang (Louis Hofmann) erzählt. 1968 wird der Vierzehnjährige von seinem Stiefvater Heinz (Uwe Bohm) und seiner Mutter Ingrid (Katharina Lorenz) nach Freistatt geschickt. Dort sollen dem aufsässigem Bengel Manieren beigebracht werden.
Geleitet wird das Heim von Hausvater Brockmann (Alexander Held), der mit öliger Freundlichkeit und harter Hand die Zöglinge zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft machen will. Das geschieht nicht mit Schulunterricht, sondern mit harter Arbeit, Drohungen, Gewalt und Psychofolter.
Aus diesem Thema hätte man viel machen können. Aber Regisseur Marc Brummund und seine Co-Drehbuchautorin Nicole Armbruster haben nur die Faszination und das Erschrecken über die nur etwas über vierzig Jahre zurückliegende, uns heute vollkommen fremd erscheinende Erziehung und danach nichts mehr. Denn anstatt anhand der Geschichte von Wolfgang eine klare Position zu beziehen, liefern sie nur einen Reigen des Schreckens, den wir schon besser gesehen haben; in zahlreichen Gefängnisfilmen, aber auch in Erziehungs- und Schuldramen wie „Der junge Törless“ und „King of Devil’s island“, um zwei gelungenere Filme zu nennen, in denen das Unterdrückungssystem im Rahmen einer packenden Geschichte genau analysiert wird.
In „Freistatt“ präsentiert Brummund die auch aus anderen Filmen bekannten Szenen von Unterdrückung und Freiheitsdrang des Einzelnen, ohne dass sie hier jemals wirklich packen. Dafür ist Wolfgangs Freiheitsdrang und seine Revolte gegen das System zu diffus. Und die Szenen sind zu beliebig angeordnet. Es gibt fast nie eine direkte Verbindung von Ursache und Wirkung, von unbotmäßigem Verhalten und Strafe. Von einer folgerichtigen Eskalation der Strafen im Rahmen der Erziehung. So gibt es gerade am Anfang, wenn Wolfgang nach Freistatt kommt und die dortige, archaische Gesellschaft, die mehr mit einem Gefängnis, das mit Hilfe der Inhaftierten geführt wird, als mit einer Erziehungsanstalt zu tun hat, starke Szenen. Obwohl die einzelnen Charaktere blass und austauschbar bleiben. Später gibt es mehrere Szenen, die wohl als Metapher gedacht waren, aber im Rahmen eines realistischen Dramas abstrus wirken. Zum Beispiel wenn Wolfgang mit einem anderen Zögling in das Moor flüchtet und sie im Kreis laufen, ohne es zu bemerken.
Es gibt auch keine Verknüpfung von der damaligen Erziehung, der sich ändernden Gesellschaft, der Jugendrevolte (die sich in den Großstädten austobte, während das platte Land noch im Tiefschlaf lag) und der Gegenwart (in der wieder über geschlossene Heime für schwer erziehbare Jugendliche gesprochen wird).
„Freistatt“ ist auch ein Reigen, der trotz der genauen Datierung von Ort und Zeit seltsam aus der Zeit gefallen ist. Denn ohne den Hinweis, dass die Geschichte 1968 spielt, könnte sie auch Jahrzehnte früher spielen. Brummund sagt zwar, sie habe die Gleichzeitigkeit zwischen Studetenrevolte und der Fortschreibung eines institutionalisierten Missbrauchs in Heimen und Institutionen fasziniert, aber Faszination allein ergibt keinen guten Film. Sie muss in eine packende Geschichte übersetzt werden.
Das Ende des Films zeigt eindrücklich, dass Brummund nicht wusste, was er erzählen wollte. Ein Film sollte genau dann enden, wenn die Geschichte erzählt ist. Er sollte mit der Botschaft des Films enden. Keine Sekunde früher, aber auch keine Sekunde später. Brummund bietet drei Enden an, von denen nur das erste Ende überzeugt und zum Nachdenken anregt. Es zeigt Wolfgang am Ende seiner aus Sicht der Heimleitung erfolgreichen Erziehung: jetzt darf er am Tisch über die Neuankömmlinge bestimmen, wie einige Monate früher über ihn bestimmt wurde. Er ist ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft. Ein Untertan. Nach diesem Ende kommen dann noch zwei weitere Szenen, die ebenfalls die Geschichte von Wolfgang beenden, aber das vorherige Ende und auch die Filmgeschichte verraten; – wenn sie denn eine eindeutige Position gehabt hätten.
