Eine Investmentbankerin verbringt mit ihrem Team ein Teambuilding-Wochenende auf dem einsam in den schottischen Highlands liegendem Landsitz eines Lords, der Zimmer vermietet. Alle Banker glauben, dass das Wochenende ein Vorspiel für ihre Entlassung ist. Und dann stirbt auch noch, kurz nach ihrem Eintreffen, der Lieblingspfau des Lords. Schnell versteckt einer der Banker, auf Befehl der Chefin, das Tier, das fortan in den ungünstigsten Momenten immer wieder auftaucht und wieder versteckt wird.
„Der Pfau“ ist eine unlustige Boulevardkomödie, bei der auch nach Filmende nicht geklärt ist, um was es eigentlich ging und wie dieser von Jürgen Vogel tiefenentspannt gespielte Schluffi-Sozialkundelehrer zum Mitarbeiter der Bank wurde. Viel mehr muss über diesen Langweiler, der eine fotogene Location, gute Schauspieler und mindestens zwei gute Ideen, nämlich die Jagd nach dem Pfauenmörder und die Satire über grundsätzlich unsympathische Banker, atemberaubend schnell zugunsten eines vor sich hin plätschernden Nichts verschenkt.
Das ist Zeitverschwendung auf dem Niveau der „Inspektor Jury“-Filme.
Der Pfau(Deutschland/Belgien 2023)
Regie: Lutz Heineking jr.
Drehbuch: Christoph Mathieu, Sönke Andresen, Lutz Heineking jr.
LV: Isabel Bogdan: Der Pfau, 2016
mit Lavina Wilson, Serkan Kaya, Tom Schilling, David Kross, Jürgen Vogel, Svenja Jung, Annette Frier, Philip Jackson, Victoria Carling, Domitila Barros, Linda Reitinger, Peter Trabner
„Leander Haußmanns Stasikomödie“ nennt Leander Haußmann seinen neuen Film und er erklärt den Titel so: er habe mit der Nennung seines Namens im Titel darauf hinweisen wollen, dass es sich hier um seine ganz persönliche Sicht der DDR handele. Außerdem ist die „Stasikomödie“ (bleiben wir ab jetzt bei dem kurzen Titel) der Abschluss seiner DDR-Trilogie. Die ersten Filme waren „Sonnenallee“ (1999) und „NVA“ (2004). Beide Male war Thomas Brussig sein Co-Autor. Der ist dieses Mal nicht dabei.
In Haußmanns neuem Film steht Ludger Fuchs im Mittelpunkt. Ludger hat jetzt, auf Drängen seiner Familie, im Stasi-Unterlagenarchiv seine Stasiakte angefordert und erhalten. Zusammen mit seiner Familie und einigen Gästen blättert der inzwischen gefeierte Schriftsteller durch die dicke Akte und erinnert sich – etwas unzuverlässig, wie das mit Erinnerungen halt so ist – an seine Jugend als er in den Achtzigern von der Stasi angeworben wurde. Entscheidend war dafür sein Verhalten an einer Ampel in Ostberlin. Er blieb an der roten Ampel stehen, obwohl kein Auto und kein anderer Mensch zu sehen war. Stattdessen wartete er geduldig, ein Buch lesend, bis die Ampel vielleicht irgendwann umspringt. Sogar als eine Katze von einem Straßenreinigungsfahrzeug überfahren werden könnte, zögert er.
Führungsoffizier Siemens, der ihn heimlich beobachtet und die Ampel steuert, ist begeistert: einen obrigkeitshörigeren und regeltreueren Menschen wird er wohl nirgendwo finden. Er wird auch bei Feindkontakt von diesem nicht korrumpiert werden. Und diese Fähigkeit ist bei dem Auftrag, den er erhält, wichtig.
Ludger soll, mit anderen ebenfalls jungen Stasi-Agenten, die im Prenzlauer Berg wohnende Künstler-Bohème ausspionieren. Das ist, weil sie und ihre Vorgesetzten etwas vertrottelt sind und regelmäßig mit der Tücke des Objekts kämpfen müssen, leichter befohlen als getan.
Noch schwieriger wird Ludgers Auftrag, als er sich in eine Künstlerin verliebt und ihm das lockere, alle DDR-Regeln ignorierende Leben der Künstler und Freigeister gefällt.
Leander Haußmann inszenierte seine Komödie mit vielen bekannten Schauspielern, die schon in Haußmanns vorherigen Filmen mitspielten. Gemeinsam pfügen sie, mit spürbarer Lust am Aufspüren absurder und komischer Momente, durch diesen Teil der DDR-Geschichte. Dabei bevorzugt Haußmann, wenn er die Wahl zwischen Komödie und Klamauk hat, immer den Klamauk, gerne mit einer ordentlichen Portion Slapstick. Von Satire will man in diesem Zusammenhang nicht mehr sprechen.
