Der Schneider von Panama (The Tailor of Panama, USA/Irland/Großbritannien 2001)
Regie: John Boorman
Drehbuch: John le Carré, John Boorman, Andrew Davis
LV: John le Carré: The Tailor of Panama, 1996 (Der Schneider von Panama)
Für den britischen Geheimagenten Osnard ist Panama die Endstation, bis er den Nobelschneider Pendel kennen lernt und von ihm – gegen Geld – brisante Regierungsgeheimnisse (die vollkommen erfunden sind) anvertraut bekommt.
Köstliche und sehr britische Demontage der Spionagewelt. Mit Sicherheit viel näher an der Realität, als die Bond-Abenteuer. Brosnan zieht hier als Geheimagent sein Image durch den Kakao.
Mit Pierce Brosnan, Geoffrey Rush, Jamie Lee Curtis, Harold Pinter, Brendan Gleeson, Martin Ferrero, Mark Margolis, Dylan Baker, Daniel Radcliffe
Milliardär Abigail Fairfax (Daniel Radcliffe) entführt Loretta Sage (Sandra Bullock). Sie ist eine die Öffentlichkeit gerne vermeidende Romantic-Thriller-Bestsellerautorin, die mit ihren Schmonzetten über den Schatzjäger Dash McMahon enorm erfolgreich ist. In ihre Geschichten, wie ihren neuesten Roman „The Lost City of D“, lässt sie auch historische Fakten und Mythen einfließen.
Fairfax will diese verlorene Stadt und den Schatz, der in ihr versteckt sein soll, unbedingt finden. Er glaubt, dass Loretta ihm bei der Suche und beim Entziffern von alten Schriftstücken helfen kann, Weil die Stubenhockerin nicht freiwillig mitkommen will, entführt er sie auf eine malerische Atlantikinsel. Er glaubt, dass der Schatz auf der Insel ist. Weil auf der Insel ein Vulkan kurz vor seinem Ausbruch steht, muss alles schnell gehen.
Die Entführung von Loretta hat Alan Caprison (Channing Tatum) beobachtet. Er ist das gut aussehende, bei den Leserinnen begehrte, treudoofe Covermodel ihrer Schmöker. Loretta hält ihn – zu Recht – für einen oberflächlichen Schönling und Dummkopf. Er will ihr beweisen, dass er nicht so dumm ist, wie sie glaubt. Deshalb will er sie aus den Händen der Entführer befreien.
Jack Trainer (Brad Pitt in einem Kurzauftritt [Nein, das ist kein Spoiler, weil er erstens im Trailer auftaucht, aber zweitens nicht auf dem Plakat steht]) soll ihm dabei helfen. Der Personal-Trainer war früher ein Elitesoldat. Er verfügt über die nötigen Fähigkeiten, um Loretta aus dem Lager von Fairfax, das gleichzeitig eine historische Ausgrabungsstätte ist, zu befreien.
Die Befreiung gelingt. Auf ihrer Flucht wird Trainer von Fairfax’s Männern aus dem Hinterhalt erschossen.
Jetzt müssen Loretta und Alan sich, gejagt von den Bösewichtern, allein durch den Urwald schlagen. Und beide sind für dieses Abenteuer nicht gerüstet. Sie hat einen hautengen Pailletten-Jumpsuit an, der sogar auf einer Buchpräsentation etwas unpassend ist. Er, nun, er ist ein auf sein Aussehen bedachter Schönling, der perfekt die Rolle der Jungfrau in Nöten ausfüllt.
„The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“, so der umständlich-längliche deutsche Titel, ist ein Romantic-Thriller, dessen Prämisse an „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ (Romancing the Stone, 1984) erinnert. In der Actionkomödie stolpern eine hilfsbedürftige Autorin (Kathleen Turner) und ein taffer Abenteurer (Michael Douglas) durch den Dschungel. Vierzig Jahre sind wir da etwas weiter.
Die Brüder Adam und Aaron Nee lassen in ihrem Film zwei Menschen durch die Wildnis stolpern, die nicht für Wildnis geeignet sind. Wobei Loretta zwar die für den Dschungel ungeeignetere Kleidung anhat, aber deutlich selbstständiger als Alan ist. Damit fällt ihr notgedrungen die Retterrolle zu.
Abgesehen von dieser kleinen Änderung bei den Geschlechtern erfüllt der Film hunderprozentig alle Klischees dieser für Frauen geschriebenen Romantic Thriller – und ironisiert sie etwas. Immerhin ist in „The Lost City“ eine Autorin plötzlich die Hauptperson in einer ihrer Geschichten. Es wird einige Male auf den Unterschied zwischen ihren Romanen und der Realität hingewiesen. Mit dieser Metaebene ist der Film für beide Gruppen ansehbar. Die einen erhalten den Romatic-Thriller, den sie sehen wollen. Die anderen erhalten die Komödie über eben diese seichten Romantic-Thriller, die sie für so doof halten und deshalb niemals lesen würden.
Außerdem immunisiert diese Strategie die Abenteuerkomödie gegen Kritik. Denn wie soll einem Film klischeehafte Dialoge und eine klischeehafte Handlung vorgeworfen werden, wenn genau das der Punkt ist? Vor allem wenn die mild chargierenden Schauspieler so sympathisch sind und die Story, angenehm flott mit einigen Witzen und etwas Action, erzählt wird.
Besonders anspruchsvoll ist das nicht. Aber unterhaltsam.
