Nein, wirklich gelungen ist Tomasz Thomsons „Snowman’s Land“ nicht. Und dabei fängt es für Genrejunkies und Freunde des schwarzen Humors so gut an. Walter, ein desillusionierter Profikiller, der seine besten Tage hinter sich hat, vermasselt seinen letzten Job so gründlich, dass man glaubt Aki Kaurismäki und die Coen-Brüder hätten Pate gestanden. Aber danach verabschieden sich Kaurismäki und die Coens und, obwohl die weitere Geschichte irgendwo in der schneeverwehten osteuropäischen Einöde spielt, stammt das gesamte Personal und der Humor aus den deutschen Deppengangsterkomödien à la „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“, die in ihren lichten Momenten Ami-Filmgangstern nacheifern, aber meistens wie das Personal für eine Nachmittagstalkshow wirken.
Denn bis sich die Situation beruhigt hat, soll Walter in eine Hotel im Osten (genaugenommen 2340 Kilometer ostwärts oder irgendwo im nirgendwo) einige Tage untertauchen und dem legendären Verbrecher Berger bei irgendetwas helfen. Auf seiner Fahrt zum Arsch der Welt, in einem Auto das schon den vorletzten TÜV nicht mehr überlebte, trifft er seinen alten Kumpel Micky, einen anderen Auftragskiller, der mental leicht labil ist und in viel zu dünnen Klamotten durch den Schnee zu Bergers Hotel stampft. In dem stillgelegten Hotel werden sie von Bergers Freundin Sibylle erwartet. Sie nimmt die beiden Jungs betont unherzlich auf und düst erst einmal ab in die Stadt. Walter und Micky schlagen sich die Zeit auf Männerart tot: Schlitten fahren, saufen, TV gucken, sich nerven und auf Berger warten.
Als Sibylle zurückkommt, beginnt sie sich mit Micky zu Vergnügen. Alkohol und Drogen erleichtern das näherkommen. Walter ahnt schon das drohende Unheil und als Sibylle sich eher zufällig erschießt, haben die beiden Killer ein Problem, das sie pragmatisch lösen. Sie verbuddeln die Leiche im Wald und belügen Berger, als dieser sie nach seiner Freundin fragt. Doch allzu lange lässt Berger, der auch einen Sprung in der Schüssel hat, sich nicht hinhalten. Er foltert Walter und Micky, weil er glaubt, dass sie Sibylle entführt haben und von ihm jetzt ein erkleckliches Lösegeld haben wollen. Dass Walter und Micky keine Lösegeldforderung stellen, stört ihn nicht weiter (soviel zu intelligenten Verbrechern). Kurz darauf glaubt er, dass die Konkurrenz seine Freundin umgebracht hat. Er will sie rächen und, weil schon ziemlich viel Filmzeit vergangen ist, eskalieren die Ereignisse in durchaus vorhersehbarer Weise.
Die krude und immer wieder unplausible Story von „Snowman’s Land“ wird von Thomson in epischer Breite erzählt. Denn für einen Spielfilm sind der Plot und die Verwicklungen einfach zu dünn. Für eine Charakterstudie sind Walter und Micky einfach zu doofe Gangster, die ziellos durch die Geschichte stolpern. Sie sind immer die von äußeren Ereignissen getriebenen, die sich freuen können, wenn sie mit heiler Haut aus der Geschichte herauskommen. Aber auch das können sie nicht beeinflussen. Und scheitern können sie auch nicht, weil sie nichts erreichen wollen.
Für eine schwarze Komödie hat „Snowman’s Land“ zu viel Leerlauf und kein wirkliches Ziel der Attacke. Denn einem Haufen Deppen zuzusehen, wie sie ziellos durch den Schnee stampfen und sich in einem renovierungsbedürftigem Hotel auf die Nerven gehen, ist nur begrenzt unterhaltsam und letztendlich gar nicht so weit weg von den gängigen deutschen Spielfilmen.
Snowman’s Land (D 2010)
Regie: Tomasz Thomson
Drehbuch: Tomasz Thomson
mit Jürgen Rißmann, Thomas Wodianka, Reiner Schöne, Eva-Katrin Hermann, Waléra Kanischtscheff, Detlef Bothe
Laufzeit: 98 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
Facebook-Seite zu „Snowman’s Land“
Film-Zeit über „Snowman’s Land“
Wikipedia über „Snowman’s Land“
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Das besondere Snowman-Ereignis
Am Freitag, den 1. Oktober, wird Reiner Schöne um 20.00 Uhr im Moviemento Kino (Kottbusser Damm 22, Berlin) bei der Vorstellung anwesend sein und alle Fragen zum Film beantworten.