Die schwerste Aufgabe für den Superhund Krypto ist, morgens sein Herrchen Superman aufzuwecken und zum Gassi gehen/fliegen durch Metropolis zu überreden. Das ist die Stadt, in der Superman, wie wir aus unzähligen Comics und Filmen wissen, lebt und die dort lebenden Menschen vor Bösewichtern wie Lex Luthor beschützt.
Dieser Lex Luthor plant jetzt wieder eine Schandtat, die Superman mit seinen Freunden von der Justice League verhindern wollen. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände landet etwas von dem besonderem Kryptonit, das Lex Luthor erfunden hat und das Superman kampfunfähig machen soll, in einem Tierheim.
Das dort in einem Käfig eingesperrte Meerschweinchen Lulu kostet von diesem Kryptonit, bekommt Superkräfte und als angehende Superbösewichtin plant sie sofort viele böse Taten.
Das will Krypto verhindern. Helfen sollen ihm dabei die anderen Tiere aus dem Tierheim, nämlich der Hund Ace, das Hängebauchschwein PB, die Schildkröte Merton und das Eichhörnchen Chip, die alle gerne neue menschliche Freunde hätten.
„DC League of Super Pets“ ist ein Trickfilm für Kinder. Nach einem charmantem Anfang wird schnell deutlich, dass die Regiseure Jared Stern (u. a. Co-Autor „The Lego Batman Movie“) und Sam J. Levine sich im wesentlichen damit zufrieden geben, eine altbekannte Story noch einmal zu erzählen. Nur dass jetzt Tiere weitgehend die Rollen der Superhelden und des Superbösewichts übernehmen. Es gibt einige Witze, etwas Action und für Erwachsene ziemlich viel Langeweile aufgrund geistiger Unterforderung.
Die Film-“League of Super Pets“ basiert teilweise auf Comic-Figuren, die als League of Super Pets ihren ersten Auftritt 1962 hatten. Davor traten sie bereits in Einzelcomics auf.
DC League of Super-Pets(DC League of Super-Pets, USA 2022)
Regie: Jared Stern, Sam J. Levine (Ko-Regie)
Drehbuch: Jared Stern, John Whittington
mit (im Original den Stimmen von) Dwayne Johnson, Kevin Hart, Kate McKinnon, John Krasinski, Vanessa Bayer, Natasha Lyonne, Diego Luna, Marc Maron, Keanu Reeves, Thomas Middleditch, Ben Schwartz, Olivia Wilde, Alfred Molina, Lena Headey
(in der deutschen Fassung den Stimmen von) Emilia Schüle, Tahnee, Enissa Amani, Torsten Sträter
Vor dem Film bitten Tom Holland und einige seiner Co-Stars uns, nichts von der Handlung des Films zu verraten. Nun, denn, dann bleibe ich im Folgenden weitgehend bei der offiziellen Synopse und nenne nicht alle wichtigen und bekannten Schauspieler, die dabei sind; – was jetzt vielleicht auch schon ein Spoiler sein könnte. Denn in dem neuen Spider-Man-Film „No Way Home“ steigt das Vergnügen an diesem Film mit dem Wissen über die vorherigen Filme.
„No Way Home“ beginnt unmittelbar nach dem Ende von dem Europatrip „Far from Home“. Das war der zweite gelungene Spielfilm mit Tom Holland als Peter ‚Spider-Man‘ Parker. Dazwischen absolvierte Holland in anderen Marvel-Filmen mehrere Auftritte als Spider-Man. Diese Gastauftritte gehören zur DNA des Marvel Cinematic Universe (MCU) und sie stellen einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Filmen her, die oft auch unabhängig voneinander gesehen werden können. Am Ende von „Far from Home enthüllte ‚Mysterio‘ Quentin Beck die Identität von Spider-Man. Seitdem weiß die ganze Welt, dass der siebzehnjährige Schüler Peter Parker der freundliche Superheld von nebenan ist. Parker, der seine Anonymität schätzt, ist von dem Medienrummel überfordert und angewidert. Er möchte sein früheres Leben wieder zurück haben. Helfen soll ihm Doctor Strange (Benedict Cumberbatch). Der Zauberer kann die Vergangenheit verändern. Also kann er auch die Welt vergessen lassen, dass Peter Parker Spider-Man ist. Bei dem Zauberspruch geht einiges schief, weil Parker sich spontan, während des Spruchs, entscheidet, dass doch einige Menschen, wie seine Freundin, wissen sollten, dass er Spider-Man ist. So sorgt er für ein gewaltiges Chaos in dieser und anderen Welten. Das führt dazu, dass die verschiedenen Welten nicht mehr sauber getrennt sind und Menschen aus einem Paralleluniversum unsere Welt betreten können.
Dieses Multiverse ist im MCU ein neues Konzept. In den Marvel-Comics gibt es die Idee von unendlich vielen nebeneinander bestehenden, sich mehr oder weniger ähnlichen Welten schon lange. Sie ermöglicht es den Machern, verschiedene Formen von Spider-Mann, seinen Freunden und Feinden zu erfinden. Weil diese Welten voneinander unabhängig sind, kann sich hier jeder Autor mit seiner Version von Spider-Man austoben. Es kann auch ein Crossover geben, in dem sich die verschiedenen Versionen eines Superhelden treffen. Im Kino wurde das Konzept des Multiverse in dem nicht zum MCU zählendem Animationsfilm „Spider-Man: A new Universe“ (Spider-Man: Into the Spider-Verse, USA 2018) vorgestellt. Da gab es dann auch einen schwarzen Spider-Man.
In „No Way Home“ trifft Parker zuerst auf einige Bösewichter aus den vorherigen, in anderen Universen spielenden Spider-Man-Filmen. Es sind ‚Doctor Octopus‘ Otto Octavius (Albert Molina), der ‚Green Goblin‘ Norman Osborn (Willem Dafoe), ‚Electro‘ Max Dillon (Jamie Foxx), ‚Sandman‘ Flint Marko und der ‚Lizard‘ Dr. Curt Connors (um nur die zu nennen, die im Pressematerial namentlich genannt werden). Diese Bösewichter wissen, dass Peter Parker Spider-Man ist. Auch wenn sie von seinem Aussehen irritiert sind. Schließlich haben sie gegen einen anderen Spider-Man gekämpft.
