Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen (Doctor Sleep, USA 2019)
Regie: Mike Flanagan
Drehbuch: Mike Flanagan
LV: Stephen King: Doctor Sleep, 2013 (Doctor Sleep)
TV-Premiere. Was geschah nach den Ereignissen von „Shining“ mit Danny Torrace, dem Jungen, der das Shining hat? 2013 erzählte Stephen King das in „Doctor Sleep“ und 2019 verfilmte Mike Flanagan das Buch und setzte Stanley Kubricks Film fort.
Okaye Stephen-King-Verfilmung, die durchgehend zu nah am Buch und der unfilmischen Struktur des Buches bleibt. Das ist beim Lesen, wegen Stephen Kings Schreibstil, kein Problem. Beim Film vergeht dann viel Zeit, bis die Story endlich beginnt.
mit Ewan McGregor, Rebecca Ferguson, Kyliegh Curran, Cliff Curtis, Zahn McClarnon, Emily Alyn Lind, Selena Anduze, Robert Longstreet, Carl Lumbly, Bruce Greenwood, Jacob Tremblay, Henry Thomas
In Edinburgh leben Renton und seine drogensüchtigen Kumpels in den Tag hinein, randalieren und versuchen ab und zu einen Entzug.
Von der ersten Sekunde an mitreisendes Kino, das gleichzeitig komisch, realistisch und überhöht ist. Inziwschen ist Danny Boyles grandiose Bestsellerverfilmung ein Klassiker des britischen Kinos.
„Wildes und wüstes Kino pur!“ (Fischer Film Almanach 1997)
mit Ewan McGregor, Ewen Bremner, Jonny Lee Miller, Kevin McKidd, Robert Carlyle, Kelly Macdonald, Peter Mullan
In Edinburgh leben Renton und seine drogensüchtigen Kumpels in den Tag hinein, randalieren und versuchen ab und zu einen Entzug.
Von der ersten Sekunde an mitreisendes Kino, das gleichzeitig komisch, realistisch und überhöht ist. Inziwschen ist Danny Boyles grandiose Bestsellerverfilmung ein Klassiker des britischen Kinos.
„Wildes und wüstes Kino pur!“ (Fischer Film Almanach 1997)
mit Ewan McGregor, Ewen Bremner, Jonny Lee Miller, Kevin McKidd, Robert Carlyle, Kelly Macdonald, Peter Mullan
mit Gina Carano, Michael Fassbender, Ewan McGregor, Bill Paxton, Channing Tatum, Antonio Banderas, Michael Douglas, Michael Angarano, Mathieu Kassovitz, Anthony Wong
Big Fish – Der Zauber, der ein Leben zur Legende macht (Big Fish, USA 2003)
Regie: Tim Burton
Drehbuch: John August
Literaturvorlage: Daniel Wallace: Big Fish – A Novel of Mythic Proportions, 1998 (Big Fish)
Vertreter Edward Bloom ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Sein Sohn Will, der hinter den Geschichten nie den wahren Edward Bloom sah, brach deshalb vor Jahren entnervt den Kontakt zu ihm ab. Jetzt sitzt er an Edwards Sterbebett und versucht zum letzten Mal die Beziehung zu seinem Vater zu kitten. Aber dieser erzählt nur wieder einmal die altbekannten Geschichten aus seinem Leben und erfindet einige neue dazu.
Das Buch, eine lockere Sammlung von Episoden, ist bestenfalls solala. Aber der Film, der sich in vielen Teilen von dem Buch entfernt, die Episoden aus dem Buch und zahlreiche neue zu einer Biographie zusammenfügt und dabei das Thema des Buches deutlicher herausarbeitet, ist eine zwischen trister Realität und farbenfreudiger Fantasie wechselnde Liebeserklärung an das Erzählen von Geschichten, die am Ende doch nicht so erfunden sind, wie der Sohn immer annahm.
Mit Ewan McGregor, Albert Finney, Billy Crudup, Jessica Lange, Helena Bonham Carter, Loudon Wainwright III, Steve Buscemi, Danny DeVito, Daniel Wallace (Econ Professor)
Verräter wie wir(Our Kind of Traitor, Großbritannien 2016)
Regie: Susanna White
Drehbuch: Hossein Amini
LV: John le Carré: Our Kind of Traitor, 2010 (Verräter wie wir)
Während eines Urlaubs in Marrakesch lernen der rundum harmlose Oxford-Dozent für Poesie Perry und seine Frau Gail den feierwütigen Dima, der immer von einem Hofstaat begleitet wird, kennen. Dima bittet Perry um einen Gefallen. Er soll dem MI6 einen USB-Stick mit Daten überbringen. Denn Dima, der ein Geldwäscher für die Russenmafia ist, fürchtet um sein Leben und Perry und Gail sollen ihm den Weg in die Sicherheit ebnen.
Der ruhige Thriller ist eine weitere gelungene John-le-Carré-Verfilmung.
mit Ewan McGregor, Stellan Skarsgård, Damian Lewis, Naomie Harris, Jeremy Northam, Khalid Abdallah, Mark Gatiss, Saskia Reeves, Alicia von Rittberg, John le Carré (sein Genehmigungs-Cameo)
Der Originaltitel des neuen Films aus dem DC Extended Universe ist mit „Birds of Prey (And the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn)“ etwas länger als der ähnlich umständliche deutsche Titel „Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn“. An der Kinokasse wird wahrscheinlich immer nach dem „Harley Quinn“-Film gefragt werden und so wurde er in erster Linie beworben.