Und es ist keine gute Idee, einen Film komplett überbelichtet zu präsentieren.
Freistatt (Deutschland 2014)
Regie: Marc Brummund
Drehbuch: Marc Brummund, Nicole Armbruster
mit Louis Hofmann, Alexander Held, Max Riemelt, Katharina Lorenz, Stephan Grossmann, Uwe Bohm
Länge: 108 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Homepage zum Film
Filmportal über „Freistatt“
Film-Zeit über „Freistatt“
Moviepilot über „Freistatt“
Wikipedia über „Freistatt“ und Freistatt
TV-Tipp für den 26. Juni: Terminator 2 – Tag der Abrechnung
Juni 26, 2015Als Vorbereitung für „Terminator: Genisys“, der am 9. Juli anläuft
sehen wir noch einmal
RTL II, 20.15
Terminator 2 – Tag der Abrechnung (USA 1991, Regie: James Cameron)
Drehbuch: James Cameron, William Wisher Jr.
Genialer Plan: um John Connor, den zukünftigen Anführer der Widerstandsbewegung gegen die Roboter, zu beseitigen, schicken sie einen T-1000-Roboter in die Vergangenheit (also die Gegenwart) zurück. Er soll Connor töten. Und Connor schickt einen T-800 zurück. Den kennen wir noch aus dem ersten „Terminator“-Film, als er Connors Mutter töten sollte, aber jetzt kämpft er im Team der Guten.
Eine der wenigen gelungenen Fortsetzungen und ein Kassenknüller.
„Actionkino auf der Höhe des im Kino derzeit Möglichen, rasant, packend und innovativ.“ (Fischer Film Almanach 1992)
Debüt von Edward Furlong.
mit Arnold Schwarzenegger, Robert Patrick, Edward Furlong, Linda Hamilton, Earl Boen, S. Epatha Merkerson, Xander Berkeley
Hinweise
Rotten Tomatoes über „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“
Wikipedia über „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“ (deutsch, englisch)
TV-Tipp für den 25. Juni: Tod einer Polizistin
Juni 24, 2015
ZDFneo, 20.15
Tod einer Polizistin (Deutschland 2013, Regie: Matti Geschonneck)
Drehbuch: Magnus Vattrodt, Bernd Lange
Polizistenmörder Frank benutzt eine Anhörung zur Flucht aus dem Gefängnis. Während die Berliner Polizei nach ihm fahndet, will er sich an den Menschen rächen, die ihn damals ins Gefängnis brachten. Ganz oben auf seiner Liste ist der legendäre Kommissar Theweleit.
Spannender Krimi mit gut aufgelegten Darstellern und einigen Twists; vor allem nachdem eine junge Polizistin sich noch einmal den alten Fall ansieht.
mit Götz George, Jürgen Vogel, Rosalie Thomass, Uwe Kockisch, Uwe Preiss, Michael Schenk, Therese Hämer
Hinweise
Filmportal über „Tod einer Polizistin“
Wikipedia über „Tod einer Polizistin“
Superhelden und Geschlechtsverkehr? „Sex“ und „Sex Criminals“ geben Antworten
Juni 24, 2015Solange Superheldencomics Kinderkram waren, die man nach der Pubertät nicht mehr anrührte (außer natürlich um die Hefte zu utopischen Summen als Sammlerstück zu kaufen oder zu verkaufen), stellte sich die Frage nach dem Geschlechtsverkehr, und wie er dargestellt werden kann, nicht. Superman, Batman undsoweiter haben zwar eine Freundin (will ja jeder Teenie haben), oft ist die Beziehung auch etwas problematisch (Soll ich sie ansprechen? Wenn ja: wie? Immerhin bin ich der kleine picklige Typ mit der Brille und nicht dieser andere Typ.), aber die Sache mit Heirat, Sex, Kinder kriegen und Familienvater sein (in dieser Reihenfolge) stand nie zur Debatte. Das änderte sich auch in den letzten Jahren, als die Comics erwachsen wurden (wie man so sagt, wenn die Geschichten länger, komplexer und düsterer werden und die Geschichten immer stärker ethische und politische Fragen, die auch die Tagespolitik bestimmen, behandelen ohne alte Feindbilder platt zu wiederholen). Und dennoch: die Triebe des Helden konzentrierten sich auf die Verbrechensbekämpfung. So als sei Sex etwas aus einer anderen Dimension.
