TV-Tipp für den 26. März: Der schmale Grat

März 25, 2023

Arte, 21.55

Der scmale Grat (The Thin Red Line, USA 1998)

Regie: Terrence Malick

Drehbuch: Terrence Malick

LV: James Jones: The Thin Red Line, 1962 (Insel der Verdammten)

Als der Film seine Premiere hatte, waren die Kritiker begeistert und er erhielt auf der Berlinale den Goldenen Bären. Nach zwanzig Jahren präsentierte Terrence Malick seinen dritten Spielfilm: ein meditatives Drama über den Kampf um die Pazifikinsel Guadalcanal, das souverän alle Erfordernisse des Kriegsfilms und Starkinos unterläuft und wahrscheinlich genau deswegen ein äußerst präzises Bild vom Krieg liefert.

Es war auch, obwohl ich verstehen kann, wenn Menschen „Der schmale Grat“ nicht mögen (nachdem wir den Film im Unikino gezeigt hatten, meinten einige, das sei der schlechteste Film, den sie jemals gesehen hatten), Malicks letzter wirklich guter Film.

Nachdem er in dreißig Jahren drei Klassiker drehte – „Badlands – Zerschossene Träume“ (Badlands, 1973), „In der Glut des Südens“ (Days of Heaven, 1978) und „Der schmale Grat“ (The Thin Red Line, 1998) -, ruinierte er in wenigen Jahren seinen legendären Ruf gründlich. „The New World“ (USA 2005) hatte noch etwas, aber mit „The Tree of Life“ (USA 2011) und „To the Wonder“ (USA 2012) verabschiedete er sich endgültig von jeder erzählerischen Fessel zugunsten eines freien Assoziieren für eine überzeugte Gemeinschaft. Die Folgewerke „Knight of Cups“ (2015) und „Song to Song“ (2017) waren nur für seine Fanboys erträglich. Erst mit seinem bislang letztem Film „Ein verborgenes Leben“ (A hidden life, 2019) kehrte er ansatzweise zum Erzählkino zurück.

mit Sean Penn, Adrien Brody, Jim Caviezel, Ben Chaplin, George Clooney, John Cusack, Woody Harrelson, Elias Koteas, Jared Leto, Nick Nolte, John Savage, John Travolta, Nick Stahl, Miranda Otto

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der schmale Grat“

Wikipedia über „Der schmale Grat“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Terrence Malicks „To the Wonder“ (To the Wonder, USA 2012)

Meine Besprechung von Terrence Malicks „Knight of Cups“ (Knight of Cups, USA 2015)

Meine Besprechung von Terrence Malicks „Song to Song“ (Song to Song, USA 2017)

Meine Besprechung von Terrence Malicks „Ein verborgenes Leben“ (A hidden life, Deutschland/USA 2019)

Meine Besprechung von Dominik Kamalzadeh/Michael Peklers „Terrence Malick“ (2013)

Terrence Malick in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 25. März: Green Zone

März 24, 2023

Tele 5, 22.25

Green Zone (Green Zone, USA 2010)

Regie: Paul Greengrass

Drehbuch: Brian Helgeland

LV: Rajiv Chandrasekaran: Imperial Life In The Emerald City, 2006

Bagdad, April 2003: Nach der Invasion suchen US-Offizier Roy Miller und sein Team die Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein, die ja damals der offizielle Kriegsgrund waren.

Gelungener Mix aus Polit-Thriller und Kriegsfilm von Paul Greengrass und Matt Damon, die auch für die „Bourne“-Filme verantwortlich sind.

mit Matt Damon, Jason Isaacs, Amy Ryan, Greg Kinnear, Brendan Gleeson

Wiederholung: Sonntag, 26. März, 02.50 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Green Zone“

Wikipedia über „Green Zone“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Paul Greengrass’ “Captain Phillips” (Captain Phillips, USA 2013)

Meine Besprechung von Paul Greengrass‘ „Jason Bourne“ (Jason Bourne, USA 2016)


Lola, hier sind die Nominierungen für den Deutschen Filmpreis 2023

März 24, 2023

Heute wurden die Nominierungen für den diesjährigen Deutschen Filmpreis vorgestellt und, im Gegensatz zu früheren Jahren, sind fast alle nominierten Filme bereits jetzt im Kino gestartet. Die Ausnahmen sind „Sisi & Ich“ und „The Ordinaries“, die beide am 30. März anlaufen, und „Das Lehrerzimmer“, der am 4. Mai anläuft. Das ist noch vor der vom ZDF übertragenen Prreisverleihung am Freitag, den 12. Mai.

Nominiert sind:

Bester Spielfilm

Holy Spider (Sol Bondy, Jacob Jarek)

Im Westen nichts Neues (Malte Grunert)

Das Lehrerzimmer (Ingo Fliess)

Rheingold (Fatih Akin, Nurhan Şekerci-Porst, Herman Weigel)

Sonne und Beton (Fabian Gasmia, David Wnendt)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (Janine Jackowski, Jonas Dornbach, Maren Ade)

Bester Dokumentarfilm

Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen (Martina Haubrich, Claudia Wohlgenannt)

Kalle Kosmonaut (Tine Kugler, Günther Kurth)

Liebe, D-Mark und Tod – Aşk, Mark ve Ölüm (Claus Reichel, Mehmet Akif Büyükatalay, Florian Schewe, Stefan Kauertz)

Bester Kinderfilm

Mission Ulja Funk (Roshanak Behesht Nedjad)

Der Räuber Hotzenplotz (Jakob Claussen, Uli Putz)

Beste Regie

Holy Spider (Ali Abbasi)

Im Westen nichts Neues (Edward Berger)

Das Lehrerzimmer (Ilker Çatak)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (Sonja Heiss)

Bestes Drehbuch

Das Lehrerzimmer (Johannes Duncker, Ilker Çatak)

Meinen Hass bekommt ihr nicht (Jan Braren, Marc Blöbaum, Kilian Riedhof)

Sonne und Beton (David Wnendt, Felix Lobrecht)

Beste weibliche Hauptrolle

Zar Amir Ebrahimi (Holy Spider)

Leonie Benesch (Das Lehrerzimmer)

Sandra Hüller (Sisi & Ich)

Beste männliche Hauptrolle

Mehdi Bajestani (Holy Spider)

Felix Kammerer (Im Westen nichts Neues)

Charly Hübner (Mittagsstunde)

Beste weibliche Nebenrolle

Ulrike Kriener (Einfach mal was Schönes)

Jördis Triebel (In einem Land, das es nicht mehr gibt)

Hildegard Schmahl (Mittagsstunde)

Beste männliche Nebenrolle

Albrecht Schuch (Im Westen nichts Neues)

Clemens Schick (Servus Papa, See you in Hell)

Karl Markovics (Was man von hier aus sehen kann)

Beste Kamera / Bildgestaltung

Im Westen nichts Neues (James Friend)

Das Lehrerzimmer (Judith Kaufmann)

Sisi & Ich (Thomas W. Kiennast)

Bester Schnitt

Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen (Mechthild Barth)

Im Westen nichts Neues (Sven Budelmann)

Das Lehrerzimmer (Gesa Jäger)

Sonne und Beton (Andreas Wodraschke)

Beste Tongestaltung

Im Westen nichts Neues (Frank Kruse, Markus Stemler, Viktor Prášil, Lars Ginzel, Alexander Buck)

Sisi & Ich (Marco Teufen, Paul Rischer, Gregor Bonse)

Sonne und Beton (Paul Rischer, Jan Petzold)

Beste Filmmusik

Im Westen nichts Neues (Volker Bertelmann)

Das Lehrerzimmer (Marvin Miller)

Tausend Zeilen (Ralf Wengenmayr)