Die „Birds of Prey“ sind im DC-Comicuniversum eine seit 1996 aus wechselnden Frauen bestehende Superheldentruppe. Sie kämpfen gegen das Böse. Das tun sie auch in diesem Film; – wobei sie im Film erst am Ende als Gruppe zusammen kommen. Nur so können sie lebendig aus einer brenzligen Situation herauskommen. Diese aus der Not geborene Ad-hoc-Kampfgemeinschaft nennt sich noch nicht Birds of Prey. Im Film haben die „Birds of Prey“-Mitglieder ‚Huntress‘ Helena Bertinelli (Mary Elizabeth Winstead), die Tochter eines Mafiapaten, die ihre Familie rächen will, ‚Black Canary‘ Dina Lance (Jurnee Smollett-Bell), eine Sängerin mit Superkräften, die sie nicht anwenden will, ‚Cass‘ Cassandra Cain (Ella Jay Basco), eine Taschendiebin, und Renee Montoya (Rosie Perez), ein gesetzestreuer Hardboiled-Detective des Gotham City Police Department, nur Nebenrollen.
Im Mittelpunkt steht Harley Quinn. Sie ist die ziemliche durchgeknallte Freundin des ebenso durchgeknallten Superverbrechers Der Joker und damit eindeutig ein Bösewicht. Außerdem ist Harley Quinn die Erzählerin des Films. Sie wird, wie schon in „Suicide Squad“, von Margot Robbie gespielt. Damals kam sie beim Publikum gut an. Und weil Warner Bros. Pictures mit seinen Superheldenfilmen inzwischen den Weg des erfolgreichen Marvel Cinematic Universe (MCU) einschlägt, gibt es seit „Wonder Woman“ Einzelfilme, in denen einzelne Superhelden im Mittelpunkt stehen. Bei „Aquaman“ und „Shazam!“ funktionierte das gut. Die meisten Kritiken waren positiv, die Fans begeistert und die Buchhalter zählten erfreut die Einnahmen. Auch bei Todd Phillips‘ „Joker“, der nicht zum DC Extended Universe gehört, stimmte das Einspielergebnis. Inzwischen könnte das düstere Drama den Oscar als bester Film des Jahres erhalten. Warum also nicht sein Glück mit einem durchgeknallten, sexy Bösewicht versuchen?
Die Regie wurde Cathy Yan anvertraut. Nach ihren auf Sundance gelaufenen, in Deutschland nur auf einem Festival gezeigten Spielfilmdebüt „Dead Pigs“ ist „Birds of Prey“ ihr zweiter Spielfilm. Das Drehbuch ist von Christina Hodson. Sie schrieb zuletzt das Buch für den rundum erfreulichen und sehr kindgerechten ‚Transformers‘-Film „Bumblebee“. Rundum erfreulich und kindgerecht ist „Birds of Prey“ nicht. Die Story springt ziemlich konfus zwischen den verschiedenen Figuren, ihren von Quinn erzählten Hintergrundgeschichten, Gegenwart und Vergangenheit hin und her.
Harley Quinn wurde von ihrem Freund, dem Joker, verlassen. Jetzt muss sie in Gotham, das wie das vermüllte New York der siebziger und achtziger Jahre aussieht, allein über die Runden kommen. Gegenüber dem egomanischen Gangsterboss Roman Sionis (Ewan McGregor im Gary-Oldman-Neunziger-Jahre-“Leon, der Profi“-Modus) erklärt sie sich bereit, eine junge Taschendiebin, die ihm zufällig einen wertvollen Edelstein mit besonderen Eigenschaften geklaut hat, zu finden und zu ihm zu bringen. Nachdem Harley Quinn Cass geschnappt hat, bekommt sie allerdings leichte Gewissensbisse. Sie findet Cass beim Abhängen in ihrer Bude ganz sympathisch und wer will nicht eine Freundin haben? Deshalb will sie Cass vor Sionis und seinen Schergen beschützen.
Cathy Yan erzählt diese Geschichte als ein monotones Dauerfeuerwerk, in dem Gewalt und Sexismus (jede Frau, die ihren Bauchnabel zeigt, eignet sich für die nächste Playboy-Fotostrecke), soundtechnisch unterlegt mit einer Mischung aus einfallslosen HipHop-Rhythmen, den größten Hits der vergangenen Jahrzehnte (in seligem Gedenken an Quentin Tarantino und die Guardians of the Galaxy) und knackenden Knochen, in Zeitlupe zelebriert werden. Am liebsten zerbricht Quinn mit einem Baseball-Schläger Knochen. Die anderen Bösewichter stehen ihr nicht nach. Sie zerbrechen ebenfalls munter Knochen, schießen herum und ziehen Menschen mit einem Messer die Haut vom Gesicht. Der Endkampf ist eine riesige Schlägerei, die wie die artistische, todernste, zynisch Gewalt zelebrierende Variante einer Klopperei aus einem Bud-Spencer-Film wirkt. Damit das alles goutierbar bleibt, fließt kein Blut, etwaige Schmerzensschreie gehen im Soundtrack unter und die Folgen von Schlägen mit einem Baseballschläger auf einen Kopf werden nie gezeigt. Gewalt ohne Folgen eben. Erzählt von einer keine zwei Sekunden vorausplanenden Psychopathin, die Menschen verstümmeln für witzig hält.
Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn (Birds of Prey (And the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn, USA 2020)
Regie: Cathy Yan
Drehbuch: Christina Hodson
mit Margot Robbie, Mary Elizabeth Winstead, Ewan McGregor, Jurnee Smollett-Bell, Rosie Perez, Ella Jay Basco, Bojana Novakovic, Chris Messina, Greice Santo
Keine Ahnung, wie es der Werbeabteilung gelang, den Verleih von dem Titel „Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen“ zu überzeugen. Denn der Originaltitel ist, wie der Buchtitel „Doctor Sleep“ und unter diesem Titel erschien auch die deutsche Ausgabe von Stephen Kings Roman. An der Kinokasse wird wahrscheinlich immer nach „Doctor Sleep“ gefragt werden und so werde ich den Horrorfilm fortan nennen.