Nun, mit „Sex“ und „Sex Criminals“ wird auch an dem Sex-Tabu gerüttelt und das Ergebnis fällt, noch, ernüchternd aus. Denn beide Comics wirken, als ob die Macher einfach einige knallige Sexszenen in eine Standardsuperheldengeschichte einfügten und sich dann zufrieden zurücklehnten. Der Trick hat ja auch früher funktioniert, als man in einen banalen Film eine saftige Sexszene reinknallte, einen Skandal provozierte und utopische Einnahmen hatte.
In „Sex“ von Autor Joe Casey und Zeichner Piotr Kowalski kehrt Simon Cooke nach einer Auszeit in seine Heimatstadt Saturn City (yeah, Sin City, Gotham City, New York) zurück. Er ist Konzernchef (naja, irgendwie Bruce Wayne) und war früher der Kettenheilige, manchmal auch nur der Heilige (Batman) und auch bei ihm war die Verbrechensbekämpfung nicht sonderlich erfolgreich. Denn die Bösewichter sind immer noch da.
Und Cooke hat eine Freundin/Geliebte: Annabelle Lagravenese (aka „Schattenluchs“), die als Bordellchefin mit Escort-Service ihr Geld verdient, wenn sie nicht gerade im Catwoman-Stil über die Dächer springt.
Im ersten „Sex“-Sammelband versucht Simon Cooke mit seinem bürgerlichem Leben zurechtzukommen und alles das nachzuholen, was er als junger Superheld nicht tun konnte. Was vor allem die Sache mit den drei Buchstaben ist. Aber er zweifelt, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat und natürlich hängt er immer noch an seiner ersten Liebe Annabelle.
Das ist dann, wenn wir im „Batman“-Kosmos bleiben, doch nur ein weiteres „Batman“-Abenteuer, aufgehübscht mit viel nackter Haut (keine Angst, vor allem die Bösewichter haben Sex) und daher ziemlich konventionell, aber durchaus gelungen, im bekannten Fahrwasser.
Bei „Sex Criminals“ von Autor Matt Fraction und Zeichner Chip Zdarsky, das 2014 den Eisner-Preis als Beste neue Serie erhielt, begeisterte mich dieser Satz aus dem Klappentext: „Also tun sie, was jedes vernünftige Paar tun würde, das die Welt einfrieren kann, wenn es Sex hat: Die beiden ziehen los und rauben eine Bank aus.“
Das tun Suzie und Jon auch. Immerhin steht die Zeit still, wenn sie einen Orgasmus haben und in dieser Zeit können sie, wie sie uns vor dem ersten Bankraub erzählen, ganz viele Dinge erledigen. Dummerweise haben noch andere Menschen diese Fähigkeit und schnell verfolgen einige engelsweiß eingekleidete Polizisten das Liebespaar.
Wie bei „Sex“ ist bei „Sex Criminals“, wenigstens im ersten Sammelband, die Sache mit dem Sex noch ein Gimmick, der der Geschichte keine umwerfend neue Dimension verleiht. Denn verbrecherische Superhelden gibt es schon einige und dass gute und böse Superhelden miteinander im Clinch liegen, ist jetzt auch nicht neu. Dass in „Sex Criminals“ dieser Kampf in eine andere Dimension verlegt wird – nun, ja, mal sehen, wie es weitergeht.
Aber vielleicht wäre ich als prüder Amerikaner auch schockierter über die nackten Tatsachen und, vor allem in „Sex“, dem respektlosen Spiel mit dem Superheldengenre. Wir Europäer sind da ja einiges gewohnt.
