Andere Regisseure hätten aus dieser Geschichte wahrscheinlich eines dieser fiebrigen Melodramen gemacht, in denen die Kamera den Protagonisten atemlos in verwackelten, Authentizität suggerierenden Nahaufnahmen verfolgt.
C.B. Yi wählt in seinem Spielfilmdebüt einen anderen Weg. „Moneyboys“ ist ein sehr gut aussehendes Slow-Cinema-Drama. C.B. Yi erzählt die Geschichte von Fei, einem jungen Mann, der aus einem Dorf kommt und in einer chinesischen Großstadt sein Geld als Sexarbeiter verdient. Er hat Sex mit anderen Männern und ist auch selbst schwul. Mit diesem gesellschaftlich geächtetem und auch verbotenem Lebensstil kann er seine Familie unterstützen. Die nimmt das Geld, möchte aber nicht wissen, wo es herkommt.
Diese fragile Balance gerät, ziemlich spät im Film, aus dem Gleichgewicht, als Fei von einem Jugendfreund besucht wird, der in der gleichen Branche Geld verdienen möchte, und Fei, noch später, seine erste große Liebe, den Mann, der ihn in das Sexgeschäft einführte, wieder trifft. Er ist inzwischen verheiratet und hat mehrere Kinder.
C.B. Yi erzählt Feis Geschichte in langen, meist bewegungslosen Totalen. In diesem Bühnenbild bewegen die Schauspieler sich kaum. Es sind Bilder, die deswegen für die große Leinwand komponiert sind. Auf einem kleinen Bildschirm wirken sie wie Standbilder und der Film wie ein Hörspiel, in dem viel geschwiegen und wenig erklärt wird.
C.B. Yi kam als Dreizehnjähriger aus China nach Österreich zu seinen Eltern in die Provinz. Später studierte er in der Filmakademie Wien bei Michael Haneke.
Während eines Auslandsstudiums in Peking lernte er Mitstudierende kennen, die mit der Sexarbeit das Geld für ihr Studium verdienten, ihre Familie unterstützen und es verschweigen. C.B. Yi wollte darüber einen Dokumentarfilm machen. Nachdem er von seinem Lehrer Michael Haneke auf die möglichen Folgen für seine Interviewpartner hingewiesen wurde, entschloss er sich, einen Spielfilm darüber zu drehen. Das ermöglichte ihm beim Umgang mit dem Tabu-Thema größere Freiheiten. Die nutzte er dann nicht für eine besonders dramatische Geschichte über das chinesische Strichermilieu, ihre Probleme in der Gesellschaft und wie sie vom Staat verfolgt werden. Natürlich zeigt C.B. Yi die dunklen Seiten der Prostitution und die Zwänge der Arbeit, bei der die Jungs mehr oder weniger viel Zeit mit ihren Freiern verbringen. Er zeigt auch, unaufdringlich, wie die Modernisierung das Leben in China verändert.
Im Mittelpunkt von C.B. Yis universeller, in Taiwan gedrehter Geschichte steht Feis Gefühlsleben. Für Slow-Cinema-Fans ist der dieses Jahr mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnete Film ein Fest.
Moneyboys (Österreich/Frankreich/Belgien/Taiwan 2021)
Regie: C.B. Yi
Drehbuch: C.B. Yi
mit Kai Ko, Chloe Maayan, Yufan Bai, JC Lin
Länge: 120 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
–
Hinweise