Auf dem Festland tobt der irische Bürgerkrieg. Auf der vor Irland liegenden Insel Inisherin tobt im März/April 1923 ein ganz anderer Krieg. Denn aus heiterem Himmel will Colm Doherty (Brendan Gleeson) sich nicht mehr mit Padraic Súilleabháin (Colin Farrell) unterhalten. Dabei sind sie seit Ewigkeiten Freunde. Jeden Tag trinken sie im örtlichen Pub Bier und reden miteinander. Aber jetzt bricht Colm, ohne irgendeine Erklärung, den Kontakt zu Padraic ab. Padraic will das nicht akzeptieren. Er will wissen, warum.
Im normalen Leben könnte diese Situation mit einem Gespräch, etwas Einsicht und gutem Willen einvernehmlich beendet werden. Aber Martin McDonagh lässt in seinem neuen Film „The Banshees of Inisherin“ den Konflikt zwischen Colm und Padraic schonungslos eskalieren. Denn je mehr Padraic wissen möchte, warum sein bester Freund nicht mehr mit ihm reden will, umso rigoroser verweigert Colm eine Antwort. Er droht sogar, sich einen Finger abzuschneiden, wenn Padraic ihn wieder anspricht. Als dieser es dennoch tut, schneidet Colm sich seinen ersten Finger ab.
Dieser Kampf zwischen den beiden ehemaligen Freunden wird beobachtet von den weitgehend stumm bleibenden Inselbewohnern. Ernsthaft versucht nur Colms Schwester zu vermitteln. Der Dorfpfarrer und der Dorfpolizist, der seinen Sohn missbraucht und schlägt, schauen zu. Und eine alte Frau mit seherischen Fähigkeiten macht rätselhafte Andeutungen über die Zukunft. So prophezeit sie kurz vor dem Filmende zwei Tote.
Wie schon in seiner vorherigen, etwas besseren Schwarzen Komödie „Three Billboards outside Ebbing, Missouri“ brauchen die Dorfbewohner keine Auswärtigen, um sich das Leben zur Hölle zu machen. Aber während Mildred Hayes einen guten Grund für das Aufstellen der titelgebenden Billboards, in denen sie die lokale Polizei auffordert, den Vergewaltiger und Mörder ihrer Tochter zu suchen, hat Colm keinen ähnlich nachvollziehbaren Grund für sein Verhalten.
Weil McDonagh die Geschichte nicht irgendwann in der Vergangenheit, sondern vor hundert Jahren, ist die Geschichte von Colm und Padraic auch ein Kommentar zum irischen Bürgerkrieg und dem Nordirlandkonflikt. Es geht ihm dabei nicht um Schuldzuweisungen oder Erklärungen eines in seiner Radikalität und Dauer nicht wirklich zu erklärenden Konflikts. Ihm geht es darum, eine Dynamik zu erklären und damit auch zu erklären, warum dieser Konflikt über Jahrzehnte andauerte und, dank des Brexits, jederzeit wieder ausbrechen kann.
McDonaghs bitterböse, schwarzhumorige Parabel wird von den Kritikern geliebt. Sie ist im Moment für zahlreiche Preise nominiert und hat schon etliche gewonnen. Zu Recht.
The Banshees of Inisherin (The Banshees of Inisherin, USA 2022)
Regie: Martin McDonagh
Drehbuch: Martin McDonagh
mit Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, Barry Keoghan, Gary Lydon
Saving Mr. Banks (Saving Mr. Banks, USA/Großbritannien/Australien 2013)
Regie: John Lee Hancock
Drehbuch: Kelly Marcel, Sue Smith
Walt Disney will das Kinderbuch „Mary Poppins“ verfilmen. Dafür braucht er nur das Einverständnis der Autorin P. L. Travers. Die Engländerin hasst ungefähr alles abgrundtief, was Walt Disney verkörpert und mit ihrem Buch machen will.
Das sehr, sehr gelungene und sehr kurzweilige Making of zu dem Klassiker „Mary Poppins“. Das Musical läuft davor um 20.15 Uhr.
mit Emma Thompson, Tom Hanks, Colin Farrell, Paul Giamatti, Jason Schwartzman, Bradley Whitford, Ruth Wilson, B. J. Novak, Rachel Griffiths, Kathy Baker
Als Stuart Shepard das Telefon in der Telefonzelle abnimmt, wird sein Tag zum Alptraum. Denn es meldet sich ein Erpresser, der sagt, er werde ihn erschießen, wenn er die Telefonzelle verlässt.
