Neu im Kino/Filmkritik: „Loriots große Trickfilmrevue“, restauriert und nur im Kino

In meinen ersten Jahren als regelmäßiger Kinobesucher waren die tollsten Vorfilme, zwischen Eiscremekonfekt- und Zigarettenwerbung, ein paar Trickfilme von Loriot, die für kurze Zeit von Horst Wendlandt im Kino eingesetzt wurden. Viele Hauptfilme waren nach den „Herren im Bad“ enttäuschend für den Jungen von damals. Ich habe auch selten ein Publikum ausgelassener lachen hören.“ (Peter Geyer)

Der Spruch, dass die Summe weniger als die einzelnen Teile ist, trifft auch auf „Loriots große Trickfilmrevue“ zu. Gleichzeitig fallen in der Summe bestimmte Sachen auf, die, wenn man sich die einzelnen Sketche mit mehr oder weniger langen Unterbrechungen ansieht, nicht auffallen. Denn selbstverständlich ist es idiotisch, fast achtzig Minuten lang einen Sketch nach dem nächsten zu sehen und dann noch darauf zu hoffen, dass es in der Sketchparade große Lacher gibt. Vor allem, wenn man die Sketche mehr oder weniger schon kennt. Und das kann von Loriots Sketchen behauptet werden. Sie gehörten zum bildungsbürgerlichen Kanon und Loriot ist immer noch einer der größten deutschen Humoristen.

Insofern ist die jetzt im Kino startende „Loriots große Trickfilmrevue“ ein gewagtes Experiment – Lohn es sich wirklich, die bekannten Sketche noch einmal, dieses Mal im Kino, zu sehen? – und eine Enttäuschug. Wie beim Verzehr einer XXL-Schachtel Pralinen in einem Gang ist es einfach zu viel und die Köstlichkeiten sind sich zu ähnlich.

Für den Film stellte Peter Geyer 31 Loriot-Sketche zusammen. Die von ihm ausgewählten Sketche liefen erstmals zwischen 1967 und 1993 im Fernsehen. Fast ein Drittel der im Film gezeigten Sketche ist aus den Sechzigern. Über die Hälfte ist aus den Siebzigern. Sie wurden für die Kinopräsentation in 4K restauriert. Die ganz alten Sketche, die in den Sechzigern im Fernsehen in Schwarzweiß ausgestrahlt wurden, wurden koloriert. Weil einige der alten Sketche von Auftragzeichnern auf der Basis von Loriots Zeichnungen erstellt wurden, wurden sie jetzt für die Kinoauswertung im Stil von Loriot nachgezeichnet. Es sind sparsam animierte Trickfilme, die in „Loriots große Trickfilmevue“ einfach hintereinander gezeigt werden. Fast achtzig Minuten lang folgt ein Sketch auf den nächsten. Trotzdem sind die Lacher und das Amüsement überschaubar. Das hat zwei Gründe. Einige Sketche sind nicht so witzig, andere sind einfach zu bekannt.

Gleichzeitig wird das Prinzip von Loriots Humor deutlich. Fast immer geht es um gescheiterte Kommunikation. Überaus höflich und gewählt reden die Menschen aneinander vorbei. Eine Schlusspointe fehlt fast immer. Wichtiger ist ihm die Beschreibung einer mehr oder weniger absurden Situation. Das kann auf der Pferderennbahn, im Badezimmer oder in der eigenen Wohnung sein. Das kann ein Fernsehinterview mit einem Experten sein, dem es nicht gelingt, die Fragen des Reporters zu beantworten. Das können Expertengespräche, lange vor der Erfindung der allabendlichen TV-Talkshows, sein. Immer wieder zeigt Loriot, wie diese Menschen konsequent aneinander vorbeireden. Es ist, als ob zwei Chatbots versuchten, miteinander zu reden.

Gleichzeitig fällt auf, wie sehr diese doch zeitlosen Sketche in der Bundesrepublik der sechziger, siebziger und achtziger Jahre verwurzelt sind. Gerade diese Entdeckung ist dann schon den wiederholten Genuss von „Auf der Rennbahn“ (der einzige nicht von Loriot geschriebene Sketch), „Das Frühstücksei“, „Fernsehabend“, „Feierabend“ und, selbstverständlich, zwei „Herren im Bad“ wert. Gerne wieder als Vorfilm im Kino.

Loriots große Trickfilmrevue (Deutschland 2023)

Zusammenstellung/Regie: Peter Geyer

Regie der Trickfilme: Loriot (Vicco von Bülow)

Drehbuch: Loriot

Länge: 79 Minuten

FSK: ? (dürfte aber in Richtung „ab 0 Jahre“ gehen)

präsentiert werden in wundervollen Farben, ohne nervige Werbepausen und ohne einen störenden Ansager

Farbfernsehen (1967/2023)

Fernsehansagerin (1969/2023), gesprochen von Roswitha Roszak

Studiointerview (1976/2023)

Der Hasenbrüter (1970/2023)

Kaninchen (1968/2023)

Die Volksdroge (1969/2023)

Der Vampir (1971/2023)

Mainzelfrau (1972/2023)

Postleitzahlen (1993/2023)

Comedian Harmonists (1976/2023), gesungen von Ari Leschnikoff (Erster Tenor), Erich A. Collin (Zweiter Tenor), Harry Frommermann (Tenorbuffo), Roman Cycowski (Bariton), Robert Biberti (Bass) und Erwin Bootz (Klavier)

Der Kunstpfeifer (1972/2023)

Auf der Rennbahn (1972/2023), geschrieben von Wilhelm Bendow, gesprochen von Wilhelm Bendow und Franz-Otto Krüger

Humor und Wirtschaftskrise (1967/2023)

Der sprechende Hund (1977/2023)

Sollen Hunde fernsehen? (1967/2023)

Das Deutsche Hausschwein (1969/2023)

Das Frühstücksei (1977/2023)

Der Pianist (1970/2023)

Feierabend (1977/2023)

Knabenchor (1970/2023)

Fernsehabend (1977/2023)

Mondgestein (1969/2023)

Die Nudelkrise (1968/2023)

Schnittbohnen (1971/2023)

Die Deutschlandfrage (1968/2023)

Der Staatsmann (1970/2023)

Herren im Bad (1978/2023)

Der Familienbenutzer (1978/2023)

Advent (1969/2023)

Helmut Schmidt (1992/2023), mit Helmut Schmidt

Big Band (1972/2023)

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Loriots große Trickfilmrevue“

Moviepilot über „Loriots große Trickfilmrevue“

Wikipedia über Loriot

Homepage von Loriot

1 Responses to Neu im Kino/Filmkritik: „Loriots große Trickfilmrevue“, restauriert und nur im Kino

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