LV: Joachim Fest: Der Untergang – Hitler und das Ende des Dritten Reiches, 2002
LV: Traudl Junge, Melissa Müller: Bis zur letzten Stunde – Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben, 2002
Was geschah in den letzten Kriegstagen in Berlin im Führerbunker? Nach 150 Minuten wissen wir es.
„Der Untergang“ ist gediegen erzähltes, starbesetztes Unterhaltungskino im Hollywoodstil. Historisch akkurat und ohne eine erkennbare Haltung zum Sujet. Deshalb reiht sich eine Episode an die nächste Episode, aber eine Geschichte wird, abseits der strikt chronologischen Anordnung des Materials, nicht erkennbar.
mit Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Juliane Köhler, Heino Ferch, Christian Berkel, Matthias Habich, Thomas Kretschmann, Michael Mendl, André Hennicke, Ulrich Noethen, Birgit Minichmayr, Rolf Kanies, Justus von Dohnányi, Dieter Mann, Christian Redl, Götz Otto, Alexander Held, Bettina Redlich, Heinrich Schmieder, Anna Thalbach, Ulrike Krumbiegel, Jürgen Tonkel, Devid Striesow
Wiederholung: Freitag, 8. Mai, 02.30 Uhr (Taggenau!)
Die Geschichte ist bekannt: Am 16. September 1979 gelang den Familien Strelzyk und Wetzel in einem selbstgebauten Ballon die Flucht aus der DDR in den Westen.
Direkt nach ihrer Landung in einem Feld bei der oberfränkischen Stadt Naila berichteten alle Medien, also die Zeitungen, Radio und die damals drei Fernsehprogramme (alle selbstverständlich mit Sendeschluss!), darüber. Disney sicherte sich die Verfilmungsrechte und 1982 lief in den deutschen Kinos Delbert Manns „Mit dem Wind nach Westen“ (Night Crossing), mit John Hurt und Beau Bridges, über die spektakuläre Flucht. Die damalige Kritik war nicht begeistert: „Stinklangweilig und voller Klischees über die DDR.“ (Fischer Film Almanach 1983)
Nun gibt es Michael Bully Herbigs Version der damaligen Ereignisse. Selbstverständlich als Thriller mit bekanntem Ausgang und klarer Freund-Feind-Zeichnung. Das ist als Wettlauf gegen die Zeit durchaus spannend. Denn nach einem erfolglosen Fluchtversuch entdeckt die Stasi die Reste des Ballons. Stasi-Oberstleutnant Seidel, ein harter Hund und überzeugter Kommunist, leitet die Suche nach den potentiellen Republikflüchtlingen. Und diese kaufen in der halben DDR den Stoff für den nächsten Ballon zusammen.
Das ist, wie gesagt, spannend, aber nie wirklich packend oder in irgendeiner Form Herzrasen verursachend. Dafür ist alles zu betulich inszeniert und die Flüchtlinge sind einem zu egal, weil ihre unterschiedlichen Motive zwar angesprochen, aber nie emotional begreifbar sind.
„Bei Peter Strelzyk war es die Tatsache, dass man seine Meinung nicht frei äußern durfte und dass man für einen politischen Witz drei Jahre ins Gefängnis kommen konnte. Günter Wetzel durfte nicht studieren, was er wollte. Er fühlte sich eingezwängt und wollte raus. Petra Wetzel hatte eine todkranke Mutter im Westen, die sie nicht besuchen durfte. Und Doris Stelzyk hatte einen Bruder, der schon als Jugendlicher fliehen wollte, deshalb ins Zuchthaus kam und jeden Lebensmut verlor. Allein bei den vier Hauptfiguren unseres Films gibt es vier ganz unterschiedliche Motive, die in ihrer Summe aber viel über die ehemalige DDR aussagen.“ (Michael Bully Herbig)
Und die DDR wirkt immer wie ein Kulissenstaat mit viel bräunlicher Patina. Das sieht immer wie die aus zahllosen West-Spionagefilmen vertraute Version der DDR aus. Da helfen auch nicht die zahlreichen Hinweise im Presseheft, dass man sich ausführlich mit der DDR-Geschichte beschäftigte, die Familien Strelzyk und Wetzel die Macher berieten, bei der Ausstattung und den Kulissen darauf geachtet wurde, dass jedes Detail stimmt und dass möglichst viele Schauspieler und Teammitglieder des Films einen Bezug zur DDR haben. Die DDR in „Ballon“ wirkt immer wie ein Blick von außen auf eine liebevoll hergerichtete Kulisse.