Doctor Strange, Peter Parker und seine engsten Freunde versuchen jetzt, das von Parker angerichtete Chaos wieder rückgängig zu machen.
Jon Watts und die Drehbuchautoren Chris McKenna und Erik Sommers, die auch für die beiden vorherigen Spider-Man-Filme „Homecoming“ und „Far from Home“ verantwortlich waren, erfanden eine zwar ausufernde, aber doch in sich schlüssige Geschichte. Sie dürfte auch ohne die Kenntnis der Spider-Man-Filme von Sam Raimi und Marc Webb (für die Bösewichter) und Jon Watts (für diesen Spider-Man und sein Umfeld) verständlich sein. Aber einen wirklichen emotionalen Impact hat der neue Film nur, wenn man die vorherigen Filme Filme kennt. Dann haben die Auftritte von den schon erwähnten und anderen Figuren eine Bedeutung. Schließlich kennt man sie, ihre Geschichte und ihre Beziehung zu Spider-Man. Man versteht auch die vielen Anspielungen, die das Herz des MCU-Fans erfreuen.
Diese Ansammlung der Superbösewichter wird nicht, wie in Sam Raimis „Spider-Man 3“, zu einer ermüdenden Abfolge nacheinander folgender Auftritte von Bösewichtern, die sofort vernichtet, oder, im Fall von „No Way Home“, an den ihnen zustehenden Platz in ihrer Welt befördert werden. Sie treten gemeinsam auf, agieren miteinander (auch weil sie sich teilweise von früher kennen) und sie versuchen sich an die neue Situation anzupassen. Schließlich gibt es eine neue Welt zu erobern.
Dummerweise führt diese Ansammlung von Bösewichtern dazu, dass keiner wirklich herausragt und keiner von ihnen hat einen Plan, den Spider-Man verhindern muss. So ist auch dieses dreckige Dutzend, wie eigentlich alle MCU-Bösewichter, ein mit großen Kräften ausgestatteter, aber ansonsten enttäuschender Gegner.
Insgesamt ist diese Begegnung der verschiedenen Spider-Man-Welten ein gelungener Spaß. Vor allem, wie gesagt, für die Menschen, die auch die Spider-Man-Filme von Raimi und Webb kennen. Denn Jon Watts setzt sie als bekannt voraus – und es gibt, darauf aufbauend, eine gehörige Fan-Service und Fan-Amüsement. Gleichzeitig führt er die Geschichte von seinem Peter Parker fort, der immer wieder in haarsträubende Situationen und Abenteuer hineinstolpert, die für ihn ein, zwei Nummern zu groß sind. Er ist, Superheld hin, Superheld her, halt immer noch ein Teenager, hat noch nicht die Schule abgeschlossen und ist seit kurzem mit seiner ersten großen Liebe MJ zusammen.
Das ist locker-flockig, mit einer ordentlichen Portion Humor erzählt (auch wenn das Nachspiel nach dem großen Kampf etwas lang geraten ist) und knüpft gelungen an die früheren Marvel-Filme an.
„Spider-Man: No Way Home“ ist der bislang befriedigenste Film der aktuellen, dieses Jahr begonnenen vierten MCU-Phase. Auch wenn die Zukunft von Tom Holland als Spider-Man unklar ist und damit auch unklar ist, wie sehr er in diese vierte Phase involviert sein wird. Holland würde die Rolle gerne weiter spielen. Es gibt Gerüchte, aber noch keine konkrete Ankündigung über einen weiteren Auftritt von ihm als Spider-Man.
Nach dem Abspann gibt es mehrere Bilder, die wie der Trailer für den von Sam Raimi inszenierten „Doctor Strange“-Film „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“, der Anfang Mai 2022 starten soll, wirken.
Spider-Man: No Way Home (Spider-Man: No Way Home, USA 2021)
Regie: Jon Watts
Drehbuch: Chris McKenna, Erik Sommers (basierend auf dem Marvel Comics von Stan Lee und Steve Ditko)
mit Tom Holland, Zendaya, Jacob Batalon, Benedict Cumberbatch, Marisa Tomei, Jon Favreau, Alfred Molina, Willem Dafoe, Jamie Foxx, J.K. Simmons, Benedict Wong (wenn schon die Besetzungsliste ein Spoiler ist…oder, anders gesagt: zu einem späteren Zeitpunkt wird es eine längere Besetzungsliste geben)
Cassie sitzt in einer Bar. Vollbusig, etwas nuttig, reichlich naiv und vollkommen zugedröhnt. Für Männer ist sie ein leichtes Opfer. Bis einer der zahlreichen männlichen, anzugtragenden Kunden, ganz hiflsbereiter Charmeur der alten Schule, anbietet, sie nach Hause zu bringen. Bei einem Abstecher in seine Wohnung möchte er für diese Gefälligkeit mit etwas Sex bezahlt werden. Aber Cassie möchte das nicht. Sie ist auch nicht zugedröhnt, sondern stocknüchtern.
Was danach geschieht, erfahren wir nicht.
Aber im nächsten Moment stolpert Cassie über die Straße. Ihre Kleider sind derangiert, aber sie wirkt, als sei sie sehr zufrieden mit dem Verlauf der letzten Nacht.
In den nächsten Nächten wiederholt sich das Spiel. Immer mit einem anderen Zufallsbekanntschaft. Und immer mit einem weiteren Strich in ihrem Notizbuch.
Warum die intelligente Dreißigjährige, die ihr Medizinstudium zugunsten eines Aushiflsjobs in einem Café abbrach und die noch immer in ihrem Kinderzimmer wohnt, das tut, bleibt lange rätselhaft in Emerald Fennells Regiedebüt „Promising Young Woman“, für das sie auch das Drehbuch schrieb. Fennell spielt in „The Crown“ Camilla Shand/Camilla Parker Bowles. Außerdem war sie Showrunner für die zweite Staffel von „Killing Eve“. Sie schrieb auch fast alle Drehbücher. Und sie veröffentlichte einige Kinderbücher und einen Horrorroman. Für „Promising Young Woman“ erhielt sie den Drehbuchoscar. Außerdem war sie für die beste Regie und der Film als bester Film nominiert. Laut IMDB gewann „Promising Young Woman“ 109 Preise und wurde für 169 weitere Preise nominiert.
Das ist dann doch ein etwas zu großer Preisregen für eine kleinen, fiesen B-Rachethriller, der, nachdem Cassies Motiv bekannt ist, doch sehr in den üblichen Bahnen eines Rachethrillers verläuft. Das geschieht ziemlich spät im Film und soll deshalb hier nicht verraten werden.