Spannender Thriller, dessen erste Idee („ein Film, der in einer Telefonzelle spielt“) Larry Cohen („Die Wiege des Bösen“ [It’s alive], Maniac Cop“, „Final Call“) bereits in den Sechzigern Alfred Hitchcock erzählte. Aber sie wussten nicht, wie sie den Protagonisten in der Telefonzelle festhalten sollten. Michael Bay, dem die Idee auch einmal erzählt wurde, wollte nur wissen, wie man den Protagonisten aus der Telefonzelle bringt. Joel Schumacher („Falling Down“, „Batman forever“) ließ den Protagonisten in der Telefonzelle und inszenierte einen straffen kleinen, herrlich gemeinen Thriller.
mit Colin Farrell, Forest Whitaker, Katie Holmes, Radha Mitchell, Kiefer Sutherland (Stimme des Erpressers im Original)
Drehbuch: Gillian Flynn, Steve McQueen (basierend auf der gleichnamigen TV-Serie von Lynda La Plante)
Was ihre Männer könne, können Veronica, Linda und Alice auch. Vor allem weil sie tot sind und ihre Witwen Geldprobleme haben. Also ruft Veronica die anderen Witwen zusammen und sie beschließen, den nächsten Einbruch, den ihre Männer geplant hatten, durchzuführen. Mit weiblicher Finesse.
Schnörkellose, top besetzte Genre-Kost von Steve McQueen, der vorher „Hunger“, „Shame“ und „12 Years a Slave“ inszenierte. „Widows – Tödliche Witwen“ ist sein „Inside Man“.
mit Viola Davis, Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki, Cynthia Erivo, Colin Farrell, Daniel Kaluuya, Jackie Weaver, Robert Duvall, Liam Neeson, Brian Tyree Henry, Garrett Dillahunt, Carrie Coon, Jon Bernthal, Manuel Garcia-Rulfo, Lukas Haas
Die Polizisten Crockett und Tubbs jagen einen mächtigen Drogenhändler.
Optisch überzeugendes, inhaltlich schwaches Remake der erfolgreichen von Michael Mann und Anthony Yerkovich erfundenen bahnbrechenden TV-Serie. Denn in dem Spielfilm zeigt Mann nichts, was er nicht schon besser in der Serie gezeigt hat. Der Film ist nur ein optisch (also Mode, Musik und Technik) auf den aktuellen Stand gebrachtes Best-of der ersten Staffel von „Miami Vice“.
Mit Colin Farrell, Jamie Foxx, Gong Li, Naomie Harris, Ciarán Hinds, Justin Theroux
Sind wirklich schon zehn Jahre seit dem letzten „Batman“-Spielfilm „The Dark Knight rises“ vergangen? Das war der Abschluss der von Christopher Nolan mit Christian Bale als Batman inszenierten, hochgelobten und kommerziell erfolgreichen „The Dark Knight“-Trilogie. Danach gab es einige Versuche, Ben Affleck im ziemlich vermurksten DC Extended Universe als neuen Batman zu etablieren. Irgendwann verlor Affleck aus verschiedenen, auch persönlichen Gründen die Lust.
Jetzt spielt Robert Pattinson einen jüngeren Bruce Wayne. Der millionenschwere Firmenerbe – seine Eltern wurden vor zwanzig Jahren ermordert – lebt zurückgezogen. Er interessiert sich nicht für die Leitung der Firma und auch nicht für das gesellschaftliche und politische Leben von Gotham City. Jedenfalls ist das sein Image.
In Wirklichkeit verkloppt der Dreißigjähre seit zwei Jahren jede Nacht in Gotham City als Batman Bösewichter. Immer wieder wird er mit dem Bat-Signal (einer in den Himmel projezierten Fledermaus) von der Polizei um Hilfe gebeten. Gleichzeitig wird er als Vigilant angefeindet. Vor allem Streifenpolizisten des Gotham City Police Department reagieren mit unverhohlener Abneigung auf den maskierten Mann, der das Gesetz in die eigenen Hände nimmt.
Trotzdem bittet Lieutenant James Gordon (Jeffrey Wright), sein Freund bei der Polizei, ihn immer wieder um Hilfe. Zum Beispiel bei seinem neuesten Fall. Mitten im Wahlkampf wurde der Bürgermeister von dem Riddler ermordet. Der Mörder hat am Tatort eine Karte mit einem Rätsel hinterlassen. In ihm kündigt er weitere Taten an.