Wir sind dann wohl die Angehörigen (The Notwist)

Bestes Szenenbild

Im Westen nichts Neues (Christian M. Goldbeck)

The Ordinaries (Josefine Lindner, Max-Josef Schönborn)

Der vermessene Mensch (Sebastian Soukup)

Bestes Kostümbild

Im Westen nichts Neues (Lisy Christl)

In einem Land, das es nicht mehr gibt (Regina Tiedeken)

Sisi & Ich (Tanja Hausner)

Bestes Maskenbild

Im Westen nichts Neues (Heike Merker)

In einem Land, das es nicht mehr gibt (Annett Schulze, Dorit Jur, Ines Ransch)

Seneca (Julia Böhm, Friederike Schäfer)

Beste visuelle Effekte

Im Westen nichts Neues (Frank Petzold, Viktor Müller, Markus Frank)

Die Schule der magischen Tiere 2 (Dennis Rettkowski, Tomer Eshed, Markus Frank)

The Ordinaries (Johannes Blech)

Besucherstärkster Film

Die Schule der magischen Tiere 2

Ehrenpreis

Volker Schlöndorff


Neu im Kino/Filmkritik: Über Lars Kraumes „Der vermessene Mensch“

März 24, 2023

Die deutsche Kolonialgeschichte ist kurz, aber nicht weniger ausbeuterisch, blutig und menschenverachtend als die anderer Kolonialmächte. Und sie ist, abgesehen von aktuellen, primär in Fachkreisen geführten Restitutionsdebatten, ziemlich vergessen. Literarisch und filmisch erschöpft sich die Beschäftigung mit der deutschen Kolonialgeschichte in Uwe Timms Roman „Morenga“ (1978), Egon Günthers gleichnamiger TV-Verfilmung von 1985, Gerhard Seyfrieds Roman „Herero“ (2003) und jetzt Lars Kraumes „Der vermessene Mensch“.

Kraume erzählt, nach seinem Drehbuch, die Geschichte von Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher). Als junger Ethnologe begegnet er während der Deutschen Kolonialausstellung in Berlin 1896 erstmals aus der Kolonie Deutsch-Südwestafrika (dem heutigen Namibia) kommenden Herero und Nama. Im Rahmen der damals allgemein akzeptierten Rassenlehre, nach der es verschiedene Rassen gibt, die verschieden intelligent sind, beginnen er und seine Kollegen die Köpfe der Schwarzen zu vermessen. Sie wollen so wissenschaftlich beweisen, dass die in Häusern lebenden Weißen größere Köpfe haben und intelligenter als die im Busch lebenden Schwarzen sind.

Im Gegensatz zu seinen Kollegen und seinem Chef, Professor von Waldstätten (Peter Simonischek), zweifelt Hoffmann an der Rassenlehre. Außerdem ist der Junggeselle beeindruckt von Kezia Kambazembi (Girley Charlene Jazama), der eloquenten Dolmetscherin der Besuchergruppe. Sie gefällt ihm viel besser als die Frauen, die ihm seine Mutter als künftige Ehefrauen vorstellt. Und Kambazembi scheint seine Gefühle zu erwidern.

Nach dem Ende der Berliner Kolonialausstellung fährt Kambazembi mit ihrer Reisegruppe zurück in die Kolonie.

Acht Jahre später kommt es in Deutsch-Südwestafrika zu Aufständen der Einheimischen gegenüber den Deutschen. Für Hoffmann ist das die Gelegenheit, als Forscher nach Deutsch-Südwestafrika zu fahren, Schädel und Artefakte für die Forschung zu sammeln und wieder Kambazembi zu treffen. Schnell wird er Zeuge eines gnadenlos und menschenverachtend geführten Vernichtungskrieges der Deutschen gegenüber den Hereros und Namas, die teils massakriert, teils zum Sterben in die Wüste getrieben werden. Diesen Beginn eines Völkermords inszeniert Kraume immer FSK-12-kompatibel und für den Einsatz in der Schule und Bildungsarbeit geeignet.

Hoffmann stolpert durch das Kriegsgeschehen. Er will Kambazembi finden und vor dem Tod retten. Falls er sie überhaupt findet.

Wer jetzt befürchtet, dass „Der vermessene Mensch“ zu einer dieser klebrig-verlogenen White-Savior-Geschichten wird, kann sich beruhigt zurücklehnen. Lars Kraume unterläuft diese Erwartung immer mehr, je länger der Film dauert. Hoffmann ist in Afrika kein Retter, sondern ein ungläubig das Morden beobachtende Wissenschaftler, der an seiner Arbeit zweifelt und Gutes tun möchte. Aber letztendlich ist er nur ein passiver Beobachter, der sich fragt, ob er in der Kolonie seine aussichtsreiche wissenschaftliche Karriere opfern soll.

Kraume erzählt das, ohne seine Figuren zu verurteilen, nah an den historischen Fakten und den damaligen, heute hoffnungslos veralteten und abgelehnten Ansichten entlang. Er fällt kein Urteil über sie. Das überlässt er dem Zuschauer.

Nach „Der Staat gegen Fritz Bauer“ und „Das schweigende Klassenzimmer“, zwei Spielfilme, die sich ebenfalls gelungen mit der deutschen Vergangenheit beschäftigten, hat Lars Kraume einen weiteren sehenswerten Film über einen Teil der deutschen Vergangenheit inszeniert. In dem hübsch doppeldeutig betiteltem Drama „Der vermessene Mensch“, das die Geschichte aus der Sicht der Täter schildert, bringt er ein vergessenes, unrühmliches Kapitel der deutschen Geschichte zurück ins breite gesellschaftliche Bewusstsein. Ob und zu welchen Diskussionen er führt, werden die nächsten Wochen zeigen.

Der vermessene Mensch (Deutschland 2023)

Regie: Lars Kraume

Drehbuch: Lars Kraume

mit Leonard Scheicher, Girley Charlene Jazama, Peter Simonischek, Corinna Kirchhoff, Anton Paulus, Leo Meier, Sven Schelker, Max Koch, Ludger Bökelmann, Alexander Radszun, Michael Schenk, Tilo Werner

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Der vermessene Mensch“

Moviepilot über „Der vermessene Mensch“

Rotten Tomatoes über „Der vermessene Mensch“ (aktuell noch keine Kritik)

Wikipedia über „Der vermessene Mensch“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Der vermessene Mensch“

Meine Besprechung von Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (Deutschland 2015), mein Interview mit Lars Kraume zum Film und die DVD-Besprechung

Meine Besprechung von Lars Kraumes „Familienfest“ (Deutschland 2015)

Meine Besprechung von Lars Kraumes „Das schweigende Klassenzimmer“ (Deutschland 2018)


TV-Tipp für den 24. März: Keanu Reeves, der Rätselhafte

März 23, 2023

Arte, 22.10

Keanu Reeves, der Rätselhafte (Frankreich 2022)

Regie: Julien Dupuy

Drehbuch: Julien Dupuy

Brandneue, knapp einstündige Doku über den Mann, der John Wick ist.

Hinweise

Arte über die Doku (bis zum 21. Juni 2023 in der Mediathek)

Wikipedia über Keanu Reeves (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „John Wick: Kapitel 4“ ist aufgeschlagen

März 23, 2023

Wenige Tage nach seinem überraschenden Tod am 17. März 2023 kommt jetzt einer von von Lance Reddicks letzten Filmen ins Kino – und dieser Kinoabschied (wenn wir die laut IMDb noch kommenden Filme weglassen) ist ein würdiger Abschied. In seiner bekanntesten Rolle. Er spielt, wie in den vorherigen „John Wick“-Filmen, den Concierge des New Yorker Continental Hotels und, soviel kann gesagt werden, er hat im Film eine wichtige Rolle und eine starke letzte Szene.