Die erste Hälfte, in der Cassie in Bars als scheinbares Opfer Männer abschleppt und ihnen, ähm, eine Lektion erteilt, dockt gelungen an die Sehgewohnheiten und Erwartungen an. Damit ist dieser Teil auch ein Kommentar zur #MeToo-Debatte mit dem eindeutigen, immer noch aktuellem Hinweis, dass ein „Nein“ ein „Nein“ ist und dass das keine Einladung zu einer Vergewaltigung ist. Was Cassie mit ihren Opfern anstellt, erfahren wir auch später. Und auch das soll hier nicht gespoilert werden.
Ein Problem des Films ist, das kann gesagt werden, dass die beiden Hälften nicht wirklich zusammen passen. Denn Cassies Aktionen in der ersten Hälfte bringen sie nicht näher an ihr Ziel.
Aber der Rachethriller ist so gut gespielt und so schwarzhumorig auf den Punkt inszeniert, dass man gefesselt zusieht. Auch weil Fennell immer mit den Erwartungen und Sehgewohnheiten des genrekundigen Publikums spielt.
So ist „Promising Young Woman“ ein überzeugendes, zum Nachdenken anregendes Regiedebüt, ein feministisch gefärbter Noir und ein fieser kleiner Rachethriller, in dem Carey Mulligan sich als Cassie austoben kann.
Das ist nicht neu, aber aus einem erfrischend anderem Blickwinkel präsentiert. Denn normalerweise werden solche Genrefilme von Männern gedreht.
Für Noir-Fans ist „Promising Young Woman“ also ein Pflichttermin.
Promising Young Woman (Promising Young Woman, USA 2020)
Regie: Emerald Fennell
Drehbuch: Emerald Fennell
mit Carey Mulligan, Laverne Cox, Bo Burnham, Alison Brie, Connie Britton, Jennifer Coolidge, Max Greenfield, Christopher Mintz-Plasse, Chris Lowell, Sam Richardson, Molly Shannon, Clancy Brown, Adam Brody, Alfred Molina
Den ersten Lacher gibt es schon in den ersten Filmsekunden, wenn nacheinander drei Sätze auf der Leinwand zu sehen sind:
The following is a true story.
Or as true as it can be given that Dick Cheney is one of the most secretive leaders in history.
But we did our fucking best.
Danach geht es in das Jahr 1963 auf eine Landstraße in Wyoming. Dick Cheney, damals noch ein junger Student, fährt stockbesoffen Auto. Ab da springt Adam McKay munter, aber weitgehend chronologisch, durch das Leben von Dick Cheney, der unter George W. Bush von 2001 bis 2009 Vizepräsident war.
Adam McKay erzählt Cheneys Geschichte, wie seinen Film „The Big Short“ über die Finanz- und Bankenkrise, flott, pointiert, mit unzähligen Brechungen, unter Einsatz aller filmischen Mittel und sehr süffig. Obwohl McKay einen mit Informationen bombardiert, verliert man nie den Überblick. Christian Bale ist als Dick Cheney unter der Maske nicht mehr zu erkennen. Die anderen Schauspieler – Steve Carell als Donald Rumsfeld, Sam Rockwell als George W. Bush, Tyler Perry als Colin Powell, Eddie Marsan als Paul Wolfowitz, LisaGay Hamilton als Condoleezza Rice – sind dagegen irritierend gut erkennbar. Sie ähneln kaum den Menschen, die sie spielen.
Auch bei den historisch verbürgen Fakten, Dynamiken und Ursache-Wirkungsketten nimmt McKay sich etliche Freiheiten. Im Gegensatz zu „The Big Short“ vereinfacht er in „Vice – Der zweite Mann“ vieles so sehr, dass Zeitzeugen, Historiker und Politik-Journalisten über die vielen Ungenauigkeiten, Auslassungen und Fiktionen verzweifeln. „Vice – Der zweite Mann“ ist halt vor allem eine Anklage gegen Dick Cheney und ein guter Ankläger ignoriert oder spielt die störenden Fakten in seinem Plädoyer herunter. Außerdem ist es ein Spiel- und kein Dokumentarfilm.
Im Mittelpunkt des Films stehen Cheneys Jahre als Vizepräsident, in denen er die Weltgeschichte entscheidend verändern konnte. Er ist dabei der große Planer im Hintergrund. Das Mastermind, das alles einfädelt und ermöglicht. Es sind die Jahre mit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001, dem danach folgenden uferlosen Krieg gegen den Terror, dem Irakkrieg und der Ausweitung der Macht des Präsidenten. Das geschieht mit Hilfe der umstrittenen und auch zweifelhaften Unitary Executive Theorie, nach der es keine Machtbeschränkung für den US-Präsidenten und damit auch seinen Stellvertreter gibt. Er kann machen, was er will und er kann dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Cheney findet die Theorie grandios und er wird Vizepräsident, um sie in seinem Sinn anzuwenden.
Es sind Jahre, in denen einige Männer, die ihr Leben lang zwischen Politik und Wirtschaft pendelten, jetzt die Ernte einfahren wollen. Es ist eine Clique von amoralischen konservativen und ultrakonservativen Selbstbedienern, die sich den Staat zur Beute machen. Rückblickend und mit der Trump-Entourage im Weißen Haus, erscheinen sie als gemäßigte Geister, die die Saat für den jetzigen Zustand der US-Demokratie legten.
Mckay inszeniert einen oft irritierend plakativer Ritt durch einige Jahrzehnte US-Geschichte, der mehr nach dem nächsten besten Gag als nach einem wirklichen Blick hinter die Kulissen schielt. So lässt McKay die Jahre, in denen Cheney sich von einem trinkfreudigen Studenten (vulgo Säufer) zu einem Abstinenzler wandelt, links liegen. Er ist nach einer Standpauke seiner Frau Lynne (Amy Adams) schwuppdiwupp in Washington, D. C., und weil ihm bei der Begrüßung der neuen Praktikanten in der Hauptstadt die respektlos-lockere Rede von Donald Rumsfeld (Steve Carell) gefällt, wird er 1969 dessen Mitarbeiter. Zu welcher Partei er gehört und welche politischen Ansicht er hat, ist Cheney egal. Rumsfeld ist witzig und das reicht Cheney. Und so geht es weiter. Rumsfeld hat schon einige Projekte, Cheney hat dann auch ein, zwei Projekte, die er und Rumsfeld obsessiv über Jahrzehnte verfolgen: die Gründung des konservativen Privatsenders FOX News, den Zugang amerikanischer Firmen, vor allem von Cheneys Arbeitgeber Halliburton (von 1995 bis 2000), zu den Ölquellen im Irak und der juristischen Idee, dass ein US-Präsident (bzw. sein Stellvertreter) unumschränkte Macht hat. Diese will Cheney als Vizepräsident ausüben. Präsident George W. Bush wird hier zu einem leicht manipulierbaren, meinungslosen Trottel, der kaum in der Lage ist, ein Schnapsglas richtig zu halten.
