Eine Investmentbankerin verbringt mit ihrem Team ein Teambuilding-Wochenende auf dem einsam in den schottischen Highlands liegendem Landsitz eines Lords, der Zimmer vermietet. Alle Banker glauben, dass das Wochenende ein Vorspiel für ihre Entlassung ist. Und dann stirbt auch noch, kurz nach ihrem Eintreffen, der Lieblingspfau des Lords. Schnell versteckt einer der Banker, auf Befehl der Chefin, das Tier, das fortan in den ungünstigsten Momenten immer wieder auftaucht und wieder versteckt wird.
„Der Pfau“ ist eine unlustige Boulevardkomödie, bei der auch nach Filmende nicht geklärt ist, um was es eigentlich ging und wie dieser von Jürgen Vogel tiefenentspannt gespielte Schluffi-Sozialkundelehrer zum Mitarbeiter der Bank wurde. Viel mehr muss über diesen Langweiler, der eine fotogene Location, gute Schauspieler und mindestens zwei gute Ideen, nämlich die Jagd nach dem Pfauenmörder und die Satire über grundsätzlich unsympathische Banker, atemberaubend schnell zugunsten eines vor sich hin plätschernden Nichts verschenkt.
Das ist Zeitverschwendung auf dem Niveau der „Inspektor Jury“-Filme.
Der Pfau(Deutschland/Belgien 2023)
Regie: Lutz Heineking jr.
Drehbuch: Christoph Mathieu, Sönke Andresen, Lutz Heineking jr.
LV: Isabel Bogdan: Der Pfau, 2016
mit Lavina Wilson, Serkan Kaya, Tom Schilling, David Kross, Jürgen Vogel, Svenja Jung, Annette Frier, Philip Jackson, Victoria Carling, Domitila Barros, Linda Reitinger, Peter Trabner
Dreistündiges Biopic über den Künstler Kurt Barnert von seiner Kindheit 1937 bis zu seinem Durchbruch 1966 in Wuppertal.
Das ist nicht wirklich schlecht, trotz der Länge unterhaltsam und auch kurzweilig, aber letztendlich nur bildungsbürgerliches Erbauungskino, das brav den Nationalsozialismus, die DDR und die frühen Jahre der BRD an der Biographie des Künstlers Kurt Barnert abhandelt.
Das reale Vorbild für Barnert war Gerhard Richter. Der war von dem Film, nachdem er den Trailer (!) gesehen hatte, nicht begeistert.
mit Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer, Saskia Rosendahl, Oliver Masucci, Hanno Koffler, Cai Cohrs, Jörg Schüttauf, Jeanette Hain, Ina Weise, Lars Eidinger, Jonas Dassler, Ben Becker, Hinnerk Schönemann
„Leander Haußmanns Stasikomödie“ nennt Leander Haußmann seinen neuen Film und er erklärt den Titel so: er habe mit der Nennung seines Namens im Titel darauf hinweisen wollen, dass es sich hier um seine ganz persönliche Sicht der DDR handele. Außerdem ist die „Stasikomödie“ (bleiben wir ab jetzt bei dem kurzen Titel) der Abschluss seiner DDR-Trilogie. Die ersten Filme waren „Sonnenallee“ (1999) und „NVA“ (2004). Beide Male war Thomas Brussig sein Co-Autor. Der ist dieses Mal nicht dabei.
In Haußmanns neuem Film steht Ludger Fuchs im Mittelpunkt. Ludger hat jetzt, auf Drängen seiner Familie, im Stasi-Unterlagenarchiv seine Stasiakte angefordert und erhalten. Zusammen mit seiner Familie und einigen Gästen blättert der inzwischen gefeierte Schriftsteller durch die dicke Akte und erinnert sich – etwas unzuverlässig, wie das mit Erinnerungen halt so ist – an seine Jugend als er in den Achtzigern von der Stasi angeworben wurde. Entscheidend war dafür sein Verhalten an einer Ampel in Ostberlin. Er blieb an der roten Ampel stehen, obwohl kein Auto und kein anderer Mensch zu sehen war. Stattdessen wartete er geduldig, ein Buch lesend, bis die Ampel vielleicht irgendwann umspringt. Sogar als eine Katze von einem Straßenreinigungsfahrzeug überfahren werden könnte, zögert er.
Führungsoffizier Siemens, der ihn heimlich beobachtet und die Ampel steuert, ist begeistert: einen obrigkeitshörigeren und regeltreueren Menschen wird er wohl nirgendwo finden. Er wird auch bei Feindkontakt von diesem nicht korrumpiert werden. Und diese Fähigkeit ist bei dem Auftrag, den er erhält, wichtig.
Ludger soll, mit anderen ebenfalls jungen Stasi-Agenten, die im Prenzlauer Berg wohnende Künstler-Bohème ausspionieren. Das ist, weil sie und ihre Vorgesetzten etwas vertrottelt sind und regelmäßig mit der Tücke des Objekts kämpfen müssen, leichter befohlen als getan.
Noch schwieriger wird Ludgers Auftrag, als er sich in eine Künstlerin verliebt und ihm das lockere, alle DDR-Regeln ignorierende Leben der Künstler und Freigeister gefällt.
Leander Haußmann inszenierte seine Komödie mit vielen bekannten Schauspielern, die schon in Haußmanns vorherigen Filmen mitspielten. Gemeinsam pfügen sie, mit spürbarer Lust am Aufspüren absurder und komischer Momente, durch diesen Teil der DDR-Geschichte. Dabei bevorzugt Haußmann, wenn er die Wahl zwischen Komödie und Klamauk hat, immer den Klamauk, gerne mit einer ordentlichen Portion Slapstick. Von Satire will man in diesem Zusammenhang nicht mehr sprechen.