„Doctor Sleep“ ist die jetzt von Mike Flanagan verfilmte, 2013 erschienene Fortsetzung von „Shining“ und es hilft, sich vor dem Kinobesuch noch einmal Stephen Kings Roman und Stanley Kubricks Verfilmung ins Gedächtnis zu rufen. Der Roman bezieht sich, weil King Kubricks Verfilmung nicht gefällt, nur auf den Roman. Flanagans Verfilmung auf den Roman und auf Kubricks Film. Denn er bewundert den Roman und die Verfilmung und er will in seinem Film beide Visionen miteinander vereinigen und in seinen Film einfließen lassen.
In „Shining“ nimmt Jack Torrance über den Winter eine Stelle als Hausmeister des abgelegen in den Bergen liegenden Overlook Hotels an. In diesen Monaten sind nur er, seine Frau Wendy und sein fünfjähriger Sohn Danny im Hotel. Jack will in dieser Zeit ein Theaterstück schreiben. Kurz darauf verliert Jack, ein Alkoholiker, den Verstand in dem von Geistern bevölkerten Hotel. Er will seine Familie töten. Wendy und Danny gelingt die Flucht. Jack verbrennt im Hotel.
1980 verfilmte Stanley Kubrick Stephen Kings Roman. Der Film mit Jack Nicholson als schon von der ersten Minute an verrücktem Jack Torrance war ein Hit und gilt als einer der besten Horrorfilme aller Zeiten. Stephen King war mit den von Kubrick vorgenommenen Änderungen und der Verfilmung allerdings immer unzufrieden. Vor allem gefiel ihm nicht, dass der Film-Jack-Torrance von Anfang an verrückt ist und er daher keine emotionale Entwicklung hat.
2013 veröffentlichte King „Doctor Sleep“. In dem Roman erzählt er die Geschichte von Dan ‚Danny‘ Torrance weiter und in all den Flashbacks und Erinnerungen, die Dan an seine Eltern und das Overlook Hotel hat, bezieht er sich auf die Ereignisse aus dem Roman. Flanagan auf die Ereignisse aus dem Roman und dem Film.
King und Flanagan erzählen in „Doctor Sleep“ zuerst in epischer Breite, was Dan Torrance (Ewan McGregor) in den Jahren nach den Ereignissen im Overlook Hotel zustieß, wie er Alkoholiker wurde und in der New-Hampshire-Kleinstadt Frazier eine Heimat fand. Dort arbeitet er in einem Hospiz und hilft den Menschen beim Sterben. Deshalb wird er auch ‚Doctor Sleep‘ genannt.
Zur gleichen Zeit fährt der „Wahre Knoten“ durch die USA. Sie sind, angeführt von Rose the Hat (Rebecca Ferguson, charismatisch), eine vampirähnliche Gruppe, die durch das Steam, was der letzte Atemzug von Menschen mit dem Shining ist, ewig leben können. Der Steam ist bei jungen Menschen besonders stark. Als sie den ‚Baseball-Jungen‘ töten, werden sie von der mehrere hundert Meilen entfernt lebenden Abra Stone (Kyliegh Curran) beobachtet. Abra verfügt über ein besonders starkes Shining und sie will nicht, dass der Wahre Knoten weitere Kinder tötet, foltert (das verstärkt den Steam) und ihren Steam einatmet. Sie trifft sich mit Dan. Mit ihm unterhielt sie sich bislang nur mental. Aber er ist der einzige Mensch, den sie kennt, der ihre Fähigkeiten versteht und der ihr helfen kann, damit umzugehen.
Gemeinsam beschließen sie und ein, zwei Freunde, gegen Rose the Hat und ihre Bande vorzugehen.
An diesem Punkt ist man ungefähr in der Mitte des siebenhundertseitigen Romans, der über viele Seiten Dan Torrances Lebensgeschichte erzählt. Im Mittelpunkt steht, wie er zum Alkoholiker und Ex-Alkoholiker wird und über viele Jahre das 12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker absolviert. „Doctor Sleep“ ist vor allem die Geschichte eines Kampfes gegen die Sucht (was vor allem ein Kampf gegen verschiedene innere Dämonen ist) und vom Finden des Sinn des Lebens. Die Horrorgeschichte verdeckt das kaum. Für eine Verfilmung ist diese epische Struktur denkbar ungeeignet. Zu viele Episoden sind schon auf den ersten Blick für die Hauptgeschichte (den Kampf von Dan und Abra gegen Rose the Hat) vollkommen unwichtig. Die wenigen Informationen, die wirklich wichtig sind, um den Kampf von Dan und Abra gegen Rose the Hat und den Wahren Knoten zu verstehen, könnten auch mühelos in die Hauptgeschichte eingefügt werden.
Der Roman ist ein langes, sich langsam entwickelndes sinfonisches Werk, in dem bestimmte Motive immer wieder auftauchen und wichtiger werden. Dank Stephen Kings Schreibstil liest man das gerne, aber auch etwas desinteressiert auf der Suche nach dem schon im Klappentext angekündigtem Plot.
In seiner Verfilmung behielt Flanagan die Struktur des Romans bei. Auch wenn er einige Figuren strich und einige Ereignisse in der Chronologie etwas verschob. Einige Figuren und Orte, die im Roman wichtig sind, werden auch im Film groß eingeführt und dann nicht weiter beachtet. Das gilt für eine Drogensüchtige und ihr Kleinkind und, in Frazier, Dr. John Dalton (Bruce Greenwood) und Orte, wie die Teenytown Railway in Frazier. Einige Personen und mit ihnen verbundene Handlungsstränge, wie Abras Urgroßmutter, fehlen.