Batman will das verhindern. Dafür muss er die Rätsel des Riddlers entschlüsseln bevor er seinen nächsten Mord begeht und ihn finden. Bei seinen Ermittlungen trifft Batman auf viele aus den Batman-Comics (und auch früheren Batman-Filmen) bekannte Figuren, die hier von Matt Reeves im Rahmen ihrer bekannten Eigenschaften neu interpretiert werden. Es sind ‚Catwoman‘ Selina Kyle (Zoë Kravitz), der ‚Pinguin‘ Oswald Cobblepot (Colin Farrell, der unter der Maske nicht zu erkennen ist), der Gangsterboss Carmine Falcone (John Turturro) (ein ziemlich unbekannter Batman-Gegner, dessen Schnauzer und Brille das ungewöhnlichste an ihm sind) und ‚Riddler‘ Edward Nashton (Paul Dano), der während des gesamten Films unerkannt im Hintergrund agiert.
Diesen 08/15-Rätselplot erzählen Reeves und sein Co-Drehbuchautor Peter Craig dann wie eine vierteilige TV-Miniserie, in der jede Woche ein neuer Gegner, der in der nächsten Woche nicht wieder auftaucht, im Mittelpunkt steht. Auch andere wichtige Figuren verschwinden plötzlich aus der Filmgeschichte und tauchen noch nicht einmal im elend langen Epilog auf.
Ein großes Problem des Films ist die Laufzeit von drei Stunden. Damit ist „The Batman“ der mit Abstand längste Batman-Film und nur fünf Minuten kürzer als „Avengers: Endgame“, die längste Comicverfilmung, die kurzweilig viele Figuren und lose Fäden in einem epischen Finale zusammenführte. In „The Batman“ ist das anders. Um auf diese epische Länge zu kommen, erzählt Reeves unglaublich langsam. So dauert es eine gute halbe Stunde, bis wir zum ersten Mal das Gesicht von Bruce Wayne sehen. Davor lungert er in voller Montur am Tatort herum und hilft der Polizei beim Entschlüsseln der Spuren. Sherlock Holmes hätte das in einer halben Minute erledigt. In einer handelsüblichen TV-Serie hätte es höchstens drei Minuten gedauert. Mit einem strafferem und durchdachterem Drehbuch und einem schnellerem Erzähltempo hätte Reeves die Geschichte locker in der halben Zeit erzählen können.
Ein weiteres Problem ist die Zeichnung der Figur des dunklen Ritters, der gleichzeitig vor sich hin grübelt, kopflose Schlägereien mit Jugendgangs provoziert, der ein Selbstjustiz verübender Vigilant sein soll und, wenn er nicht gerade einen seiner seltenen Wutanfälle hat (bevorzugt bei Straßengangstern), peinlich darauf achtet, die Bösewichter nicht zu töten. Er verletzt sie, er fesselt sie und übergibt sie der Polizei. Das verleiht dem Finale, wenn er gegen eine Armee bewaffneter Bösewichter kämpft, dann eine fast schon humoreske Note.
Und damit kämen wir auch zu dem Konflikt des Films, der im Film angesprochen, aber niemals konsequent ausformuliert wird. Der Riddler bringt in seiner Mordserie Verbrecher um. Es sind korrupte Politiker und Polizisten, die sich Gotham City zur Beute gemacht haben. Letztendlich tut der Riddler genau das, was Batman sich nicht traut. Er nimmt das Gesetz in die eigenen Hände und er tötet die Verbrecher, weil in Gotham Polizei und Justiz korrupt sind. Inwiefern dieses Handeln gerechtfertigt ist, wird in zahlreichen Batman-Comics konsequenter durchbuchstabiert. Dann verschwimmt und verschwindet der Unterschied zwischen Batman und den von ihm bekämpften Verbrechern. Am Ende unterscheidet nur noch das Motiv sie.
In „The Batman“ ist das kein Thema. Da ist Batman ein Detektiv, der mit seinem Intellekt und seinen Fäusten ermittelt. Dass er gleichzeitig ein Milliardär und Nachfahre der Familie Wayne ist, die zu den Gründern der Stadt gehört und die auch ihre Leichen im Keller hat, ist für „The Batman“ nur soweit wichtig, dass der Riddler ihn als letzten Wayne umbringen will.
Auf den ersten Blick sieht „The Batman“ in seiner „Blade Runner“-Noir-Optik gut aus. Auf die Dauer stören allerdings die konsequent dunklen Bilder, die den Film zu einer Ode in Schwarz verkommen lassen, in der kein Spritzer Blut zu sehen ist. Eine nächtliche Autoverfolgungsjagd ist deshalb kaum nachvollziehbar. Die anderen Kampfszenen, die vor allem Faustkämpfe sind, sind deshalb oft aus größerer Entfernung, vor einem helleren Hintergrund und in wenigen Schnitten inszeniert. Aber es bleibt, mit viel Regen und Taschenlampen (auch in Innenräumen), ein ermüdend dunkles Schwarz in Schwarz.
„The Batman“ ist ein viel zu lang geratener Thriller, der eindeutig von einer kürzeren Laufzeit (so in Richtung deutlich unter zwei Stunden) und einem damit verbundenem strafferem, sorgfältiger durchkomponiertem Drehbuch profitiert hätte.