In diesem Rahmen ist die „Stasikomödie“ witzig.
Leander Haußmanns Stasikomödie (Deutschland 2022)
Regie: Leander Haußmann
Drehbuch: Leander Haußmann
mit David Kross, Jörg Schüttauf, Antonia Bill, Margarita Broich, Deleila Piasko, Matthias Mosbach, Henry Hübchen, Eric Spiering, Uwe Dag Berllin, Bernd Stegemann, Detlev Buck, Alexander Scheer, Tom Schilling
Länge: 116 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
alternativer Titel: Stasikomödie (halt die Kurzfassung)
TV-Premiere. Zweiter Spielfilm von „Oh Boy“-Regisseur Jan-Ole Gerster und wieder ein Volltreffer. Dieses Mal beobachtet er Lara (Corinna Harfouch). Die biestige und einsame Sechzigjährige streift an ihrem Geburtstag ziellos durch Berlin. Am Abend will sie das Konzert ihres Sohnes besuchen. Ihr Sohn hat sie dazu nicht eingeladen. Und wir verstehen ihn sehr schnell.
mit Corinna Harfouch, Tom Schilling, Volkmar Kleinert, André Jung, Gudrun Ritter, Rainer Bock, Mala Emde, Steffen Jürgens, Alexander Khuon, Birge Schade, Johann von Bülow
Als Vorbereitung für „Bis wir tot sind oder frei“ (Kinostart: 31. März 2022; das mit Zeit- und Lokalkolorit gesättigte sehenswerte Drama spielt in den frühen Achtzigern in der Schweiz und erzählt wie eine linke Kanzlei den Ausbrecherkönig Walter Stürm verteidigt und wie er dabei in linken Kreisen zum Symbol für die Freiheit und Würde des Einzelnen wird) empfehle ich
Tele 5, 20.15
Der Baader Meinhof Komplex (Deutschland 2008)
Regie: Uli Edel
Drehbuch: Bernd Eichinger
LV: Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex, 1985 (danach mehrere überarbeitete Neuausgaben)
Buch zum Film: Katja Eichinger: Der Baader Meinhof Komplex – Das Buch zum Film, 2008
Von der Länge her epische, vom Tempo her hektische Verfilmung der Geschichte der RAF von ihren Anfängen bis zu ihrem Ende. Da stimmt die Ausstattung, aber für die Vertiefung der einzelnen Charaktere bleibt wenig Zeit.
Mit Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek, Bruno Ganz, Simon Licht, Jan Josef Liefers, Alexandra Maria Lara, Heino Ferch, Nadja Uhl, Hannah Herzsprung, Niels-Bruno Schmidt, Stipe Erceg, Daniel Lommatzsch, Volker Bruch, Bernd Stegemann, Tom Schilling, Katharina Wackernagel, Anna Thalbach, Jasmin Tabatabai, Hans Werner Meyer
Im Moment glaubt Dominik Graf, dass eine Verfilmung genauso so lange sein soll, wie die Lektüre des Buches dauert. Bei einem kurzen Roman, also eigentlich eher einer Novelle, geht das. Trotzdem ist die Idee Unfug. Konsequent exekutiert würden dann Romanverfilmungen zehn bis zwanzig Stunden dauern. Solche Epen könnten dann nur noch im Fernsehen laufen. Dabei gibt es etliche Romanverfilmungen, die ausgezeichnete eigenständige Interpretionen von Romanen sind und deutlich kürzer als die Vorlage sind.
Das sage ich, weil die Länge von drei Stunden das Problem von Dominik Grafs ansonsten sehr gelungener, werktreuer und gleichzeitig eigenständiger Erich-Kästner-Verfilmung „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ ist.
Kästners Roman erschien 1931 in einer leicht gekürzten Fassung als „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“. Er wurde von den Nazis als entartete Kunst angesehen und gehörte zu den Büchern, die während der Bücherverbrennung verbrannt wurden. 2013 erschien unter dem ursprünglich geplanten Titel „Der Gang vor die Hunde“ Kästners Originalfassung. Diese liegt Dominik Grafs Verfilmung zugrunde.
Fabians Geschichte ist eine bestenfalls lose verknüpfte Abfolge von Episoden, die ein Bild von Deutschland vor neunzig Jahren, also von den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren, ergeben. In einem Roman, vor allen in einem etwas über zweihundertseitigem Roman, der eine Satire ist, zur Avantgarde gehört und der ein Sittenbild ist, ist diese episodische Struktur kein Problem. Bei einem Film, der dann drei Stunden lang Episoden ohne eine erkennbare Geschichte aneinanderreiht, wird das zu einem Problem. Es wird redundant. Es wird langweilig.
Auch wenn ich jetzt nicht genau sagen kann, wo Graf hätte schneiden sollen, hätte er doch um ein Drittel kürzen sollen.
Das gesagt ist „Fabian“ ein absolut sehenswerter Film, der die Stimmung der zwanziger Jahre, das pulsierende Großstadt-, Künstler- und Bohèmeleben, ohne erkennbare Kompromisse und souverän mit allen filmischen Stilmitteln hantierend, auf die Leinwand bringt.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht – überzeugend von „Oh Boy“ Tom Schilling gespielt – Jakob Fabian, ein promovierter Germanist, der im Berlin der frühen dreißiger Jahre tagsüber als schlecht verdienender Werbetexter für eine Zigarettenfabrik arbeitet, in einem Zimmer zur Miete wohnt und nach Sonnenuntergang durch die Berliner Clubs und Bordelle zieht. Dabei lehnt der Flaneur und Beobachter nie einen Drink oder eine Affäre ab. Begleitet wird er meistens von seinem Studienfreund Stephan Labude. Der Sohn des vermögenden Justizrat Labude schreibt schon seit Jahren an seiner Habilitation und er ist bekennender und agitierender Kommunist. Er hat eine feste, in einer anderen Stadt lebende Freundin, die er heiraten will. Aber sie betrügt ihn.