In diesem Rahmen ist die „Stasikomödie“ witzig.
Leander Haußmanns Stasikomödie (Deutschland 2022)
Regie: Leander Haußmann
Drehbuch: Leander Haußmann
mit David Kross, Jörg Schüttauf, Antonia Bill, Margarita Broich, Deleila Piasko, Matthias Mosbach, Henry Hübchen, Eric Spiering, Uwe Dag Berllin, Bernd Stegemann, Detlev Buck, Alexander Scheer, Tom Schilling
Länge: 116 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
alternativer Titel: Stasikomödie (halt die Kurzfassung)
Denn jetzt erzählt Matthew Vaughn, der Regisseur der beiden „Kingsman“-Filme, die Vorgeschichte, also wie die Kingsman-Organisation entstand.
Diese Organisation ist ein über allen Nationen stehender, keiner Regierung und keiner anderen Instanz Rechenschaft schuldender geheimer Geheimdienst. Sie kann daher, ohne den Einfluss von Regierungen und staatlichen Interessen für das Gute kämpfen.
Die Anfänge liegen über hundert Jahre zurück. 1903 besucht Orlando Oxford, der Duke of Oxford (Ralph Fiennes), im Auftrag des Roten Kreuzes in Südafrika ein während des Zweiten Burenkriegs errichtetes britisches Konzentrationslager. Oxfords Frau wird während des Besuchs aus dem Hinterhalt erschossen. Oxfords Sohn muss ihren Tod mitansehen.
In den nächsten Jahren erzieht der gramgebeugte Witwer auf seinem Anwesen seinen Sohn. Bei der Erziehung helfen ihm sein Leibwächter Shola (Djimon Hounsou) und die Haushälterin Polly (Gemma Arterton). Beide verfügen über einige erstaunliche Talente.
Auch als andere junge Männer sich während des Ersten Weltkriegs bereitwillig zum Dienst an der Waffe melden, tut Oxford alles, damit sein inzwischen 17-jähriger kriegsbegeisterter Sohn Conrad (Harris Dickinson) nicht eingezogen wird. Er will ihn unter allen Umständen beschützen. Seine Devise ist: Es ist besser, ein lebendiger Feigling als ein toter Held zu sein. Was er Conrad nur zögernd verrät, ist, dass sein Image als zurückgezogen lebender, sich aus allem heraushaltender Adliger nur eine Tarnung ist. Im Keller seines Anwesens ist die noch sehr provisorische Zentrale eines von ihm aufgebauten weltweiten Netzes von Informanten. Sie sind Kindermädchen, Butler und Angestellte in Herrschaftshäusern. Von ihren Arbeitgebern werden sie nicht beachtet und so können sie ungestört alle Gespräche mitverfolgen, während sie das aus mehreren Gängen bestehende Abendmenüs auftragen, abräumen und Wein nachschenken. So erfahren sie von Komplotten, ehe die Geheimdienste sie auch nur erahnen. Aufgrund dieses Wissens versucht Oxford, ebenfalls im Hintergrund bleibend und seine Beziehungen ausnutzend, das Weltgeschehen zu beeinflussen. Zum Beispiel in dem sie versuchen, Attentate zu verhindern oder den offensichtlich wahnsinnigen Einflüsterer des russischen Zaren, Grigori Jefimowitsch Rasputin (Rhys Ifans in herrlich übertriebenem Overacting-Modus), zu töten.
Dabei stoßen Oxford und seine beiden Vertrauten Shola und Polly auf eine Gruppe von Verschwörern, die die Welt in einen Krieg stürzen möchte.
Vaughns Film endet, nach zahlreichen haarsträubenden Abenteuern für Oxford und seine treuen Begleiter, mit der Gründung der Kingsman-Organisation. Die Zentrale ist, nachdem das Zimmer bereits mehrfach für solche Treffen benutzt wurde, im Hinterzimmer eines noblen Herrenschneiders, der dafür sorgt, dass die Agenten immer gut gekleidet und ausgestattet sind.
Im Gegensatz zu den ersten beiden „Kingsman“-Filmen (ein dritter ist in Arbeit) und der Comicvorlage von Mark Millar und Dave Gibbons spielt „The King’s Man – The Beginning“ nicht mehr in der Gegenwart und einer damit verknüpften Fantasiewelt, in der es, wie in einem James-Bond-Film, Superschurken, Gadgets und immer gut gekleidete, britisch höfliche Agenten gibt.
„The King’s Man – The Beginning“ spielt in einer historisch genau verorteten Periode und er nimmt die historischen Ereignisse ernst. Nur bei den Erklärungen, also der Schilderung der Hintergründe, nimmt er sich Freiheiten. Zum Problem wird dies vor allem in einer Abspannszene. Bis dahin, immerhin dürften die wenigstens ohne die Hilfe einschlägiger Lexika und Geschichtsbücher wissen, welche Verflechtungen zwischen den europäischen Ländern damals herrschten und wie genau es zum Ersten Weltkrieg gekommen ist, ist das kein Problem. Letztendlich benutzt Vaughn in seinem Film wahre Ereignisse, um sie wild fortzuspinnen.