Stilistisch kopiert McKay dabei seinen sehr aufklärerischen und sehr gelungenen „The Big Short“. Aber während man beim ersten Sehen von „The Big Short“ kaum alles erfassen konnte, hat man bei „Vice“ keine Probleme, die vielen Informationen zu verarbeiten. In dem Informationstsunami ist alles immer ziemlich eindeutig. Damit ist die Polit-Satire inhaltlich und auch von der Personenzeichnung deutlich näher bei McKays beiden „Anchorman“-Filmen und seiner „Saturday Night Live“-Zeit. Die gezeigten Politiker sind keine Charaktere, sondern Typen, die einfach nur Macht wollen. Wozu und welche Überzeugungen sie haben, ist da noch nicht einmal sekundär. Falls sie überhaupt Überzeugungen haben, die über ihr Bankkonto hinausreichen.
„Vice – Der zweite Mann“ ist eine Satire über eine Haufen moralbefreiter Intriganten, die von willigen Deppen umgeben sind und die gängige Vorurteile über die Politik bedient.
Vice – Der zweite Mann (Vice, USA 2018)
Regie: Adam McKay
Drehbuch: Adam McKay
mit Christian Bale, Amy Adams, Steve Carell, Sam Rockwell, Tyle Perry, Eddie Marsan, Jesse Plemons, LisaGay Hamilton, Alison Pill, Lily Rabe, Alfred Molina
1988 war Gary Hart einer der Kandidaten der Demokraten für das Amt des US-Präsidenten. Seine Chancen standen gut, aber vor allem ein Ereignis führte dazu, dass er schon bei den Vorwahlen vollkommen scheiterte.
Jetzt kommt ein Spielfilm über diesen sehr erfolglosen Kandidaten in unsere Kinos. Denn sein Ausscheiden aus dem Rennen um die Präsidentschaft markiert einen wichtigen Wendepunkt in der öffentlichen Behandlung von Bewerbern für politische Ämter. Davor war Privates privat. Auch wenn die politischen Journalisten von außerehelichen Geliebten und Affären wussten, wurde nicht darüber berichtet. Es wurde über ihre politischen Ansichten und ihre Arbeit geschrieben. Auch bei Gary Hart war es zunächst so. Aber dann rückte eine außereheliche Affäre in den Mittelpunkt der Berichterstattung. Und erstmals führte das zum Ende der politischen Ambitionen des Kandidaten.
2014 veröffentlichte der „New York Times Magazine“-Journalist Matt Bai „All the Truth Is Out: The Week Politics Went Tabloid“, sein Buch über diese Affäre und wie aus den Politikseiten Boulevardseiten wurden.
In seinem Drama „Der Spitzenkandidat“ beleuchtet Jason Reitman, nach einem von ihm, Bai und Jay Carson (u. a. war er Pressesprecher für Hillary Clinton) geschriebenem Drehbuch, jetzt die Kandidatur des Hoffnungsträgers Hart und den Umgang der Medien mit ihm. Dabei konzentriert er sich mehr auf die Medien und Harts Umfeld als auf Hart. Der erscheint als sympathischer Senator für den Staat Colorado, der Menschen durch seine natürliche Art und jugendhafte Ausstrahlung begeistert. Politisch soll er auch sehr talentiert sein. Aber das sieht man in dem Film nicht.
Dafür sieht man, wie die Tageszeitungen mit der Konkurrenz durch das Fernsehen umgehen. Seit 1980 sendete CNN als 24-Stunden-Nachrichtensender. Im Film sind die Washington Post und der Miami Herald, die den Skandal publizierte, die beiden Tageszeitungen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob das Privatleben eines Politikers für die Politik-Seiten berichtenswert ist. Bis dahin galt die Regel, über Klatsch und Bettgeschichten wird auf den Politikseiten nicht geschrieben. Schließlich geht es um Fakten, politische Ansichten und Fähigkeiten.
Als der Miami Herald einen anonymen Tipp erhält, dass Hart eine außereheliche Affäre mit dem Model Donna Rice hat, die auf der Yacht „Monkey Business“ begann und jetzt in Washington fortgeführt werden soll, schickt die Zeitung ein kleines Team nach Washington, D. C.. Sie sollen Harts Stadthaus überwachen. Sie sehen, dass der verheiratete Kandidat Damenbesuch hat. Sie veröffentlichen das und Gary Harts sorgfältig auf politische Botschaften ausgerichtete Kampagne und sein bis dahin von der Öffentlichkeit sorgsam abgeschottetes Familienleben geraten ins Trudeln.
In seinem Polit-Drama „Der Spitzenkandidat“ pendelt Jason Reitman elegant zwischen Harts Kampagne (und den Versuchen seines Wahlkampfmanangers, die Katastrophe zu verhindern), seinem Familienleben (und den Versuchen seiner Frau, mit der in allen Medien verbreiteten Meldung vom Seitensprung ihres Mannes umzugehen) und den Medien, vor allem den politischen Journalisten und wie sie mit der grenzüberschreitenden Titelgeschichte des Miami Herald über die vermutliche Affäre eines Politikers umgehen sollen. Es ist ein Ensemblestück, das im semi-dokumentarischen New-Hollywood-Look inszeniert wurde und vor allem zwei Vorbilder hat: Michael Ritchies „Der Kandidat“ (1972) mit Robert Redford als idealistischen Anwalt, der Senator werden will, und die Ensemblefilme von Robert Altman, in denen, wie im echten Leben, wild durcheinander gesprochen wird. Reitmans Films ist auch ein Lehrstück über Menschen, die immer wieder von äußeren Umständen getrieben werden und deren Ziele und Werte miteinander kollidieren. Dass der Anlass dafür aus heutiger Sicht fast schon rührend banal ist, ändert daran nichts. Die Berichte über Harts angebliche Affäre beendete eine Karriere und veränderte, jedenfalls in den USA, die Berichterstattung über Politiker.