Dann wäre ich sicher von diesem Batman-Film begeisterter von diesem Batman, der die bekannte Figur für das Kino neu interpretiert und seinen Stil konsequent durchhält.
The Batman(The Batman, USA 2022)
Regie: Matt Reeves
Drehbuch: Matt Reeves, Peter Craig
LV: Bill Finger, Bob Kane (Erfinder der DC-Figur Batman)
mit Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Paul Dano, Jeffrey Wright, Andy Serkis, Colin Farrell, John Turturro, Peter Sarsgaard, Jayme Lawson, Rupert Penry-Jones, Barry Keoghan, Jayme Lawson, Alex Ferns
LV: Helen Aberson, Harold Pearl: Dumbo the Flying Elephant, 1939 (Roll-a-Book, von dem wahrscheinlich nur ein Prototyp hergestellt wurde)
TV-Premiere von Tim Burtons Realverfilmung des Disney-Klassikers über einen fliegenden Elefanten.
Ein seltsamer Film: ein Tim-Burton-Film ohne Tim-Burton-Feeling, ein Kinderfilm für Erwachsene und ein Realfilm, der vor allem am Computer entstanden ist.
mit Colin Farrell, Michael Keaton, Danny DeVito, Eva Green, Alan Arkin, Nico Parker, Finley Hobbins, Roshan Seth, Deobia Oparei, Joseph Gatt, Sharon Rooney, Lars Eidinger
mit Colin Farrell, Keira Knightley, David Thewlis, Anna Friel, Ben Chaplin, Ray Winstone, Eddie Marsan, Sanjeev Bhaskar, Stephen Graham, Ophelia Lovibon
Drehbuch: Sofia Coppola (nach dem Roman von Thomas Cullinan und dem Drehbuch von Albert Maltz und Grimes Grice)
LV: Thomas Cullinan: A Painted Devil. 1966 (später „The Beguiled“)
Der schwer verletztem Nordstaaten-Offizier John McBurney wird während des Bürgerkriegs im Feindesland von Miss Martha Farnsworth aufgenommen und gepflegt. Sie leitet ein einsam gelegenes Mädcheninternat. Die Mädchen schwarwenzeln um ihn herum. Und er beginnt sie und ihre erwachenden sexuellen Gefühle auszunutzen.
TV-Premiere. Sehenswertes Southern-Gothic-Historiendrama, das auf einem Roman basiert, die bereits 1971 von Don Siegel mit Clint Eastwood als McBurney verfilmt wurde.
Coppolas Version lässt die Mädchen ungehemmt für den schicken Soldaten schwärmen und ist wirklch exquisit gefilmt.
mit Colin Farrell, Nicole Kidman, Kirsten Dunst, Elle Fanning, Oona Laurence, Angourie Rice, Addison Riecke, Emma Howard
Drehbuch: Gillian Flynn, Steve McQueen (basierend auf der gleichnamigen TV-Serie von Lynda La Plante)
Was ihre Männer könne, können Veronica, Linda und Alice auch. Vor allem weil sie tot sind und ihre Witwen Geldprobleme haben. Also ruft Veronica die anderen Witwen zusammen und sie beschließen, den nächsten Einbruch, den ihre Männer geplant hatten, durchzuführen. Mit weiblicher Finesse.
TV-Premiere. Schnörkellose, top besetzte Genre-Kost von Steve McQueen, der vorher „Hunger“, „Shame“ und „12 Years a Slave“ inszenierte. „Widows – Tödliche Witwen“ ist sein „Inside Man“.
mit Viola Davis, Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki, Cynthia Erivo, Colin Farrell, Daniel Kaluuya, Jackie Weaver, Robert Duvall, Liam Neeson, Brian Tyree Henry, Garrett Dillahunt, Carrie Coon, Jon Bernthal, Manuel Garcia-Rulfo, Lukas Haas
LV: Philip K. Dick: The Minority Report, 1956 (erstmals erschienen in Fantastic Universe, Januar 1956, Der Minderheiten-Bericht, Kurzgeschichte)
Schöne neue Welt: 2054 werden in Washington, D. C., Verbrecher bereits vor der Tat, aufgrund der Prognose von Precogs, verhaftet. Ein perfektes System, bis die Precogs sagen, dass der Polizist John Anderton bald einen Mann, den er überhaupt nicht kennt, umbringen wird. Anderton glaubt nicht an die Prognose. Er flüchtet und versucht herauszufinden, warum er zum Mörder werden soll.