Ironischerweise konnte Bully Herbig nicht in Pößneck, dem Wohnort der Flüchtlinge drehen. Nach der Wende wurde der Stadtkern restauriert und die Stadt saniert. Gedreht wurde deshalb in Bayern in Nordhalben. Auch der Disney-Film wurde, immerhin stand damals die Mauer noch, zu großen Teilen in Bayern gedreht.
Während des Thrillers fragte ich mich, wie die Interpretation dieser Geschichte aus der Sicht eines DDR-Regisseurs aussähe.
Ballon(Deutschland 2018)
Regie: Michael Bully Herbig
Drehbuch: Kit Hopkins, Thilo Röscheisen, Michael Bully Herbig
mit Friedrich Mücke, Karoline Schuch, David Kross, Alicia von Rittberg, Thomas Kretschmann, Jonas Holdenrieder, Tilman Döbler, Ronald Kukulies, Emily Kusche, Till Patz, Ben Teichmann, Christian Näthe, Sebastian Hülk, Gernot Kunert, Ulirch Friedrich Brandhoff
Mogadischu (Deutschland 2008, Regie: Roland Suso Richter)
Drehbuch: Maurice Philip Remy
Buch zum Film: Timo Kortner: Mogadischu – Das Entführungsdrama der Landshut, 2008
Nach Heinrich Breloers hochgelobtem Zweiteiler „Todesspiel“ (von 1997) über den Deutschen Herbst 1977, diversen Dokumentationen (zum Beispiel 2007 ein Zweiteiler) über die RAF, dem zeitgleich im Kino gelaufenem, ziemlich grottigem „Baader Meinhof Komplex“ mutet „Mogadischu“ etwas akademisch an. Denn die Fakten sind bekannt. Am 13. Oktober 1977 entführt ein palästinensisches Kommando die Lufthansa-Maschine Landshut. Nach einem mehrtägigen Irrflug landet das Flugzeug in Mogadischu und die GSG 9 beendet die Geiselnahme.
Neue Erkenntnisse, wie die Beteiligung des KGB an der Entführung und was Lufthansa-Pilot Jürgen Schumann machte, als er nach einer Notlandung in Aden zwanzig Minuten verschwand, ändern nichts an dem großen Bild.
Aber Autor Remy und Regisseur Richter verarbeiteten diese Geschichte jetzt zu einem die damaligen Ereignisse konzentriert nacherzählendem TV-Spielfilm, der auch im Kino überzeugt hätte. Einziger Kritikpunkt ist die derzeit angesagte Wackelkamera.
„Es ist ein ernsthafter Versuch der Annäherung (an die Wahrheit, A. d. V.). Wir bemühen uns, mit Verantwortung an ein Thema heranzugehen. Die Menschen, die das erlebt haben, sollen nicht davor sitzen und sagen: Was machen die denn da? Was erzählen die da?“ (Remy in der FAZ)
Das gleichnamige „Begleitbuch zum Film ‚Mogadischu’“ von Timo Kortner nimmt eine seltsame Zwischenstellung zwischen einem traditionellem Buch zum Film, also einer höchstens sparsam erweiterten Romanfassung des Drehbuchs, und einem Sachbuch über die Entführung ein. Denn Kortner führt relativ ausführlich in das gesellschaftliche Klima während der Schleyer-Entführung ein und er fügt immer wieder erklärende Passagen ein. Dabei gibt es im Buch und im Film eine Verschiebung der Perspektive von den Tätern zu den Opfern. Der Tatsachenroman „Mogadischu“ erzählt von Menschen in einer Ausnahmesituation und wie sie versuchen, diese zu überleben. Die Entführer bleiben dagegen, bis auf den durchgeknallten Captain Martyr Mahmud, blass. Und die Ideologie der Terroristen wird höchstens in einem Nebensatz gestreift; – was sie als Bösewichter noch bedrohlicher macht.
Kortners „Mogadischu“ ist ein packendes Drama, das auch eine gehörige Portion historisches Wissen vermittelt. Ein feines Buch.