Im Mittelpunkt des Actionfilms steht natürlich John Wick (Keanu Reeves). Er kämpft immer noch gegen die Hohe Kammer und den gegen ihn ausgesprochenen Tötungsbefehl. Die Hohe Kammer hat jetzt den Marquis de Gramont (Bill Skarsgård) beauftragt, John Wick zu beseitigen. Das Kammermitglied ist ein immer perfekt gekleideter, leicht schnöseliger Adliger, der keine Skrupel kennt. Rücksichtslos jagt er John Wick und lässt jeden töten, den Wick trifft. Schnell sterben Wicks Freunde und immer mehr Menschen wollen ihn töten.

Als die Situation für Wick immer aussichtsloser wird, weist Winston (Ian McShane), der Besitzer des New Yorker Continental Hotels, ihn auf eine alte Regel hin: wenn er den Marquis in einem Duell besiegt, annulliert die Hohe Kammer den Tötungsbefehl. Allerdings kann Wick den Marquis nur herausfordern, wenn er bestimmte Regeln einhält, bestimmte Fürsprecher hat und so in der Position ist, die es ihm ermöglicht, ein anderes Mitglied der Hohen Kammer zum Duell herauszufordern. Das ist die erste Hürde, die Wick überwinden muss. Danach muss er pünktlich zum Duell erscheinen, während der Marquis versucht, ihn auf dem Weg zum Duell zu töten. Er schickt unzählige Killer los. Seine Trumpfkarte ist Caine (Donnie Yen), ein blinder, sich eigentlich im Ruhestand befindender Killer und Freund von John Wick. Caine und Wick respektieren sich, weil sie gleich gut sind und eine gemeinsame Geschichte haben. Die Wildcard des Marquis ist ein namenloser Fährtenleser (Shamier Anderson), der immer von seinem Schäferhund begleitet wird und der ein eigenes Spiel spielt.

Vor zehn Jahren lernten wir John Wick in „John Wick“ kennen. Damals war er ein zurückgezogen lebender, um seine Frau trauernder legendärer Profikiller. Als einige halbstarke Gangster sein Auto klauen und seinen Hund töten, begibt er sich auf einen Rachefeldzug, bei dem mindestens eine halbe Hundertschaft Bösewichter stirbt. Der Actionthriller war ein Erfolg.

In den nächsten beiden „John Wick“-Filmen wurde aus dem kleinen B-Actionthriller, der mit seinen langen, kaum geschnittenen, mit ruhiger Kamera aufgenommenen Actionszenen Actionfans begeisterte, in jeder Beziehung mehr. Autor Derek Kolstad und Regisseur Chad Stahelski erfanden eine Parallelwelt, in der Profikiller ungestört global agieren und es ein labyrinthisches Regelwerk gibt, das die katholische Kirche vor Neid erblassen lässt. Die Action wurde spektakulärer. Die Schauplätze internationaler. Und es spielten noch mehr Stars mit. Jeder neue „John Wick“-Film war länger und teurer als der vorherige. Und erfolgreicher an der Kinokasse.

John Wick : Kapitel 4“ setzt diese Entwicklung fort. Mit einem offiziellem Budget von hundert Millionen Dollar ist er der bislang teuerste Film der Serie. Die Geschichte spielt in der jordanischen Wüste, New York, Osaka/Japan (eigentlich nur im dortigen Continental Hotel), Berlin und Paris. Mit gut drei Stunden ist der Thriller fast vierzig Minuten länger als der vorherige Film. Mit Donnie Yen, Bill Skarsgård, Scott Adkins und Hiroyuki Sanada gibt es prominente Neuzugänge. Und es gibt mehr Action. Insgesamt nennt das Presseheft vierzehn große Action-Set-Pieces (ich habe jetzt nicht nachgezählt), die alle ziemlich spektakulär sind. Das gilt für die Action an sich – es gibt Nahkämpfe, Schießereien, Schwertkämpfe, Autounfälle, Fenster- und Treppenstürze -, und für die Inszenierung. Wieder schnitt Chad Stahelski nur selten. Wieder wählt er lieber die Totale als die Nahaufnahme. Wieder ist es so möglich, die Action genau zu verfolgen und zu sehen, was die Schauspieler und Stuntmen tun. Wieder überzeugt die Farbdramaturgie.

Die Welt von John Wick war schon immer eine Fantasiewelt, die sich inzwischen eindeutig am Comic orientiert. Aber noch hat die Geschichte einem Fuß in der Realität. Wie die James-Bond-Filme oder „Fast & Furious Five“ (Fast Five, USA 2011; das war die Actionsause, in der ein Safe durch die Straßen von Rio de Janeiro gezogen wird). Das Gezeigte ist unwahrscheinlich, aber nicht vollkommen unmöglich. Wobei die im Film gezeigte Unverletztlichkeit von John Wick, trotz Kevlar-Anzug und mit Kevlar verstärktem Hemd, das alle Kugeln abprallen lässt, mythische Dimensionen hat. Während bei ihm jeder Schuss ein Treffer ist, ist bei den Bösewichtern kein Schuss ein Treffer. Und John Wick wird zwar von Autos angefahren, aber nicht verletzt.

John Wick: Kapitel 4“ liefert genau das stilvolle Actionfeuerwerk, das Fans erwarten und trotz seiner epischen Laufzeit von gut drei Stunden ist der fast dialogfreie Thriller kurzweilig, aber auch etwas redundant. Da wird geschossen, geschossen und nochmal geschossen. Da kommt noch ein Killer um die Ecke, der von einem weiteren und einem weiteren Killer gefolgt wird. Da rollt John Wick nicht einmal, sondern gleich zweimal eine sehr, sehr lange Treppe runter, ehe er sie, wie Sisyphos, wieder hochläuft. Trotzdem langweilen diese langen Actionszenen nicht. Sie treiben die Handlung voran und sie zeigen eindrucksvoll, was im Bereich des handgemachten Actionfilms möglich ist.

Das fünfte Kapitel ist schon in Arbeit.

John Wick: Kapitel 4 (John Wick: Chapter 4, USA 2023)

Regie: Chad Stahelski

Drehbuch: Shay Hatten, Michael Finch (basierend auf von Derek Kolstad erfundenen Figuren)

mit Keanu Reeves, Bill Skarsgård, Donnie Yen, Laurence Fishburne, Lance Reddick, Clancy Brown, Ian McShane, Shamier Anderson, Scott Adkins, Hiroyuki Sanada, Rina Sawayama, Natalia Tena, Sven Marquardt (Berliner Legende)

Länge: 170 Minuten

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Filmportal über „John Wick: Kapitel 4“ (weil viel in Berlin und im Studio Babelsberg gedreht wurde)

Moviepilot über „John Wick: Kapitel 4“

Metacritic über „John Wick: Kapitel 4“

Rotten Tomatoes über „John Wick: Kapitel 4“

Wikipedia über „John Wick: Kaptel 4“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Chad Stahelskis „John Wick“ (John Wick, USA 2014)

Meine Besprechung von Chad Stahelskis „John Wick: Kapitel 2“ (John Wick: Chapter 2, USA 2017)

Meine Besprechung von Chad Stahelskis „John Wick: Kapitel 3“ (John Wick: Chapter 3 – Parabellum, USA 2019) und der Blu-ray


TV-Tipp für den 23. März: Johnny Handsome

März 22, 2023

Tele 5, 22.00

Johnny Handsome – Der schöne Johnny (Johnny Handsome, USA 1989)

Regie: Walter Hill

Drehbuch: Ken Friedman

LV: John Godey: The three worlds of Johnny Handsome, 1972 (Die drei Gesichter des Johnny Handsome)

Nachdem Johnny Handsome, mit einem neuem Gesicht, aus dem Knast entlassen wird, beginnt er sich an seinen früheren Komplizen zu rächen.