The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt (The Lost City, USA 2022)
Regie: Adam Nee, Aaron Nee
Drehbuch: Oren Uziel, Dana Fox, Adam Nee, Aaron Nee (nach einer Geschichte von Seth Gordon)
mit Sandra Bullock, Channing Tatum, Daniel Radcliffe, Da’Vine Joy Randolph, Oscar Nuñez, Patti Harrison, Bowen Yang, Brad Pitt
Der Schneider von Panama (The Tailor of Panama, USA/Irland/Großbritannien 2001)
Regie: John Boorman
Drehbuch: John le Carré, John Boorman, Andrew Davis
LV: John le Carré: The Tailor of Panama, 1996 (Der Schneider von Panama)
Für den britischen Geheimagenten Osnard ist Panama die Endstation, bis er den Nobelschneider Pendel kennen lernt und von ihm – gegen Geld – brisante Regierungsgeheimnisse (die vollkommen erfunden sind) anvertraut bekommt.
Köstliche und sehr britische Demontage der Spionagewelt. Mit Sicherheit viel näher an der Realität, als die Bond-Abenteuer. Brosnan zieht hier als Geheimagent sein Image durch den Kakao.
Mit Pierce Brosnan, Geoffrey Rush, Jamie Lee Curtis, Harold Pinter, Brendan Gleeson, Martin Ferrero, Mark Margolis, Dylan Baker, Daniel Radcliffe
Miles ist Spieleentwickler in einem dieser trendigen Start-Ups, in denen alle Mitarbeiter in einem lichtdurchfluteten Großraumbüro sitzen, und er ist der Fußabtretter für jeden, dem er begegnet. Daniel Ratcliffe, der als Harry Potter bekannt wurde und danach unter anderem in „Swiss Army Man“ eine furzende Leiche spielte, spielt diesen netten, sanften, körperliche Gewalt ablehnenden Miles, der während des Films von jedem körperlich bedrängt, geschlagen oder auf irgendeine andere Art körperlich malträtiert wird.
Als er eines Abends in seiner studentisch versifften Bude im Darknet auf das Spiel „Skizm“ stößt, äußert er sich in seinen Kommentaren despektierlich über das brutale Menschenjagdspiel. Das nächste, was er weiß, ist, dass eine Gruppe Männer, die auch in einem „Mad Max“-Film nicht negativ auffallen würden, sein Apartment stürmt, ihn zusammenschlägt und betäubt. Als er wieder wach wird, sind an seine Hände zwei Pistolen getackert. In jeder Pistole steckt ein Magazin mit fünfzig Schuss. Und er ist jetzt ein unfreiwilliger Teilnehmer an „Skizm“. Seine Gegnerin in dem Kampf ohne Regeln auf Leben und Tod ist Nix. Sie ist jung, gutaussehend, absolut gewaltgeil und bislang unbesiegt.
Kaum hat Miles das alles verarbeitet, stürmt Nix auch schon, wild um sich schießend, in sein Apartment. Durch reines Idiotenglück kann Miles entkommen. Jedenfalls vorläufig.
„Guns Akimbo“ ist wahrlich kein Film für Arthaus-Fans und sanfte Gemüter, sondern eine dumm-blutige Gewaltorgie, die perfekt für das jährliche Fantasy Film Fest oder Mitternachtsvorstellungen vor einem jungen Publikum ist. Die Geschichte ist vollkommen abstrus und scheitert schon vor dem ersten Plausibilitätstest grandios. Die Brutalität ist vor allem sinnfrei. Der ab und an aufspritzende Humor grob. Eine gesellschaftliche Botschaft oder Aussage über die Welt wird noch nicht einmal im Ansatz versucht. Dafür müsste der Actionfilm eine Haltung und einen Bezug zur Gegenwart entwickeln. Beides interessiert die Macher nicht. Insofern ist „Guns Akimbo“ keine Satire, sondern nur ein gut aussehender Gewaltporno mit Zitaten und einigen Witzen, die vor allem aus der absurden Situation, in die Miles gegen seinen Willen hineingestoßen wurde, entstehen. Und Gewalt, um nicht zu sagen überbordende und exzessive Gewalt ist hier das gewählte Stilmittel.
Regisseur Jason Lei Howden („Deathgasm“) schnitt „Guns Akimbo“ im hektischen Stil von „Crank“ und, ebenfalls von Mark Neveldine und Brian Taylor, „Gamer“. In dem Actionfilm geht es, wie schon in vielen, ungleich gelungeneren Vorgängern, ebenfalls um eine tödliche Menschenjagd, die vor einem sensations- und gewaltlüsternem Millionenpublikum stattfindet.
Die sich nicht sonderlich ernst nehmende, unbeschwerst sinnfreie Gewaltorgie „Guns Akimbo“ ist in erster Linie der Film für den nächsten biergetränkten gemeinsamen Jungs-Filmabend. Gerne in dem kleinen Kino um die Ecke, das „Crank“ nicht mehr zeigen will.
Das Bonusmaterial besteht aus einem elfminütigem Featurette, in dem Radcliffe in einer Drehpause über seine Motive für die Zusage zum Film (die absurde Geschichte), die Dreharbeiten, den Regisseur und seine Schauspielkollegen (natürlich alle super in einem Superfilm eines visuell visionären und unglaublich netten Regisseurs) redet. Dazu gibt es einige Ausschnitte aus dem Film und Behind-the-Scenes-Aufnahmen.