Das ändert aber nichts daran, dass die ersten 75 Minuten des 150-minütigen Films reichlich spannungsfrei vor sich hin plätschern. Wer den Roman nicht kennt, wird diese Hälfte vor allem als eine Abfolge aus weitgehend zusammenhanglos aufeinander folgenden Szenen wahrnehmen und sich fragen, wann endlich die Geschichte beginnt.
In der zweiten Hälfte wird es dann spannender und beim Finale setzt Flanagan dann eigene Akzente. Im Roman ist die finale Konfrontation in der Overlook Lodge. Im Film treffen sie im immer noch stehenden Overlook Hotel aufeinander. Das seit Jahrzehnten verlassene Hotel sieht noch genauso aus wie in Kubricks Film. Flanagan verbindet hier Kings Roman mit Kubricks Film zu einem eigenständigem Ende, das deutlich Kubricks Film zitiert. Dan stellt sich seinen Dämonen, tritt in die Fußstapfen seines Vaters (ohne nach der nächsten Schnapsflasche zu greifen) und versucht mit seinem Shining und den Dämonen, die er in den vergangenen Jahrzehnten in seinem Gehirn in Kassetten einschloss, und den im Hotel lebenden Geistern Rose the Hat zu besiegen.
Dieses Finale ist dann vielleicht nicht hundertprozentig gelungen und das Ende ist, nun, diskussionswürdig. Mir gefällt das aus meiner Sicht positivere Romanende besser. Aber immerhin hört Flanagan in diesen Minuten endlich auf, den Roman zu bebildern.
Von genau dieser Eigenständigkeit hätte ich mir während des gesamten Films mehr gewünscht. So ist der Film eine gekürzte Version des Romans, bei der immer unklar ist, worum es ihm eigentlich geht. Er findet nie die richtige Balance zwischen Alkoholikerdrama, Horrorgeschichte und Coming-of-Age-Geschichte.
Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen (Doctor Sleep, USA 2019)
Regie: Mike Flanagan
Drehbuch: Mike Flanagan
LV: Stephen King: Doctor Sleep, 2013 (Doctor Sleep)
mit Ewan McGregor, Rebecca Ferguson, Kyliegh Curran, Cliff Curtis, Zahn McClarnon, Emily Alyn Lind, Selena Anduze, Robert Longstreet, Carl Lumbly, Bruce Greenwood, Jacob Tremblay, Henry Thomas
Länge: 152 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Die Vorlage, jetzt mit dem Filmcover
Stephen King: Doctor Sleep
(übersetzt Bernhard Kleinschmidt)
Heyne, 2019 (Filmausgabe)
720 Seiten
12,99 Euro
–
Deutsche Erstausgabe
Heyne, 2013
–
Originalausgabe
Doctor Sleep
Scribner, New York, 2013
–
Die Vorgeschichte, wieder erhältlich mit neuem Cover
Stephen King: Shining
(übersetzt von Harro Christensen)
Bastei-Lübbe, 2019
624 Seiten
11 Euro
–
Deutsche Erstausgabe 1980, seitdem unzählige Neuauflagen.
–
Originalausgabe
The Shining
Doubleday & Co, 1977
–
Stephen Kings neuer Roman, geeignet für lange Herbst- und Winterabende am Kaminfeuer
Seit einigen Tagen käuflich erhältlich: In „Das Institut“ werden paranormal begabte Kinder in einem hermetisch abgeschirmten Institut in Maine (Wo sonst?) gefangen gehalten. Als der zwölfjährige Luke Ellis dorthin entführt wird, beginnt er seine Flucht zu planen. Das einzige Problem ist, dass das bislang noch niemandem gelungen ist.
Die ersten Kritiken über diesen Thriller sind weitgehend positiv, auch wenn Kirkus Reviews meint, „Das Institut“ sei nicht so furchteinflößend wie „Shining“ oder „Es“. Der Boston Globe schreibt, „Das Institut“ lese teilweise wie eine Neu-Interpretation von „Feuerkind“ für die Gegenwart.
Im Moment ist eine Verfilmung als TV-Miniserie geplant. Aber weil von ungefähr jedem King-Werk eine Verfilmung geplant ist, sagt das wenig.
Der Ghostwriter (The Ghost Writer, Frankreich/Deutschland/Großbritannien 2010. Regie: Roman Polanski)
Drehbuch: Robert Harris, Roman Polanski
LV: Robert Harris: The Ghost, 2007 (Ghost, Der Ghostwriter)
Ein Autor soll innerhalb weniger Tage die Biographie des ehemaligen britischen Premierministers Adam Lang ghostwriten. Als Lang wegen Kriegsverbrechen im „Krieg gegen den Terror“ angeklagt wird, beginnt der gänzlich unpolitische Autor auf eigene Faust zu recherchieren.
Glänzend besetzter, grandioser Paranoia-Thriller, der an Polanskis frühere Filme, wie „Chinatown“ und „Der Mieter“, anknüpft.
mit Ewan McGregor, Pierce Brosnan, Olivia Williams (die eigentlich viel zu jung für ihre Rolle ist), Kim Cattrall, Tom Wilkinson, James Belushi, Timothy Hutton, Eli Wallach (die letzten drei haben nur Kleinstrollen)
Big Fish – Der Zauber, der ein Leben zur Legende macht (Big Fish, USA 2003)
Regie: Tim Burton
Drehbuch: John August
Literaturvorlage: Daniel Wallace: Big Fish – A Novel of Mythic Proportions, 1998 (Big Fish)
Vertreter Edward Bloom ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Sein Sohn Will, der hinter den Geschichten nie den wahren Edward Bloom sah, brach deshalb vor Jahren entnervt den Kontakt zu ihm ab. Jetzt sitzt er an Edwards Sterbebett und versucht zum letzten Mal die Beziehung zu seinem Vater zu kitten. Aber dieser erzählt nur wieder einmal die altbekannten Geschichten aus seinem Leben und erfindet einige neue dazu.