Bei einem seiner nächtlichen Sauftouren trifft Fabian auf Irene Moll. Die verheiratete Frau hat mit ihrem Mann ein Arrangement getroffen, nach dem sie ihm ihre Liebhaber vorstellen muss, die Liebhaber einen Vertrag unterschreiben müssen und sie dann Sex haben dürfen. Dieses Angebot lehnt Fabian bei ihrer ersten Begegnung empört ab.
Kurz darauf trifft er in einem Kabarett Cornelia Battenberg. Zufällig haben sie in der gleichen Wohnung ein Zimmer gemietet. Sie verlieben sich ineinander. Cornelia will als Schauspielerin Karriere machen. Sie beginnt eine Affäre mit einem Filmproduzenten.
Aus diesen und zahlreichen weiteren Episoden, aber noch mehr aus der Inszenierung, ergibt sich ein Bild des damaligen Berlins und der damaligen Gefühlslage, die in bestimmten Aspekten immer noch oder wieder aktuell ist. Während in Kästners Roman die Warnung vor dem Nationalsozialismus zwischen den Zeilen steht – schließlich kannte Kästner als er den Roman schrieb, die Zukunft nicht – deutet Graf den beginnenden Nazi-Terror deutlich an. Er zeigt Stolpersteine, die es in Berlin erst seit einigen Jahren gibt. Auf ihnen stehen die Namen von Opfern der Nationalsozialisten. Wir sehen Nazi-Uniformen. Bei einer Konfrontation von Fabian mit einem von Labudes Studienkollegen ist der heraufziehende Faschismus deutlich spür- und sichtbar.
Sowieso interessiert Graf sich in seinem Sittengemälde wenig für historische Faktenkorrektheit. Ihm geht es darum, die damalige Stimmung, die von einem Gefühl eines nahenden Weltuntergangs geprägt war, begreifbar zu machen und tief in Fabians Psyche, die Psyche eines alles distanziert beobachtenden Moralisten, einzutauchen. Dieser Fabian ist kein Mitläufer. Er will nicht, während er sich durch das pulsierende Nachtleben treiben lässt, mit der Masse mitschwimmen.
Dazu lässt Graf die Kamera fiebrig durch die engen, dunklen Räume tanzen. Er schneidet teils im Sekundentakt. Später, wenn Fabian sich verliebt und seine Eltern besucht, wird die Kamera und der Anfangs atemlose Erzählrhythmus ruhiger. Graf wechselt munter die Kameras, das Filmmaterial und das Bildformat. Er schneidet historische Aufnahmen hinein. Dazu kommt ein konstanter Fluss von Dialogen und Voice-Over. Auch wenn nicht alle Texte von Kästner sind, haben sie immer einen deutlichen Kästner-Einfluss. So ergibt sich eine souveräne, sehr eigenständige Interpretation des Romans, die immer wie eine wortwörtliche Übertragung wirkt, es aber nicht ist. Graf und sein Co-Drehbuchautor Constantin Lieb haben den Geist des lesenswerten Buches vorzüglich eingefangen.
Nach diesem „Fabian“ kann man Wolf Gremms „Fabian“ von 1979 getrost vergessen. Denn der ist nur hochbudgetiertes, letztendlich billiges Ausstattungskino. Genau das kann von dem „Gang vor die Hunde“ nicht gesagt werden.
Fabian oder Der Gang vor die Hunde (Deutschland 2021)
Regie: Dominik Graf
Drehbuch: Constantin Lieb, Dominik Graf
LV: Erich Kästner: Fabian oder Der Gang vor die Hunde, 1931/2013
mit Tom Schilling, Albrecht Schuch, Saskia Rosendahl, Michael Wittenborn, Petra Kalkutschke, Elmar Gutmann, Aljoscha Stadelmann, Anne Bennent, Meret Becker
Länge: 186 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
–
Die Vorlage
(zum Kinostart mit Filmcover und einigen Filmbildern)
Die im Zweiten Weltkrieg in die USA geflohene Jüdin Maria Altmann hätte gerne wieder das titelgebende Klimt-Gemälde von ihre Tante Adele. Dummerweise ist das Jugendstilgemälde inzwischen zu einer Ikone der österreichischen Identität geworden und Österreich denkt gar nicht daran, Altmann das Gemälde zurückzugeben.
Gutes, gefällig inszeniertes, auf einem wahren Fall basierendes britisches Schauspielerkino mit entsprechend pointierten Dialogen und einem noblen Anliegen.
mit Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Max Irons, Elizabeth McGovern, Katie Holmes, Tatiana Maslany, Antje Traue, Justus von Dohnányi, Tom Schilling, Charles Dance, Jonathan Pryce, Frances Fisher, Moritz Bleibtreu
TV-Premiere. Dreistündiges Biopic über den Künstler Kurt Barnert von seiner Kindheit 1937 bis zu seinem Durchbruch 1966 in Wuppertal.
Das ist nicht wirklich schlecht, trotz der Länge unterhaltsam und auch kurzweilig, aber letztendlich nur bildungsbürgerliches Erbauungskino, das brav den Nationalsozialismus, die DDR und die frühen Jahre der BRD an der Biographie des Künstlers Kurt Barnert abhandelt.