Für Sean Haggerty (Daniel Radcliffe) soll es der letzte Flug als Drogenkurier sein. Danach hat er das Geld zusammen, um die Operation seiner Frau zu bezahlen (Kleine Nebenbemerkung: mit einer ordentlichen Krankenversicherung wäre das nicht nötig.).
Während des Flugs muss Haggerty sich gleichzeitig um mehrere Probleme kümmern. Denn er ist nicht nur Drogenkurier, sondern auch Spitzel für die DEA und seine Frau ruft ihn ständig an. Sie hat nämlich herausgefunden, dass er sie über seine Arbeit und die damit verbundene Herkunft des Geldes belügt.
Daniel Radcliffe springt in seiner Post-Harry-Potter-Phase weiter munter hin und her zwischen Nebenrollen in hoch budgetierten Mainstreamfilmen, wie „Die Unfassbaren 2“, und Independent-Filmen, in denen er Dinge ausprobiert. Gerade bei diesen Filmen achtet er nicht sonderlich auf die kommerzielle Verwertbarkeit, sondern auf andere Dinge, wie die Wichtigkeit des Themas oder, wie in „Der Kurier – In den Fängen des Kartells“, die Herausforderung, während des gesamten Films an einen Ort gefesselt zu sein. Fast der gesamte Film spielt im Cockpit eines kleinen Flugzeugs. Der von Radcliffe gespielte Drogenpilot sitzt allein am Steuer des Flugzeugs und redet ständig mit seiner Frau und seinen Auftraggebern.
Solche Ein-Personen-Filme stehen und fallen mit dem Drehbuch, dem Hauptdarsteller und dem Regisseur, der das in Echtzeit spielende Ein-Personen-Ein-Ort-Stück so einfallsreich inszenieren muss, dass man diese Begrenzung auf einen Ort und eine Person nicht negativ wahrnimmt. Rodrigo Cortés‘ „Buried – Lebendig begraben“ (Spanien 2010) mit Ryan Reynolds in einem Sarg und Steven Knights „No turning back“ (Locke, USA/GB 2014) mit Tom Hardy in einem Auto fallen einem spontan als überzeugende Beispiele ein.
„Der Kurier“ kommt noch nicht einmal in die Nähe dieser Filme. Das von Adam Hoelzel geschriebene Drehbuch ist für einen Spielfilm zu einfach gestrickt. Es ist überraschungs- und konfliktarm. Die Charaktere sind nicht mehr als sparsam skizzierte Pappkameraden. Daniel Radcliffe hat hier einfach zu wenig Material, um den von ihm gespielten Haggerty zu einem dreidimensionalen Charakter mit nachvollziehbaren Problemen zu machen. Er ist einfach nur ‚der Mann am Funkgerät‘.
Regisseur Jesper Ganslandt inszeniert die Geschichte ohne erkennbare Ambitionen als verfilmtes Hörspiel, bei dem die Kamera noch bewegungsloser als Radcliffes Mimik ist. Da helfen auch die wenigen atmosphärischen Gegenlicht-Bilder während des arg verwirrend inszenierten Showdowns nicht.
Als Bonusmaterial gibt es gut dreizehn Minuten Interviews mit Daniel Radcliffe, Robert Wisdom, Pablo Schreiber und Grace Gummer. Sie vermitteln interessante Informationen über die Charaktere und ihre Motive. Vielleicht sollt man sich in diesem Fall zuerst das Bonusmaterial ansehen.
Der Kurier – In den Fängen des Kartells (Beast of Burden, USA 2018)
Regie: Jesper Ganslandt
Drehbuch: Adam Hoelzel
mit Daniel Radcliffe, Grace Gummer, Pablo Schreiber, Robert Wisdom, Cesar Perez
Inzwischen ist Jon M. Chus „Die Unfassbaren 2 – Now you see me“ auf DVD und Blu-Ray und 4K Ultra HD (wer’s braucht) erschienen und das Bonusmaterial gesichtet. Zum Kinostart des Films schrieb ich (bereinigt um ein, zwei Dusselfehler):
Wie bei dem ebenfalls heute anlaufendem Jason-Statham-Actionfilm „Mechanic: Resurrection“ hat auch bei der Caper-Komödie „Die Unfassbaren“ niemand wirklich eine Fortsetzung erwartet. Denn die Geschichte der Illusionisten „The Four Horsemen“ war erzählt. Sie verwirklichten, im Auftrag von Dylan Rhodes, einen ziemlich elaborierten Racheplan, der natürlich auch deshalb so elaboriert war, um möglichst gut von den wahren Absichten abzulenken und bei dem, wie es sich für einen guten Zauberertrick gehört, fast alles schon vorher geplant war. Die starbesetzte Krimikomödie war ein großer Spaß und das Einspielergebnis war mit weltweit über 350 Millionen Dollar so überzeugend, dass es jetzt die Fortsetzung gibt, die genau daran leidet, dass die Geschichte fertig erzählt war.
Für die Fortsetzung mussten die Macher nun überlegen, wie sie die „Four Horsemen“, die irgendwo zwischen Ruhestand und Shows auf den großen Las-Vegas-Showbühnen leben könnten, wieder zurück bringen: ob sie zu einer „Ocean’s Eleven“-Verbrecherbande werden oder ob sie ihre Fähigkeiten als moderne Robin Hoods, sozusagen als „Leverage“-Team mit Zaubershow, einsetzen.