Guter, etwas zu lang geratener Science-Fiction-Thriller, der für den Bram-Stoker-, Nebula- und Hugo-Preis nominiert war und den Saturn-Preis erhielt.
mit Tom Cruise, Colin Farrell, Samantha Morton, Max von Sydow, Lois Smith, Peter Stormare, Frank Grillo
Ein Film mit Jessica Chastain, Colin Farrell, John Malkovich, Common, Geena Davis und Joan Chen, inszeniert von Tate Taylor, der bei uns direkt auf DVD erscheint. Das wäre zu normalen Zeiten ein deutliches Warnsignal. Aber im Moment sieht das anders aus. Viele Filme, die eigentlich jetzt im Kino laufen sollten, werden auf ein späteres Datum verschoben oder gleich auf DVD und bei den Streamingdiensten veröffentlicht. Das prominenteste Beispiel für diese Politik ist Disneys „Mulan“. Insofern sagt eine Direct-to-DVD-Veröffentlichung im Moment noch weniger als sonst über die Qualität eines Films aus.
Die Story von „Code Ava – Trained to kill“ liest sich wie ein weiterer Frauen-übernehmen-Männerrollen-in-Actionfilmen-Plot: Ava (Jessica Chastain) ist eine eiskalte Profikillerin, die für eine anonym bleibende Organisation, die nur Management genannt wird, Menschen tötet. Sie ist selbstverständlich die beste Killerin der Firma. Allerdings ist sie auch eine trockene Alkoholikerin und sie hat die Marotte, ihre Opfer zu fragen, warum sie sie töten soll. Bevor sie sie tötet. Ihr aktueller Job verläuft aufgrund fehlerhafter Informationen anders als geplant. Anstatt einem als Unfall getarntem Mord, veranstaltet sie notgedrungen ein wahres Schlachtfest an ihrem Opfer und einer halben Hundertschaft flugs herbeigeeilter Soldaten. Danach soll sie eine Auszeit nehmen. Diese will sie in ihrem Geburtsort Boston machen. Dort war sie seit acht Jahren nicht mehr. Ihre Schwester und ihre Mutter leben immer noch in Boston.
In der Stadt ist sie schnell in alte Familien- und Beziehungsprobleme verwickelt. Sie trifft alte Bekannte aus der Halbwelt, was Ärger bedeutet. Das Management, vertreten durch ihren Chef Simon (Colin Farrell), will sie aus bestenfalls halbherzig erklärten Gründen umbringen.
Das klingt nach einer Actionthrillerstory vom Reißbrett. Aber nach Filmen wie „Nikita“, bzw. dem US-Remake „Codename: Nina“ und einer TV-Serie, die uns hier nicht weiter interessieren muss, Luc Bessons überflüssigem de facto „Nikita“-Remake „Anna“ , „Lucy“ (ebenfalls von Besson, aber etwas eigenständiger als „Anna“) und „Atomic Blonde“ kann das Endergebnis ein verdammt guter Film sein.
In diesem Fall sendet der Verleih mit der Werbung für den Thriller schon ein deutliches Signal zur Qualität des Films. Er nennt von Regisseur Tate Taylor prominent nur seinen Thriller „Girl on the Train“. Der ist ein ziemlich banaler ‚Frauenkrimi‘, bei dem Genrefans das Ende von Buch (ein Bestseller) und Film schon nach dem Lesen der Kurzsynopse kennen. Taylors andere Filme – „The Help“, „Get on Up“ und „Ma“ – spielen in einer ganz anderen Liga. Einer Liga, an die „Code Ava“ noch nicht einmal im Ansatz heranreicht.
Denn „Code Ava“ ist ein vermurkster Actionthrillers, der bestenfalls wie ein Torso wirkt, dem irgendwo zwischen der ersten Idee und dem finalen Schnitt die Geschichte abhanden gekommen ist. Jetzt ist es eine missglückte Mischung aus Actionthriller von der Stange (die Organisation will ihren besten Mann umbringen, der wehrt sich) und Familiendrama von der Stange mit aufgesetztem Noir-Touch (das verlorene Schaf kehrt nach Jahren wieder zurück in seine alte Heimat und alte Wunden brechen auf). Die Story wird zunehmend abstrus. Die Dialoge wären sogar in einer TV-Serie bestenfalls funktional. Die Schauspieler sind konsequent unterfordert in diesem B-Picture.
„Code Ava“ ist einer der wenigen Fehlschläge in Jessica Chastains Filmographie.