Mit Nadja Uhl, Thomas Kretschmann, Christian Berkel, Said Tagmaqoui, Herbert Knaup, Simon Verhoeven, Jürgen Tarrach
Vor zwanzig Jahren war Calvin (Kevin Hart) an der Schule der allseits beliebte Überflieger, dem alle eine glänzende Karriere prophezeiten und Robbie Weirdicht war der übergewichte Watschenmann und Außenseiter.
Jetzt hat Weirdicht einen anderen Namen, dem er alle Ehre macht. Denn er heißt Bob Stone, sieht aus wie Dwayne ‚The Rock‘ Johnson, arbeitet undercover für den Geheimdienst und er braucht die Hilfe von Calvin, der ein langweiliges Leben als Buchhalter führt. Immerhin hat er ein eigenes kleines Büro und muss nicht nebenan im Großraumbüro arbeiten. Dank dieser Buchhalterkenntnisse kann er Bob helfen bei der Jagd nach den von dem geheimnisvollem Black Badger gestohlenen Verschlüsselungscodes für das US-amerikanische Spionage-Satelittensystem (okay, das ist nur der MacGuffin), die in wenigen Stunden meistbietend verkauft werden sollen (und das ist die berühmte Ticking Clock).
Dummerweise wird Bob von seiner Firma, angeführt von CIA-Agent Harris (Amy Ryan, hübsch biestig), als abtrünniger Agent gejagt und sie nehmen dabei Kollateralschäden und Gesetzesübertretungen billigend in Kauf.
„Central Intelligence“ ist eine weitere Buddy-Komödie, die dieser Formel folgt, ohne wirklich eigene Akzente zu setzen. Denn die Story, die in einer Buddy-Komödie sowieso nebensächlich ist, ist hier noch dünner geraten und ohne irgendeinen Funken Plausibilität und frei von Überraschungen, aber mit etlichen unglaubwürdigen Momenten. Das beginnt schon bei der Prämisse.
Die Action, auch wenn man nicht gerade „Lethal Weapon“-Zerstörungsorgien erwartet, ist eher dünn gesät.
Dafür redet Kevin Hart, mal wieder, ohne Punkt und Komma; was allerdings selten witzig, meistens nervig ist. Dwayne Johnson hat dagegen, nachdem er schon vor Jahren in der Elmore-Leonard-Verfilmung „Be Cool“ sein Image persiflierte, seinen Spaß als geistig minderbemittelter, immer optimistischer, supertaffer, unzerstörbarer Geheimagent mit einem Hang zu unpassenden Kleidern. Bei ihm, vor allem nachdem er in einer Szene durchaus glaubwürdig einen Psychiater spielt, hätte man sich eine Entwicklung oder die Enthüllung, dass Bob nur den Trottel spielt, gewünscht.
So ist „Central Intelligence“ nur ein Starvehikel, das gerade so seinen Dienst nach Vorschrift erfüllt. Immerhin sind die meisten Gags oberhalb der Gürtellinie angesiedelt und der Film behauptet auch nie, mehr zu sein als ein harmloser, schnell vergessener Spaß für die ganze Familie.
Central Intelligence (Central Intelligence, USA 2016)
Regie: Rawson Marshall Thurber
Drehbuch: Ike Barinholtz, David Stassen, Rawson Marshall Thurber (nach einer Geschichte von Ike Barinholtz und David Stassen)
mit Kevin Hart, Dwayne Johnson, Danielle Nicolet, Amy Ryan, Jason Bateman, Aaron Paul, Tim Griffin, Ryan Hansen, Timothy John Smith, Thomas Kretschmann, Melissa McCarthy (Cameo)
Der Pianist (Frankreich/Deutschland/Polen/Großbritannien 2002, Regie: Roman Polanski)
Drehbuch: Ronald Harwood
LV: Wladyslaw Szpilman: Śmierć miasta, 1946 (Das wunderbare Überleben; Der Pianist – Mein wunderbares Überleben)
Ergreifendes, plumpe Emotionalisierungen und Pathos vermeidendes Drama über das Schicksal des polnisch-jüdischen Pianisten Wladyslaw Szpilman, der während des Zweiten Weltkriegs im Warschauer Ghetto war und sich danach bis zum Kriegsende in Warschau an verschiedenen Orten versteckte.
Für Roman Polanski, dessen Biographie Parallelen zu Szpilmans Biographie hat, war dieser Film auch eine Möglichkeit, mit seiner eigenen Vergangenheit, die er bislang in seinen Filmen nicht direkt ansprach, umzugehen.