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Joe Casey (Autor)/Piotr Kowalski (Zeichner): Sex – Ein steifer Sommer (Band 1)
(übersetzt von Marc-Oliver Frisch)
Panini, 2014
160 Seiten
17,99 Euro
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Originalausgabe
The Summer of Hard
Image, 2013
(enthält Sex 1 – 8)
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Hinweise
Image Comics über Joe Casey
Wikipedia über Joe Casey
Meine Besprechung von Todd McFarlane (Autor)/Joe Casey (Autor)/Nathan Fox (Zeichner) „Haunt – Band 5“ (Haunt # 23 – 28, 2013)
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Matt Fraction (Autor)/Chip Zdarsky (Zeichner): Sex Criminals – Guter Sex zahlt sich aus: Komm, Welt (Band 1)
(übersetzt von Marc-Oliver Frisch)
Panini, 2015
140 Seiten
16,99 Euro
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Originalausgabe
One weird Trick
Image, 2014
(enthält Sex Criminals 1 – 5, September 2013 – März 2014)
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Hinweise
Homepage von Matt Fraction
Homepage von Chip Zdarsky
Wikipedia über „Sex Criminals“
TV-Tipp für den 24. Juni: Hannas Reise
Juni 24, 2015
ARD, 20.15
Hannas Reise (Deutschland/Israel 2013)
Regie: Julia von Heinz
Drehbuch: John Quester, Julia von Heinz (frei nach Motiven von Theresa Bäuerleins Roman „Das war der gute Teil des Tages“)
Das ist jetzt nicht nett von uns, aber wir gönnen Hanna, dieser karrieregeilen BWL-Zicke, die von ihrer Mutter nur eine Bescheinigung über ein Praktikum abholen wollte, das Praktikum in Israel in einer Behinderteneinrichtung. Das wird die Schnepfe hoffentlich erden.
Ansehen lohnt sich, auch wenn die vorhersehbare Geschichte ihre Probleme hat, die ich hier ausführlicher besprochen habe.
mit Karoline Schuch, Doron Amit, Max Mauff, Lore Richter, Trystan Pütter, Lia König, Suzanne von Borsody
Wiederholung: Donnerstag, 25. Juni, 00.20 Uhr (Taggenau!)
Hinweise
Moviepilot über „Hannas Reise“
Meine Besprechung von Julia von Heinz‘ „Hannas Reise“ (Deutschland/Israel 2013)
Kaufen???
Juni 23, 2015Eben via Variety erfahren: James Ellroy (ja, genau DER James Ellroy!) verkauft sein in den Hügeln von Hollywood liegendes Haus, in dem er die letzten drei Jahr lebte. Es kostet natürlich eine Kleinigkeit (so 1,4 Millionen), aber, hey, es ist das Haus von Misterrr James Ellroyyy!!!
Und so sieht die Bude aus:
TV-Tipp für den 23. Juni: Ein neuer Tag im Paradies
Juni 23, 2015
ZDFkultur, 21.50
Ein neuer Tag im Paradies (USA 1998, Regie: Larry Clark)
Drehbuch: Christopher B. Landon, Stephen Chin
LV: Eddie Little: Another Day in Paradise, 1998 (Ein neuer Tag im Paradies)
Empfehlenswertes, unsentimentales, hartes und schon lange nicht mehr gezeigtes Gangster-Roadmovie und Erziehungsgeschichte mit James Woods und Melanie Griffith als Ersatz-Eltern.
Eddie Little (25. August 1955 – 20. Mai 2003) verarbeitete in seinem Debütroman „Another Day in Paradise“ autobiographische Erlebnisse. Er war ein Drogensüchtiger und Krimineller.
Mit James Woods, Melanie Griffith, Vincent Kartheiser, Natasha Gregson Wagner, James Otis, Peter Sarsgaard, Lou Diamond Phillips (Cameo)
Wiederholung: Mittwoch, 24. Juni, 01.05 Uhr (Taggenau!)
Hinweise
Rotten Tomatoes über “Ein neuer Tag im Paradies”
Wikipedia über “Ein neuer Tag im Paradies”
L. A. Weekly (Johnny Angel): Paradise Lost (über den Film, Little und Clark; 24. Dezember 1998)
Los Angeles Times (Mary Rourke): Nachruf auf Eddie Little (23. Mai 2003)
Krimineller Rundumschlag mit Toten, Polizisten und einem Privatdetektivinnen-Duo
Juni 22, 2015Machen wir wieder einen kleinen Rundumschlag mit vier Kriminalromanen, die mir alle, auch wenn ich sie gleich mehr oder weniger stark kritisiere, gefallen haben. Außerdem begegnen wir einigen alten Bekannten, deren neue Fälle ohne Kenntnis der vorherigen Romane gelesen werden können und das Privatleben der Ermittler wird angenehm kurz gehalten. .