Mit Ach und Krach entschlossen sich die Macher für eine Mischung aus komplettem Neuanfang und Weitererzählung der Geschichte von „Die Unfassbaren“, weil jetzt die inhaftierten und blamierten Bösewichter des ersten Teils sich rächen wollen und die „Four Horsemen“ in Richtung Verbrechensbekämpfung auf der großen Showbühne gehen, während Dylan Rhodes (Mark Ruffalo) noch immer beim FBI arbeitet und dort fanatisch jede Spur der spurlos verschwundenen Illusionisten verfolgt. Seine Kollegen zweifeln zwar an seinem Verstand, aber so kann er die spurlos verschwundenen „Four Horsemen“ am besten schützen. Denn er ist der Kopf der „Four Horsemen“ und Mitglied des Magier-Geheimbundes „Das Auge“.
Während einer Produktpräsentation geht ein arg amateurhafter Überraschungsauftritt der „Four Horsemen“, bei dem sie die schändlichen Absichten des Veranstalters der Welt verraten wollen, gründlich schief. Die tapferen vier Reiter, bestehend aus Illusionist J. Daniel Atlas (Jesse Eisenberg), Mentalist Merritt McKinney (Woody Harrelson), Kartentrickser Jack Wilder (Dave Franco) und Neuzugang Lula (Lizzy Caplan), die sich zur Begrüßung schon einmal selbst enthauptet, müssen untertauchen.
Sie alle reisen, mehr oder weniger freiwillig, nach Macau, wo Walter Mabry (Daniel Radcliffe) sie in seinem Penthouse empfängt. Für den zurückgezogen lebenden Milliardär sollen sie einen unvorstellbar leistungsfähigen Computerchip/-software (der MacGuffin des 21. Jahrhunderts) stehlen. Die fünf Illusionisten sind einverstanden. Allerdings wissen sie nicht, dass Mabry der Sohn von Arthur Tressler (Michael Caine), dem Bösewicht des vorherigen Films, ist und Mabry und Tressler sich an ihnen für die damaligen Ereignisse rächen wollen.
Außerdem kann Thaddeus Bradley (Morgan Freeman), der ebenfalls aus „Die Unfassbaren“ bekannte, jetzt inhaftierte Berufsenttarner von Zauberertricks, aus dem Gefängnis entkommen.
Während in „Die Unfassbaren“ noch viel Zeit auf die Tricks der Illusionisten und deren Erklärung verwandt wurde, spielen sie in „Die Unfassbaren 2“ eigentlich keine Rolle mehr. Die meisten Tricks sind so elaboriert und groß, dass die Macher auf jede Erklärung verzichten. Es wäre ihnen auch nicht gelungen. Für den Rest gibt es dann gut versteckte Falltüren und Kartentricks, die keiner Erklärung bedürfen.
Stattdessen konzentriert Regisseur Jon M. Chu sich auf die Action und die Drehbuchautoren Peter Chiarelli und Ed Solomon, einer der Autoren des ersten Films, schrieben eine Geschichte, die in der Tradition der klassischen Pulp-Geschichten und B-Pictures aus den Dreißigern und Vierzigern, wie den „Mr. Moto“-Filmen mit Peter Lorre, steht. Immer wenn es nicht weiter geht, gibt es eine ausgewalzte Actionszene, immer wieder taucht plötzlich jemand aus dem Nichts auf, immer wieder gibt es, wenn man sich gerade in eine erzählerische Sackgasse manövrierte, eine Erklärung, die alle vorherigen Ereignisse auf den Kopf stellt, und es passiert so viel so schnell, dass man über die Geschichte nicht weiter nachdenkt. Denn aus den einzelnen Szenen ergibt sich keine wirklich sinnvolle Geschichte.
Die Action inszenierte Jon M. Chu, der vorher vor allem die „Step Up“-Tanzfilme und das kindische Actiondesaster „G.I. Joe 3D: Die Abrechnung“ (USA/Kanada 2013) inszenierte, in „Die Unfassbaren 2“ nachvollziehbar, mit weniger Schnitten als in „G.I. Joe 3D: Die Abrechnung“ und, wenn unsere Helden gerade einen komplizierten Diebstahl aus einem bestens bewachtem Gebäude unter den wachsamen Augen des Sicherheitspersonals durchführen, mit viel Slo-Mo, wie einen Tanz. Das bringt die Handlung zwar genauso wenig voran wie eine Fred-Astaire-Tanznummer in einem Musical, aber das Auge (vielleicht auch „Das Auge“) verfolgt entzückt die überaus komplizierte Aktion, während das Hirn anmerkt, dass die Zauberer auch leichter und schneller an ihr Ziel kommen könnten.
Als gut gemachte, durchaus familienfreundliche Samstagabendunterhaltung mit gut aufgelegten Schauspielern (und Woody Harrelson in einer Doppelrolle) im Stil eines Vierziger-Jahre-B-Pictures funktioniert „Die Unfassbaren 2“ gut.
Es ist aber auch ein Film, der gerade die besonderen Aspekte des ersten Films – die Tricks der Illusionisten und der große Plan, in dem alles miteinander zusammenhängt (wobei ich immer noch glaube, dass der Plan bei einer genaueren Betrachtung schneller als ein Soufflé in sich zusammenfällt) – zugunsten einer 08/15-Gaunergeschichte links liegen lässt, die noch nicht einmal versucht, die Szenen in eine kohärente Geschichte oder einen großen Zauberertrick, der sich erst am Ende enthüllt, einzufügen.