Ein geradliniger, unsentimentaler, düsterer Gangsterfilm mit der Musik von Ry Cooder.

Mit Mickey Rourke, Ellen Barkin, Elizabeth McGovern, Morgan Freeman, Lance Henrikson, Forest Whitaker

Wiederholung: Freitag, 24. März, 03.40 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Johnny Handsome“

Wikipedia über „Johnny Handsome“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Walter Hills “Straßen in Flammen” (Streets on Fire, USA 1984)

Meine Besprechung von Walter Hills “Shoutout – Keine Gnade” (Bullet to the Head, USA 2013)

Walter Hill in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 22. März: Drei Tage und ein Leben

März 21, 2023

Allein schon wegen der Uhrzeit:

Arte, 20.15

Drei Tage und ein Leben (Trois jours et une vie, Frankreich 2019)

Regie: Nicolas Boukhrief

Drehbuch: Pierre Lemaitre, Perrine Margaine

LV: Pierre Lemaitre: Trois jours et une vie, 2016 (Drei Tage und ein Leben)

Kurz vor Weihnachten verschwindet in den belgischen Ardennen ein Kind. Die Suche verläuft ergebnislos. Auch weil der zwölfjährige Antoine, der weiß, was passiert ist, schweigt. Fünfzehn Jahre später kehrt er in das Dorf zurück.

Ruhiger Thriller, der an Claude Chabrols schwarzhumorige Abrechnungen mit dem französischen Bürgertum erinnert. Auch wenn die Geschichte in Belgien spielt.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Sandrine Bonnaire, Pablo Pauly, Charles Berling, Philippe Torreton, Margot Bancilhon, Jeremy Senez, Dimitri Storoge, Arben Bajraktaraj

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

AlloCiné über „Drei Tage und ein Leben“

Moviepilot über „Drei Tage und ein Leben“

Wikipedia über „Drei Tage und ein Leben“

Meine Besprechung von Nicolas Boukhriefs „Drei Tage und ein Leben“ (Trois jours et une vie, Frankreich 2019)


Cover der Woche

März 21, 2023

Weil am Sonntag der Todestag von Raymond Chandler (23. Juli 1888 in Chicago, Illinois – 26. März 1959 in La Jolla, Kalifornien) ist.

Weil Diogenes seine Bücher in einer vorzüglichen Neuediton in neuen Übersetzung wieder herausbringt. Der bislang letzte Band dieser Neuausgabe ist „Das hohe Fenster“ (The High Window, 1942). In dem Privatdetektivkrimi beauftragt Mrs. Murdock Philip Marlowe mit der Suche nach ihrer Schwiegertochter, einer früheren Nachtclub-Sängerin, und einer wertvollen Goldmünze.

Weil diese Übersetzung von Ulrich Blumenbach ist.

Weil es einen neuen Marlowe-Spielfilm gibt. Der Film „Marlowe“ basiert basiert auf Benjamin Blacks Roman „Die Blonde mit den schwarzen Augen – Ein Philip-Marlowe-Roman“ (The Black-Eyed Blonde, 2014), William Monahan schrieb das Drehbuch, Co-Autor Neil Jordan inszenierte, Liam Neeson spielt den Detektiv, der Trailer ist ernüchternd und die bisherigen Kritiken sind verheerend. Ein deutscher Starttermin ist noch nicht bekannt.

Weil ich so die TV-Sender auffordern kann, endlich mal wieder einige Chandler-Verfilmungen zu zeigen. So lief „Tote schlafen fest“ mit Humphrey Bogart als Marlowe schon seit Jahren nicht mehr im Fernsehen. Das muss sich ändern! Gerne im Rahmen einer Best-of-Noir-Reihe. Arte, übernehmen Sie!

(Ach, die wahnwitzigen Fieberträume des kleinen Noir-Fans.)

Raymond Chandler: Das hohe Fenster

(übersetzt von Ulrich Blumenbach, mit einem Nachwort von Margaret Atwood)

Diogenes, 2022

320 Seiten

24 Euro

Hinweise

Thrilling Detective über Philip Marlowe

Thrilling Detective über Raymond Chandler

Krimi-Couch über Raymond Chandler

Mordlust über Raymond Chandler

Rotten Tomatoes über „Die Dame im See“

Wikipedia über Philip Marlowe (deutsch, englisch) und Raymond Chandler (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Raymond Chandlers „Die Lady im See“ (The Lady in the Lake, 1943)


TV-Tipp für den 21. März: Little Big Man

März 20, 2023

Servus TV, 22.10

Little Big Man (Little Big Man, USA 1970)

Regie: Arthur Penn

Drehbuch: Calder Willingham

LV: Thomas Berger: Little Big Man, 1964 (Der letzte Held)

Der 121-jährige Exscout Jack Crabb, der als Indianer Little Big Man hieß, erzählt einem Historiker sein Leben zwischen Indianern und Weißen – und man verirrt sich hoffnungslos und extrem kurzweilig im Dickicht zwischen Fakten und Mythen, zwischen Verklärung und Entzauberung des Wilden Westens.

Der satirische Klassiker ist eine grandiose Mythenentzauberung und -bestätigung.

Dustin Hoffman spielte Jack Crabb vom jungen bis zum alten Mann.

mit Dustin Hoffman, Faye Dunaway, Martin Balsam, Richard Mulligan, Chief Dan George, Jeff Corey

Wiederholung: Mittwoch, 22. März, 02.15 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Little Big Man“

Wikipedia über „Little Big Man“ (deutsch, englisch)

Kriminalakte: Nachruf auf Arthur Penn und Geburtstagsgruß an Faye Dunaway


TV-Tipp für den 20. März: Die Spitzenklöpplerin

März 19, 2023

Nachträglich: Herzlichen Glückwunsch zu einem runden Geburtstag an die Frau mit berauschenden Talenten.

Diese zeigte Isabelle Huppert heute in diesem Frühwerk. Für ihr Spiel erhielt sie einen Bafta als Beste Nachwuchsschaupielerin und war für den César als Beste Schauspielerin nominiert.

Arte, 21.35

Die Spitzenklöpplerin (La Dentellière, Schweiz/Frankreich/Deutschland 1977)

Regie: Claude Goretta

Drehbuch: Claude Goretta, Pascal Lainé

LV: Pascal Lainé: La Dentellière, 1974

Die scheue Pomme, ein einfaches Landmädchen, verliebt sich in den Studenten Francois, zieht sogar nach Paris. Als er versucht, aus ihr etwas Besseres zu machen, wird die Beziehung auf eine Probe gestellt.

Selten gezeigter Klassiker des französischen Films. Nach meinen schlampig geführten Unterlagen lief er zuletzt vor zehn Jahren im Fernsehen.

