DVD-Kritik: Über Idris Elbas Victor-Headley-Verfilmung „Yardie“

Juni 24, 2019

Als Victor Headleys Debütroman „YaRDiE“ 1992 in England in dem Kleinstverlag X Press erschien, war es ein Überraschungserfolg, der nicht über die normalen Wege, also Buchhandlungen, verkauft wurde. Headley erzählt auf den ersten Blick die schon tausendmal erzählte Geschichte des Aufstiegs eines skrupellosen Verbrechers. Auf den zweiten Blick, und das machte seinen Debütroman so ungewöhnlich, erzählt er die Geschichte eines jungen Jamaikaners, der aus Jamaika nach London kommt, sich dort seinen Platz erobert, mit viel Lokalkolorit, vielen Informationen über die Drogenkriminalität in London und die jamaikanische Kultur, vor allem natürlich die Reggae-Musik. Damit porträtiert „YaRDiE“ auch und vor allem einen Teil der in London lebenden jamaikanischen Community, die sich in dem Roman auch selbst erkennt. Sie machte das Buch in England zu einem Bestseller. Und, was sicher zum Erfolg beitrug, Headley erzählt D.s Geschichte nicht im normalen Schriftenglisch, sondern im Jamaican English.

Für einen Übersetzer ist das Übersetzen eines lautmalerischen Dialekts eine Horrorvorstellung, die Jürgen Bürger für die deutschen Ausgaben gut löste. Victor Headleys Trilogie „YaRDiE“, „Exce$$ – The Sequel to YaRDiE“ und „Yush! – The final Score“ erschien bei Rowohlt in der inzwischen eingestellten rororo-thriller-Reihe.

Trotzdem liest man die Romane besser im Original und lässt sich einfach von der lautmalerischen Sprache, dem Patois, mitreißen.

Nach der Trilogie veröffentlichte Headley fünf weitere Romane, von denen „The Best Man“ (1999) manchmal zu den YaRDiE-Büchern gezählt wird. 2002 legte er eine jahrelange Veröffentlichungspause einlegte, die er erst letztes Jahr mit „Domino“ beendete.

Eine Verfilmung von „YaRDiE“ war jahrelang, eigentlich jahrzehntelang, im Gespräch. Idris Elba, ein 1972 in Hackney, London, geborenes Einwandererkind (sein Vater kommt aus Sierra Leone, seine Mutter aus Ghana), verdiente in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren auch als DJ Geld. Später konzentrierte er sich auf seine Schauspielerkarriere.

Mit seinem biographischen Hintergrund, der ihm damals einen Einblick in die Szene verschaffte, in der die „YaRDiE“-Bücher spielen, und dem Willen, diese Zeit in seinem Regiedebüt wieder aufleben zu lassen, war er auf den ersten Blick eine gute Wahl für die Regie. Und „Yardie“ überzeugt als Gangsterfilm, der – jedenfalls nach meiner Erinnerung an das Buch – den Protagonisten in einem milderen Licht erscheinen lässt.

In Headleys Roman kommt D. als Drogenkurier aus Jamaika nach London. Er soll ein Kilo erstklassiges Kokain abliefern. Aber er will es als Grundstein für sein Gangsterimperium benutzen.

Die Verfilmung beginnt 1973 auf Jamaika. In Kingston bekämpfen die Verbrecherbanden sich blutig. Als bei einem Schusswechsel ein Kind stirbt, will D.s älterer Bruder mit einem Versöhnungskonzert Frieden stiften. Während des als Versöhnung geplanten Höhepunkt des Abends wird er auf offener Bühne von einem Jungen erschossen.

Zehn Jahre später will D. immer noch den Tod seines Bruders rächen. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Drogenverkäufer für King Fox. Eines Tages schickt King Fox ihn nach London. Er soll Rico Drogen bringen.

In London hält D. Rico auf den ersten Blick für unzuverlässig. Gleichzeitig trifft er Yvonne wieder, die eine vierjährige Tochter von ihm hat, und er trifft auf einige Jugendliche, die D.s Drogenpäckchen wollen. D. beschließt, mit ihnen nach einem Abnehmer für den Stoff zu suchen und er hilft ihnen mit ihrem Sound System. Denn letztendlich ist D. in seinem Herzen kein böser Gangster, sondern ein DJ

Und er trifft wieder auf den Mörder seines Bruders.

Für die Verfilmung mixen die Drehbuchautoren Brock Norman Brock („Bronson“) und Martin Stellman („Quadrophenia“) und Regisseur Idris Elba eine traditionelle Gangstergeschichte mit einem Musikfilm, einer Familiengeschichte und einem Rachedrama.

Das Ergebnis ist ein angenehm quer zu den Genreerwartungen liegender Gangsterfilm, dem es so auch gelingt, das Leben und die Zerrissenheit von D. zu reflektieren.

Mit deutlich über fünfzig Minuten fällt das Bonusmaterial quantitativ erfreulich umfangreich aus. Qualitativ handelt es sich vor allem um Werbeinterviews. Selbstverständlich gibt es in ihnen auch einige Informationen zur Vorlage, dem realen Hintergrund und den Dreharbeiten. Aber insgesamt sind es Werbefloskeln bar jeglicher Distanz und mit überschaubarem Informationswert.

Yardie (Yardie, Großbritannien 2018)

Regie: Idris Elba

Drehbuch: Brock Norman Brock, Martin Stellman

LV: Victor Headley: YaRDiE, 1992 (Yardie)

mit Aml Ameen, Shantol Jackson, Sheldon Shepherd, Stephen Graham, Fraser James, Everaldo Creary, Akin Gazi, Mark Rhino Smith, Naomi Ackie, Antwayne Eccleston

 

DVD

Studiocanal

Bild: 2,40:1 (anamorph)

Ton: Deutsch (5.1 DD), Englisch (Stereo DD, 5.1 DD)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Idris Elbas Regiedebüt (Featurette), Rites of Passage – D’s Reise (Featurette), Idris Elba im Gespräch mit Blaker, Idris Elba im Gespräch mit Aml Ameen, Interview mit Idris Elba, Interview mit Aml Ameen, Interview mit Shantol Jackson, Geschnittene Szenen, Trailer

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Blu-ray identisch

Hinweise

Moviepilot über „Yardie“

Metacritic über „Yardie“

Rotten Tomatoes über „Yardie“

Wikipedia über „Yardie“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Yardie“

Homepage von Victor Headley