Schon vor dem US-Kinostart wurde ein dritter „Die Unfassbaren“-Film angekündigt, bei dem Jon M. Chu wieder die Regie übernehmen soll. Über den Plot und die Besetzung ist noch nichts bekannt.
Daran hat sich immer noch nichts geändert. Der dritte „Die Unfassbaren“-Film ist für 2019 angekündigt. Weil das Einspielergebnis des zweiten Teils sich mit 334 Millionen Dollar weltweitem Einspiel kaum vom ersten Teil unterscheidet und das Ensemble seinen Spaß hatte, dürfte es dabei bleiben.
Das Bonusmaterial der Blu-ray ist mit einem Audiokommentar und drei Featurettes, die insgesamt eine gute Stunde dauern, umfangreicher als bei der DVD ausgefallen. Die hat nur das viertelstündige Featurette „Guck genau hin!“. Die Featurettes geben einen kurzweiligen Einblick in verschiedene Aspekte des Films und der Dreharbeiten. Jon M. Chus Audiokommentar ist informativ, konzentriert sich aber zu sehr auf Erklärungen über die Drehorte und wie sehr er die verschiedenen Schauspieler bewundert. Interessant sind seine Hinweise auf verschiedene Kürzungen (und warum die Szenen gekürzt wurden) und wie viel von den Tricks der „Four Horseman“ echt ist. Um uns zu zeigen, dass die Schauspieler die Tricks beherrschten und live präsentierten, schnitt er in diesen Szenen sehr wenig.
Die Unfassbaren 2 – Now you see me (Now you see me 2, USA 2016)
Regie: Jon M. Chu
Drehbuch: Ed Solomon, Peter Chiarelli
mit Jesse Eisenberg, Mark Rufallo, Woody Harrelson, Dave Franco, Daniel Radcliffe, Lizzy Caplan, Jay Chou, Sanaa Lathan, Michael Caine, Morgan Freeman
Bonusmaterial: Magie von Cast und Crew, Guck genau hin!, Hier kommt Magie, Audiokommentar von Regisseur Jon M. Chu, Deutscher und Original-Kinotrailer, Wendecover
Der Undercover-Polizeithriller „Imperium“ ist der neueste Versuch von Daniel Radcliffe, nach dem Ende von Harry Potter, als ernsthafter und interessanter Schauspieler bekannt zu werden. Er will, im Gegensatz zu Mark Hamill, der immer nur Luke Skywalker ist (seine vielen Sprecher-Rollen zählen weltweit nicht), nicht auf ewig Harry Potter bleiben. Also wählt er oft bewusst schräge Rollen und Filme, die ihm wichtig sind.
In „Imperium“ spielt er den jungen, intelligenten und ambitionierten FBI-Agenten Nate Foster. Die Ranghöhere Angela Zamparo (Toni Collette) sucht ihn für einen Undercover-Einsatz aus. Nachdem in der Nähe von Washington, D. C. bei einem Unfall Cäsium verschwand, glaubt sie, dass Rechtsextremisten einen Anschlag mit einer schmutzigen Bombe vorbereiten und der beängstigend gut informierte Internet-Moderator Dallas Wolf (Tracy Letts) der Kopf der Terroristen ist. Foster soll sein Vertrauen erlangen. Dafür muss er zuerst das Vertrauen von anderen Rechtsextremisten erlangen. Diese bilden einen oft erschreckend normalen Querschnitt durch die Gesellschaft.
„Imperium“ ist das gelungene Spielfilmdebüt von Daniel Ragussis. Er inszenierte vorher auch den hochgelobten und mit mehreren Preisen ausgezeichneten Kurzfilm „Haber“ mit Christian Berkel als Fritz Haber. Die Inspiration für „Imperium“ war dabei die Arbeit des Ex-FBI-Agenten Michael German, der lange Zeit, auch undercover, im rechten Milieu ermittelte und darüber das Sachbuch „Thinking Like a Terrorist: Insights of a Former FBI Undercover Agent“ schrieb. Ragussis las es, kontaktierte German und gemeinsam entwickelten sie die Filmgeschichte, die ein realistisches und ungeschöntes Porträt der rechtsextremen Szene vermittelt.
In seinem Film, dessen straff erzählte Geschichte weitgehend den aus zahlreichen Thrillern über Undercover-Einsätze bekannten Erzählmustern folgt, hat Ragussis auch einige moralische Ambivalenzen und Überraschungen eingebaut, die gelungen einige Themen aus „Airlington Road“ aufnehmen. So gibt es neben den normal-dumpfen, entsprechend bedrohlichen Neo-Nazis, denen man schon vor dem ersten Bier jede Schweinerei zutraut, auch die bürgerlichen Nazis. Der Radiomoderator Dallas Wolf und der nette, gebildete Vorstadtdaddy Gerry Conway (Sam Trammell, „True Blood“), der alle Nazi-Gruppen zu regelmäßigen Barbecue-Nachmittagen (ohne Alkohol) einlädt, sind in ihrer Normalität und Biederkeit die schlimmsten Charaktere des Films. Sie könnten überall unsere Nachbarn sein.
Nach dem Sieg von Donald Trump ist „Imperium“ auch ein Blick auf die US-amerikanische Nazi- und ultrakonservative Bewegung („Alt-Right“ klingt doch ziemlich verharmlosend), die sich jetzt als Sieger sieht. Ohne eine einzige Bombe gezündet zu haben.