Das Buch, eine lockere Sammlung von Episoden, ist bestenfalls solala. Aber der Film, der sich in vielen Teilen von dem Buch entfernt, die Episoden aus dem Buch und zahlreiche neue zu einer Biographie zusammenfügt und dabei das Thema des Buches deutlicher herausarbeitet, ist eine zwischen trister Realität und farbenfreudiger Fantasie wechselnde Liebeserklärung an das Erzählen von Geschichten, die am Ende doch nicht so erfunden sind, wie der Sohn immer annahm.
Mit Ewan McGregor, Albert Finney, Billy Crudup, Jessica Lange, Helena Bonham Carter, Loudon Wainwright III, Steve Buscemi, Danny DeVito, Daniel Wallace (Econ Professor)
Verräter wie wir(Our Kind of Traitor, Großbritannien 2016)
Regie: Susanna White
Drehbuch: Hossein Amini
LV: John le Carré: Our Kind of Traitor, 2010 (Verräter wie wir)
Während eines Urlaubs in Marrakesch lernen der rundum harmlose Oxford-Dozent für Poesie Perry und seine Frau Gail den feierwütigen Dima, der immer von einem Hofstaat begleitet wird, kennen. Dima bittet Perry um einen Gefallen. Er soll dem MI6 einen USB-Stick mit Daten überbringen. Denn Dima, der ein Geldwäscher für die Russenmafia ist, fürchtet um sein Leben und Perry und Gail sollen ihm den Weg in die Sicherheit ebnen.
Der ruhige Thriller ist eine weitere gelungene John-le-Carré-Verfilmung.
mit Ewan McGregor, Stellan Skarsgård, Damian Lewis, Naomie Harris, Jeremy Northam, Khalid Abdallah, Mark Gatiss, Saskia Reeves, Alicia von Rittberg, John le Carré (sein Genehmigungs-Cameo)
Wiederholung: Mittwoch, 8. Mai, 00.50 Uhr (Taggenau!)
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Christoper Robin erwachsen. Er ist verheiratet, hat eine neunjährige Tochter und arbeitet in London als Effizienzmanager bei Winslow Luggage. Seiner Tochter liest er abends keine Kindergeschichten, sondern Schulbücher vor. Auf der Arbeit plant er immer weitere Kostenoptimierungen. So auch an diesem Wochenende. Anstatt mit seiner Familie auf’s Land zu fahren, sitzt er allein im Büro und studiert Zahlen, die letztendlich Entlassungen in der defizitären Kofferfabrik rechtfertigen sollen.
Da taucht Winnie Puuh auf und entführt ihn in den Hundertmorgenwald, das Paradies seiner Kindheit. Damals erlebte Robin mit dem Bär Winnie Puuh und seinen Freunden I-Aah, Ferkel und Tigger Abenteuer, in denen sie nicht an den nächsten Tag dachten und nicht älter werden wollten. Bis er dann aufs Internat ging und sie vergaß.
Marc Forsters Disney-Film „Christopher Robin“ verwendet die von A. A. Milne vor knapp hundert Jahren erfundenen Charaktere und erzählt ihre Geschichte weiter. Milnes Bücher sind Klassiker der Kinderbuchliteratur. Disney sicherte sich in den Sechzigern die Rechte an den Figuren und benutzte Milnes Charaktere in zahlreichen Filmen für weitere fiktive Geschichten, in denen die bekannt-beliebten Charaktere weitere Abenteuer erleben. Dieses Mal und zum ersten Mal als Realfilmabenteuer; – wobei Robins tierische Plüschtierfreunde selbstverständlich animiert sind. Auch insgesamt wurde viel mit CGI gearbeitet. Das spräche für einen Kinderfilm, in dem Stofftiere ein wildes Abenteuer erleben. Aber dafür ist die Stimmung des Films zu melancholisch und auch zu düster. Außerdem richten sich das Thema und die damit verknüpfte offensichtliche Aussage vor allem an Erwachsene. Sie sollen wieder zu der Unbeschwertheit und Sorglosigkeit ihrer Kindheit zurückkehren. Deshalb, man ahnt es schon bei dem Titel, ist nicht Winnie Puuh, sondern Christopher Robin der Protagonist des Films. Er muss etwas lernen und Winnie Puuh will ihm dabei helfen. Also besucht der ‚Bär von sehr geringem Verstand‘ ihn in London und zerrt ihn von der Arbeit weg.
Aber für Erwachsene ist dann alles in „Christopher Robin“ zu plakativ. Sie erfassen die Botschaft spätestens bei Winnie Puuhs erstem Auftritt in London. Sie können sich in dem Moment die gesamte Geschichte mühelos ausmalen, während sie versuchen Logikprobleme (Wie viele Bäume führen in den Hundertmorgenwald? Und wie ist dieser Wald mit der realen Welt verbunden?) zu ignorieren und nicht an „Alice im Wunderland“ zu denken. Robin springt an dem Wochenende, an dem er eigentlich Zahlen studieren sollte, zwischen der realen Welt und dem Hundertmorgenwald, der Welt seiner Kindheit, die mal ein Fantasiegebilde ist (wofür eindeutig der Baumzugang spricht), mal eine ganz normal-reale Welt ist hin und her und Winnie Puuh und seine Freunde betreten ebenso mühelos die Welt des Nachkriegsengland. Dort können sie von den Menschen gesehen werden und sie können sich miteinander unterhalten. Wenn Menschen mit Stofftieren reden würden.
Marc Forsters Film ist ein netter, naiver, niemals wirklich packender Abenteuerfilm, der seine witzigen Momente hat (vor allem wenn Winnie Puuh mal wieder hungrig ist) und der eine begrüßenswerte Botschaft hat. Nur für welches Publikum?
Die wahre Geschichte von A. A. Milne, seiner Beziehung zu seinem Sohn Christoper Robin und wie er ‚Pu der Bär‘ erfand, wurde vor einigen Monaten in „Goodbye Christopher Robin“ erzählt.