Im Film gibt es zwei zu diesem Zeitpunkt erstaunliche Todesfälle. Jeder dieser Tode hätte dazu führen können, dass der Film in sich zusammenfällt. Trotzdem kriegt Vaughn beide Male die Kurve. Und in den ersten beiden „Kingsman“-Filmen gab es ähnliche Überraschungen.
Angenehm ist, dass der Protagonist des Films, Orlando Oxford, ein Pazifist ist. Er ist ein ehemaliger, hochdekorierter Kriegsheld, der inzwischen seine Ziele erreichen möchte, ohne dass Menschen dabei sterben. Doch die Welt ist nicht so und dann muss er doch kämpfen und töten. Damit verbreitet „The King’s Man – The Beginning“ letztendlich doch die sattsam bekannte Botschaft. Aber Vaughn weist dieses Mal deutlicher als in seinen anderen Filmen (wozu auch „Kick-Ass“ gehört) auf andere Methoden der Konfliktlösung und auf die Auswirkungen von Gewalt und Verlusten hin. Das führt dazu, dass in „The King’s Man – The Beginning“ der Weg bis zur Gewaltanwendung und den exzessiven Actionszenen länger als gewohnt ist.
Damit schlägt Matthew Vaughn in seinem neuen Actionfilm einige neue, durchaus ernstere und nachdenklichere Töne an. Das und weil in epischer Breite erzählt wird, wie es zur Gründung der Kingsman kommt, verläuft die Handlung immer wieder etwas schleppend. Es gibt viel Zeitkolorit und peppig verpackte historische Informationen. Wobei sich hier das Nachprüfen empfiehlt.
Es gibt auch reichlich Humor und viel haarsträubende und oft blutige Action. So, wie wir es von den „Kingsman“- und „Kick-Ass“-Filmen (die auch auf einem Comic von Mark Millar basieren) kennen.
The King’s Man – The Beginning (The King’s Man, USA/Großbritannien 2021)
Regie: Matthew Vaughn
Drehbuch: Matthew Vaughn, Karl Gajdusek (nach einer Geschichte von Matthew Vaughn) (basierend auf dem Comic „The Secret Service“ von Mark Millar und Dave Gibbons)
mit Ralph Fiennes, Gemma Arterton, Rhys Ifans, Matthew Goode, Tom Hollander, Harris Dickinson, Daniel Brühl, Djimon Hounsou, Charles Dance, Alexandra Maria Lara, Alexander Shaw, Joel Basman, August Diehl, Aaron Taylor-Johnson, Stanley Tucci, David Kross
Was haben wir? Einen Klassiker der deutschen Literatur, der schon einmal fürs Kino verfilmt verfilmt. Aber das war vor fast 65 Jahren und in Schwarzweiß. Daniel Kehlmann als Drehbuchautor. Detlev Buck als Regisseur. Sie arbeiteten schon bei „Die Vermessung der Welt“ (Deutschland/Österreich 2012) zusammen. Eine prominente Besetzung, bestehend aus Jannis Niewöhner als Felix Krull, David Kross als Marquis Louis de Venosta, Liv Lisa Fries als ihre Freundin Zaza und, in Nebenrollen, Maria Furtwängler, Joachim Król, Nicholas Ofczarek, Annette Frier, Dominique Horwitz, Martin Wuttke und Desirée Nosbusch.
Das klingt nach einer Klassikerverfilmung, die interessant sein könnte.
Felix Krull ist ein Hochstapler, der in Paris zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in einem noblen Straßencafé an einem Abend Marquis Louis de Venosta die Geschichte seines Lebens erzählt. Er erzählt von seiner Kindheit im Rheingau als Sohn eines auf großem Fuß lebenden Inhabers einer Sektfirma. Als die Firma bankrott geht, begeht Krulls Vater Suizid. Danach eröffnet seine Mutter in Frankfurt eine kleine Pension. Aus diesem Leben flüchtet Krull nach Paris, dem Land seiner Träume. In Paris heuert er im Grandhotel als Page an. Schnell steigt der allseits beliebte Schlawiner und anpassungsfähige Charmeur auf.
In Paris trifft er auch wieder Zaza. Mit ihr verbrachte er in Frankfurt glückliche Stunden. Sie ist, wie er, eine Hochstaplerin.
Zaza ist auch die große Liebe des Marquis. Er weiß allerdings nicht, dass Krulls große Liebe auch seine große Liebe ist. Allerdings kann er Zaza wegen ihres Standes nicht heiraten. Außerdem will sein Vater ihn auf eine Weltreise schicken. Der Marquis möchte nicht. Aber der Erhalt seines Erbes ist an diese Reise geknüpft.