„Es ist ein filmisches Gebet für den Menschen. Und die Haltung des Künstlers können wir wohl als eine selbstbewusste Form der Demut bezeichnen.“ (Georg Seeßlen, Die Zeit, 24. Oktober 2002)
„‚Der Pianist‘ ist, wie auch ‚Schindlers Liste‘ ein Referenzfilm für die Darstellung dieses entsetzlichen Kapitels der deutsch-polnischen Geschichte. Und das cineastische Anliegen eines Zeitzeugen.“ (Adrian Prechtel, AZ, 24. Oktober 2002)
Ein kühl inszenierter filmischer Triumph – und, wenn man sich den Film heute ansieht, eine eindrückliche Warnung vor dem Deutschland, das AFD und Pegida anscheinend gerne wieder hätten.
Anschließend, um 22.40 Uhr zeigt Arte „Roman Polanski: Mein Leben“.
„Der Pianist“ ist der Beginn einer kleinen Roman-Polanski-Werkschau. Am Montag, den 6. Juni, zeigt Arte um 20.15 Uhr „Die neun Pforten“ und um 22.25 Uhr „Ekel“; am Mittwoch, den 8. Juni, zeigt Arte um 20.15 Uhr „Venus im Pelz“ (TV-Premiere) und um 22.40 Uhr „Der Tod und das Mädchen“; Eins Plus zeigt am Montag, den 6. Juni, um 21.45 Uhr, und am Donnerstag, den 9. Juni um 23.05 Uhr „Der Gott des Gemetzels“.
Mit Adrien Brody, Thomas Kretschmann, Thomas Finlay, Maureen Lipman, Ed Stoppard, Julia Rayner, Jessica Kate Meyer, Emilia Fox, Axel Prahl
Mogadischu (Deutschland 2008, Regie: Roland Suso Richter)
Drehbuch: Maurice Philip Remy
Buch zum Film: Timo Kortner: Mogadischu – Das Entführungsdrama der Landshut, 2008
Nach Heinrich Breloers hochgelobtem Zweiteiler „Todesspiel“ (auch schon über zehn Jahre alt) über den Deutschen Herbst 1977, diversen Dokumentationen (zum Beispiel 2007 ein Zweiteiler) über die RAF, dem zeitgleich im Kino gelaufenem, ziemlich grottigem „Baader Meinhof Komplex“ mutet „Mogadischu“ etwas akademisch an. Denn die Fakten sind bekannt. Am 13. Oktober 1977 entführt ein palästinensisches Kommando die Lufthansa-Maschine Landshut. Nach einem mehrtägigen Irrflug landet das Flugzeug in Mogadischu und die GSG 9 beendet die Geiselnahme.
Neue Erkenntnisse, wie die Beteiligung des KGB an der Entführung und was Lufthansa-Pilot Jürgen Schumann machte, als er nach einer Notlandung in Aden zwanzig Minuten verschwand, ändern nichts an dem großen Bild.
Aber Autor Remy und Regisseur Richter verarbeiteten diese Geschichte jetzt zu einem die damaligen Ereignisse konzentriert nacherzählendem TV-Spielfilm, der auch im Kino überzeugt hätte. Einziger Kritikpunkt ist die derzeit angesagte Wackelkamera.
„Es ist ein ernsthafter Versuch der Annäherung (an die Wahrheit, A. d. V.). Wir bemühen uns, mit Verantwortung an ein Thema heranzugehen. Die Menschen, die das erlebt haben, sollen nicht davor sitzen und sagen: Was machen die denn da? Was erzählen die da?“ (Remy in der FAZ)
Das gleichnamige „Begleitbuch zum Film ‚Mogadischu’“ von Timo Kortner nimmt eine seltsame Zwischenstellung zwischen einem traditionellem Buch zum Film, also einer höchstens sparsam erweiterten Romanfassung des Drehbuchs, und einem Sachbuch über die Entführung ein. Denn Kortner führt relativ ausführlich in das gesellschaftliche Klima während der Schleyer-Entführung ein und er fügt immer wieder erklärende Passagen ein. Dabei gibt es im Buch und im Film eine Verschiebung der Perspektive von den Tätern zu den Opfern. Der Tatsachenroman „Mogadischu“ erzählt von Menschen in einer Ausnahmesituation und wie sie versuchen, diese zu überleben. Die Entführer bleiben dagegen, bis auf den durchgeknallten Captain Martyr Mahmud, blass. Und die Ideologie der Terroristen wird höchstens in einem Nebensatz gestreift; – was sie als Bösewichter noch bedrohlicher macht.