Als Bonus gibt es ein insgesamt siebzehnminütiges Featurettes von der Aufführung beim Zurich Film Festival mit Impressionen vom Grünen Teppich und Kurzinterviews mit Daniel Ragussis und Daniel Radcliffe (die wegen des Fragestellers kaum zu Wort kommen) und einem gut zehnminütigem Interview mit Daniel Radcliffe zum Film.
Imperium (Imperium, USA 2016)
Regie: Daniel Ragussis
Drehbuch: Daniel Ragussis (nach einer Geschichte von Michael German)
mit Daniel Radcliffe, Toni Collette, Tracy Letts, Sam Trammell, Nestor Carbonell, Chris Sullivan, Seth Numrich, Pawel Szajda, Devin Druid, Burn Gorman, Adam Meier
–
DVD
Ascot Elite
Bild: 2.38:2 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: „Imperium“ auf dem Zurich Film Festival 2016: Exklusives Interview und Impressionen, Deutscher und Originaltrailer, Wendecover
Wie bei dem ebenfalls heute anlaufendem Jason-Statham-Actionfilm „Mechanic: Resurrection“ hat auch bei der Caper-Komödie „Die Unfassbaren“ niemand wirklich eine Fortsetzung erwartet. Denn die Geschichte der Illusionisten „The Four Horsemen“ war erzählt. Sie verwirklichten, im Auftrag von Dylan Rhodes, einen ziemlich elaborierten Racheplan, der natürlich auch deshalb so elaboriert war, um möglichst gut von den wahren Absichten abzulenken und bei dem, wie es sich für einen guten Zauberertrick gehört, fast alles schon vorher geplant war. Die starbesetzte Krimikomödie war ein großer Spaß und das Einspielergebnis waren mit weltweit über 350 Millionen Dollar so überzeugend, dass es jetzt die Fortsetzung gibt, die genau daran leidet, dass die Geschichte fertig erzählt war.
Für die Fortsetzung mussten die Macher nun überlegen, wie sie die „Four Horsemen“, die irgendwo zwischen Ruhestand und Shows auf den großen Las-Vegas-Showbühnen leben könnten, wieder zurück bringen: ob sie zu einer „Ocean’s Eleven“-Verbrecherbande werden oder ob sie ihre Fähigkeiten als moderne Robin Hoods, sozusagen als „Leverage“-Team mit Zaubershow, einsetzen.
Mit Ach und Krach entschlossen sich die Macher für eine Mischung aus komplettem Neuanfang und Weitererzählung der Geschichte von „Die Unfassbaren“, weil jetzt die inhaftierten und blamierten Bösewichter des ersten Teils sich rächen wollen und die „Four Horsemen“ in Richtung Verbrechensbekämpfung auf der großen Showbühne gehen, während Dylan Rhodes (Mark Ruffalo) noch immer beim FBI arbeitet und dort fanatisch jede Spur der spurlos verschwundenen Illusionisten verfolgt. Seine Kollegen zweifeln zwar an seinem Verstand, aber so kann er die spurlos verschwundenen „Four Horsemen“ am besten schützen. Denn er ist der Kopf der „Four Horsemen“ und Mitglied des Magier-Geheimbundes „Das Auge“.
Während einer Produktpräsentation geht ein arg amateurhafter Überraschungsauftritt der „Four Horsemen“, bei dem sie die schändlichen Absichten des Veranstalters der Welt verraten wollen, gründlich schief. Die tapferen vier Reiter, bestehend aus Illusionist J. Daniel Atlas (Jesse Eisenberg), Mentalist Merritt McKinney (Woody Harrelson), Kartentrickser Jack Wilder (Dave Franco) und Neuzugang Lula (Lizzy Caplan), die sich zur Begrüßung schon einmal selbst enthauptet, müssen untertauchen.
Sie alle reisen, mehr oder weniger freiwillig, nach Macau, wo Walter Mabry (Daniel Radcliffe) sie in seinem Penthouse empfängt. Für den zurückgezogen lebenden Milliardär sollen sie einen unvorstellbar leistungsfähigen Computerchip/-software (der MacGuffin des 21. Jahrhunderts) stehlen. Die fünf Illusionisten sind einverstanden. Allerdings wissen sie nicht, dass Mabry der Sohn von Arthur Tressler (Michael Caine), dem Bösewicht des vorherigen Films, ist und Mabry und Tressler sich an ihnen für die damaligen Ereignisse rächen wollen.
Außerdem kann Thaddeus Bradley (Morgan Freeman), der ebenfalls aus „Die Unfassbaren“ bekannte, jetzt inhaftierte Berufsenttarner von Zauberertricks, aus dem Gefängnis entkommen.
Während in „Die Unfassbaren“ noch viel Zeit auf die Tricks der Illusionisten und deren Erklärung verwandt wurde, spielen sie in „Die Unfassbaren 2“ eigentlich keine Rolle mehr. Die meisten Tricks so elaboriert und groß, dass die Macher auf jede Erklärung verzichten. Es wäre ihnen auch nicht gelungen. Für den Rest gibt es dann gut versteckte Falltüren und Kartentricks, die keiner Erklärung bedürfen.
Stattdessen konzentriert Regisseur Jon M. Chu sich auf die Action und die Drehbuchautoren Peter Chiarelli und Ed Solomon, einer der Autoren des ersten Films, schrieben eine Geschichte, die in der Tradition der klassischen Pulp-Geschichten und B-Pictures aus den Dreißigern und Vierzigern, wie den „Mr. Moto“-Filmen mit Peter Lorre, steht. Immer wenn es nicht weiter geht, gibt es eine ausgewalzte Actionszene, immer wieder taucht plötzlich jemand aus dem Nichts auf, immer wieder gibt es, wenn man sich geade in eine erzählerische Sackgasse manövrierte, eine Erklärung, die alle vorherigen Ereignisse auf den Kopf stellt, und es passiert so viel so schnell, dass man über die Geschichte nicht weiter nachdenkt. Denn aus den einzelnen Szenen ergibt sich keine wirklich sinnvolle Geschichte.