P. S.: Am Montag, den 20. August, zeigt das ZDF um 22.15 Uhr Marc Forsters nicht guten James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“.
Christopher Robin (Christopher Robin, USA 2018)
Regie: Marc Forster
Drehbuch: Alex Ross Perry, Tom McCarthy, Allison Schroeder (nach einer Geschichte von Greg Brooker und Mark Steven Johnson, basierend auf den Charakteren von A. A. Milne und dem Illustrator E. H. Shepard)
mit Ewan McGregor, Hayley Atwell, Bronte Carmichael, Mark Gatiss
mit Gina Carano, Michael Fassbender, Ewan McGregor, Bill Paxton, Channing Tatum, Antonio Banderas, Michael Douglas, Michael Angarano, Mathieu Kassovitz, Anthony Wong
Lachsfischen im Jemen (Salmon Fishing in the Yemen, Großbritannien 2011)
Regie: Lasse Hallström
Drehbuch: Simon Beaufoy
LV: Paul Torday: Salmon Fishing in the Yemen, 2006 (Lachsfischen im Jemen)
Dr. Alfred Jones, Lachsexperte und Angestellter des englischen Fischereiministeriums, hält die Idee des Scheichs, Lachse im Jemen heimisch zu machen, für absolut hirnverbrannt. Aber viel Geld und der eiserne Wille der Politik, eine dringend benötige positive anglo-amerikanische Geschichte zu produzieren, zwingen Jones dazu, sich dem idiotischen Projekt zu widmen. Außerdem ist der Scheich sehr sympathisch und die Projektleiterin äußerst liebenswert.
Am Anfang läuft Emma Watson als Belle singend durch das französische Klischeedorf Villeneuve. Die Dorfbewohner sind ein singender und tanzender Chor und spätestens jetzt ist klar: „Die Schöne und das Biest“ ist ein Musical, das sich vollumfänglich in der Tradition bewegt, in der ganze Dörfer zu Kulissen für Gesangsnummern werden und Lieder die Handlung ersetzen. Entsprechend vernachlässigbar ist diese. Die Figuren gewinnen allein durch ihren Gesang Dimensionen.
Die sattsam bekannte Geschichte lässt sich mühelos in einem Satz zusammenfassen. Durch einen Fluch verwandelt sich der selbstsüchtige Prinz (Dan Stevens) in das titelgebende Biest. Erst wenn sich eine Frau in ihn verliebt, werden er und sein Hofstaat wieder zu Menschen.
Belle begibt sich, um ihren Vater zu befreien, in die Hände des grummeligen Biestes. Im Schloss freundet sie sich mit dem Kerzenleuchter Lumière, der Kaminuhr von Unruh, der Teekanne Madame Pottine, ihrem Sohn Tassilo, einer Teetasse, dem Kleiderschrank Madame de Garderobe, dem Staubwedel Plumette und dem Cembalo Maestro Cadenza an. Sie sind alle verwandelte Schlossbesucher; gesprochen und an wenigen Drehtagen gespielt von Ewan McGregor, Ian McKellen, Emma Thompson, Nathan Mack, Audra McDonald, Gugu Mbatha-Raw und Stanley Tucci. Außerdem ist Belle von der Schlossbibliothek begeistert. Denn sie ist nicht nur jung und schön, sondern auch klug und belesen.
Ihre freiwillige Gefangenschaft ist daher ganz erträglich, wenn dem Schlossherrn aufgrund des Fluchs nicht die Zeit für eine Rückverwandlung davonliefe und der aufgeblasene Dorfschnösel Gaston (Luke Evans) sie befreien und ehelichen möchte.
Sprechende, singende und tanzende Kerzenleuchter, Uhren, Kleiderschränke und Teekannen kennen Disney-Fans bereits aus dem erfolgreichen 1991er Zeichentrickfilm „Die Schöne und das Biest“ (Regie: Dick Purdom, Drehbuch: Linda Woolverton). Er war auch die Vorlage für Bill Condons jetzt im Kino laufende Neuinterpretation. Die Originalsongs von Alan Menken und Howard Ashman aus der 1991er Verfilmung, ergänzt um drei Songs, die Alan Menken jetzt mit Tim Rice schrieb, werden in Condons Film gesungen. Außerdem hat Condon mit 130 Minuten Laufzeit 45 Minuten mehr Zeit als Dick Purdom, der die Geschichte in 85 Minuten erzählen musste. Da kann schon ein Lied mehr geträllert und am Ende länger im Schloss gekämpft werden.
Condons Film sieht natürlich gut aus, hat etwas Humor, ist immer geschmackvoll und spricht, wie man es von Disney gewohnt ist und erwartet, Junge und Ältere an. Zur Identifikation gibt es eine taffe Heldin und ein äußerlich hässliches, in seinem Inneren zutiefst sympathisches, an sich selbst zweifelndes, überhaupt nicht furchterregendes Monster. Oh, und ein, zwei echte Überraschungen, wie – erstmals in einem Disney-Film – einen offen schwulem Charakter. Der sorgte dann auch gleich für einige Kontroversen. In Russland ist der Kinderfilm, nachdem er zunächst überhaupt nicht gezeigt werden sollte, jetzt frei ab sechzehn Jahre. Malaysia überlegt noch, wie sie mit dem Problem umgehen soll.
Aber wer Musicals wie die Pest hasst, wird höchstens erleichtert feststellen, dass in der zweiten Filmhälfte weniger gesungen wird. Jedenfalls fällt es nicht mehr so negativ auf. Außerdem hat Condons „Die Schöne und das Biest“ erstaunlich wenig mit der letzten Verfilmung des Märchens zu tun. Die 2013er Verfilmung von Christophe Gans mit Léa Seydoux und Vincent Cassel gefiel mir allerdings deutlich besser. Wahrscheinlich weil nicht gesungen wurde und alles etwas komplexer als in Disneys Musical-Version ist.