Kortners „Mogadischu“ ist ein packendes Drama, das auch eine gehörige Portion historisches Wissen vermittelt. Ein feines Buch.
Mit Nadja Uhl, Thomas Kretschmann, Christian Berkel, Said Tagmaqoui, Herbert Knaup, Simon Verhoeven, Jürgen Tarrach
In der Theorie spricht nichts dagegen, dass man aus einem Computerspiel einen guten Film machen kann. Immerhin dienen Computerspiele auch als Inspirationen für Romane und Comics – und das sind nicht unbedingt die schlechtesten Romane und Comics, die sogar von Menschen genossen werden können, die mit der Vorlage nichts anfangen können.
Außerdem werden ständig Romane und Comics verfilmt.
Und Agent 47 ist für einen Spielfilm eigentlich ein genialer Charakter. Er hat, dank Anzug, Glatze und Strichcode, einen hohen Wiedererkennungswert und ein eiskalter Profikiller ist nicht die schlechteste Ausgangslage für eine spannende Geschichte. Schon sein Beruf „Auftragsmörder“ gibt die Geschichte vor, die mit seiner aus den Spielen bekannten Hintergrundgeschichte beliebig angereichert werden kann.
In der Praxis sind viele Spiel-Verfilmungen nicht gut, sondern schlecht, sehr schlecht oder filmischer Sondermüll. Auch die erste Verfilmung des Spiels „Hitman“, „Hitman – Jeder stirbt alleine“ (Hitman, Frankreich/USA 2007), war nicht gut. Obwohl; rückblickend erscheint Timothy Olyphants Auftritt als Killer gar nicht mehr so schlecht. Denn inzwischen gibt es „Hitman: Agent 47“ mit Rupert Friend („Homeland“) als Agent 47,
Die Story für den neuen Film, wieder geschrieben von Skip Woods (der eine beeindruckende Liste schlechter Filme in seiner Filmographie hat), ist eine verworrene Entschuldigung für die mauen Actionszenen. Irgendwie geht es um eine junge Frau, die Agent 47 umbringen soll, es dann aber doch nicht tut, während andere sie umbringen wollen und irgendwie ist die Dame sehr wichtig für verschiedene Organisationen. Und dann geht es noch ums Klonen und die Vergangenheit von Agent 47.
Diese „der Killer hilft seinem Opfer gegen seinen Auftraggeber“-Geschichte ist zwar nicht neu, aber für einen Actionfilm wäre sie absolut ausreichend, wenn man einfach diese Geschichte erzählen würde. Stattdessen lassen die Macher einfach Szenen aufeinander folgen, die keinen Sinn ergeben und sich widersprechen. Da hilft dann auch nicht die Pseudo-Erklärung, dass der als Retter eingeführte Charakter doch ein Bösewicht ist und dass der Killer dann doch zum Guten mutiert, weil der Autor es so will. Denn die Hälfte dieser Erklärungen wird in der nächsten Szene wieder kassiert und auch das Interesse des gutwilligsten Zuschauer erlahmt schneller als ein Flammkuchen kalt wird, weil man zu keinem Charakter eine emotionale Bindung aufbauen kann.
Dadurch geraten die Actionszenen zu einer langweiligen Angelegenheit, bei der uns ziemlich egal ist, wer wen warum wie besiegt. Immerhin verfolgt man als Berliner die in der Hauptstadt spielende Actionszene gespannt, weil man zuerst die Drehorte erkennen will und danach verzweifelt überlegt, wie die Charaktere von A nach B gekommen sind. Der in Saigon spielende Schlußkampf hat sogar diesen Vorteil nicht mehr.
Etwas Gutes hat „Hitman: Agent 47“, das Spielfilmdebüt des Werbefilmers Aleksander Bach, dann doch. Er kann künftig bei Seminaren wundervoll als ein in jeder Sekunde überzeugendes Lehrbeispiel für vermeidbare Fehler im Erzählen von Geschichten gezeigt werden.