Das reale Vorbild für Barnert war Gerhard Richter. Der war von dem Film, nachdem er den Trailer (!) gesehen hatte, nicht begeistert.
mit Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer, Saskia Rosendahl, Oliver Masucci, Hanno Koffler, Cai Cohrs, Jörg Schüttauf, Jeanette Hain, Ina Weise, Lars Eidinger, Jonas Dassler, Ben Becker, Hinnerk Schönemann
LV: Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex, 1985 (danach mehrere überarbeitete Neuausgaben)
Buch zum Film: Katja Eichinger: Der Baader Meinhof Komplex – Das Buch zum Film, 2008
Von der Länge her epische, vom Tempo her hektische Verfilmung der Geschichte der RAF von ihren Anfängen bis zu ihrem Ende. Da stimmt die Ausstattung, aber für die Vertiefung der einzelnen Charaktere bleibt wenig Zeit.
Mit Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek, Bruno Ganz, Simon Licht, Jan Josef Liefers, Alexandra Maria Lara, Heino Ferch, Nadja Uhl, Hannah Herzsprung, Niels-Bruno Schmidt, Stipe Erceg, Daniel Lommatzsch, Volker Bruch, Bernd Stegemann, Tom Schilling, Katharina Wackernagel, Anna Thalbach, Jasmin Tabatabai, Hans Werner Meyer
Endlich hat Corinna Harfouch wieder eine Hauptrolle übernommen. „Giulias Verschwinden“, „Blond: Eva Blond!“ und „Vera Brühne“ liegen ja schon einige Jahre zurück.
Endlich hat Jan-Ole Gerster wieder Regie geführt. Sein Debüt „Oh Boy“ war ein Überraschungserfolg und ist einer der allseits beliebten Berlin-Filme. Seitdem sind sieben Jahre vergangen.
Mit seinem zweiten Spielfilm „Lara“ hat er auf den ersten Blick noch einmal „Oh Boy“ inszeniert. Nur dass dieses Mal nicht Tom Schilling, sondern Corinna Harfouch einen Tag lang ziellos durch Berlin streift.
Auf den zweiten Blick ist „Lara“ erzählerisch dann mindestens ein großer Schritt nach vorne in erzählerisch anspruchsvollere Gefilde. In „Oh Boy“ stolpert der Endzwanziger Niko ziellos durch die Stadt, hat einige erfreuliche, einige weniger erfreuliche Begegnungen und er sucht dabei nur eine gute Tasse Kaffee. Die bekommt er am Ende des Films. „Oh Boy“ ist ein wunderschöner SW-Nouvelle-Vague-Film, der genauso ziellos wie sein Protagonist ist. Gerster könnte da mühelos Episoden austauschen oder weglassen und nichts würde sich verändern.
„Lara“ ist dagegen ein deutlich komplexerer Film, der Gegenwart und Vergangenheit zu einem Psychogramm einer sehr problematischen Frau verwebt. Lara ist, pünktlich zu ihrem sechzigsten Geburtstag, in Rente geschickt worden. Die Beamtin war eine strenge, fordernde und vollkommen humor- und empathielose Abteilungsleiterin. Freunde hat sie keine. Sie ist auch nicht zum Konzert ihres Sohnes eingeladen.
Viktor ist ein gefeierter klassischer Pianist, der heute Abend ein von ihm komponiertes Stück aufführen will. In der Vergangenheit litt er immer wieder unter ihren Ansprüchen. Sie spornte ihn gleichzeitig zu Höchstleistungen an und sagte ihm, dass er nicht gut genug sei. Und Viktor gelang es nie, sich von ihrem prägenden Einfluss zu lösen. Weil sie durch ihre Anwesenheit Viktors großen Abend sabotieren könnte, will ihr Ex-Mann verhindern, dass Lara ihn vor dem Konzert trifft.
Lara, die an ihrem runden Geburtstag nichts vor hat, streift ziellos durch das alte Westberlin. Sie trifft immer wieder Menschen, die sie zwingen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen. Lara wollte früher selbst Pianistin werden. Sie stellte höchste Ansprüche an sich selbst. Sie war auf dem besten Weg, eine Konzertpianistin zu werden, wenn nicht ein von ihr bewunderter Musiker an ihrem Talent gezweifelt hätte. Danach wurde sie die keine Fehler verzeihende, unverschämt hohe Ansprüche stellende Klavierlehrerin ihres Sohnes, der als erwachsener Mann immer noch versucht sich von ihr zu lösen und gleichzeitig, wie ein kleines Kind, von ihrem Urteil abhängig ist.
Schon in den ersten Minuten liefert Gerster die wichtigsten Informationen über Lara. In den nächsten gut hundert Minuten fügt er diesem Bild so viele neue Facetten bei, dass es immer spannend bleibt. Und in den letzten Minuten mit deprimierender Klarheit deutlich wird, wie sehr Lara unwissentlich Erfahrungen weitergab, die sie, ebenfalls unwissentlich, übernahm. Es ist ein Teufelskreislauf, aus dem sie sich nie befreite, weil sie nicht wusste, dass sie in diesem Kreislauf steckte. Falls sie es überhaupt wissen wollte.
„Lara“ ist eine glänzend gespielte, präzise inszenierte und gespielte Charakterstudie, die bei aller Tristesse unglaublich unterhaltsam ist. Und ein Berlin-Film.
Jetzt ist nur zu hoffen, dass nicht wieder sieben Jahre bis zu Gersters nächstem Film vergehen.
Lara (Deutschland 2019)
Regie: Jan-Ole Gerster
Drehbuch: Blaž Kutin
mit Corinna Harfouch, Tom Schilling, Volkmar Kleinert, André Jung, Gudrun Ritter, Rainer Bock, Mala Emde, Steffen Jürgens, Alexander Khuon, Birge Schade, Johann von Bülow
Unabhängig von dem, was ich gleich über Florian Henckel von Donnersmarcks neuen Film „Werk ohne Autor“ schreiben werde, muss ich eins klarstellen: die über drei Stunden, die der Film dauert, vergingen schnell. Ich musste nicht gegen den Schlaf kämpfen, rutschte nicht unruhig im Kinosessel herum und biss nicht die vordere Sesselreihe durch. Das gelingt nicht jedem Film. Vor allem nicht über eine so epische Laufzeit hinweg.