Die Schöne und das Biest (Beauty and the Beast, USA 2016)
Regie: Bill Condon
Drehbuch: Stephen Chbosky, Evan Spiliotopoulos (basierend auf Linda Woolvertons 1991er Drehbuch „Die Schöne und das Biest“)
mit Emma Watson, Dan Stevens, Luke Evans, Kevin Kline, Josh Gad, Ewan McGregor, Stanley Tucci, Gugu Mbatha-Raw, Audra McDonald, Hattie Morahan, Nathan Mack, Ian McKellen, Emma Thompson
„Trainspotting“ war der „Easy Rider“ der neunziger Jahre. Ein Film, der den Nerv der Jugend traf und ihre Kultur porträtierte. Ein sofortiger, aus dem Nichts kommender Kultfilm über einige Jungs aus Edinburgh, die Drogen konsumieren und denen alles egal ist. Außer den Drogen. Schon die ersten Minuten, untermalt von Iggy Pops „Lust for Life“, geben das Tempo und die No-Nonsense-Haltung des Films vor.
Wie bei allen richtigen Kultfilmen ist auch bei „Trainspotting“ eine Fortsetzung unnötig. Auch wenn Irvine Welsh, Autor der Romanvorlage, die in England schon vor dem Film ein Bestseller war, später wieder zu Renton, Sick Boy, Spud und Begbie zurückkehrte. In „Porno“ erzählte er 2002, zehn Jahre nach „Trainspotting“, ihre Geschichte weiter.
Und jetzt haben Danny Boyle und Drehbuchautor John Hodge eine Kinofortsetzung gemacht, die lose auf beiden Büchern basiert und die Geschichte des Kinofilm weiter erzählt.
„T2 is really an adaptation of two books: Porno, Irvines 10 years later sequel but, even more, it’s a direct loop back to Trainspotting. For me, the original book is like a modern Ulysses. It’s unsurpassed I think, and reading it is still like the ‚rush of ocean to the heart‘. The new film is constantly drawn back into its orbit and it’s been a privilige to step back into that world.“ (Danny Boyle)
Am Ende von „Trainspotting“ klaute Renton (Ewan McGregor) von seinen Freunden Spud (Ewen Bremner), ‚Sick Boy‘ Simon (Jonny Lee Miller) und Begbie (Robert Carlyle) das Geld, das sie für den Verkauf von Drogen erhielten.
Jetzt zwanzig Jahre später kehrt er nach Edinburgh zurück. Seine Mutter ist gestorben. Aber das ist für die Filmgeschichte, die wieder, primär, eine Ansammlung von höchst lose zusammenhängenden Episoden und Anekdoten ist. Seine damaligen Freunde sind immer noch in Edinburgh und sie haben sich nicht verändert. Spud hängt immer noch an der Nadel. Sick Boy führt eine extrem schlecht gehende Kneipe. Mit Sexvideos will er von den städtischen Honoratioren genug Geld für sein nächstes großes Projekt erpressen. Er will mit seiner Freundin (mehr platonisch als sexuell) ein Bordell eröffnen. Und Begbie, die menschliche Handgranate, geht immer noch keiner, meist von ihm provozierten, Schlägerei aus dem Weg. Jetzt, also eigentlich seit „Trainspotting“, sitzt er im Gefängnis. Als ein Entlassungsantrag abgelehnt wird, bricht er aus und quartiert sich bei seiner Frau und seinem Sohn ein.
Begbie (mehr) und Sick Boy (weniger) sind immer noch über Rentons Diebstahl verärgert. Sie wollen, dass er dafür bezahlt. Spud, dem Renton damals ein Viertel des Geldes gab, hätte dagegen gerne auf das Geld verzichtet. Als Junkie investierte er das Geld nur in Drogen.
Das ist die sich langsam materialisierende Ausgangslage. Denn Boyle und John Hodge (der auch das Drehbuch für „Trainspotting“ schrieb) führen die einzelnen Charaktere langsam ein. Es dauert einige Zeit, bis Renton wieder in seiner alten Heimat ist, bis er seine alten Freunde, mehr oder weniger freiwillig, getroffen hat und Sick Boy ihm das Geschäft seines Lebens vorschlägt.
Dieses Mal verzichten Boyle und Hodge auch auf eine Erzählerstimme, die den ersten Film strukturierte und ihm von der ersten Minute an eine Haltung gab. Das ist ein Problem von „T2 Trainspotting“. Ein anderes, viel gravierenderes, ist, dass sich Renton, Spud, Sick Boy und Begbie in den vergangenen zwanzig Jahren nicht änderten. Sie sind nur älter geworden.
Ein anderes Problem ist die episodische Struktur, die hier dazu führt, dass fast keine Handlung und Ereignis Folgen hat. So spielt Rentons Herzanfall in der ersten Minute später keine Rolle mehr. Dank einer Operation kann er noch Jahrzehnte leben und, angesichts des von ihm im Film absolvierten Sportpensums, muss er sich auch in keinster Weise einschränken. Später erzählt er Sick Boy, dass er glücklich verheiratet sei. Noch später erzählt er ihm, dass das eine Lüge war. Seine Ehe sei gescheitert und er habe seinen Job verloren. Weil wir weder seine Frau, noch seinen Job, noch sein Leben in Holland kennen lernen, und es auch keinen Einfluss auf die Filmgeschichte hat, ist es egal. Das gleiche gilt auch für seine Freunde. Nur Begbie hat mit einer Frau und einem Sohn so etwas wie ein Leben und ein Ziel: er will mit ihnen zusammen sein und seinen Sohn ebenfalls zu einem Verbrecher erziehen. Der hat allerdings Pläne für ein ehrliches, bürgerliches Leben mit einer ordentlichen beruflichen Ausbildung.