Hitman: Agent 47 (Hitman: Agent 47, USA 2015)
Regie: Aleksander Bach
Drehbuch: Skip Woods, Michael Finch (nach einer Geschichte von Skip Woods)
mit Rupert Friend, Hannah Ware, Zachary Quinto, Ciarán Hinds, Thomas Kretschmann, Angelababy, Dan Bakkedahl
Länge: 97 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Wir haben
Chris Evans als Steve Rogers/Captain America (der hier erstaunlich blasse Anführer der Truppe)
Robert Downey Jr. als Tony Stark/Iron Man (der großmäulige, verantwortungslose Finanzier der Gruppe)
Chris Hemsworth als Thor (aus der anderen Galaxis)
Mark Ruffalo als Bruce Banner/Hulk (aus dem Forschungslabor)
Scarlett Johansson als Natasha Romanoff/Black Widow
Jeremy Renner als Clint Barton/Hawkeye
James Spader als Ultron (Stimme im Original)
Aaron Taylor-Johnson als Pietro Maximoff/Quicksilver (im letzten X-Men-Film „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ wurde er von Evan Peters gespielt, aber der wurde von einem anderen Studio produziert)
Elizabeth Olsen als Wanda Maximoff/Scarlet Witch
Paul Bettany als Jarvis/Vision (und mit einem Körper)
Samuel L. Jackson als Nick Fury
Don Cheadle als James Rhodes/War Machine
Cobie Smulders als Maria Hill
Anthony Mackie als Sam Wilson/The Falcon
Hayley Atwell als Peggy Carter
Idris Elba als Heimdall (ungefähr zwei Sätze)
Stellan Skarsgård als Erik Selvig (ungefähr kein Satz)
Claudia Kim als Dr. Helen Cho
Thomas Kretschmann als Baron Strucker
Andy Serkis als Ulysses Klaue (naja)
Julie Delpy als Madame B (sorry, hab ich in dem Starrummel übersehen)
Stan Lee als Stan Lee (obligatorischer Kurzauftritt)
Wir haben Action bis zum Abwinken.
Es beginnt mit einer großen Schlacht in dem osteuropäischen Fantasieland Sokovia. Danach geht die Reise um die halbe Welt und in New York, Seoul, Johannesburg und Sokovia geht dabei, mit der Hilfe von viel CGI, einiges zu Bruch.
Dabei werden dieses Mal erstaunlich oft ganz normale Menschen als Opfer und schreiend weglaufende Menschenmasse gezeigt. Das ist, nachdem man in früheren Marvel-Filmen den Eindruck gewinnen konnte, dass die Großstädte, in denen die Superhelden die Bösewichter verkloppen und regelmäßig eine sanierungsbedürftige Innenstadt hinterlassen, ein Novum. Denn bislang sah es so aus, als sei vor dem Kampf der Superhelden gegen die Superschurken die Kampfzone von magischen Kräften evakuiert worden. Aber dieses Mal verlang die Filmgeschichte nach vielen Menschen, die fotogen von den Avengers beschützt werden. Vor allem beim viel zu langen und ziemlich konfusen Schlußkampf in Sokovia.
Wir haben zu viel Beiwerk für eine sinnvolle Story. Die ist nur Klammer für die Auftritte und Kabbeleien der aus mehreren Filmen bekannten Superhelden. In „Avengers: Age of Ultron“ geht es um den Konflikt zwischen Gut und Böse und wie die Guten das Böse schaffen, das dann zuerst die Avengers und später die Welt vernichten will. Denn die von Tony Stark gestartete Friedensmaschine, der sehr lernfähige Roboter Ultron, begreift schnell, dass die Avengers bei ihren Friedensmissionen viel Leid verursachen. Deshalb will er, seinem Programm folgend, alle Bedrohungen für eine friedliche Welt beseitigen. Aber diese Idee, dass unser Handeln unbeabsichtigte Folgen hat und dass Gut und Böse miteinander verflochten sind, wird nur oberflächlich behandelt. Überhaupt nicht behandelt wird der grundlegende Fehler in Ultrons Programm. Denn hätte Tony Stark sich beim Programmieren an Isaac Asimovs Robotergesetze gehalten, wäre das alles nicht passiert.
Wir haben das filmische Äquivalent zu diesen maßlosen Benefiz-Rockkonzerten aus den Achtzigern, als sich alle bekannten Musiker für die gute Sache in einem Stadion versammelten und gegen die Apartheid, den Hunger und gegen die Kernkraft ansangen.