„Eine hervorragend fotografierte, außergewöhnlich eindringliche und subtile Parteinahme für all jene, die ihre Gefühle sprachlich nicht auszudrücken vermögen.“ (Lexikon des internationalen Films)

mit Isabelle Huppert, Yves Beneyton, Florence Giorgetti, Annemarie Düringer, Michel de Ré

Wiederholung: Mittwoch, 22. März, 01.35 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

„Die Spitzenklöpplerin“ in der Arte Mediathek (bis zum 13. Mai 2023)

Filmzentrale: Ulrich Behrens über „Die Spitzenklöpplerin“ (er vergibt 10 von 10 Punkten)

Filmportal über „Die Spitzenklöpplerin“

AlloCiné über „Die Spitzenklöpplerin“

Rotten Tomatoes über „Die Spitzenklöpplerin“

Wikipedia über „Die Spitzenklöpplerin“ (deutsch, englisch, französisch)


TV-Tipp für den 19. März: Child’s Play

März 18, 2023

RTL 2, 22.25

Child’s Play (Child’s Play, USA 2019)

Regie: Lars Klevberg

Drehbuch: Tyler Burton Smith (basierend auf von Don Mancini erfundenen Figuren)

TV-Premiere des überraschend gelungenen Reboots von Chucky, der Mörderpuppe. Dieses Mal ist Chucky eine falsch programmierte künstliche Intelligenz, die das Texas Chainsaw Massacre nachspielt, weil sein Besitzer und seine Kumpels sich beim Ansehen des Films schlapp lachten. Chucky imitiert den Film, veranstaltet folgerichtig ein wahres Blutbad – und Regisseur Lars Klevberg orientiert sich bis zur letzten Blutfontäne gelungen am 80er-Jahre-Horrorfilm.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Gabriel Bateman, Aubrey Plaza, Brian Tyree Henry, Tim Matheson, David Lewis, Trent Redekop, Beatrice Kitsos, Ty Consiglio, Carlease Burke, Mark Hamill (Chuckys Stimme im Original)

Wiederholung: Montag, 20. März, 03.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Moviepilot über „Child’s Play“

Metacritic über „Child’s Play“

Rotten Tomatoes über „Child’s Play“

Wikipedia über „Child’s Play“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Lars Klevbergs „Child’s Play“ (Child’s Play, USA 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: „Der Pfau“ ist tot

März 18, 2023

Eine Investmentbankerin verbringt mit ihrem Team ein Teambuilding-Wochenende auf dem einsam in den schottischen Highlands liegendem Landsitz eines Lords, der Zimmer vermietet. Alle Banker glauben, dass das Wochenende ein Vorspiel für ihre Entlassung ist. Und dann stirbt auch noch, kurz nach ihrem Eintreffen, der Lieblingspfau des Lords. Schnell versteckt einer der Banker, auf Befehl der Chefin, das Tier, das fortan in den ungünstigsten Momenten immer wieder auftaucht und wieder versteckt wird.

Der Pfau“ ist eine unlustige Boulevardkomödie, bei der auch nach Filmende nicht geklärt ist, um was es eigentlich ging und wie dieser von Jürgen Vogel tiefenentspannt gespielte Schluffi-Sozialkundelehrer zum Mitarbeiter der Bank wurde. Viel mehr muss über diesen Langweiler, der eine fotogene Location, gute Schauspieler und mindestens zwei gute Ideen, nämlich die Jagd nach dem Pfauenmörder und die Satire über grundsätzlich unsympathische Banker, atemberaubend schnell zugunsten eines vor sich hin plätschernden Nichts verschenkt.

Das ist Zeitverschwendung auf dem Niveau der „Inspektor Jury“-Filme.

Der Pfau (Deutschland/Belgien 2023)

Regie: Lutz Heineking jr.

Drehbuch: Christoph Mathieu, Sönke Andresen, Lutz Heineking jr.

LV: Isabel Bogdan: Der Pfau, 2016

mit Lavina Wilson, Serkan Kaya, Tom Schilling, David Kross, Jürgen Vogel, Svenja Jung, Annette Frier, Philip Jackson, Victoria Carling, Domitila Barros, Linda Reitinger, Peter Trabner

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Der Pfau“

Moviepilot über „Der Pfau“

Wikipedia über „Der Pfau“


TV-Tipp für den 18. März: Dallas Buyers Club

März 17, 2023

3sat, 23.10

Dallas Buyers Club (Dallas Buyers Club, USA 2013)

Regie: Jean-Marc Vallée

Drehbuch: Craig Borten, Melisa Wallack

1985 erfährt Ron Woodroof, Rodeoreiter, Frauenheld und Homohasser, dass er HIV-Positiv ist und in wenigen Tagen sterben wird. Er besorgt sich nicht zugelassene Medikamente und verkauft sie an Leidensgenossen, wenn sie Mitglied im titelgebenden „Dallas Buyers Club“ werden.

Regisseur Jean-Marc Vallée inszenierte die auf der wahren Geschichte von Ron Woodroof, der am 12. September 1992 starb, basierende, sehenswerte Charakterstudie mit der Handkamera im Stil des Siebziger-Jahre-New-Hollywood-Kinos. Und Matthew McConaughey überzeugt als bis auf die Knochen abgemagerte Unsympath mit uramerikanischem Unternehmergeist.

Dafür gab es den Oscar als bester Hauptdarsteller; Jared Leto erhielt den Oscar als bester Hauptdarsteller. Beide und der Film erhielten etliche weitere Preise.

mit Matthew McConaughey, Jared Leto, Jennifer Garner, Denis O’Hare, Steve Zahn, Michael O’Neill, Dallas Roberts, Griffin Dunne

Hinweise

Moviepilot über „Dallas Buyers Club“

Metacritic über „Dallas Buyers Club“

Rotten Tomatoes über „Dallas Buyers Club“

Wikipedia über „Dallas Buyers Club“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jean-Marc Vallées „Dallas Buyers Club“ (Dallas Buyers Club, USA 2013)

Meine Besprechung von Jean-Marc Vallées „Wild- Der große Trip“ (Wild, USA 2014)

Meine Besprechung von Jean-Marc Vallées „Demolition – Lieben und Leben“ (Demolition, USA 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: Willem Dafoe ist „Inside“ und will raus

März 17, 2023

In der Nacht springt Nemo (Willem Dafoe) in New York aus einem Hubschrauber. Er landet auf dem Balkon eines noblen Apartments. Aus ihm will er in wenigen Minuten einige wertvolle Gemälde stehlen.

Während er die gesuchten Bilder einsteckt, verschließt der Computer aufgrund einer Fehlfunktion hermetisch alle Ausgänge und alle Verbindungen nach draußen.

Zunächst glaubt Nemo, dass er wenige Stunden eingeschlossen sein wird. Und danach unerkannt mit seiner Beute verschwinden kann. Aber dann wird die Zeit länger. Aus Stunden werden Tage und Wochen. Er beginnt die wenigen Lebensmittel und Getränke zu rationieren. Und er überlegt, wie er aus der Wohnung ausbrechen kann.

Inside“ ist das gelungene Spielfilmdebüt des Griechen Vasilis Katsoupis und eine Tour de force für den immer grandiosen Willem Dafoe. Der glänzend fotografierte Arthaus-Thriller, der wegen seiner Bilder im Kino gesehen werden sollte, ist auch eine Liebeserklärung an die zeitgenössische Kunst und die Meister der Moderne, die von dem Besitzer der Wohnung gesammelt wurden. Katsoupis konnte etliche Künstler überzeugen, eigene Werke für den Film zu erstellen oder zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich wurden im Film dann nicht die Originale, sondern Kopien benutzt. Denn Nemo zerstört einige der Werke.

Der Thriller selbst ist, auch wenn man das in den ersten Minuten annehmen könnte, kein irgendwie gearteter realistischer Thriller. Dafür gibt es zu viele Unwahrscheinlichkeiten und Unmöglichkeiten. Nemo hinterlässt zu viele Spuren und er lässt sich bei seinen teils amateurhaft ausgeführten Ausbruchversuchen zu viel Zeit. Er lässt sich ablenken und er prokrastiniert mehr als ein Student, der sich auf eine Prüfung vorbereiten sollte. Außerdem ist Nemo kein Parker (so heißt Richard Starks No-Nonsense Profi-Einbrecher, der keine Nacht in dieser Wohnung verbracht hätte), sondern ein Kunstliebhaber, der auch als Einbrecher arbeitet und während seines Ausbruchs aus dem edlen High-Tech-Gefängnis selbst zum Künstler wird.