Beginnen wir in good old England, der Heimat des Häkelkrimis, die uns schon seit einigen Jahren mit ziemlich düsteren Werken beglückt. Ziemlich am Anfang von diesem Strang, der irgendwann das Label „Tartan Noir“ erhielt, stand William McIlvanney mit seinen drei Laidlaw-Romanen, die schnell für ihre literarischen Qualitäten gerühmt wurden. Aber weil er ungefähr so produktiv wie Filmregisseur Terrence Malick in seinen besten Jahren war, blieb McIlvanney ein Insidertip.
In seinem zweiten Laidlaw-Roman sucht Detective Inspector Jack Laidlaw den Mörder von Eck Adamson, einem obdachlosem Säufer, der auch ein Polizeispitzel war. Laidlaw glaubt, dass jedes Leben zählt und daher auch kein Mörder frei herumlaufen darf. Auch wenn er lange Zeit erfolglos im Nebel herumstochert und er sich fragt, welche Verbindung es zwischen Adamson und Tony Veitch gab. Veitch ist ein aus vermögendem Haus stammender Student, der auch von einigen Gangster gesucht wird, weil sie ihn mit einem Heiratsschwindel (keine Panik, das erfahrt ihr schon auf den ersten Seiten) erpressen wollen.
Während der erste Laidlaw-Roman „Laidlaw“ eine Menschenjagd und ein Wettlauf gegen die Zeit war, ist „Die Suche nach Tony Veitch“ die doch ziemlich zäh erzählte Suche nach einem Mörder und auch nach einem Fall. Denn Laidlaw und sein Kollege Harkness beschäftigen sich mit einem Fall, der nur durch Laidlaws Sturheit, der einfach weiterermittelt, bis er irgendetwas findet, zu einem Fall wird. Deshalb plätschert die Geschichte nach einem flotten Beginn fast bis zum Ende ohne große Überraschungen vor sich hin. Das begeistert dann nicht wirklich, auch wenn der damals als bester Roman für den Edgar nominierte Krimi etliche gelungene und philosophische Betrachtungen über die in Glasgow verschiedenen Schichten und Subkulturen zugehörigen Menschen bietet.
So überzeugt „Die Suche nach Tony Veitch“ vor allem als atmosphärisches Porträt einer Stadt, ihrer Bewohner und einer Zeit, als Menschen nicht ständig erreichbar waren.
Der dritte Laidlaw-Roman „Falsche Treue“ erscheint im Herbst.
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William McIlvanney: Die Suche nach Tony Veitch
(übersetzt von Conny Lösch)
Kunstmann, 2015
320 Seiten
19,95 Euro
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Originalausgabe
The Papers of Tony Veitch
Hodder & Stoughton, 1983
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Die Übersetzung folgt der 2013 bei Canongate Books erschienenen Ausgabe des Romans.
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Hinweise
Homepage von William McIlvanney
Wikipedia über William McIlvanney (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von William McIlvanneys „Laidlaw“ (Laidlaw, 1977)
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Wo Geld ist, gibt es auch Verbrechen. Diese Binsenweisheit scheint, jedenfalls wenn man sich die Krimis ansieht, in denen Fußball eine Rolle spielt, für den Fußball nicht zu gelten. Denn es gibt erstaunlich wenige Krimis, die sich mit schmutzigen Geschäften im und um das Fußballspiel beschäftigen. Spontan fällt mir nur Friedhelm Werremeiers „Platzverweis für Trimmel“ (1972, überarbeitete Neuausgabe 1985) ein. Zur Fußball-WM in Deutschland gab es auch einige Krimis, in denen Fußball wichtig war und die ich nicht gelesen oder schon vollkommen vergessen habe.
Dabei gibt es im und um ein Fußballstadion alles, was das Herz für eine zünftige Kriminalgeschichte begehrt. Und genau deshalb ist Dominique Manottis neuer Roman „Abpfiff“ (der 1990 spielt und in Frankreich bereits 1998 erschien) eine so gelungene Ausnahme. Bei ihr ist der kurz vor dem Aufstieg stehende Fußballverein ein Teil des Kapitalismus und der Kleinstadtpolitik, in der Vereinsvorstand, Politik und Wirtschaft untrennbar miteinander verflochten sind.
Dabei glaubt Commissaire Daquin (zuletzt „Zügellos“), dass die Spur zum FC Lisle-sur-Seine eine im Nichts verlaufende Spur ist. Denn es ist auf den ersten Blick zu unglaublich, dass der Mord auf offener Straße nicht seinem Kollegen Romero vom Pariser Drogendezernat, sondern Nadine, einer jungen Frau, die mit ihrem Bruder im Stadion des Vereins lebt, galt.