Weil Reitman etwas dichotomisch „Privatleben“ und „Öffentliches Leben“ bzw. „politische Berichterstattung“ und „Boulevard“/“Klatsch“ gegenüberstellt und er das Verhalten der Presse als übergriffig darstellt, umgeht er auch die Frage, wann das Private politisch ist und wie sehr das Verschweigen von Bettgeschichten auch ein Schweigekartell von weißen Männern war. Insofern spielt Reitmans gut gespielter, gut inszenierter und straff inszenierter Film nicht nur 1987, sondern er fängt auch den damaligen Zeitgeist ein.
Der Spitzenkandidat (The Front Runner, USA 2018)
Regie: Jason Reitman
Drehbuch: Matt Bai, Jay Carson, Jason Reitman
LV: Matt Bai: All the truth is out: The Week Politics went Tabloid, 2014
mit Hugh Jackman, Vera Farmiga, Alfred Molina, J. K. Simmons, Sara Paxton
Auch wenn wahrscheinlich jeder, der Sidney Lumets regelmäßig im Fernsehen laufende Agatha-Christie-Verfilmung „Mord im Orient-Express“ gesehen hat, die Lösung kennt: sie wird in dieser Besprechung über den Roman und die bisherigen Verfilmungen verraten. Meine Besprechung der Neuverfilmung von und mit Kenneth Branagh als Hercule Poirot gibt es zum Kinostart am 9. November. .
Der Roman
1934 veröffentlichte Agatha Christie ihren neunten Roman mit dem belgischen Privatdetektiv Hercule Poirot. Besondere Kennzeichen: seine Hinweise auf seine „kleinen grauen Zellen“ und sein liebevoll gepflegter Schnurrbart. Inspiriert war „Mord im Orientexpress“ von der damals weltweit Aufsehen erregenden Entführung und Ermordung des Babys von Charles Lindbergh. Diese damals noch nicht aufgeklärte Tat ist dann auch die Grundlage für das Mordmotiv.
Der Fall selbst bewegt sich in den etablierten Rätselkrimipfaden.
Hercule Poirot reist mit dem Orientexpress von Istanbul nach Calais. In Jugoslawien bleibt der Zug in einer Schneewehe stecken. Samuel Edward Ratchett, der Drohbriefe erhielt und Poirot als seinen Beschützer engagieren wollte, liegt ermordet in seinem Erster-Klasse-Abteil. Er wurde mit zwölf Messerstichen, die anscheinend von mehreren Personen stammen, ermordet. Das geöffnete Abteilfenster ist eine falsche Fährte. Denn es gibt keine vom Zug wegführenden Fußspuren im Schnee. Schwieriger zu entschlüsseln sind andere Spuren: der im Nebenabteil, das der Mörder anscheinend für seine Flucht benutzte, gefundene Knopf von einer Uniform von einem Schlafwagenschaffner, das Taschentuch mit dem Monogramm „H“, die von Poirot in der Mordnacht gesehene Frau im roten Kimono und die Frage nach der Tatzeit. Zwar zeigt die zerbrochene Uhr des Toten mit 01.15 Uhr eine eindeutige Uhr- und Tatzeit an, aber schon vorher antwortete ein Mann in Ratchetts Abteil auf die nach einem Geräusch gestellte Frage des Schlafwagenschaffners, dass alles in Ordnung sei. Allerdings antwortete er auf französisch und der tote US-Bürger Ratchett spricht keine Fremdsprachen. Sagt sein Sekretär.
Es gibt also genug Hinweise und falsche Fährten, die Poirot in den kommenden Stunden, bis der Zug weiterfahren kann, entschlüsseln muss. Er beginnt die zwölf Passagiere der ersten Klasse zu befragen. In schönster Rätselkrimitradition muss sich der Mörder unter ihnen befinden.
Neben „Alibi“ (The Murder of Roger Ackroyd, 1926), einem anderen Hercule-Poirot-Krimi, in dem sie die Erwartungen des Publikums nach dem Mörder auf den Kopf stellte, und dem Theaterstück „Die Mausefalle“ (The Mousetrap, 1952), das eine ähnliche, den Erwartungen widersprechende Lösung hat, präsentiert sie in „Mord im Orientexpress“ alle Verdächtigen, also alle Zugpassagiere, als den Mörder. Ratchett, eigentlich Cassetti, hat vor einigen Jahren John Armstrongs Baby entführt und getötet. Cassetti wurde angeklagt und wegen eines Formfehlers nicht verurteilt. Die Passagiere des Schlafwagens waren mit Armstrong als Verwandte, Angestellte und Freunde verbunden und, nachdem Ratchett freigesprochen wurde, beschlossen sie, Selbstjustiz zu üben. Was sie, nach präziser Planung, in der Mordnacht taten. Weil mit Poirot ein nicht eingeplanter Gast in dem Zugabteil mitreiste, legten sie außerdem zahlreiche falsche Fährten.
Am Ende präsentiert Poirot den versammelten Verdächtigen diese Lösung und eine andere, in der ein unbekannter, flüchtiger Täter Ratchett ermordete. Die Täter geben ihre Tat zu und der ebenfalls im Zug mitreisende Direktor der Zuggesellschaft, Monsieur Bouc, und der Arzt Dr. Constantine entscheiden sich dafür, der Polizei zu erzählen, dass Ratchett von einem flüchtigen Einzeltäter ermordet wurde.
Diese Lösung (also dass Ratchett gleichzeitig von zwölf Menschen ermordet wurde) ist zwar überraschend, aber auch nicht besonders logisch. So soll das Mordopfer keinen der Mitreisenden erkannt haben.
Wie die Täter, die sich teilweise vorher nicht kannten, sich kennen lernten und wie sie sich zu dieser Tat verabredeten, wird nicht erwähnt. Auch nicht, wie sie sich überzeugten, gemeinsam einen kaltblütigen Mord auszuführen. Wer über diese Punkte auch nur kurz nachdenkt, wird ernsthafte Probleme mit der von Agatha Christie präsentierten Lösung haben.