Diese väterliche Erpressung, von der wir erst ziemlich spät im Film erfahren, ist dann auch der Grund für Krulls Redseligkeit. Denn Krull würde sehr gerne eine Weltreise unternehmen. Sehr gerne auch unter falschem Namen und mit einer gut gefüllten Reisekasse.
Nach den grandiosen, wagemutigen, sehr eigenständigen neuen Literaturverfilmungen „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ und „Martin Eden“ ist Detlev Bucks „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ mehr als fünf Schritte zurück zu den sattsam bekannten Literaturverfilmungen, die brav die Vorlage bebildern und jegliche eigene Handschrift vermissen lassen. Wenn Detlev Buck nicht als Regisseur genannt würde, würde man es nicht einmal erahnen, dass hier der Regisseur von „Wir können auch anders…“ am Werk war.
„Felix Krull“ ist selbstverständlich kein grottenschlechter Film. Dafür sind die Schauspieler zu gut. Die Kostüme und die Ausstattung ebenfalls. Und natürlich ist alles gut aufgenommen. Auch wenn das im Film gezeigte Paris der Jahrhundertwende verdächtig nach einer missglückten Mischung aus Kulisse und CGI aussieht.
Das Drehbuch krankt an seiner Rückblenden-Struktur, die keine Spannung aufkommen lässt. Schließlich ist Krull jeder gefährlichen Situation entkommen. Sonst könnte er dem Marquis jetzt nicht seine Lebensgeschichte erzählen. Warum er das tut, wird erst viel zu spät im Film deutlich und das Erzählen der eigenen Untaten ist sicher nicht die geeignetste Methode, um einen anderen Menschen zu einem Identitästausch anzustiften.
Krulls in Rückblenden erzählte Lebensgeschcihte wird so präsentiert, als gäbe es nur eine Wahrheit und als ob der passionierte Schwindler sie genau jetzt erzählt. Mit dieser Erzählhaltung fällt Bucks „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ erzählerisch hinter Alfred Hitchcocks „Die rote Lola“ (1950) zurück. In dem Film zeigte Hitchcock eine Rückblende, die eine Lüge war. Dabei galt bis dahin die Regel, dass in Rückblenden, weil sie bebildert sind, die Wahrheit erzählt wird. Heute, auch nach Filmen wie „Rashomon“ (ebenfalls 1950), betrachten wir eine Rückblende als die subjektive Sicht des Erzählenden auf die Ereignisse.
Auch Krull könnte uns belügen. Es gibt im Film allerdings keinen entsprechenden Hinweis. Außer vielleicht, dass Krull nur von schönen Frauen und honorigen Männern begehrt wird.
Und so ist „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ als langweiliges, niemals herausforderndes oder irritierendes Bildungsbürgertumskino nur die nächste Klassikerverfilmung für den Deutschunterricht.
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (Deutschland 2021)
Regie: Detlev Buck
Drehbuch: Daniel Kehlmann, Detlev Buck
LV: Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, 1954
mit Jannis Niewöhner, Liv Lisa Fries, David Kross, Maria Furtwängler, Nicholas Ofczarek, Joachim Król, Christian Friedel, Harriet Herbig-Matten, Dominique Horwitz, Annette Frier, Martin Wuttke, Anian Zollner, Désirée Nosbusch, Detlev Buck, Heinrich Schafmeister
Die Geschichte ist bekannt: Am 16. September 1979 gelang den Familien Strelzyk und Wetzel in einem selbstgebauten Ballon die Flucht aus der DDR in den Westen.
Direkt nach ihrer Landung in einem Feld bei der oberfränkischen Stadt Naila berichteten alle Medien, also die Zeitungen, Radio und die damals drei Fernsehprogramme (alle selbstverständlich mit Sendeschluss!), darüber. Disney sicherte sich die Verfilmungsrechte und 1982 lief in den deutschen Kinos Delbert Manns „Mit dem Wind nach Westen“ (Night Crossing), mit John Hurt und Beau Bridges, über die spektakuläre Flucht. Die damalige Kritik war nicht begeistert: „Stinklangweilig und voller Klischees über die DDR.“ (Fischer Film Almanach 1983)
Nun gibt es Michael Bully Herbigs Version der damaligen Ereignisse. Selbstverständlich als Thriller mit bekanntem Ausgang und klarer Freund-Feind-Zeichnung. Das ist als Wettlauf gegen die Zeit durchaus spannend. Denn nach einem erfolglosen Fluchtversuch entdeckt die Stasi die Reste des Ballons. Stasi-Oberstleutnant Seidel, ein harter Hund und überzeugter Kommunist, leitet die Suche nach den potentiellen Republikflüchtlingen. Und diese kaufen in der halben DDR den Stoff für den nächsten Ballon zusammen.