Katsoupis‘ Ein-Personen-Stück ist ein surrealistisches Werk, das in dieser filmischen Tradition steht. Es ist eine Allegorie. Im Kern geht es in jeder Interpretation um das Überleben und um das Ausbrechen aus einem Gefängnis, das gesellschaftliche Regeln, Konventionen und selbst auferlegte Beschränkungen sein können. Es geht auch um die Frage, wie wichtig Kunst ist. Und auf dieser Ebene und mit dieser Erwartung funktioniert der chronologisch in den MMC Studios in Köln gedrehte Film glänzend. Der Drehort und die Finanzierung machen „Inside“ formal zu einem deutschen Film.

Inside (Inside, Griechenland/Deutschland/Belgien 2023)

Regie: Vasilis Katsoupis

Drehbuch: Ben Hopkins (nach einer Idee von Vasilis Katsoupis)

mit Willem Dafoe, Gene Bervoets, Eliza Stuyck, Daniel White, Josia Krug

Länge: 105 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Inside“

Moviepilot über „Inside“

Metacritic über „Inside“

Rotten Tomatoes über „Inside“

Wikipedia über „Inside“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Hirokazu Kore-edas „Broker – Familie gesucht“

März 17, 2023

In Südkorea nehmen Sang-hyun und Dong-soo in einer Kirche die Babys aus einer Babyklappe, legen sie in ein Bett und registrieren sie. Anschließend kommen sie in ein Waisenhaus. Einige der von ihren Müttern in der Babyklappe abgegebenen Babys pflegen sie nicht ein. Sie nehmen sie mit und verkaufen sie an Wohlhabende, die zu ihrem Glück noch ein Baby brauchen, aber aus verschiedenen Gründen keine Kinder adoptieren dürfen. Es ist ein illegales Geschäftsmodell, das allerdings niemand wirklich schädigt und von den Tätern rührig unbeholfen ausgeführt wird. Es gerät in Gefahr, als So-young, die in einer regnerischen Nacht ihr Baby in die Babyklappe legte, wider alle Erwartungen zurückkehrt und ihr Baby wieder haben will. Sang-hyun, der Kopf des Unternehmens und Betreiber einer kleinen Wäscherei, erklärt ihr, dass sie die besten Eltern für Woo-sung finden wollen. Nach kurzem Zögern will sie Sang-hyun und Dong-soo in ihrem klapprigen Mini-Van begleiten und ein Wort bei der Adoption mitreden. Die beiden Kindervermittler, die sich mit diesen Geschäften und anderen Arbeiten ein bescheidenes Einkommen erzielen, sind einverstanden. Sie haben auch keine andere Wahl.

Gemeinsam fahren sie los und je länger Hirokazu Kore-eda in seinem neuen Film „Broker – Familie gesucht“ sie bei ihren Versuchen, eine Familie für Dong-soo zu finden, verfolgt, umso mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass Sang-hyun und Dong-soo die untauglichsten Männer für den Job sind, weil sie die besten Ersatzväter sind, die es gibt.

Auf ihrer Odyssee durch das Land werden sie unerbittlich von Su-jin und ihrer jüngeren Kollegin Lee verfolgt. Sun-jin ist eine ständig schlecht gelaunte, ihren Arbeitsplatz Auto mit Essen zumüllende Polizistin, die aus dem Klischeebuch des Hardboiled-Detektivs stammen könnte. Sie treibt die Ermittlungen voran, weil sie San-hyun und Dong-soo für wichtige Mitglieder einer großen Menschenhändlerbande hält.

Broker – Familie gesucht“ ist kein Hardboiled-Krimi und kein anklagendes Sozialdrama, sondern eine sehr warmherzige Komödie, die von einem sanftem Humor und einer großen Liebe zu den Figuren geprägt ist. Wie sich Sang-hyun, Dong-soo und So-young während des Films näher kommen erzählt Hirokazu Kore-eda gewohnt zurückhaltend und mit einem genauen Blick auf kleine Nuancen. Sein neuester Film ist ein Wohlfühlfilm, der nichts mit den Filmen zu tun hat, die normalerweiser als Wohlfühlfilme gelabelt werden und die vor allem verlogener Kitsch sind.

Wer frühere Filme von Hirokazu Kore-eda, wie „Like Father, like Son“ (Japan 2013), „Unsere kleine Schwester“ (Japan 2015) und „Shoplifters – Familienbande“ (Manbiki Kazoku, Japan 2018) kennt, wird in seinem neuen Film viele vertraute Themen und Motive erkennen. Wieder geht es um Familien, echte und falsche, und die Frage, was eine Familie ausmacht. Es geht um Glück an Orten, an denen man es nicht erwartet.

Dieses Mal erzählt er davon in der Form eines entspannt-humorvollen Roadmovie-Märchen mit einer kleinen Noir-Krimibeigabe. Denn jedes gute Märchen hat eine böse Hexe.

Ich wollte auf keinen Fall, dass mein Film den Kindern am Ende suggeriert, es sei schlecht, geboren zu werden. Oder, dass ihre Mutter die Geburt bereut hätte. Ich wollte, dass der Film ganz klar sagt: ‚Es ist gut, geboren zu werden‘. In dieser Hinsicht ist ‚Broker‘ ein Film über das Leben.“

Hirokazu Kore-eda über seinen Film

Broker – Familie gesucht (Beurokeo, Südkorea 2022)

Regie: Hirokazu Kore-eda (alternative Schreibweise Hirokazu Koreeda)

Drehbuch: Hirokazu Kore-eda

mit Song Kang-ho, Gang Dong-won, Bae Doona, Lee Ji-eun, Lee Joo-young, Im Seung-soo, Park Ji-yong

Länge: 129 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Broker – Familie gesucht“

Metacritic über „Broker – Familie gesucht“

Rotten Tomatoes über „Broker – Familie gesucht“

Wikipedia über „Broker – Familie gesucht“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Hirokazu Kore-edas „Like Father, like Son“ (Soshite chichi ni naru, Japan 2013)

Meine Besprechung von Hirokazu Kore-edas „Unsere kleine Schwester“ (Umimachi Diary, Japan 2015)

Meine Besprechung von Hirokazu Kore-edas „Shoplifters – Familienbande“ (Manbiki Kazoku, Japan 2018)

Meine Besprechung von Hirokazu Kore-edas „La Vérité – Leben und lügen lassen“ (La Vérité, Frankreich 2019)


TV-Tipp für den 17. März: Jack

März 16, 2023

Bevor er für „Im Westen nichts Neues“ einige Oscars erhielt, inszenierte Edward Berger

Arte, 20.15

Jack (Deutschland 2014)

Regie: Edward Berger

Drehbuch: Edward Berger, Nele Mueller-Stöfen

Als der zehnjährige Jack nicht von seiner Mutter aus dem Heim abgeholt wird, haut er ab. In Berlin wartet allerdings niemand auf ihn. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder beginnt Jack seine, mal wieder, spurlos verschwundene Mutter zu suchen.