Der offensichtliche Konflikt zwischen einer moralisch vielleicht gerechtfertigter Selbstjustiz und der Herrschaft des Gesetzes (inklusive einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren) wird in dem Roman nicht weiter thematisiert. Schließlich steht in einem Rätselkrimi die Tätersuche als intellektuelles Puzzlespiel im Vordergrund. Mit der Illusion, dass man als Leser den Täter ebenfalls enttarnen kann, weil der Autor alle Fakten präsentiert. Sogar wenn man die Lösung kennt, wird man nur wenige Hinweise auf die richtige Lösung finden. Im Klassischen Rätselkrimi, wie ihn Agatha Christie erfand, geht es sogar nur um die Tätersuche. Oder in Poirots Worten: „Es gibt für diesen Mord zwei mögliche Lösungen. Ich werde Ihnen beide vorstellen, und dann mögen Monsieur Bouc und Dr. Constantine entscheiden, welche von ihnen die richtige ist.“
Der Roman ist in einer heute altertümlichen Sprache geschrieben und die gut vierzig Seiten bis zur Entdeckung der Leiche sind ziemlich spannungsfrei.
Ziemlich witzig sind, jedenfalls aus heutiger Sicht, die schamlos vorgetragenen, jeder Grundlage entbehrenden Urteile über verschiedene Völker. Sie sind einfach eine Ansammlung absurder Vorurteile.
Die Verfilmungen
Seit seiner Veröffentlichung wurde der Roman mehrmals verfilmt. Bei uns sind die beiden Spielfilme (die zweite Spielfilm-Verfilmung startet am Donnerstag) und spielfilmlangen TV-Filme bekannt.
Am bekanntesten ist die Verfilmung von Sidney Lumet. Er sperrte 1974 ein Dutzend Stars in den Zug ein und bei den Verhören von Hercule Poirot hatte jeder seinen großen Auftritt. Das Rezept war so erfolgreich, dass danach, mit Peter Ustinov als Poirot, „Tod auf dem Nil“ und „Das Böse unter der Sonne“ entstanden. Der dritte Ustinov/Poirot Kinofilm „Rendezvous mit einer Leiche“ hatte dann weniger Stars und war auch weniger erfolgreich. Davor spielte Ustinov den Detektiv auch in drei TV-Filmen. Nach dem gleichen Rezept entstand damals, mit Angela Lansbury als Miss Marple, „Mord im Spiegel“.
Lumets Verfilmung ist heute immer noch vergnügliches, aus der Zeit gefallenes, in einer Parallelwelt spielendes Starkino, bei dem jeder Schauspieler in mondäner Kulisse mindestens einmal groß aufspielen darf.
Carl Schenkel verlegte 2001 in seiner erschreckend spannungsfrei inszenierten Verfilmung die Geschichte in die Gegenwart, was man vor allem an einem Handy und einem Laptop erkennt.
Am Ende, wenn Poirot erklärt, dass er der Polizei die Version von dem flüchtigen Täter erzählen wird, zeigt sich ein großes Problem. Damals, als Christie den Roman schrieb, war eine solche Erklärung möglich. Heute, in Zeiten von CSI, ist eine solche Erklärung nicht mehr glaubwürdig. Sie würde allen Spuren widersprechen.
Neun Jahre später inszenierte Philip Martin im Rahmen der langlebigen TV-Serie „Agatha Christie’s Poirot“ mit David Suchet als Hercule Poirot, eine weitere Version des Romans. Wie alle Suchet/Poirot-Filme spielt sie in den Dreißigern. Bei Christie-Fans sind die siebzig TV-Filme mit Suchet sehr beliebt sind.
In diesem Fall wird die Lösung sehr früh präsentiert und Poirot hadert danach länger mit der Frage, welche Lösung er der Polizei präsentieren soll. Es entsteht sogar das Gefühl, dass die Täter jetzt ihn als unliebsamen Zeugen ermorden könnten.
Am Ende bleibt offen, welche Lösung er der Polizei erzählt. Der Zuschauer muss sich entscheiden.
Martins Verfilmung ist deutlich gelungener als Schenkels misslungene Verfilmung. Und Poirots Zweifel wenn er der Polizei als Mörder präsentieren soll, führen zu einigen noirischen Kameraeinstellungen, die das Gefühl vermitteln, dass Poirot wirklich in Lebensgefahr schwebt und bald von den Ratchetts Mördern, die zu einem mordlüsternen Mob werden, umgebracht werden könnte. Das ist, weil in einem Rätselkrimi der Detektiv nach der Enttarnung keine Angst vor irgendwelchen Aktionen des Mörders haben muss, eine interessante Variante, die nur bedingt funktioniert. Auch weil Hercule Poirot danach keine weiteren Fälle lösen könnte.
Beide TV-Filme stehen im Schatten von Lumets Verfilmung.
Und am 9. November kommt Kenneth Branaghs Verfilmung in unsere Kinos. Allein schon von der hochkarätigen Besetzung knüpft er an Lumets Verfilmung an.
In den einschlägigen Foren wird bis dahin emsig über Hercule Poirots Bart diskutiert. Wie auch bei Albert Finney, Alfred Molina und David Suchet darüber diskutiert wurde.
Ich persönlich halte Branaghs Poirot-Bart für eine monströse Geschmacksverirrung.
Agatha Christie: Mord im Orientexpress
(übersetzt von Otto Bayer)
Atlantik Verlag, 2017
256 Seiten
10 Euro
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Originalausgabe
Murder on the Orient Express
HarperCollins, London, 1934
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Die erste deutsche Übersetzung erschien 1934 als „Die Frau im Kimono“; später „Der rote Kimono“. Elisabeth van Bebber war die Übersetzerin.
Die aktuelle Übersetzung erschien erstmals 2002 im S. Fischer Verlag. Sie müsste, auch wenn es im Impressum nicht gesagt wird, identisch mit Otto Bayers 1999 im Scherz Verlag erschienener Übersetzung sein.