Aber die Entscheidung von Donnersmarcks „Werk ohne Autor“ in das Rennen um den Auslandsoscar zu schicken, verstehe ich nicht. Zur Auswahl standen auch „Transit“, „Mackie Messer – Der Dreigroschenfilm“, „Das schweigende Klassenzimmer“ und „Der Hauptmann“. Alles interessante Filme, die nicht so hemmungslos auf einen Oscar schielen wie „Werk ohne Autor“. Und gegen unseren letztjährigen Oscarbewerber, Fatih Akins „Aus dem Nichts“, ist „Werk ohne Autor“ langweiliges, bildungsbürgerliches Erbauungskino, das brav den Nationalsozialismus, die DDR und die frühen Jahre der BRD an der Biographie des Künstlers Kurt Barnert abhandelt.
Das Vorbild für Kurt Barnert ist Gerhard Richter
Bevor von Donnersmarck das Drehbuch schrieb, konnte er sich einen Monat mit Richter unterhalten und ihn begleiten. Er hätte also genug Material für ein Biopic gehabt. Aber er entschloss sich zur fiktionalisierten Version, in der Kenner des Lebens und Werks von Richter ihn immer erkennen. Aber im Detail ist unklar, ob die Szene erfunden oder wahr ist. Auch andere Charaktere, die auf wahren Personen basieren, haben im Film andere Namen. So heißt Joseph Beuys im Film Antonius van Verten und Oliver Masucci zeigt wieder einmal sein Talent. Auch die anderen Schauspieler überzeugen.
Wer sich mit der deutschen Kunstgeschichte nicht so auskennt, kann die Informationen im Film wie ein Schwamm aufsaugen und sie dann irgendwann kleinteilig mit der Wirklichkeit vergleichen.
Das erste Mal begegnen wir Kurt Barnert als er 1937 mit seiner Tante Elisabeth in Dresden die Ausstellung „Entartete Kunst“ besucht und, wie in einem Brennglas, alle wichtigen Themen des Films angesprochen werden.
In den folgenden drei Stunden erzählt von Donnersmarck dann Barnerts Leben bis zu seiner ersten großen Ausstellung 1966 in der Kunsthalle Wuppertal, wo Barnert Probleme hat, sein Werk zu erklären. Das tut dann ein Journalist, vor dem Portrait von Tante Elisabeth stehend, für eine TV-Reportage: „Zufällig gewählte Illustriertenbilder, Passfotos vom Automaten, beliebige Schnappschüsse aus Familienalben – alles unscharf abgemalt. Mit solchen Bildern, die aus unerklärlichen Gründen eine echte Kraft besitzen, scheint sich Kurt Barnert zum führenden Künstler seiner Generation zu entwickeln – und das mit der totgewähnten Malerei! Aber wie viele in seiner Generation hat er nichts zu erzählen, nichts zu sagen, löst sich von jeder Tradition, verabschiedet sich vom biographischen Ansatz in der Kunst und schafft so zum ersten Mal in der Kunstgeschichte…ein Werk ohne Autor.“
Der Film verästelt sich, nimmt sich Zeit für Abschweifungen und zeigt einiges ausführlicher als nötig, während Barnert eher passiv ist. Er ist nicht der Künstler, der bereits seine Sprache gefunden hat und der fanatisch ein Projekt verfolgt. In der DDR malt er akribisch ein Wandfresko. In Düsseldorf experimentiert er. Wie die anderen Studenten. Dabei wirkt Barnerts Experimentieren nicht wie die Suche nach einer eigenen Sprache, sondern wie das Erfüllen des Pflichtprogramms.
Neben Barnerts Geschichte erzählt von Donnersmarck auch die Geschichte von Tante Elisabeth, die psychisch gestört ist und von ihrem Arzt, Professor Carl Seeband, in den Tod geschickt wird. Er erzählt auch Seebands Geschichte, dem es immer gelingt, zur herrschenden Klasse der verschiedenen Systeme zu gehören und der sich immer wieder in das Leben seiner Tochter einmischt. Denn für ihn ist ein Künstler kein Mann für seine Tochter.
Und immer wieder gelingen von Donnersmarck einprägsame Szenen. Teils, wenn die Busfahrer auf dem Busbahnhof auf Bitten von Tante Elisabeth hupen und sie „hebt die Arme wie in Ekstase, lässt die Erschütterung des tiefen Hornklangs durch sich wogen. Musikerlebnis der extremen Art.“ (Drehbuch), als Überwältigungskino. Teils dank der Schauspieler und dem Inhalt der Szene.
„Werk ohne Autor“ ist allerdings auch ein strikt chronologisch erzählter Film, der weder Fisch noch Fleisch ist. Er ist kein straffer Zwei-Stundenkinofilm, der einen Konflikt zuspitzt. Er ist auch keine vier- oder sechsstündige Mini-TV-Serie, in der verschiedene Plots nebeneinander her laufen können ohne sich jemals zu kreuzen. Wobei von Donnersmarck sich eher für die das bildungsbürgerliche Publikum ansprechende Mini-TV-Serie interessiert, die allerdings zu lang für einen Kinobesuch wäre.
Und so ist die Szene, die visualisiert, warum von Donnersmarck den Film drehte und die in einem Zwei-Stundenfilm die große Szene, auf die alles hinausläuft, wäre, komplett verschenkt.