Das ist, wie gesagt, spannend, aber nie wirklich packend oder in irgendeiner Form Herzrasen verursachend. Dafür ist alles zu betulich inszeniert und die Flüchtlinge sind einem zu egal, weil ihre unterschiedlichen Motive zwar angesprochen, aber nie emotional begreifbar sind.
„Bei Peter Strelzyk war es die Tatsache, dass man seine Meinung nicht frei äußern durfte und dass man für einen politischen Witz drei Jahre ins Gefängnis kommen konnte. Günter Wetzel durfte nicht studieren, was er wollte. Er fühlte sich eingezwängt und wollte raus. Petra Wetzel hatte eine todkranke Mutter im Westen, die sie nicht besuchen durfte. Und Doris Stelzyk hatte einen Bruder, der schon als Jugendlicher fliehen wollte, deshalb ins Zuchthaus kam und jeden Lebensmut verlor. Allein bei den vier Hauptfiguren unseres Films gibt es vier ganz unterschiedliche Motive, die in ihrer Summe aber viel über die ehemalige DDR aussagen.“ (Michael Bully Herbig)
Und die DDR wirkt immer wie ein Kulissenstaat mit viel bräunlicher Patina. Das sieht immer wie die aus zahllosen West-Spionagefilmen vertraute Version der DDR aus. Da helfen auch nicht die zahlreichen Hinweise im Presseheft, dass man sich ausführlich mit der DDR-Geschichte beschäftigte, die Familien Strelzyk und Wetzel die Macher berieten, bei der Ausstattung und den Kulissen darauf geachtet wurde, dass jedes Detail stimmt und dass möglichst viele Schauspieler und Teammitglieder des Films einen Bezug zur DDR haben. Die DDR in „Ballon“ wirkt immer wie ein Blick von außen auf eine liebevoll hergerichtete Kulisse.
Ironischerweise konnte Bully Herbig nicht in Pößneck, dem Wohnort der Flüchtlinge drehen. Nach der Wende wurde der Stadtkern restauriert und die Stadt saniert. Gedreht wurde deshalb in Bayern in Nordhalben. Auch der Disney-Film wurde, immerhin stand damals die Mauer noch, zu großen Teilen in Bayern gedreht.
Während des Thrillers fragte ich mich, wie die Interpretation dieser Geschichte aus der Sicht eines DDR-Regisseurs aussähe.
Ballon(Deutschland 2018)
Regie: Michael Bully Herbig
Drehbuch: Kit Hopkins, Thilo Röscheisen, Michael Bully Herbig
mit Friedrich Mücke, Karoline Schuch, David Kross, Alicia von Rittberg, Thomas Kretschmann, Jonas Holdenrieder, Tilman Döbler, Ronald Kukulies, Emily Kusche, Till Patz, Ben Teichmann, Christian Näthe, Sebastian Hülk, Gernot Kunert, Ulirch Friedrich Brandhoff
Adolf Hitlers Propagandashow. Leni Riefenstahls legendärer, zweiteiliger Dokumentarfilm „Olympia“, von dem heute vor allem die ikonischen Bilder bekannt sind. Und Jesse Owens, der eine Goldmedaille nach der nächsten gewann, und dessen Leistungen, das habe ich irgendwo gelesen, heutige Läufer, wenn sie nicht ihre modernen Hosen und Schuhe hätten, immer noch alt aussehen lassen würden. Das ist natürlich ein Filmstoff und das achtzigjährige Jubiläum dieser Spiele ist da ein guter Anlass, die Geschichte mehr oder weniger umfassend für die große Leinwand zu erzählen.
Stephen Hopkins, der nach einigen Kinofilmen wie „Judgment Night – Zum Töten verurteilt“, „Explosiv – Blown Away“ und „Lost in Space“ in den vergangenen Jahren vor allem für das Fernsehen arbeitete (u. a. mehrere „24“-Folgen, die Miniserie „Traffic“ und „The Life and Death of Peter Sellers“, der bei uns auch im Kino lief), wählte für seine Rückkehr ins Kino den ziemlich umfassenden Ich-muss-alles-erzählen-Blick.
So erfahren wir, wie der neunzehnjährige Jesse Owens (Stephan James) an der Ohio State University von Larry Snyder (Jason Sudeikis) trainiert wird, erste Erfolge bei Wettbewerben hat und sich für die Olympiade qualifiziert.
In diesem Moment berät das Olympische Komitee der USA, ob die USA sich an den Olympischen Spielen in Berlin beteiligen sollen. Immerhin wird Deutschland von dem Diktator Adolf Hitler regiert und der Umgang mit Minderheiten ist, ähem, problematisch. Avery Brundage (Jeremy Irons) soll sich daher als Gesandter des Komitees in Deutschland umsehen. Brundage glaubt, dass Sport und Politik strikt getrennt werden müssen. Die ersten Eindrücke aus Berlin begeistern den Bauunternehmer nicht. Aber nachdem Propagandaminister Joseph Goebbels (Barnaby Metschurat) auf seine Bedingungen nach optisch sauberen Spielen eingeht und er von Goebbels den Auftrag erhält, die deutsche Botschaft in Washington zu bauen, steht den sauberen Spielen nichts mehr im Weg.