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Dominique Manotti: Abpfiff
(übersetzt von Andrea Stephani)
Ariadne Kriminalroman, 2015
240 Seiten
17 Euro
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Originalausgabe
Kop
Éditions Payot & Rivages, 1998
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Hinweise
Krimi-Couch über Dominique Manotti
Wikipedia über Dominique Manotti (deutsch, französisch) und Bernie Madoff
Meine Besprechung von Dominique Manottis „Zügellos“ (À nos Chevaux!, 1997)
Meine Besprechung von Dominique Manottis „Ausbruch“ (L’évasion, 2013)
Meine Besprechung von Dominique Manottis „Madoffs Traum“ (La rêve de Madoff, 2013)
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Da hat Lotte Weiland aber Pech gehabt. Zuerst wird sie im Bundestag fast beim Datendiebstahl erwischt und dann wird sie in einer Damentoilette von einem Mann ermordet. Der nimmt sich dann auch gleich den USB-Stick mit den Daten und sagt seinem Auftraggeber, dem Bundestagsabgeordneten Nils Janssen, dass die Sache erledigt sei. Janssen leitet einen Ausschuss, der die Kosten für den Atomausstieg klären soll und der deshalb von vielen Lobbyisten beehrt wird.
Weil das auf den ersten Seiten von Rainer Wittkamps drittem Roman „Frettchenland“ passiert, ist natürlich mit dem Mord an der polizeilichen Personenschützerin überhaupt nichts erledigt. Kommissar Martin Nettelbeck vom Landeskriminalamt soll den Mörder suchen. Rico Hoyer, der beim LKA in der Abteilung Wirtschaftskriminalität arbeitet und Lottes Freund ist, beginnt ebenfalls, aus ziemlich eigennützigen Motiven, mit der Mörderjagd. Und Lottes Großmutter Luise Weiland kann nicht akzeptieren, dass Lotte tot ist. Zusammen mit Yasser Al-Shaker, ihrem Mädchen für alles, beginnt sie mit der Mörderjagd. Dass sie Geld und gute Beziehungen hat und früher Schützenkönigin war, hilft ihr. Und dann gibt es noch einige Politiker und Mitarbeiter, die die Tote für ihre Karriere benutzen wollen.
Nachdem Wittkamps erster Nettelbeck-Krimi „Schneckenkönig“ ein vielversprechender, wenn auch etwas brav in Richtung TV-Krimi geplotteter Krimi war, geht es dieses Mal in Richtung Ross Thomas und, auch wenn Wittkamp nicht die Qualität von Thomas erreicht, ist „Frettchenland“ ein herrlich illusionsloser und empörungsfreier Polit-Thriller, in dem Kommissar Nettelbeck als Nebenfigur vor allem mit dem Aufsammeln von Unrat beschäftigt ist. Privat geht es ihm dafür gut: er ist mit Philomena zusammengezogen und ihre Kinder verkleinern seine Jazz-LP-Sammlung.
Ach ja: es ist wirklich angenehm, dass ein Jazz-Liebhaber nicht nur die üblichen Verdächtigen (Charlie Parker, Miles Davis, John Coltrane), sondern auch zeitgenössische Jazzer, wie Ray Anderson, Conny Bauer, Trombone Shorty (aktueller geht es kaum) und Joseph Bowie (den er während eines Konzertes mit seiner Band „Defunkt“ entdeckte) hört. Er überlegt sogar, ob ein singender Nils Landgren für ihn hörbar ist.
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Rainer Wittkamp: Frettchenland
grafit, 2015
224 Seiten
9,99 Euro
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Hinweis
Meine Besprechung von Rainer Wittkamps „Schneckenkönig“ (2013)
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Lenina Rabe ist zurück. Ihr letzter Fall „Schneewittchens Sarg“ erschien 2007. Danach schrieb Robert Brack einige historische Kriminalromane, die mir alle gefallen haben und so wirklich habe ich nicht mehr mit einem neuen Rabe-Krimi gerechnet. Dennoch hat Brack es zwischen all seinen anderen Arbeiten geschafft, die ziemlich linke Dame mit „Die drei Leben des Feng Yun-Fat“ in ein neues Abenteuer zu schicken.