Die Inspiration für „Werk ohne Autor“ war ein vor etwa zehn geführtes Interview, bei dem der Interviewer, „Tagesspiegel“-Reporter Jürgen Schreiber, von Donnersmarck erzählte, er habe gerade eine Biographie über Gerhard Richter geschrieben. Die Inspiration dazu war seine Tagesspiegel-Reportage über Richter, in der er enthüllte, dass Richters Tante Marianne Schönfelder (verewigt in dem Portrait „Tante Marianne“) von NS-Ärzten umgebracht wurde und dass Richters Schwiegervater, Prof. Dr. Heinrich Eufinger, als SS-Obersturmbannführer bei der Sterilisierung geistig Behinderter eine maßgebliche Rolle spielte. Richter hat das anscheinend erst durch Schreibers Reportage erfahren.
Für von Donnersmarck war diese Geschichte und die damit verbundenen Verstrickungen die Inspiration für „Werk ohne Autor“. Im Film sehen wir dann auch, wie Barnert ausgehend von Fotografien von seiner Tante Elisabeth, Passfotos von Seeband und der Verhaftung des Naziverbrechers Burghard Kroll diese Fotos nachzeichnet und ineinander übergehen lässt. In diesem Bild verbindet er das Schicksal seiner Tante mit dem eines Psychiaters, der das Euthansie-Programm initiierte, das Seeband willig ausführte. Das Bild fasst damit mehrere Jahrzehnte deutscher Geschichte zusammen. Und es wäre, wenn Barnert gewusst hätte, was er malt, eine Anklage gegen seinen Schwiegervater.
Als dieser das Bild bei einem Besuch in Barnerts Atelier sieht, reagiert er verstört. Es ist durch die Inszenierung offensichtlich, dass Seeband die volle Bedeutung des Bilds erfasst, dass er seine Vergangenheit sieht und er davon ausgeht, dass Barnert sie auch kennt.
Dieser Moment könnte die Rache des Künstlers an dem Mörder seiner Tante sein. Er ist es allerdings nicht. Denn Barnert kennt den Mörder seiner Tante nicht. Er hat auch keine Ahnung von Seebands Verstrickungen mit dem Nazi-Regime und wie sehr er sich immer wieder in Barnerts Leben einmischt.
Von Donnersmarck verschenkt genau den Moment, auf den implizit der gesamte Film hinausläuft.
Sein dritter Spielfilm ist auch ein Film über die moderne Kunst, auf die er allerdings immer wieder verächtlich herabblickt. Das zeigt sich vor allem an den in der Kunstakademie Düsseldorf spielenden Szenen. So führt Harry Preuser Barnert am ersten Tag durch die Akademie und äußerst sich sehr spöttisch über die Akademie und seine Mitstudenten. Die Projekte der Studenten scheinen vor allem eine von jeglicher Technik und Handwerk befreite Selbstverwirklichung zu sein. Und Professor van Verten ist ein enigmatischer Scharlatan, der sich nicht für die Werke seiner Studenten interessiert.
Im Gegensatz zum am 31. Oktober startendem „Queen“-Biopic „Bohemian Rhapsody“ zeigt „Werk ohne Autor“ die Phase des Suchens, der Irrwege und der missglückten Versuche im Leben eines Künstlers. Es ist ein Portrait der Kindheit, Jugend und der Lehrlingsphase eines Künstlers. Gleichzeitig zeichnet von Donnersmarck über drei Stunden betulich, im Stil eines TV-Mehrteilers ein Bild Deutschlands von 1937 bis 1966.
Werk ohne Autor (Deutschland 2018)
Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Drehbuch: Florian Henckel von Donnersmarck
mit Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer, Saskia Rosendahl, Oliver Masucci, Hanno Koffler, Cai Cohrs, Jörg Schüttauf, Jeanette Hain, Ina Weise, Lars Eidinger, Jonas Dassler, Ben Becker, Hinnerk Schönemann
Länge: 189 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
–
Das Buch zum Film
Mit vielen Filmbildern, dem Drehbuch, einem Interview mit Florian Henckel von Donnersmarck und einem Gespräch zwischen dem Künstler Thomas Demand und dem Filmemacher Alexander Kluge über den Film. Beide Gespräche sind interessant.
Aber gerade wegen der Filmgeschichte hätte man gerne mehr über die Unterschiede zwischen Richters Biographie und dem Film erfahren. In einem eigenem Text oder einem Essay über Richters Wirken und die Kunst in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg.
Arte, 00.40 Oh Boy (Deutschland 2012, Regie: Jan-Ole Gerster)
Drehbuch: Jan-Ole Gerster
Der Endzwanziger und gescheiterte Langzeitstudent Niko driftet durch Berlin. Er trifft seltsame Menschen und fragt sich nach dem Sinn des Lebens.
Wunderschöne Berlin-Komödie, die bei Kritik und Publikum gleichermaßen gut ankam. Wir warten immer noch auf Jan-Ole Gerstes zweiten Spielfilm.
mit Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter, Justus von Dohnány, Ulrich Noethen, Katharina Schüttler, Frederick Lau, Michael Gwisdek Hinweise Filmportal über „Oh Boy“ Film-Zeit über „Oh Boy“ Moviepilot über „Oh Boy“ Rotten Tomatoes über „Oh Boy“ Wikipedia über „Oh Boy“
Tod den Hippies – Es lebe der Punk! (Deutschland 2015)
Regie: Oskar Roehler
Drehbuch: Oskar Roehler
Robert kommt in den frühen achtziger Jahren aus der Provinz nach Westberlin und lernt das punkige Nachtleben kennen.