Denn dummerweise ist „Avengers: Age of Ultron“ genau wie diese Konzerte, die beim ersten Mal Spaß machen, aber beim zweiten Mal nerven. Es gibt zu viele Häuptlinge, aber keine Indianer und keine Struktur. Jeder versucht sich nur möglichst groß in Szene zu setzen und aus einer eigentlich guten Idee wird ein an allen Ecken und Enden ausufernde Starparade, die zeigt, dass ihre Soloauftritte besser sind.
Der Film beginnt mit einem Flug über eine nächtliche Kleinstadt, durch die beengten, menschenleern Gassen und endet in einem Haus, in dem eine junge, wohlproportionierte Frau die Holzfenster verschließt. Es ist Walpurgisnacht, draußen wird schlimmes Geschehen und die Einwohner von Passburg bleiben lieber in ihren sicheren vier Wänden.
Das ist eine typische Argento-Kamerafahrt, bei der man den Eindruck hat, dass die normalen physikalischen Gesetze nicht gelten. Auch später gibt es noch ein, zwei Argento-Momente, aber über weite Teile spult Dario Argento einfach die bekannte Geschichte des Grafen Dracula ab, wie wir sie aus Bram Stokers Roman und den zahlreichen Verfilmungen kennen, vor allem die Stummfilme („Nosferatu“ wird sogar namentlich erwähnt) und die heute noch bekannten Horrorfilme der dreißiger bis sechziger Jahre.
Jonathan Harker kommt nach Passburg. Er soll für Graf Dracula dessen Bibliothek katalogisieren. Harker erwartet seine Frau Mina in einigen Tagen und dann kommt auch noch der Vampirjäger Van Helsing, hübsch grantig von Rutger Hauer gespielt.
Ach ja, Dracula wird von Thomas Kretschmann gespielt. Asia Argento ist auch dabei.
Die größte Änderung zur bekannten Dracula-Geschichte, in der der blutsaugende Graf von Transsylvanien nach England reist und dort einige Damen in den Hals beißt, ist, dass hier die gesamte Geschichte in Transsylvanien spielt und die Dorfoberen sich irgendwie mit dem Schlossherrn arrangiert haben, was aber keinen Einfluss auf die Geschichte hat. Es ändert auch nichts an dem allumfassenden Ich-habe-das-schon-tausendmal-gesehen-Gefühl.
Dario Argentos Film sieht von der ersten bis zur letzten Minute wie ein verspäteter Nachschlag zu den Roger-Corman-Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen aus, der in den frühen Siebzigern gedreht wurde. Damals präsentierten die Regisseure stolz immer wieder einen nackten Busen (es gibt einige schöne Busen zu bestaunen) und die Gewalt wurde graphischer. Da bohrt sich dann schon einmal ein Pfeil durch ein Auge, ein Kopf wird abgeschlagen, fliegt und kullert fotogen durch das Bild und alles wird kräftig in blutrote Farbe getunkt.
Wenn die wenigen, schlechten CGI-Effekte nicht wären, könnte man „Dario Argentos Dracula“ für einen dieser billigen Siebziger-Jahre-Horrorfilme halten, die mit etwas nackter Haut und Gewalt die Sensationslust des Publikums befriedigten, während die Spezialeffekte nicht so toll waren, die Dialoge primär debil und die Schauspieler kopflos durch das Set stolperten, während ein Mime, dessen Karrierehöhepunkt schon vor einigen Jahrzehnten war, immerhin einen sehr überzeugenden Was-habe-ich-hier-verloren-Gesichtsausdruck hat.
Auch die Optik erinnert an die Siebziger. In den Tag-für-Nacht-Szenen ist die Nacht nie dunkler als ein bewölkter Nachmittag. Die Farben sind alle einen Tick zu grell, wie auf einem Drogentrip, bei dem das Grün der Pflanzen noch grüner ist. Es wird wenig geschnitten und die Kamera beobachtet, wie in den frühen Tagen des Tonfilms, statisch die Schauspieler.
In seinem neuesten Film kann Dario Argento nie an seine besten Werke, die vor allem in den Siebzigern entstanden, anknüpfen. Aber diese Giallos spielten auch immer in der Gegenwart und basierten nicht auf bekannten Stoffen.
„Dario Argentos Dracula“ ist kein guter Film, aber fast schon sympathisch aus der Zeit gefallen. Jedenfalls wenn man sich mal wieder einen Siebziger-Jahre-Trahs-Horrorfilm ansehen will.