Mitreisendes, mehrfach ausgezeichnetes Sozial- und Jugenddrama, das immer auf Jacks Augenhöhe bleibt, während er durch die große Stadt läuft.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Ivo Pietzcker, Georg Arms, Luise Heyer, Nele Mueller-Stöfen, Vincent Redetzki, Jacob Matschenz

Hinweise

Moviepilot über „Jack“

Wikipedia über „Jack“

Berlinale über „Jack“

Meine Besprechung von Edward Bergers „Jack“ (Deutschland 2014)

Meine Besprechung von Edward Bergers „All my loving“ (Deutschland 2019)

Meine Besprechung von Edward Bergers Erich-Maria-Remarque-Verfilmung „Im Westen nichts Neues“ (Deutschland 2022) (das Making-of)


Die Nominierungen für den ITW Thriller Award 2023

März 16, 2023

Die International Thriller Writers (ITW) haben vor wenigen Minuten die Finalisten für ihren diesjährigen Thriller Awards veröffentlicht:

BEST HARDCOVER NOVEL

Delilah S. Dawson – THE VIOLENCE (Del Rey)

Jennifer Hillier – THINGS WE DO IN THE DARK (Minotaur)

Alma Katsu – THE FERVOR (Penguin/Putnam)

Jennifer McMahon – THE CHILDREN ON THE HILL (Simon & Schuster)

Chris Pavone – TWO NIGHTS IN LISBON (MCD)

Catriona Ward – SUNDIAL (Macmillan)

BEST AUDIOBOOK

Kimberly Belle, Fargo Layne, Cate Holahan, Vanessa Lillie – YOUNG RICH WIDOWS (Audible) – Narrated by Dina Pearlman, Karissa Vacker, Helen Laser, Ariel Blake

Julie Clark – THE LIES I TELL (Audible) – Narrated by Anna Caputo, Amanda Dolan

J. L. Delozier – THE PHOTO THIEF (CamCat Publishing) – Narrated by Rachel L. Jacobs, Jeffrey Kafer

Jennifer Hillier – THINGS WE DO IN THE DARK (Macmillan Audio) – Narrated by Carla Vega

Minka Kent – THE SILENT WOMAN (Blackstone Publishing) – Narrated by Christine Lakin, Kate Rudd

BEST FIRST NOVEL

Lauren Nossett – THE RESEMBLANCE (Flatiron Books)

Sascha Rothchild – BLOOD SUGAR (Penguin/Putnam)

Hayley Scrivenor – DIRT TOWN (Pan Macmillan)

Stacy Willingham – A FLICKER IN THE DARK (Minotaur)

Erin Young – THE FIELDS (Flatiron Books)

BEST PAPERBACK ORIGINAL NOVEL

Mary Burton – THE LIES I TOLD (Montlake Romance)

Mark Edwards – NO PLACE TO RUN (Thomas & Mercer)

Minka Kent – UNMISSING (Thomas & Mercer)

Freida McFadden – THE HOUSEMAID (Grand Central Publishing)

Wanda Morris – ANYWHERE YOU RUN (William Morrow)

Holly Wainwright – THE COUPLE UPSTAIRS (Pan Macmillan)

Loreth Anne White – THE PATIENT’S SECRET (Montlake Romance)

BEST SHORT STORY

Dominique Bibeau – RUSSIAN FOR BEGINNERS (Ellery Queen Mystery Magazine)

Barb Goffman – THE GIFT (Down & Out Books)

Smita Harish Jain – PUBLISH OR PERISH (Ellery Queen Mystery Magazine)

Joyce Carol Oates – 33 CLUES INTO THE DISAPPEARANCE OF MY SISTER (Ellery Queen Mystery Magazine)

Anna Scotti – SCHRÖDINGER, CAT (Ellery Queen Mystery Magazine)

Catherine Steadman – STOCKHOLM (Amazon Original Stories)

BEST YOUNG ADULT NOVEL

Melissa Albert – OUR CROOKED HEARTS (Flatiron Books)

Gillian French – SUGARING OFF (Algonquin Young Readers)

Kate McLaughlin – DAUGHTER (Wednesday Books)

Francesca Padilla – WHAT’S COMING TO ME (Soho Teen)

Courtney Summers – I’M THE GIRL (Wednesday Books)

BEST E-BOOK ORIGINAL NOVEL

Bill Byrnes – EVASIVE SPECIES (Self-published)

Diane Jeffrey – THE COUPLE AT CAUSEWAY COTTAGE (HarperCollins)

Grant McKenzie – THE SEVEN TRUTHS OF HANNAH BAXTER (Self-published)

Rick Mofina – THE HOLLOW PLACE (Self-published)

Carrie Rubin – FATAL ROUNDS (Self-published)

Die Preisverleihung ist während des ThrillerFest XVIII am Samstag, den 3. Juni, im Sheraton New York Times Square Hotel, New York City.


Neu im Kino/Filmkritik: Der Big-Budget-Superheldenfilm der Woche: „Shazam! Fury of the Gods“

März 16, 2023

Unter all den Superhelden, die im Kino gegen Bösewichter kämpfen, ist Billy Batson (Asher Angel/Zachary Levi) der kleine Junge von nebenan. Am liebsten hängt er mit seinen Freunden, die auch seine Familie sind, in ihrer Höhle ab und übt Manöverkritik an ihrer letzten Aktion. Billy ist kein König eines afrikanischen Staates, kein Millionär, kein Chef eines riesigen Unternehmens, kein Erfinder, kein von einem frenden Planeten kommender und auch kein in eine Schulkameradin verliebter Spinnenmann. Der Kindskopf ist ein Junge, der in einer Pflegefamilie lebt. Wie seine fünf Geschwister, die ebenfalls von Rosa und Victor Vasquez adoptiert wurden. Es ist eine wirkliche Multikulti-Familie. Sie leben in einem kleinen Reihenhaus, das viel zu klein für sie ist. Sie verstehen sich glänzend und helfen sich gegenseitig. Vielleicht deshalb hat Billy am Ende von „Shazam!“ (2019) seine Superkräfte mit ihnen geteilt. Jetzt werden alle seine Brüder und Schwester, wenn sie „Shazam!“ rufen, zu deutlich älter aussehenden Superhelden. Doch letztendlich sind sie immer noch Kinder.

Diese Kinder bekommen in David F. Sandbergs zweitem „Shazam!“-Film Ärger mit Hespera (Helen Mirren), Kalypso (Lucy Liu) und Anthea (Rachel Zegler). Die drei Grazien sind Töchter des Atlas, ziemlich verärgert und gerade dabei, möglichst viele Menschen zu töten. Nur Billy kann in seinem Superhelden-Ich das verhindern. Das sagt ihm jedenfalls der Zauberer (Djimon Hounsou), der ihm die Superhelden-Fähigkeiten verlieh. Außerdem ist Shazam durch eine frühere Tat für die Rückkehr der drei Göttinnen verantwortlich.

Shazam! Fury of the Gods“ ist letztendlich ein grundsympathischer Kinderfilm, der sich eher an Zehnjährige und weniger an Menschen über 12 Jahre richtet. So sind Billy und seine Freunde Kinder, die eine neuere Version der „Fünf Freunde“, der „drei ???“ und anderer Gruppen junger Menschen, die in Büchern und Filmen jeden Sommer spannende Abenteuer erleben, sind. Anscheinend werden sie niemals älter. Sie haben keine Pubertätsprobleme, weil sie, wenn auch nicht unbedingt körperlich, im seeligen vorpubertären Alter sind. Sex und die Probleme des Erwachsenwerdens sind ihnen egal. Viel leber erleben sie spannende Abenteuer.

Ihre Gegnerinnen, die griechischen Göttinen Hespera, Kalypso und Anthea, sind zunächst einmal Böse, ohne jemals wirklich bedrohlich zu sein. Später fragen sie sich sogar, ob sie das richtige tun. Im Gegensatz zu anderen Superheldengeschichten, in denen die griechische Mythologie verdeckt thematisiert wird, wird sie in „Shazam! Fury of the Gods“ direkt in die Geschichte eingeflochten – und verschafft dem Publikum eine kleine Portion abendländischer Bildung. Bis neben den Göttinnen Dinosaurier und Einhörner auftauchen und sich munter durch Philadelphia kloppen, dabei die halbe Stadt zerstören und niemand umbringen oder ernsthaft verletzten.