In Berlin gibt es dann Konflikte zwischen den Sportlern, den Beginn der Freundschaft zwischen Jesse Owens und dem deutschen Läufer Carl ‚Luz‘ Long (David Kross), Ränkespiele im Hintergrund und missgünstige Richter im Stadion, die Jesse Owens‘ Siegesserie verhindern wollen. Trotzdem läuft er von Goldmedaille zu Goldmedaille.
Und „Triumphs des Willens“-Regisseurin Leni Riefenstahl (Carice van Houten) läuft burschikos Bilder für ihre Dokumentation „Olympia“ machend durch das Bild.
Das ist eine Menge Stoff für zwei Stunden Film und es spricht für das Drehbuch von Joe Shrapnel und Amanda Waterhouse und Regisseur Stephen Hopkins, dass wir bei all den Handlungssträngen und handelnden Personen niemals den Überblick verlieren und immer ihre Konflikte verstehen. Es entsteht auch niemals der Eindruck, dass durch die Geschichte gehetzt wird. Stattdessen hat jede Geschichte, jede Episode, den nötigen Raum.
Und trotzdem will sich keine richtige Begeisterung einstellen. Denn es ist auch alles immer eine Spur zu abgewogen, zu sehr auf Konsens und zu wenig auf Zuspitzung und irgendeine Form von Anklage erzählt. „Zeit für Legenden“ will alles verstehen, aber nichts verurteilen.
Wenn es am Ende eine Szene gibt, in der Jesse Owens als mehrfacher Olympiagewinner bei einer Feier zu seinen Ehren den Hintereingang benutzen muss und in einer Texttafel gesagt wird, dass Owens erst 1976 in das Weiße Haus zur Überreichung der Medal of Freedom eingeladen wurde, dann fällt auch auf, dass „Zeit für Legenden“ das Problem des Rassismus in den USA durchgehend ignorierte, weil der Rassismus der Nazis ja viel schlimmer war. In dem bei uns kaum bekanntem, grandiosen Biopic „42 – Die wahre Geschichte einer Sportlegende“ über Baseballer Jackie Robinson steht sie im Mittelpunkt.
„Zeit für Legenden“ ist gutes Erzählkino. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Zeit für Legenden (Race, Frankreich/Deutschland/Kanada 2016)
Regie: Stephen Hopkins
Drehbuch: Joe Shrapnel, Amanda Waterhouse
mit Stephan James, Jason Sudeikis, Jeremy Irons, William Hurt, Carice van Houten, Eli Goree, David Kross, Barnaby Metschurat, Tony Curran, Shanice Banton
Vor fünf Jahren, nachdem fast zeitgleich einige gute deutsche Kriminalspielfilme und Dominik Grafs TV-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ erschienen, wurde auf einer Tagung von der „Lust am Genre“ gesprochen und auch gefragt, warum es kein deutsches Genrekino gibt. Krimis laufen im Fernsehen in verschiedenen Serien und Reihen bis zum Abwinken. Science-Fiction und Horror existieren vor allem als Erinnerung an die seeligen Stummfilm- und frühen Tonfilmtage, als „Das Cabinet des Dr. Caligari“, „Dr. Mabuse, der Spieler“, „Das Testament des Dr. Mabuse“, „Metropolis“ und „M – Mörder unter uns“ gedreht wurden. In den Sechzigern und frühen Siebzigern waren dann die Edgar-Wallace-Filme und ihre zahlreichen mehr oder weniger direkten Ableger (Jerry Cotton, Kommissar X, St.-Pauli-Filme) an der Kinokasse erfolgreich, während Horror und Science-Fiction schon lange in andere Länder abgewandert waren.
Seitdem gab es immer wieder Versuche, deutsche Genrefilme zu drehen. Die meisten waren und sind höchstens schlechte Imitate besserer Filme. Meistens liegt es am Drehbuch und einem nervigen Stilwillen des Regisseurs, der überhaupt nicht zur Handlung passt. Da ist dann das pseudo-coole Spiel der Schauspieler auch egal.
Vor dieser Folie ist Özgür Yilderims dritter Spielfilm, nach dem Gangsterfilm „Chiko“ und der Musikkomödie „Blutzbrüdaz“, eine durchaus erfreuliche Überraschung. Das heißt jetzt nicht, dass „Boy 7“ ein Film ist, den man sich unbedingt ansehen muss. Dafür ist die Story dann doch zu bekannt und zu sehr auf ein jugendliches Publikum zugeschnitten.