Das Bonusmaterial ist erstaunlich umfangreich ausgefallen. Ein über einstündiges „Making of“, das hier „Behind the Scenes“ genannt wird, informiert über den Film. In den ersten 45 Minuten werden die Menschen hinter der Kamera (vor allem Kamera, Special-Effects, Ausstattung und Kostüme) befragt, garniert mit einigen Bildern von den Dreharbeiten. Bei dem Making-of gibt es kein Interview mit Dario Argento. Dafür gibt es eine 35-minütige Dokumentation seines Auftritts beim Slash Filmfestival am 1. Mai 2014 in Wien.
P. S.: Ich habe den Film in 2D gesehen. Das hat sicher zum heimeligen Retro-Gefühl beigetragen.
Denn Argento drehte den Film auch in 3D.
Dario Argentos Dracula (Dracula 3D, Italien 2012)
Regie: Dario Argento
Drehbuch: Dario Argento, Antonio Tentori, Stefano Piani, Enrique Cerezo
LV: Bram Stoker: Dracula, 1897 (Dracula)
mit Thomas Kretschmann, Rutger Hauer, Marta Gastini, Asia Argento, Unax Ugalde, Miriam Giovanelli, Maria Cristina Heller, Giovanni Franzoni
– DVD
Koch Media
Bild: 2,40:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Making of (genannt „Behind the Scenes“), Dario Argento beim Slash Filmfestival, Musikvideo (Simonetti Project: Kiss me Dracula), Kinotrailer (deutsch, englisch, italienisch), Fünf Teaser
Länge: 105 Minuten
FSK: ab 18 Jahre
– Hinweise
Das wirklich umfassende, teilweise etwas zu akademisch geschriebene Buch „Dario Argento – Anatomie des Angst“ (2013), herausgegeben von Michael Flintrop und Marcus Stiglegger, mit Texten von Ivo Ritzer, Dominik Graf, Oliver Nöding und Thomas Groh und einem Vorwort von Jörg Buttgereit.
Michael Flintrop/Marcus Stiglegger (Hrsg.): Dario Argento – Anatomie der Angst
Ein amerikanisches Ehepaar will mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau fahren. Auf ihrer Fahrt geraten sie zwischen die Fronten eines Kampfes zwischen Drogenschmugglern und einem skrupellosen Drogenfahnder.
Wer in den vergangenen Jahren nur einen Ben-Kingsley-Film gesehen hat, kann sich denken, auf welcher Seite Kingsley mitspielt. Und unser Mann in Hollywood (neinnein, der andere) ist auch dabei. Ansonsten: nach vielen Jahren wieder ein Eisenbahnthriller, der sogar in der Gegenwart spielt. Die internationale Kritik feierte, vollkommen berechtigt, das neue Werk des „The Machinist“-Regisseurs ab.
„Der Film hat eigentlich alle Anlagen zum B-Movie. Indem Anderson aber die inneren Konflikte seiner Figuren in den Mittelpunkt stellt, wird aus einem potenziellen Actionthriller ein durchaus überzeugendes Drama.“ (Andreas Busche, epd Film 12/2008)
mit Woody Harrelson, Emily Mortimer, Ben Kingsley, Kate Mara, Eduardo Noriega, Thomas Kretschmann
Ein amerikanisches Ehepaar will mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau fahren. Auf ihrer Fahrt geraten sie zwischen die Fronten eines Kampfes zwischen Drogenschmugglern und einem skrupellosen Drogenfahnder.
Wer in den vergangenen Jahren nur einen Ben-Kingsley-Film gesehen hat, kann sich denken, auf welcher Seite Kingsley mitspielt. Und unser Mann in Hollywood (neinnein, der andere) ist auch dabei. Ansonsten: nach vielen Jahren wieder ein Eisenbahnthriller, der sogar in der Gegenwart spielt. Die internationale Kritik feierte, vollkommen berechtigt, das neue Werk des „The Machinist“-Regisseurs ab.
„Der Film hat eigentlich alle Anlagen zum B-Movie. Indem Anderson aber die inneren Konflikte seiner Figuren in den Mittelpunkt stellt, wird aus einem potenziellen Actionthriller ein durchaus überzeugendes Drama.“ (Andreas Busche, epd Film 12/2008)
mit Woody Harrelson, Emily Mortimer, Ben Kingsley, Kate Mara, Eduardo Noriega, Thomas Kretschmann