Die Action inszenierte Jon M. Chu, der vorher vor allem die „Step Up“-Tanzfilme und das kindische Actiondesaster „G.I. Joe 3D: Die Abrechnung“ (USA/Kanada 2013) inszenierte, in „Die Unfassbaren 2“ nachvollziehbar, mit weniger Schnitten als in „G.I. Joe 3D: Die Abrechnung“ und, wenn unsere Helden gerade einen komplizierten Diebstahl aus einem bestens bewachtem Gebäude unter den wachsamen Augen des Sicherheitspersonals durchführen, mit viel Slo-Mo, wie einen Tanz. Das bringt die Handlung zwar genauso wenig voran wie ein Fred-Astaire-Tanznummer in einem Musical, aber das Auge (vielleicht auch „Das Auge“) verfolgt entzückt die überaus komplizierte Aktion, während das Hirn anmerkt, dass die Zauberer auch leichter und schneller an ihr Ziel kommen könnten.
Als gut gemachte, durchaus familienfreundliche Samstagabendunterhaltung mit gut aufgelegten Schauspielern (und Woody Harrelson in einer Doppelrolle) im Stil eines Vierziger-Jahre-B-Pictures funktioniert „Die Unfassbaren 2“ gut.
Es ist aber auch ein Film, der gerade die besonderen Aspekte des ersten Films – die Tricks der Illusionisten und der große Plan, in dem alles miteinander zusammenhängt (wobei ich immer noch glaube, dass der Plan bei einer genaueren Betrachtung schneller als ein Soufflé in sich zusammenfällt) – zugunsten einer 08/15-Gaunergeschichte links liegen lässt, die noch nicht einmal versucht, die Szenen in eine kohärente Geschichte oder einen großen Zauberertrick, der sich erst am Ende enthüllt, einzufügen.
Schon vor dem US-Kinostart wurde ein dritter „Die Unfassbaren“-Film angekündigt, bei dem Jon M. Chu wieder die Regie übernehmen soll. Über den Plot und die Besetzung ist noch nichts bekannt.
Die Unfassbaren 2 – Now you see me (Now you see me 2, USA 2016)
Regie: Jon M. Chu
Drehbuch: Ed Solomon, Peter Chiarelli
mit Jesse Eisenberg, Mark Rufallo, Woody Harrelson, Dave Franco, Daniel Radcliffe, Lizzy Caplan, Jay Chou, Sanaa Lathan, Michael Caine, Morgan Freeman
Die Geschichte von Doktor Frankenstein und seinem Monster dürfte bekannt sein. Im 19. Jahrhundert experimentiert der Doktor mit Leichenteilen, aus denen er ein lebendiges Wesen erschaffen will. Mit Blitzen, Strom und elektrischer Energie als Hilfsmittel. In einer stürmischen Nacht gelingt es ihm. Aber seine Kreatur, das „Monster“, verursacht Probleme.
Marry Shelleys Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ erschien 1818. Seitdem gab es zahlreiche, mehr oder weniger werkferne Verfilmungen, von denen James Whales „Frankenstein“ (USA 1931) und seine Fortsetzung „Frankensteins Braut“ (USA 1935) die bekanntesten sind und alle weiteren Verfilmungen beeinflussten. Das von Boris Karloff verkörperte Monster wurde ein fester Teil der Popkultur.
Jetzt legt Paul McGuigan, nach einem Drehbuch von Max Landis, seine Version von Frankenstein vor, die auch eine Neuinterpretation und ein Spiel mit den bekannten Elementen in einem anderen Umfeld ist. McGuigan inszenierte „Gangster Nr. 1“, „Lucky Number Slevin“ und mehrere „Sherlock“-Filme. Der Stil der „Sherlock“-Filme und der beiden Sherlock-Holmes-Filme von Guy Ritchie beeinflusste überdeutlich „Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“. Max Landis ist ein Tausendsassa, der gerne bekannte Geschichten und Genretopoi mit vielen Anspielungen neu interpretiert. Zuletzt im Kino als Autor der Actionkomödie „American Ultra“. Nicht immer, wie jetzt bei „Victor Frankenstein“, überzeugt das Ergebnis.
In dem Film ist Victor Frankenstein (James McAvoy), ein Bruder von Henry Frankenstein (dem Doktor aus dem 1931er „Frankenstein“). Er lebt als Medizinstudent in einem viktorianischen Steampunk-London in einem mitten in der Stadt gelegenem Anwesen, in dem er seine Experimente mit, zunächst, Tieren durchführt.
Als er den Zirkus besucht, entdeckt er Igor (Daniel Radcliffe), einen buckligen Clown, der allerdings hyperintelligent ist und aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird. Jedenfalls größtenteils. Frankenstein befreit ihn in einer atemberaubenden Aktion, in der Action Hirn ersetzt. McGuigan inszeniert das, als müsse er „Sherlock“ im viktorianischen London inszenieren. Und James McAvoy spielt Victor Frankenstein als bewerbe er sich für „Sherlock“. Aber vielleicht müssen Intelligenzbestien heute ganz einfach wie Sherlock Holmes sein.