Die Tricks sind teilweise atemberaubend schlecht. Aber im Gegensatz zu „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ (2023), in dem öfters der durchaus zutreffende Eindruck entstand, dass die Schauspieler ihre Parts allein in leeren Hallen aufgenommen haben, sind hier die Schauspieler öfters gemeinsam im Bild und sie interagieren miteinander. Wenn sie dann auf Dinosaurier durch die Luft reiten oder sich in der Großstadt verkloppen, sehen die CGI-Effekte wie uralte praktische Tricks irgendwo zwischen B-Picture, „Flash Gordon“ und Godzilla aus.

Das Finale ist dann eine episch lange, ermüdende CGI-Materialschlacht. Sie beginnt am helllichten Tag und endet, Stunden später, in der Nacht.

Wer danach noch nicht genug hat, für den gibt es im und nach dem Abspann jeweils eine Szene, die wahrscheinlich den nächsten Film antriggert.

Eigentlich ist in „Shazam! Fury of the Gods“ alles so wie in unzähligen anderen Superheldenfilmen. Nur dass es hier mehr in Richtung der kindisch-naiven Anfänge geht und alles wie ein Kindergeburtstag wirkt, in dem Kinder munter ihr Spielzeug durch das Zimmer werfen, herumtoben, ihre eigenen Regeln entwerfen, verwerfen und ihren Spaß haben. Wie auch Shazam, der im Film zwar fast achtzehn Jahre alt sein soll, sich aber liebend gern wie ein Elfjähriger benimmt.

Shazam! Fury of the Gods (Shazam! Fury of the Gods, USA 2023)

Regie: David F. Sandberg

Drehbuch: Henry Gayden, Chris Morgan (basierend auf der von Bill Parker und C. C. Beck erfundenen DC-Figur)

mit Zachary Levi, Asher Angel, Jack Dylan Grazer, Adam Brody, Ross Butler, Meagan Good, D. J. Cotrona, Grace Caroline Currey, Faithe Herman, Ian Chen, Jovan Armand, Marta Milans, Cooper Andrews, Djimon Hounsou, Rachel Zegler, Lucy Liu, Helen Mirren

Länge: 131 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Shazam! Fury of the Gods“

Metacritic über „Shazam! Fury of the Gods“

Rotten Tomatoes über „Shazam! Fury of the Gods“

Wikipedia über „Shazam! Fury of the Gods“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von David F. Sandbergs „Lights out“ (Lights out,USA 2016)

Meine Besprechung von David F. Sandbergs „Annabelle 2″ (Annabelle: Creation, USA 2017)


Neu im Kino/Filmkritik: „Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung“, erzählt von Sergei Loznitsa

März 16, 2023

War die Bombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg eine zwar brutale, aber letztendlich gerechtfertigte Kriegstaktik um den Nationalsozialismus zu besiegen oder ein Kriegsverbrechen? In seinem neuen Film „Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung“ zeigt Sergei Loznitsa, mit teilweise unbekanntem Dokumentarfilmmaterial, vor allem die Zerstörung deutscher Städte und die Folgen dieser Bombardierungen für die in den bombardierten Städten lebenden Deutschen. Das präsentiert er in einer brillant montierten Abfolge unkommentierter Bilder. Er verzichtet auf einen Off-Kommentar, Erklärungen oder Interviews mit Zeitzeugen. Es gibt nur Bilder, die zum Zeitpunkt des Geschehens entstanden. Die Interpretation überlässt er, wie auch in seinen anderen Filmen, dem Zuschauer. Und seinem Vorwissen und seinen Ansichten über die gezeigten Ereignisse. Dieses Vorgehen wirkt auf den ersten Blick wie das objektive Präsentieren von Fakten.

Das ist natürlich Quatsch. Denn durch die Auswahl und die Art der Präsentation ergibt sich eine bestimmte Lesart der Bilder und der gezeigten Ereignisse. In „Luftkrieg“ sind die Bilder so montiert, dass sie eine Geschichte ergeben, die einer typischen Hollywood-Dramaturgie von Gut und Böse folgt.

Loznitsa beginnt seinen Montagefilm mit friedlichen Bildern. Es sind, ohne dass er die Bilder im Film zeitlich präzise einordnet, sommerliche Bilder aus den dreißiger Jahren. Die Deutschen vergnügen sich auf den Sonnenterrassen. Sie tanzen. Sie lachen. Sie trinken Bier. Sie flirten. Uniformen und Nazi-Embleme sind nicht zu sehen. Sie tragen Sommerkleidung und leichte Anzüge.

Der Krieg ist weit weg.

In der Nacht fallen dann, aus heiterem Himmel und ohne irgendeine Vorwarnung, Bomben. Aus dem Hinterhalt ermorden sie diese eben gezeigten friedlichen und friedliebenden Menschen. Loznitsa zeigt Szenen mit schreienden Frauen und Kindern. Er zeigt die Zerstörungen, die die Bomben anrichten. Er zeigt Leichen.

Während die Deutschen den Schutt wegräumen, bestücken die Briten ihre Flugzeuge wieder mit Bomben, die wenige Stunden später über Deutschland abgeworfen werden.

Dazwischen schneidet er eine Ansprache von Winston Churchill, der die Bombardierungen verteidigt, und eine von Joseph Goebbels, der eben diesen Bombenterror auf das Schärfste verurteilt.

Und im Kinosessel kann man in dem Moment Goebbels nur beipflichten.

Schon davor sind die Rollen klar verteilt: die Deutschen sind die Opfer, die Briten die Täter. Sie sind Bösewichter, die nicht davor zurückschrecken, Frauen und Kinder zu ermorden. Gibt es etwas niederträchtigeres?

Diese Täter-Opfer-Umkehr gelingt, weil Loznitsa seine Bilder so anordnet, wie sie zu seiner Dramaturgie passen. Er lässt weg. Er verzichtet auf Kontext und historische Einordnungen. Er reflektiert nicht über die Herkunft der Bilder, die Propagandabilder sind. Er übernimmt, bewusst oder unbewusst, das Narrativ der Nazis.

Das macht „Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung“ zum feuchten Traum von Rechten, Nazis und Faschisten. Sie haben hier einen technisch perfekt gemachten Film bekommen, der ihre die Geschichte verfälschende Erzählung wiederholt und sie mit den Weihen eines weltweit anerkannten Regisseurs adelt.

Das ist im Ergebnis einfach nur ärgerlich. Und die vorhersehbare Bankrotterklärung einer Methode, die auf Erklärungen und damit das Vermitteln von Hintergründen zu den gezeigten Bildern verzichtet.

Denn über den Luftkrieg gegen Nazi-Deutschland kann man nicht reden, ohne über das was vorher geschah, zu reden. Das sind der Holocaust, ein von Deutschland begonnener Weltkrieg und, bevor die Briten zurückschlugen, die Bombardierung von London. In „Luftkrieg“ wird all das nicht erwähnt. Der Film beginnt später und zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Krieg. Er zeigt nur, wie unschuldige, nette, friedliche Deutsche aus heiterem Himmel bombardiert werden. Deutsche, die noch nach dem Krieg das ‚Dritte Reich‘ befürworteten.

Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung (Deutschland/Niederlande/Litauen 2022)

Regie: Sergei Loznitsa

Drehbuch: Sergei Loznitsa

LV (Inspiration): W. G. Sebald: Luftkrieg und Literatur, 1999

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Luftkrieg“

Moviepilot über „Luftkrieg“

Rotten Tomatoes über „Luftkrieg“

Wikipedia über Sergei Loznitsa (deutsch, englisch) und den Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg

Meine Besprechung von Sergei Loznitsas „Maidan“ (Майдан, Ukraine/Niederlande 2014)


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