Autobiographisch gefärbte Nummernrevue, die vor allem kurzweilig, mehr oder weniger gelungene Anekdoten und Stimmungsbilder aneinanderreiht und all die bekannten Berlin- und Subkulturklischees bestätigt.
mit Tom Schilling, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Emilia Schüle, Frederick Lau, Hannelore Hoger, Samuel Finzi, Alexander Scheer, Rolf Zacher, Götz Otto, Oliver Korittke, Julian Weigend
alternative Schreibweise „ Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“
Die im Zweiten Weltkrieg in die USA geflohene Jüdin Maria Altmann hätte gerne wieder das titelgebende Klimt-Gemälde von ihre Tante Adele. Dummerweise ist das Jugendstilgemälde inzwischen zu einer Ikone der österreichischen Identität geworden und Österreich denkt gar nicht daran, Altmann das Gemälde zurückzugeben.
Gutes, gefällig inszeniertes, auf einem wahren Fall basierendes britisches Schauspielerkino mit entsprechend pointierten Dialogen und einem noblen Anliegen.
mit Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Max Irons, Elizabeth McGovern, Katie Holmes, Tatiana Maslany, Antje Traue, Justus von Dohnányi, Tom Schilling, Charles Dance, Jonathan Pryce, Frances Fisher, Moritz Bleibtreu
Der Baader Meinhof Komplex (Deutschland 2008, Regie: Uli Edel)
Drehbuch: Bernd Eichinger
LV: Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex, 1985 (danach mehrere überarbeitete Neuausgaben)
Buch zum Film: Katja Eichinger: Der Baader Meinhof Komplex – Das Buch zum Film, 2008
Von der Länge her epische, vom Tempo her hektische Verfilmung der Geschichte der RAF von ihren Anfängen bis zu ihrem Ende. Da stimmt die Ausstattung, aber für die Vertiefung der einzelnen Charaktere bleibt wenig Zeit.
Mit Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek, Bruno Ganz, Simon Licht, Jan Josef Liefers, Alexandra Maria Lara, Heino Ferch, Nadja Uhl, Hannah Herzsprung, Niels-Bruno Schmidt, Stipe Erceg, Daniel Lommatzsch, Volker Bruch, Bernd Stegemann, Tom Schilling, Katharina Wackernagel, Anna Thalbach, Jasmin Tabatabai, Hans Werner Meyer
Die im Zweiten Weltkrieg in die USA geflohene Jüdin Maria Altmann hätte gerne wieder das titelgebende Klimt-Gemälde von ihre Tante Adele. Dummerweise ist das Jugendstilgemälde inzwischen zu einer Ikone der österreichischen Identität geworden und Österreich denkt gar nicht daran, Altmann das Gemälde zurückzugeben.
Gutes, gefällig inszeniertes, auf einem wahren Fall basierendes britisches Schauspielerkino mit entsprechend pointierten Dialogen und einem noblen Anliegen.
mit Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Max Irons, Elizabeth McGovern, Katie Holmes, Tatiana Maslany, Antje Traue, Justus von Dohnányi, Tom Schilling, Charles Dance, Jonathan Pryce, Frances Fisher, Moritz Bleibtreu
Die im Zweiten Weltkrieg in die USA geflohene Jüdin Maria Altmann hätte gerne wieder das titelgebende Klimt-Gemälde von ihre Tante Adele. Dummerweise ist das Jugendstilgemälde inzwischen zu einer Ikone der österreichischen Identität geworden und Österreich denkt gar nicht daran, Altmann das Gemälde zurückzugeben.
TV-Premiere. Gutes, gefällig inszeniertes, auf einem wahren Fall basierendes britisches Schauspielerkino mit entsprechend pointierten Dialogen und einem noblen Anliegen.
mit Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Max Irons, Elizabeth McGovern, Katie Holmes, Tatiana Maslany, Antje Traue, Justus von Dohnányi, Tom Schilling, Charles Dance, Jonathan Pryce, Frances Fisher, Moritz Bleibtreu
Arte, 00.40 Oh Boy (Deutschland 2012, Regie: Jan-Ole Gerster)
Drehbuch: Jan-Ole Gerster
Der Endzwanziger und gescheiterte Langzeitstudent Niko driftet durch Berlin. Er trifft seltsame Menschen und fragt sich nach dem Sinn des Lebens.
Wunderschöne Berlin-Komödie, die bei Kritik und Publikum gleichermaßen gut ankam. Wir warten immer noch auf Jan-Ole Gerstes zweiten Spielfilm.
mit Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter, Justus von Dohnány, Ulrich Noethen, Katharina Schüttler, Frederick Lau, Michael Gwisdek Wiederholung: BR, Samstag, 1. Juli, 23.30 Uhr Hinweise Filmportal über „Oh Boy“ Film-Zeit über „Oh Boy“ Moviepilot über „Oh Boy“ Rotten Tomatoes über „Oh Boy“ Wikipedia über „Oh Boy“
Berlin, 1974: Lars Weber (Tom Schilling) wird von der Stasi als Romeo-Agent nach West-Berlin geschickt. Er soll die vierzigjährige Alleinerziehende Lauren Faber (Sofia Helin, „Die Brücke“) verführen und wichtige Informationen über ihre Arbeit entlocken. Sie arbeitet als Analystin in der britisch-amerikanischen Abhörstation auf dem Teufelsberg.
Als sie in der Mitte der zweiten von drei Episoden einen tödlichen Schlaganfall hat, wird Webers Zielobjekt geändert. Jetzt soll er die ebenfalls auf dem Teufelsberg arbeitende US-Amerikanerin Sabine Cutter (Friederike Becht) verführen. Aber er und seine Auftraggeber ahnen nicht, wer Sabine Cutter ist.
Wir als Zuschauer haben dagegen schon ziemlich früh eine ziemlich genau Vorstellung davon und den entstehenden Konflikten, wenn Weber, Cutter und alle anderen das entdecken.