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Die Verfilmungen
Der bekannte Kinofilm
Mord im Orient-Express (Murder on the Orient Express, Großbritannien 1974)
Regie: Sidney Lumet
Drehbuch: Paul Dehn, Anthony Shaffer (ungenannt)
mit Albert Finney, Lauren Bacall, Martin Balsam, Ingrid Bergman, Jacqueline Bisset, Jean-Pierre Cassel, Sean Connery, Sir John Gielgud, Anthony Perkins, Vanessa Redgrave, Michael York, Richard Widmark, Wendy Hiller, Colin Blakely
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Die unbekannte TV-Verfilmung
Mord im Orient-Express (Murder on the Orient-Express, USA 2001
Regie: Carl Schenkel
Drehbuch: Stephen Harrigan
mit Alfred Molina, Meredith Baxter, Leslie Caron, Peter Strauss, Fritz Wepper, Kai Wiesinger, Amira Casar, Nicolas Chagrin, Tasha de Vasconcelos, David Hunt, Adam James, Dylan Smith, Natasha Wightman
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Die TV-Verfilmung im Rahmen der Serie „Agatha Cristie’s Poirot“
Agatha Christie’s Poirot: Mord im Orient-Express (Agatha Christie’s Poirot: Murder on the Orient Express, Großbritannien 2010)
Regie: Philip Martin
Drehbuch: Stewart Harcourt
mit David Suchet, Toby Jones, David Morrissey, Jessica Chastain, Barbara Hershey, Susanne Lothar, Tristan Shepherd, Sam Crane, Brian J. Smith, Stewart Scudamore, Serge Hazanavicius, Eileen Atkins, Denis Ménochet, Hugh Bonneville, Marie-Josée Croze, Stanley Weber, Elena Satine, Joseph Mawle, Samuel West
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Polyband veröffentlichte diese Verfilmung jetzt als Einzel-DVD „Poirot – Mord im Orient-Express“
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Die Neuverfilmung (Kritik gibt es zum Filmstart am 9. November 2017)
Mord im Orientexpress (Murder on the Orient Express, USA 2017)
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: Michael Green
mit Kenneth Branagh, Daisy Ridley, Johnny Depp, Michelle Pfeiffer, Penélope Cruz, Judi Dench, Willem Dafoe, Josh Gad, Lucy Boynton, Marwan Kenzari, Olivia Colman, Miranda Raison, Derek Jacobi, Tom Bateman
Nicole Kidman, Julia Roberts, Chiwetel Ejiofor in den Hauptrollen, Alfred Molina, Michael Kelly und Dean Norris (die ja eher gesichtsbekannt sind) in Nebenrollen in dem Remake eines argentinischen Films, der 2010 den Oscar als bester ausländischer Film erhielt und mit Kritikerlob und Preisen überhäuft wurde, nach einem Drehbuch von Billy Ray, der schon bei „Enttarnt – Verrat auf höchster Ebene“ (auch Regie), „State of Play – Stand der Dinge“ und „Captain Phillips“ sein Talent für komplexe Stoffe bewies, und der auch wieder die Regie übernahm. Was kann da schief gehen?
In diesem Fall: erstaunlich viel.
Die Geschichte von der Vorlage „In ihren Augen“ (El secreto de sus ojos, Argentinien 2009, Regie: Juan José Campanella), die sich vor dem Hintergrund der argentinischen Militärdiktatur und ihrer Nachwirkungen entfaltete, wurde in die USA verlegt und den dortigen Gegebenheiten angepasst. Jetzt spielt die Geschichte in Los Angeles 2002 und in der Gegenwart.
Als Ray Kasten (Chiwetel Ejiofor) bei seinem allabendlichem Durchklicken durch die Bilder von Inhaftierten einen Mann entdeckt, den er für den Mörder von Caroline hält, bittet der Ex-Polizist die Staatsanwältin Claire Sloan (Nicole Kidman), in die er immer noch still verliebt ist, um eine Wiederaufnahme eines alten Falles.
2002 arbeitete er in der Anti-Terrorismus-Task-Force. Sie beobachteten eine Moschee, als nebenan eine junge Frau ermordet wird. Es ist die Tochter von seiner Kollegin Jess Cobb (Julia Roberts). Bei den Ermittlungen, die teilweise von seinen Vorgesetzten und Kollegen behindert werden, stößt er auf einen Verdächtigen, der gleichzeitig als Spitzel in der Moschee eine Terrorzelle infiltrieren soll. Kurz vor Verhaftung verschwindet er spurlos.
Jetzt glaubt Kasten, dass er den Fall endlich abschließen kann.
Neben der nahe liegenden Frage, ob der Verdächtige auch der Täter ist, gibt es noch eine andere Frage: ob Cobb, die trauernde Mutter, wirklich eine Verhaftung oder Rache will.
Daraus könnte ein ordentlicher Thriller entstehen, wenn die Geschichte chronologisch erzählt würde. Aber Billy Ray springt munter zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Oft ist auf den ersten Blick auch unklar, wann die Szene jetzt genau spielt. Ejiofor ist zwar in der Gegenwart etwas ergraut, aber Kidman sieht immer gleich aus. Auch Roberts sieht, nach dem Tod ihrer Tochter, immer gleich erschöpft aus. Sie hängt wie ein nasses Hemd im Film herum.
In den Szenen aus der Vergangenheit springt Ray dann weiter munter in der Chronologie hin und her und verschenkt dabei jegliches dramatische und emotionale Potential. Zum Beispiel entdeckt Kasten am Filmanfang in einem Müllcontainer etwas schreckliches. Er ist schockiert. Fassungslos. Wir wissen nicht warum. Er versucht Cobb davon abzuhalten, in den Müllcontainer zu blicken. Wir wissen nicht warum. Erst etwas später erfahren wir, dass sie eine Tochter hat und dass ihre Tochter in dem Müllcontainer liegt. Welche Beziehungen sie zueinander hatten, wissen wir nicht. Noch später, in einer in dem Moment vollkommen zusammenhanglosen Szene, sehen wir sie zusammen einen Abend verbringen. Jetzt können wir uns denken, welche Beziehung Kasten, Cobb und Caroline zueinander hatten. In dem Moment ist allerdings die mögliche emotionale Wirkung von Carolines Tod auf uns vollkommen verpufft.
Dieses Prinzip, die Szenen zu präsentieren, als sei der Film vor dem Abspielen durch einen Zufallsgenerator gejagt worden, führt dazu, dass man mehr damit beschäftigt ist, die Chronologie zu ordnen, als sich emotional auf den Film und seine letztendlich nicht sonderlich komplexe Geschichte einzulassen.