Der PC-Nerd Samuel ‚Sam‘ Lubota („Knallhart“ David Kross) wird, nachdem er beim Manipulieren der Abi-Noten einer Klassenkameradin erwischt wurde, in eine ländlich gelegene Besserungsanstalt, die Kooperation X, geschickt. Dort werden sie nur noch mit ihrem Geschlecht und einer Nummer angesprochen. Er wird zu ‚Boy 7‘. Er fügt sich schnell in die hierarchisch strukturierte Gesellschaft ein. Immerhin sollen hier seine Fähigkeiten so eingesetzt werden, dass er zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft wird. Der Anstaltsleiter, Direktor Thomas Fredersen, verspricht ihm sogar, wenn er das Programm erfolgreich absolviert, eine gut dotierte Stelle in einer Bank.
Aber dann bemerkt Sam, dass einige seiner Mitinsassen unter seltsamen Umständen sterben oder ihr Gedächtnis verlieren.
Yilderim erzählt diese Geschichte in mehreren Rückblenden, die einen in die Geschichte hineinziehen. Denn der Film beginnt gleich mitten in der Geschichte: Sam wird in einem U-Bahn-Schacht wach. Er erinnert sich an nichts. Aber er wird von der Polizei als Mörder gejagt. Auf einer Toilette entdeckt er ein von ihm geschriebenes Buch, das er dort vorher versteckte. In dem Tagebuch erzählt er sich und uns die Vorgeschichte. Garniert mit einigen hübschen Spitzen, denn er liest sein Buch Emilia (aka Girl 8) vor, die ebenfalls in der sektenähnlichen Besserungsanstalt war und die sich ebenfalls an nichts erinnern kann. Diese Konstruktion ist ein kluger erzählerischer Schachzug, weil wir wissen wollen, wie Sam in diese Situation kommen konnte und ob er der jungen Frau, die er auf seiner Flucht getroffen hat, vertrauen kann.
Dennoch geraten die Rückblenden, wenn Details aus dem Internatsleben breit ausgebreitet werden, etwas zu lang. Was auch daran liegt, dass die Charaktere eher blass geraten sind. Aber die Schauspieler spielen unverkrampft, die Dialoge sind natürlich (es handelt sich also nicht um hölzern-papierne Beamtensprache und die Jugendlichen müssen nicht in einem hippen Jugendslang sprechen), die Sets sehen gut aus (so befindet sich die Kooperation X im – Reisetipp – Schloss Nordkirchen) und die Story steht im Mittelpunkt.
Sogar den Stilwillen von Yildirim, der seine Kamera gerne in einer Schräglage hält, um ein expressionistisches „Dr. Caligari“-Gefühl heraufzubeschwören, verzeiht man da. Immerhin nervt es weniger als eine Wackelkamera und die Bilder (Kamera: Matthias Bolliger) und zahlreiche Anspielungen im Film und bei den Namen verweisen auf die deutschen Filmklassiker, in deren Tradition Yildirim seinen Film sieht. Und das ist nicht die schlechteste Referenz. Auch wenn in „Boy 7“ die Manipulation der Insassen nicht mehr mittels Hypnose erfolgt.
Natürlich ist „Boy 7“ eine weitere Variation der bekannt-erfolgreichen Dystopien, in denen ein Jugendlicher (oft weiblich) gegen eine verbrecherische Erwachsenenwelt kämpfen muss. „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ und „Die Bestimmung“ (The Divergent Series), beides Romantrilogien, die als vier Filme ins Kino kommen, sind die erfolgreichsten. Weniger erfolgreich waren, um nur zwei Filme zu nennen, „Maze Runner“ (der zweite Teil läuft am 24. September an) und „Seelen“. Und, wie die genannten Filme, basiert „Boy 7“ auf einem Jugendbuch-Bestseller, der eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt. Eine Fortsetzung ist ziemlich ausgeschlossen.
Unter den deutschen Genreexperimenten der letzten Jahre gehört „Boy 7“ zu den gelungeneren Filmen. Auch wenn er sich an ein jugendliches Publikum richtet und er mit den zahlreichen, deutlich höher budgetierten Vorgängern zu kämpfen hat. Aber immerhin bewahrt uns das vor einem CGI-Gewitter.