„Der gleiche Himmel“ ist eine Mischung aus Event-Produktion und Miniserie, je nach Rechnung als Dreiteiler (3 x 90 Minuten, im TV und auf DVD) oder als Sechsteiler (6 x 45 Minuten auf dem internationalen Markt und bei Netflix), deren Geschichte nach viereinhalb Stunden mitten in der Geschichte abbricht. Als habe man bei einem Agatha-Christie-Krimi nach dem Auffinden der Leiche oder eine Seite vor der Versammlung der Verdächtigen in einem Zimmer aufgehört; – oder, nein, weil „Der gleiche Himmel“ seine Geschichte sehr offen erzählt, wie ein James-Bond-Film, der nach der ersten Begegnung von James Bond mit dem Bösewicht einfach aufhört mit dem Kommentar: „Ach, eigentlich könnt ihr euch den Rest denken.“
Dieses offene Ende ist eine bodenlose Frechheit.
Der Weg bis zum Ende ist dabei gar nicht so schlecht. Oliver Hirschbiegel erzählt betulich eine Agentengeschichte mit viel Zeitkolorit und, immerhin muss die Geschichte auf 270 Minuten gestreckt werden und es werden nur die Fundamente für kommende Konflikte gelegt, vielen, vielen Nebengeschichten, die mit dem Auftrag von Lars Weber nichts zu tun haben und dessen Geschichte immer wieder in den Hintergrund verdrängen. Dafür ist Webers ganze Ostfamilie in verschiedene Geschichten verwickelt, die ein Best-of-DDR sind: es geht um Homosexualität, um den Bau eines Fluchttunnels (am Ende gibt es die Idee für eine andere Möglichkeit der Republikflucht), um eine potentielle Teilnehmerin an der Schwimmolympiade und damit verbundenes Doping, um Spitzelgeschichten, Verhöre im Stasi-Knast Hohenschönhausen und regimekonformen Schulunterricht. Alles das ist nicht uninteressant, aber für den Hauptplot überflüssig. Auch weil bis zum Ende der ersten Staffel (das ist die nicht offen ausgesprochene Idee der Macher) kein sich konflikthaft befruchtendes Verhältnis zwischen den Geschichten vorhanden ist.
Die Schauspieler holen oft Facetten aus den Rollen heraus, die die reinen Dialoge so nicht hergeben. Das gilt, zum Beispiel, für Ben Becker als Führungsoffizier von Lars Weber, der leicht zu einem kettenrauchendem Hardboiled-Proll-Klischeedetektiv hätte werden können. Er bringt auch etwas Humor in den gleichen Himmel. Oder für Jörg Schüttauf, der sein Leben lang für den Sozialismus kämpfte und dafür sein Umfeld ausspäht und ausspähen lässt. Oder für Anja Kling als vom Ehrgeiz zerfressene Mutter einer potentiellen Olympia-Teilnehmerin, die alles tun würde, damit ihre Tochter ihren Traum erfüllt – und sie die größere Wohnung bekommt.
Das wird durchgehend grundsolide präsentiert, aber mit einem Ende, das als Ende einer Miniserie in keinster Weise akzeptabel ist. Dass in der ZDF-Fassung am Ende in Schrifteinblendungen, die in der DVD-Fassung fehlen, die Geschichte weitererzählt wird, macht es nur noch schlimmer.
Das ZDF zeigt den zweiten Teil am Mittwoch, den 29. März, um 20.15 Uhr (Nachtwiederholung um 01.30 Uhr) und den dritten Teil am Donnerstag, den 30. März, ebenfalls um 20.15 Uhr (Nachtwiederholung am Samstag, den 1. April, um 02.15 Uhr [Taggenau!]) .
Polyband veröffentlicht die DVD am Freitag, den 31. März. Als Bonusmaterial gibt es ein „Making of“ (9:11 Minuten), das Featurette „Die Musik zu ‚Der gleiche Himmel’“ (4:47 Minuten), „Interviews mit den Darstellern Tom Schilling, Friederike Becht und Sofia Helin“ (7:26 Minuten) und ein „Interview mit Autorin Paula Milne“ (9:52 Minuten). Sie sind fast auch online, z. B. auf der ZDF-Homepage, verfügbar und eher oberflächlich in dem erwartbaren Promo-Rahmen. Wobei das Interview mit Paula Milne etwas aus dem Rahmen fällt, weil Drehbuchautorinnen normalerweise nicht befragt werden. Mit Oliver Hirschbiegel wurde dagegen, obwohl er im „Making of“ und dem Musik-Featurette dabei ist, anscheinend kein längeres Interview geführt.
mit Tom Schilling, Friederike Becht, Sofia Helin, Ben Becker, Claudia Michelsen, Anja Kling, Stephanie Amarell, Muriel Wimmer, Jörg Schüttauf, Godehard Giese, Jascha Rust, Hannes Wegener, Steffi Kühnert, Daniel Zillmann
Bonusmaterial: Making of, Die Musik zu „Der gleiche Himmel“, Interviews mit den Darstellern Tom Schilling, Friederike Becht und Sofia Helin, Interview mit Autorin Paula Milne
Tod den Hippies – Es lebe der Punk! (Deutschland 2015)
Regie: Oskar Roehler
Drehbuch: Oskar Roehler
Robert kommt in den frühen achtziger Jahren aus der Provinz nach Westberlin und lernt das punkige Nachtleben kennen.
Autobiographisch gefärbte Nummernrevue, die vor allem kurzweilig, mehr oder weniger gelungene Anekdoten und Stimmungsbilder aneinanderreiht und all die bekannten Berlin- und Subkulturklischees bestätigt.
mit Tom Schilling, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Emilia Schüle, Frederick Lau, Hannelore Hoger, Samuel Finzi, Alexander Scheer, Rolf Zacher, Götz Otto, Oliver Korittke, Julian Weigend
alternative Schreibweise „ Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“