Dazu kommen Dialoge, die zum Haare ausraufen sind. Der Höhepunkt der Peinlichkeit wird in einem Verhör erreicht, wenn die bis dahin ruhige Staatsanwältin plötzlich den Verdächtigen mit einer hirnrissigen Rede über Penisgrößen und Blicke auf Busen aus der Ruhe bringen und zu einem unbedachten Geständnis bewegen will. Immerhin kriegt der Verdächtige bei dieser in jeder Beziehung deplatzierten Ansprache keinen Lachkrampf.
Falsch klingen auch etliche Dialoge über den Anti-Terror-Kampf und Folter. Zwar wurde auch in den USA heftig darüber diskutiert, aber dass schon 2002, wenige Monate nach 9/11, Polizisten einer Anti-Terror-Einheit über die Nachteile von Folter sinnieren, klingt schon im Film einfach falsch. Und klingt nach einem Blick auf die öffentliche Diskussion, die erst mit der Aufdeckung der Folter in Abu-Ghraib im Mai 2004 begann, noch falscher, weil es Sätze sind, die unser heutiges Wissen und die Meinung des Drehbuchautoren, aber nicht die der Charaktere reflektieren.
Die unnötig verschachtelte Erzählweise führt auch zu einer gewissen Langeweile, weil während des gesamten Films zahlreiche Szenen sind, die 2002 spielen, und egal, was Kasten, Cobb und Sloan damals unternommen haben: es führte nicht zur Verhaftung des Täters. Das soll ja erst 2015 geschehen.
Es gab auch in der Vergangenheit kein Komplott, das jetzt vielleicht aufgeklärt werden könnte. Kasten bittet Sloan am Filmanfang, die Ermittlungen wieder regulär aufzunehmen. In dem Moment ist klar, dass der Tatverdächtige ein ganz gewöhnlicher Verbrecher ist.
„Vor ihren Augen“ ist ein schlechter Film. Um das zu wissen, muss man das Original, das manchmal im Fernsehen läuft, nicht kennen.
Vor ihren Augen (Secret in their Eyes, USA 2015)
Regie: Billy Ray
Drehbuch: Billy Ray (basierend auf „El secreto de sus ojos“ von Juan José Campanella und Eduardo Sacheri)
mit Nicole Kidman, Julia Roberts, Chiwetel Ejiofor, Alfred Molina, Dean Norris, Joe Cole, Michael Kelly, Zoe Graham
Kim Baker (Tina Fey) fühlt sich von ihrem Job in der Lokalnachrichtenredaktion eines Kabelsenders unterfordert und sie gehört zu den wenigen unverheirateten, kinderlosen Mitarbeitern. Das prädestiniert sie 2002 für den zunächst nur für einige Monate geplanten Einsatz in Afghanistan als Kriegsreporterin. Sie fliegt vollkommen unvorbereitet dorthin – und der Film „Whiskey Tango Foxtrot“ erzählt, basierend auf dem Buch der echten Kim Barker (für den Film wurde ihr Name leicht geändert), von ihren Erlebnissen an der Front, die viel Stoff für Anekdoten hergeben. Immerhin blieb sie mehrere Jahre dort.
Und genau das ist das Problem von Glenn Ficarra und John Requas Film, der keine 1-zu-1-Verfilmung von Barkers Buch ist. Die Episoden reihen sich aneinander. Zuerst lernt Baker die ihr fremde Welt der Kriegsreporter und der Afghanen kennen. Wobei sie die einheimische Kultur mehr oder weniger oft galant ignoriert. Genauso wie Anweisungen von Militärs, die sie beschützen sollen. Das ist natürlich, immer wieder lustig, und der Zusammenprall der verschiedenen Kulturen sorgt für einige Lacher. Dazwischen – wobei dieses ‚dazwischen‘ den größeren Teil des Films ausmacht – gibt es Einblicke in die Freizeitgestaltung der Journalisten, die sich anscheinend in dem reichhaltigen Konsum alkoholischer Getränke und auch außerehelicher Affären mit Kollegen erschöpft. Das spielt sich bevorzugt in dem gut geschützten Hotel, in dem die Journalisten leben, ab, während draußen der Krieg tobt, der sie ungefähr so sehr interessiert, wie Studenten die Kommunalpolitik während sie sich im Studentenwohnheim betrinken.
Insofern ist „Whiskey Tango Foxtrot“ das Äquivalent zu einem Kneipenabend mit einem oder mehreren Kriegsreportern, die von ihrem letzten Einsatz erzählen. Das ist vergnüglich, aber durchgehend oberflächlich und fernab von jeglicher Selbstkritik oder Analyse. Und Klischees, vor allem über die Einheimischen, helfen beim Erzählen der Anekdoten.
Für einen Film ist das natürlich etwas wenig.
Wenn dann, am Ende der Kriegssatire, Bakers Freund, Vertrauter und Geliebter Iain MacKelpie (Martin Freeman), ein schottischer Fotoreporter mit hohem Alkohol- und Frauenkonsum, entführt wird und Baker, auch mit Erpressungen, Himmel und Hölle (vulgo einem mächtigen afghanischen Politiker [Alfred Molina als interessante Besetzung] und das US-Militär) in Bewegung setzt, um MacKelpie zu befreien, dann wirkt das nicht wie das schlüssige Ende einer Geschichte, sondern wie eine schnell angeklebte Episode, die den vorherigen Anekdoten einen größeren Sinnzusammenhang geben soll. Weil das zu überraschend kommt, nicht zum mäandernden Stil des vorherigen Films passt und die bislang planlose Barker plötzlich planvoll und eiskalt handelt, funktioniert nicht.
Die mehr klamaukige als treffende Satire lässt eben genau die Analyse und Haltung vermissen, die nötig wäre, um aus „Whiskey Tango Foxtrot“ mehr als das neue Tina-Fey-Vehikel zu machen. Die setzt sich allerdings voll ein und darf mehrmals herrlich derangiert nach einer alkoholgeschwängerten Nacht aufwachen und aus ihrem Fenster auf den Innenhof des ‚Fun House‘ blicken.
WTF?!
Whiskey Tango Foxtrot (Whiskey Tango Foxtrot, USA 2016)
Regie: Glenn Ficarra, John Requa
Drehbuch: Robert Carlock
LV: Kim Barker: The Taliban Shuffle: Strange Days in Afghanistan and Pakistan, 2011
mit Tina Fey, Margot Robbie, Martin Freeman, Alfred Molina, Billy Bob Thornton, Christopher Abbot, Nicholas Braun, Stephen Peacocke, Sheila Vand