Inzwischen hat Lenina Rabe mit Nadine Adler eine Detektei mit Blick auf den Hafen eröffnet. Sie schlagen sich mehr schlecht als recht durch, aber sie sind nicht auf den Mund gefallen, weshalb ein großer Teil des Romans aus Dialogen besteht.
Für Feng Yun-Fat, den Besitzer des China-Restaurants „Hongkong-Drache“ in Hamburg Altona, der gerne ein Nobelrestaurant eröffnen möchte, sollen sie seinen verschwundenen Koch Wang Shuo (der sich manchmal auch Mang Liu nennt) suchen. Was leichter gesagt, als getan ist. Nicht nur wegen der Sprachbarriere.
Robert Brack, der auch einige Romane von Robert B. Parker übersetzte, wildert hier, obwohl „Die drei Leben des Feng Yun-Fat“ in der dritten Person geschrieben ist, stark im Spenser-Territorium. Dialoge treiben die Geschichte voran. Es wird geblödelt und gewitzelt. Gerne gegen das Kapital und den Kapitalismus. Die Geschichte wird eher zur Nebensache, Hamburg als Hamburg ebenso (obwohl viel Hafenflair vorhanden ist) und eigentlich ist der verschwundene Wang Shuo und die von ihm gegründete Vereinigung von chinesischen Köchen, die in Deutschland quasi als Leibeigene leben, der Hauptcharakter. Sie legen sich mit ihren Chefs, der Mafia und dem Staat an.
„Die drei Leben des Feng Yun-Fat“ ist kurzweilige Privatdetektiv-Krimi-Unterhaltung, die auch vegan und vegetarisch Spaß macht. Da kann ruhig vor dem nächsten Jahrzehnt der nächste Lenina-Rabe-Fall erscheinen.
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Robert Brack: Die drei Leben des Feng Yun-Fat
Edition Nautilus, 2015
192 Seiten
14,90 Euro
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Hinweise
Meine Besprechung von Robert Bracks „Schneewittchens Sarg“ (2007)
Meine Besprechung von Robert Bracks „Und das Meer gab seine Toten wieder” (2008)
Meine Besprechung von Robert Bracks „Psychofieber” (1993, Neuausgabe 2008)
Meine Besprechung von Robert Bracks „Blutsonntag“ (2010)
Meine Besprechung von Robert Bracks „Unter dem Schatten des Todes“ (2012)
TV-Tipp für den 22. Juni: Saskatchewan
Juni 22, 2015
Arte, 20.15
Saskatschewan (USA 1954, Regie: Raoul Walsh)
Drehbuch: Gil Doud
Fort Saskatchewan: die Bleichgesichter befürchten, dass die Sioux und die Cree-Indianer sich miteinander verbünden. Also muss etwas getan werden. Aber Sergeant O’Rourke zweifelt und – ach, eigentlich haben wir diese Story schon hundertmal gesehen.
„Ein Film in schönen Farben und mit der hässlichen Moral, dass es als Happy-End ausreicht, wenn man Indianer gegen Indianer hetzt.“ (Joe Hembus: Das Western-Lexikon)
Raoul Walsh über den Film: „Bei diesem Film ging alles schief. (…) Ja, die Story war wirklich uninteressant. Aber die kanadischen Landschaften waren wunderbar. Ich habe versucht, ihre ganze Schönheit einzufangen.“
Extrem selten gezeigter Western
mit Alan Ladd, Shelley Winters, Robert Douglas, Hugh O’Brian, Richard Long
Hinweise
Arte über den Film
Turner Classic Movies über „Saskatschewan“
Wikipedia über „Saskatschewan“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Raoul Walshs „Der große Treck“ (The big Trail, USA 1930)
Meine Besprechung von Raoul Walshs “Drei Rivalen” (The Tall Men, USA 1955)
TV-Tipp für den 21. Juni: Southside Festival
Juni 21, 2015Eins Plus, 17.15
Southside Festival
Bis wenige Minuten vor Mitternacht wird gerockt bis die Hütte kracht und die Nachbarn taub sind.
Mehr Infos bei SWR Das Ding (da gibt es schon einige Bilder, Texte, Videos und auch einen Livestream), Eins Plus (noch ein Livestream; keine weiteren Informationen) und auf der Festivalhomepage (die auch einen Livestream haben).