Frankensteins Experimente werden von dem tiefgläubigen Polizeiinspektor Roderick Turpin (Andrew Scott – jaja, der Moriarty aus „Sherlock“) kritisch beäugt.
Nachdem sich Frankensteins Experimente mit Tieren in London immer schwieriger gestalten, geht es im dritten Akt von „Viktor Frankenstein“ an die Küste in eine einsam gelegene Burg. Dort wird, unterstützt durch seinen Kommilitonen Finnegan (Freddie Fox), der als adliger Spross stinkreich und einflussreich ist, das Monster geschaffen – und ich war, während die Geschichte jetzt immer mehr Züge einer Alan-Moore-Geschichte hat, erleichtert, dass die Macher doch noch das lange erwartete Monster präsentieren und „Victor Frankenstein“ nicht nur der Prolog für den nächsten Film ist, in dem der Doktor dann sein menschenähnliches Monster erschafft.
Das ist aber auch eines der Probleme von „Victor Frankenstein“. Die Geschichte plätschert viel zu lange vor sich hin, während sie einige Elemente neu interpretiert und Frankenstein und Igor zu einem Buddy-Duo werden. Das wirkt viel zu oft wie eine fehlgeleitete Episode von „Sherlock“; mit Igor als Dr. Watson und, nun ja, Inspektor Turpin als Inspektor Lestrade. Wenn dann, weit in der zweiten Hälfte des Films, mit dem Auftauchen von Finnegan und seinem Vater als eigennütziger Förderer von Frankensteins Experimenten eine potentiell interessante Verschwörungsgeschichte angedeutet wird, ist die Zeit um.
„Victor Frankenstein“ ist trotz vieler Ideen und einer auf dem Papier nicht uninteressanten Neuinterpretation der bekannten Geschichte, letztendlich weder ein guter, noch ein schlechter, sondern ein gänzlich uninteressanter Film.
Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn (Victor Frankenstein, USA 2015)
Regie: Paul McGuigan
Drehbuch: Max Landis
mit James McAvoy, Daniel Radcliffe, Jessica Brown Findlay, Andres Scott, Charles Dance, Freddie Fox, Guillaume Delaunay, Mark Gatiss (jaja, auch bekannt aus „Sherlock“)
Allen Ginsberg, Jack Kerouac, William Burroughs, die legendären Dichter, und Lucien Carr als Katalysator für deren literarisches Schaffen in einem Film. Wow! „Kill your Darlings – Junge Wilde“ erzählt die Geschichte der Beat-Poeten, bevor sie Beat-Poeten waren. In John Krokidas‘ Film sind sie noch vor dem Anfang ihrer Karriere.
Im Zentrum steht Allen Ginsberg (gespielt von Daniel Radcliffe im störendem Harry-Potter-Outfit), der 1944 als Studienanfänger an die New Yorker Columbia Universität kommt, seinen charismatischen Zimmergenossen Lucien Carr kennen lernt, der ihn in eine für ihn vollkommen neue Welt entführt: denn neben den Freiheiten des Studiums erkundet er auch die damalige Underground-Kunstszene mit ihren Drogen und den fetzigen Bebop-Rhythmen, während im Hinterzimmer Männer sich miteinander vergnügen. Und dann ist da noch David Kammerer, der deutlich ältere, eifersüchtige Freund von Lucien.
In „Kill your Darlings“ heißen die Protagonisten zwar Allen Ginsberg, Jack Kerouac und William Burroughs und wir kennen, wenigstens rudimentär, ihre späteren Lebensstationen und wissen, wie groß ihr Einfluss war und ist. Aber hier sind sie noch austauschbare Studenten, die noch nichts geschrieben haben und das lockere Studentenleben, inclusive Studentenstreichen, in vollen Zügen genießen. Der Film erzählt einfach Episoden aus Ginsbergs erstem Studienjahr, was zunehmend langweilt, bis dann, am Ende, Lucien Carr plötzlich David Kammerer umbringt. Diese Tat wäre wohl besser als Beginn und nicht als das Ende der Geschichte genommen worden. Denn Carr verteidigte sich, indem er vor Gericht sagte, er habe sich gegen Kammerers homosexuelle Annäherung wehren müssen. Das Gericht ließ – heute unvorstellbar – diese „Ehrenmord“-Argumentation strafmildernd zu. Burroughs und Kerouac schrieben „Und die Nilpferde kochten in ihren Becken“, das erst 2008 veröffentlicht wurde, in dem sie den Mord an Kammerer literarisch verarbeiteten. Aber das war erst nach dem Ende des Films.
Außerdem irritiert, dass diese jungen Männer nicht einen Gedanken an den Weltkrieg verschwenden. Sie sind Hedonisten vom Scheitel bis zur Sohle. Wenn wir nicht wüssten, dass die Geschichte 1944 spielt, könnte sie genausogut in jedem anderen Jahr spielen.
So ist „Kill your Darlings“ dann nur prominent besetztes, biederes Ausstattungskino über einige junge Männer in ihrer Selbstfindungsphase, die später berühmt wurden.
Kill your Darlings – Junge Wilde (Kill your Darlings, USA 2013)
Regie: John Krokidas
Drehbuch: John Krokidas, Austin Bunn
mit Daniel Radcliffe, Dane Dehaan, Michael C. Hall, Jack Huston, Ben Foster, David Cross, Jennifer Jason Leigh, Elizabeth Olsen, Kyra Sedgwick