Code Ava – Trained to kill (Ava, USA 2020)
Regie: Tate Taylor
Drehbuch: Matthew Newton
mit Jessica Chastain, John Malkovich, Colin Farrell, Common, Geena Davis, Jess Weixler, Ioan Gruffudd, Diana Silvers, Joan Chen, Efka Kvaraciejus, Christopher J. Domig
45 Tage hat David Zeit, um in einem Paarungshotel seine künftige Frau zu finden. Wenn nicht, wird er in einen Hummer verwandelt. Als er kein Glück hat, flieht er und trifft im Wald auf eine Gruppe radikaler Einzelgänger, die mindestens genauso streng-absurde Regeln befolgen.
Köstliche Satire, die in Cannes den Preis der Jury erhielt.
mit Colin Farrell, Rachel Weisz, John C. Reilly, Léa Seydoux, Ben Whishaw, Olivia Colman, Jessica Barden
Es beginnt mit einem nächtlichen Besuch. Fletcher (Hugh Grant) hat sich in die Wohnung von Ray (Charlie Hunnam) eingeschlichen. Er will ihn allerdings nicht umbringen oder zusammenschlagen (was in einem Guy-Ritchie-Film ernstzunehmende Handlungsmöglichkeiten sind), sondern ihm eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, für die er gerne viel Geld von Rays Boss erhalten würde, damit er sie nicht meistbietend weitererzählt. Denn Ray ist die rechte Hand von Michael ‚Mickey‘ Pearson (Matthew McConaughey). Einem Drogenhändler. Deshalb ist Fletchers in Rückblenden erzählte Geschichte eine Gangstergeschichte. Es geht um einen als Verkaufsverhandlungen getarnten Revierkampf zwischen Pearson, einem glücklich verheirateten Exil-Amerikaner, der in London ein riesiges und sehr illegales Marihuana-Imperium aufgebaut hat, und etlichen Gangstern, die jetzt Pearsons Geschäft übernehmen wollen. Selbstverständlich ohne dafür die Summe auszugeben, für die Pearson es verkaufen möchte. Und weil sich alle beteiligten Verbrecher gegenseitig übers Ohr hauen und umbringen (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge) wird die von Fletcher erzählte Geschichte sehr schnell sehr komplex, vulgo verwirrend. Und, das muss auch gesagt werden, der ölige Privatdetektiv Fletcher ist ein höchst unzuverlässiger Erzähler.
Für Guy Ritchie ist „The Gentlemen“ eine Rückkehr zu seinen Anfängen. Zuletzt inszenierte er „Aladdin“ und „King Arthur: Legend of the Sword“. „Aladdin“ ist ein kinderfreundlicher Disney-Film, den Millionen im Kino sahen. „King Arthur“ ein missglücktes Mittelalterdrama, das keiner sehen wollte. In beiden Filmen ist sein bekannter Stil und Humor nur in homöopathischen Spuren vorhanden. Über „The Gentlemen“ kann das nicht gesagt werden. Wie in seinen ersten beiden Filmen „Bube, Dame, König, grAS“ und „Snatch – Schweine und Diamanten“ treffen ein Haufen meist minderbemittelter Gangster und Dummköpfe aufeinander, es gibt coole Sprüche (nicht immer politisch korrekt) und viel sinnlose Gewalt, die schnell immer weiter eskaliert, weil der eine Trottel die Absichten des anderen Trottels vollkommen falsch interpretiert und der dritte Trottel die Situation vollkommen falsch einschätzt.
Ich fand beide Filme grandios. Daher sollte „The Gentlemen“ einer der Filme sein, die mich zwei Stunden durchlachen und danach, alle Bedenken und auch berechtige Kritik lässig ignorierend, euphorisch weiterempfehlen lässt. Etlichen Kollegen ging es auch so. Aber ich fand diese Gangsterfilmkomödie, trotz einiger witziger Momente, todsterbenslangweilig.
Der Grund dafür ist ziemlich einfach: keine der Figuren interessierte mich. Sie sind alle von sich selbst restlos überzeugte Arschlöcher, die sich wie Arschlöcher benehmen. Auch Fletcher ist letztendlich nur ein geldgieriges Arschloch, dem man jede Strafe gönnt. Wie allen anderen Figuren.
In Ritchies Debüt war das anders. Da wurde der Kleingangster Eddy bei einem Pokerspiel übel über den Tisch gezogen und er musste, um lebendig aus der Sache rauszukommen, ganz schnell ganz viel Geld besorgen. Es war eine David-gegen-Goliath-Geschichte.