P. S.: Zeitgleich inszenierte Lourens Blok mit einer anderen Besetzung eine niederländische Version der Geschichte.
Boy 7 (Deutschland 2015)
Regie: Özgür Yildirim
Drehbuch: Philipp Delmaar, Marco van Geffen, Özgür Yildirim
LV: Mirjam Mous: Boy 7, 2009 (Boy 7)
mit David Kross, Emilia Schüle, Jens Harzer, Jörg Hartmann, Liv Lisa Fries, Ben Münchow, Nina Petri
Länge: 104 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
Kinostart: 20. August 2015
– Hinweise
Wikipedia über Özgür Yildirim
– Die Kinotour – oder, wo ich einen Film und die Macher schon vor dem Kinostart sehen kann:
Samstag, 15. August
CINESTAR Ingolstadt (Am Westpark 2, 85057 Ingolstadt)
Vor Ort: David Kross, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 16:00 Uhr
–
Samstag, 15. August
CINEMAXX Augsburg (Willy-Brandt-Platz 2, 86153 Augsburg)
Vor Ort: David Kross, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 17:00 Uhr
–
Samstag, 15. August
MATHÄSER München (Bayerstraße 3-5, 80336 München)
Vor Ort: David Kross, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 19:30 Uhr
–
Sonntag, 16. August
Premiere im COMMERZ REAL CINEMA Düsseldorf (Robert-Lehr-Ufer, 40479 Düsseldorf)
Vor Ort: David Kross, Emilia Schüle, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim, Romanautorin Mirjam Mous
Filmstart: 21:25 Uhr
–
Montag, 17. August
CINEMAXX Mannheim (N7 17, 68161 Mannheim)
Vor Ort: David Kross, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 18:00 Uhr
–
Montag, 17. August
KINOPOLIS Sulzbach (Taunus) (Am Main-Taunus-Zentrum, 65843 Sulzbach (Taunus))
Vor Ort: David Kross, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 20:30 Uhr
–
Dienstag, 18. August
ASTOR GRAND CINEMA Hannover (Nikolaistraße 8, 30159 Hannover)
Vor Ort: David Kross, Emilia Schüle, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 19:30 Uhr
–
Dienstag, 18. August
C1 CINEMA Braunschweig (Lange Straße 60, 38100 Braunschweig)
Vor Ort: David Kross, Emilia Schüle, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 20:00 Uhr
–
Mittwoch, 19. August
CINEMAXX DAMMTOR Hamburg (Dammtordamm 1, 20354 Hamburg)
Vor Ort: David Kross, Emilia Schüle, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 19:00 Uhr
–
Donnerstag, 20. August
CUBIX Berlin (Rathausstraße 1, 10178 Berlin) (Endlich!!!)
Vor Ort: David Kross, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 19:30 Uhr
–
Donnerstag, 20. August
CINESTAR Leipzig (Petersstraße 44, 04109 Leipzig)
Vor Ort: David Kross, Ben Münchow, Regisseur Özgür Yildirim
Filmstart: 20:30 Uhr
Egal. Die von Heinrich von Kleist in wuchtigen Sätzen aufgeschriebene Geschichte über Michael Kohlhaas dürfte bekannt sein. Der Pferdehändler lässt bei einem Junker für einen erfundenen Passierschein zwei Pferde als Pfand zurück. Er bekommt sie in einem erbärmlichen Zustand wieder und möchte, dass der Junker ihm die Pferde ersetzt. Dieser tut es nicht und Kohlhaas beginnt einen blutigen Feldzug gegen ihn.
Arnaud des Pallières verfilmte diese Geschichte mit Mads Mikkelsen in der Hauptrolle. Dabei nahm er sich, wie auch die Regisseure der anderen Kohlhaas-Verfilmungen, einige Freiheiten. So verlegte er die Geschichte von Brandenburg und Sachsen, wo sie bei Kleist spielt, in die Cévennen, verzichtete auf eine präzise historische Einordnung und lässt das Drama vor einer prächtigen Landschaft in eher dunklen Bildern langsam seinen Lauf nehmen. Dummerweise hat sich des Pallières auch entschlossen, möglichst wenig zu schneiden und die Dialoge beschränkte er auf ein Minimum. So wird sein Michael Kohlhaas zu einem schweigsamen Brüter, der seine Gefühle hinter einer steinernen Mine verbirgt. Auch die anderen Charaktere reden eher wenig reden. Leider.
Denn „Michael Kohlhaas“ ist kein banaler Abenteuerfilm, kein Quasi-Western, sondern eine zeitlose Parabel, in der es um das Verhältnis des Einzelnen zum Staat, um das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit, dem Unterschied zwischen gerechtfertigtem Widerstand und Selbstjustiz, zwischen Rebellion und Terrorismus, welchen Regeln man folgen soll und wann das Befolgen von Regeln in Fanatismus umschlägt, geht. Bei diesen vielfältigen Anknüpfungspunkten der im 16. Jahrhundert spielenden Geschichte an die Gegenwart, wäre es gut gewesen, wenn Arnaud des Pallières Michael Kohlhaas einen Gefährten zur Seite gestellt hätte, mit dem er sich hätte unterhalten können. So trägt Kohlhaas die Konflikte schweigend mit sich aus. Wir dürfen das maskenhaft-edle Antlitz von Mads Mikkelsen und die archaische Landschaft bewundern und uns fragen, ob man den Film nicht um etliche Minuten hätte kürzen können.
Michael Kohlhaas (Michael Kohlhaas, Frankreich/Deutschland 2013)
Regie: Arnaud des Pallières
Drehbuch: Arnaud des Pallières, Christelle Berthevas