The Gentlemen (The Gentlemen, Großbritannien/USA 2019)
Regie: Guy Ritchie
Drehbuch: Guy Ritchie
mit Matthew McConaughey, Hugh Grant, Charlie Hunnam, Michelle Dockery, Henry Golding, Jeremy Strong, Eddie Marsan, Colin Farrell
Bevor am 30. Januar Terrence Malicks neuer Film „Ein verborgenes Leben – A hidden life“, der deutlich gelungener als seine vorherigen Filme ist (mehr zum Filmstart in meiner Besprechung), in unseren Kinos anläuft, kann man sich noch einmal seinen letzten, ähem, zugänglichen Film ansehen:
Arte, 20.15
The New World (The New World, USA 2005)
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
„Badlands“, „In der Glut der Sonne“, „Der schmale Grad“ und dann „The New World“. Vier Filme in über dreißig Jahren, Das ist nicht gerade viel. Doch Malicks Filme sind für Cineasten immer ein optischer Festschmaus. Auch in seiner Interpretation der Legende von Pocahontas (wer die Geschichte nicht kennt: USA, 1607: John Smith soll für die Siedler mit den Indianern verhandeln. Diese nehmen ihn gefangen. Die Häuptlingstochter Pocahontas rettet ihn. Er verliebt sich in sie. Und jetzt beginnen die wirklichen Probleme.) sind die Bilder grandios, die Besetzung hochkarätig (obwohl in seinem Kriegsfilm „Der schmale Grad“ die Stardichte höher war), der Erzählduktus hypnotisch und fern der gängigen Hollywood-Konventionen.
Danach inszenierte Malick zwischen 2011 und 2017 wieder vier immer esoterischer und selbstbezogener werdende Spielfilme, in denen er seinen legendären Ruf gründlich ruinierte. Mit seinem neuesten Film „Ein verborgenes Leben – A hidden life“ kehrt er wieder zu einem stärker einer Geschichte verhaftetem Erzählen zurück.
Anschließend, um 22.25 Uhr, zeigt Arte die einstündige Doku „Pocahontas und Captain John Smith“ (Deutschland 2009)
mit Colin Farrell, Q’orianka Kilcher, Christopher Plummer, Christian Bale, August Schellenberg, Wes Studi, David Thewlis, Ben Mendelsohn, John Savage, Ben Chaplin, Eddie Marsan, Jonathan Pryce
45 Tage hat David Zeit, um in einem Paarungshotel seine künftige Frau zu finden. Wenn nicht, wird er in einen Hummer verwandelt. Als er kein Glück hat, flieht er und trifft im Wald auf eine Gruppe radikaler Einzelgänger, die mindestens genauso streng-absurde Regeln befolgen.
Köstliche Satire, die in Cannes den Preis der Jury erhielt.
mit Colin Farrell, Rachel Weisz, John C. Reilly, Léa Seydoux, Ben Whishaw, Olivia Colman, Jessica Barden
LV: Philip K. Dick: The Minority Report, 1956 (erstmals erschienen in Fantastic Universe, Januar 1956, Der Minderheiten-Bericht, Kurzgeschichte)
Schöne neue Welt: 2054 werden in Washington, D. C., Verbrecher bereits vor der Tat, aufgrund der Prognose von Precogs, verhaftet. Ein perfektes System, bis die Precogs sagen, dass der Polizist John Anderton bald einen Mann, den er überhaupt nicht kennt, umbringen wird. Anderton glaubt nicht an die Prognose. Er flüchtet und versucht herauszufinden, warum er zum Mörder werden soll.
Guter, etwas zu lang geratener Science-Fiction-Thriller, der für den Bram-Stoker-, Nebula- und Hugo-Preis nominiert war und den Saturn-Preis erhielt.
mit Tom Cruise, Colin Farrell, Samantha Morton, Max von Sydow, Lois Smith, Peter Stormare, Frank Grillo
Tim Burton drehte immer wieder Kinderfilme, wie „Charlie in der Schokoladenfabrik“ und „Alice im Wunderland“. Finanziell gehören sie zu seinen erfolgreichsten Filmen. Er drehte auch immer wieder Kinderfilme, die nicht für Kinder waren, wie „Frankenweenie“. Für den Spielfilm erweiterte er seinen 1984 für Walt Disney Pictures hergestellten Kurzfilm zu einem Spielfilm. Damals hielt Disney seine Vision für zu gruselig für Kinder. Außerdem passte die SW-Liebeserklärung an alte SW-Horrorfilme nicht zum Image der Firma.
Seitdem veränderte sich einiges. Burton und Disney arbeiteten in den vergangenen Jahren erfolgreich zusammen. Ihr jüngstes gemeinsames Projekt ist der Realfilm „Dumbo“; ein Remake des gleichnamigen Trickfilm-Klassikers von 1941. Und dieser Film kann als Kinderfilm für Senioren beschrieben werden.
Erzählt wird die Geschichte von Dumbo. Der Elefant kommt 1919 in einem Zirkus zur Welt. Max Medici, Inhaber eines um sein Überleben kämpfenden Wanderzirkus, hat Dumbos schwangere Mutter gekauft, weil er sich von dem Elefantenbaby ein Riesengeschäft erhoffte. Mit seinen riesigen Schlappohren ist Dumbo allerdings eine Missgeburt, mit der man kein Geschäft machen kann.
Das ändert sich, als Medici erfährt, dass Dumbo fliegen kann.
„Dumbo“ ist eine weitere Realverfilmung eines Disney-Klassikers. Wobei man Realverfilmung vor allem in diesem Fall nicht allzu eng definieren sollte. Letztendlich sind nur die hochkarätige Besetzung – in Hauptrollen sind Colin Farrel, Danny DeVito, Michael Keaton und Eva Green dabei – und einige Sets real. Die Tiere wurden am Computer animiert. Gedreht wurde ausschließlich im Studio. Entsprechend künstlich sieht der Film aus. Jedes Bild sieht wie gemalt aus.
Schöne Bilder, Künstlichkeit und porentiefe Sauberkeit sind allerdings nicht das Problem von „Dumbo“. Es sind das langsame Erzähltempo und die schleppend entwickelte Geschichte, bei der immer unklar ist, wer das in erster Linie angesprochene Publikum ist und die keine klare Struktur zwischen Haupt- und Nebenplots findet. Stattdessen werden mehrere Geschichten parallel erzählt. Im Mittelpunkt steht dabei die Familie Farrier, die von Zirkusbesitzer Medici (Danny DeVito) angewiesen wird, sich um das Elefantenbaby zu kümmern.
Für einen Kinderfilm konzentriert sich der Film zu sehr auf Holt Farrier (Colin Farrell). Der Kriegsheimkehrer hat ein ganzes Bündel physischer und seelischer Probleme. Im Kampf in Europa verlor der Reitartist seinen linken Arm. Zur gleichen Zeit verstarb seine Frau. Der Witwer muss sich jetzt um ihre beiden Kinder kümmern und, als ob das alles noch nicht genug sei, verlor er seine Zirkusnummer und damit seine berufliche Existenz. Jetzt ist er im Zirkus Medici nur noch als Stallbursche im Elefantenkäfig zu gebrauchen. Immerhin trifft er in der zweiten Filmhälfte, die im Vergnügungspark des erzbösen Kapitalisten V. A. Vandevere (Michael Keaton) spielt, die Luftakrobatin Colette Marchant (Eva Green).
Für einen Erwachsenenfilm konzentriert „Dumbo“ sich sehr auf Holts Kinder Milly und Joe. Millie (Nico Parker) ist Holts naseweise, wissenschaftlich interessierte, superschlaue Tochter. Joe (Finley Hobbins) sein begeisterungsfähiger, aber artistisch hoffnungslos untalentierten Sohn. Beide wären in einem klassischen Kinderfilm die Protagonisten. In Tim Burtons neuem Film verschwinden sie immer wieder für lange Zeiträume aus der Filmgeschichte.
Diese plätschert, ohne den bekannten Tim-Burton-Humor, orientierungslos vor sich hin.
Sogar die im Hintergrund plätschernde Musik ist so austauschbar, dass ich erst im Abspann bemerkte, dass Burtons Hauskomponist Danny Elfmann sie geschrieben hat.
„Dumbo“ ist ein seltsamer Film. Ein Tim-Burton-Film ohne Tim Burton. Ein Kinderfilm, der sich nicht an Kinder richtet. Ein Realfilm, der fast ausschließlich am Computer entstand. Es ist kein wirklich schlechter Film, es ist eher ein belangloser Film, der als Zirkusfilm arm an Attraktionen ist.
Und Dumbo? Der schaut die meiste Zeit traurig in die Welt.
Dumbo (Dumbo, USA 2019)
Regie: Tim Burton
Drehbuch: Ehren Kruger
LV: Helen Aberson, Harold Pearl: Dumbo the Flying Elephant, 1939 (Roll-a-Book, von dem wahrscheinlich nur ein Prototyp hergestellt wurde)
mit Colin Farrell, Michael Keaton, Danny DeVito, Eva Green, Alan Arkin, Nico Parker, Finley Hobbins, Roshan Seth, Deobia Oparei, Joseph Gatt, Sharon Rooney, Lars Eidinger
45 Tage hat David Zeit, um in einem Paarungshotel seine künftige Frau zu finden. Wenn nicht, wird er in einen Hummer verwandelt. Als er kein Glück hat, flieht er und trifft im Wald auf eine Gruppe radikaler Einzelgänger, die mindestens genauso streng-absurde Regeln befolgen.
Köstliche Satire, die in Cannes den Preis der Jury erhielt.
mit Colin Farrell, Rachel Weisz, John C. Reilly, Léa Seydoux, Ben Whishaw, Olivia Colman, Jessica Barden