Insgesamt ist „T2 Trainspotting“ ein überflüssiger Film. Das heißt jetzt nicht, dass er schlecht ist. Er hat einige tolle Szenen, die dummerweise meistens „Trainspotting“ mehr oder weniger direkt zitieren. Sowieso ist „T2 Trainspotting“ mit Flashbacks, Zitaten und Querverweise zum ersten Film überreich gesegnet. Aber wir erfahren in „T2 Trainspotting“ nichts über die vier Jungs, was wir nicht schon in „Trainspotting“ über sie wussten. Damit wirkt der Film wie die Wiedervereinigung einer einstmals geliebten Band, die jetzt eine neue CD einspielt, die in ihren besten Momenten alte Ideen wiederholt, in ihren schlechtesten Momenten langweilt.
Ein Bestsellerautor, ein unantastbarer Säulenheiliger und Doyen des Spionageromans ist John le Carré schon seit Jahrzehnten, aber bis vor einigen Jahren war die Zahl der Verfilmungen seiner Agententhriller überschaubar. Bis zur Jahrtausendwende gab es für das Kino eigentlich nur „Der Spion, der aus der Kälte kam“ und „Das Russland-Haus“. In den letzten fünfzehn Jahren, vor allem in den letzten fünf Jahren, gab es dann mehrere le-Carré-Verfilmungen, die alle gelungen waren: „Der Schneider von Panama“, „Der ewige Gärtner“, „Dame, König, As, Spion“, „A most wanted man“, „The Night Gardener“ (für das Fernsehen) und jetzt „Verräter wie wir“, inszeniert von Susanna White („Eine zauberhafte Nanny“,„Parade’s End“), nach einem Drehbuch von Hossein Amini („Drive“, „Die zwei Gesichter des Januars“ [auch Regie]), der sich anstandslos in die Reihe der gelungenen le-Carré-Verfilmungen einreiht.
In Marrakesch lernt Perry (Ewan McGregor), ein harmloser Oxford-Dozent für Poesie, Dima (Stellan Skarsgård), einen russischen Lebemann mit riesigem Hofstaat, kennen. Dima mag den Engländer und seine Frau Gail (Naomie Harris), einer Anwältin, die beide erkennbar aus einer vollkommen anderen Welt stammen. Er spielt mit Perry Tennis, lädt ihn zu einer Party ein und bittet ihn um einen Gefallen. Denn Dima ist auch Geldwäscher für die russische Mafia. Er befürchtet, dass er demnächst im Auftrag des Kopfs der Vory umgebracht werden soll. Der britische Geheimdienst soll ihn und seine Familie beschützen. Deshalb möchte er, dass Perry dem englischem Geheimdienst einen USB-Stick mit Daten über von ihm getätigte Transaktionen, die auch britische Banken und Politiker belasten, übergibt.
Perry ist einverstanden. Es ist ja nur ein kleiner Gefallen für den potentiellen Überläufer und er tut doch offensichtlich ein gutes Werk. Aber es ist auch der erste Schritt, der ihn in die Welt der Geheimdienste führt.
Hossein Amini folgt zwar mit wenigen Abweichungen John le Carrés Geschichte, aber während le Carré die Geschichte bis weit über die Hälfte des Romans mit einer enervierenden Langsamkeit erzählt, hat Amini hier all die Fehler der Vorlage beseitigt. Die uninteressanten Stellen kürzte er ordentlich. Die Plot Points verschieben sich an die richtigen Stellen. Die Spannungskurve steigt stärker. Die wirkliche Geschichte, die ja erst beginnt, als Perry dem MI6-Agenten Hector Meredith (Damian Lewis) den USB-Stick übergibt, entwickelt sich schneller. Perry und seine Frau Gail geraten mit ihren Entscheidungen, die als einzelne Entscheidung ohne große Folgen, vernünftig und harmlos sind (Warum soll man nicht die Einladung zu einer Party annehmen? Warum soll man nicht dem Geheimdienst einen USB-Stick geben und so einer Urlaubsbekanntschaft helfen?), schnell in die von Misstrauen und Verrat geprägte Welt der Geheimdienste und des Großverbrechens, in der ein Menschenleben nicht mehr zählt als ein Bauer in einem Schachspiel. Dabei ist fraglich, ob Perry überhaupt so wichtig wie ein Bauer ist oder ob Dima der Bauer ist.
Kameramann Anthony Dod Mantle („28 Days Later“, „Slumdog Millionär“, „Rush – Alles für den Sieg“) inszeniert diese Welt als eine elegante Welt der Schatten und Spiegelungen, was der Geschichte eine latente Atmosphäre der Ungewissheit verleiht. Auch wenn wir Zuschauer genauer als Perry wissen, in welche Richtung sich die Geschichte bewegen wird.
„Verräter wie wir“ lebt nämlich nicht von der pulstreibenden Spannung eines Action-Thrillers mit überraschenden Wendungen, sondern von der mahlstromartigen Spannung einer sich fatal entwickelnden Geschichte, aus der es für die Protagonisten kein Entkommen gibt.
„Eines der Themen von le Carrés Arbeit ist, dass Großbritannien als Weltmacht zwar beinahe alles verloren hat, aber immer noch die klassischen britischen Werte hat, die aus einer Zeit stammen, als Großbritannien an der Spitze der Welt stand und eine moralische Verpflichtung hatte. Während die Macht langsam verschwand, hat sich die dazugehörige Moral eher in eine Art Kompromiss verwandelt. John le Carré ist sehr interessiert an dem Einfluss, den der Abstieg der britischen Macht auf das moralische System hat. Das ist der Kern unseres Films. Es gibt jene, die es riskieren, die russische Autoritäten zu verärgern, um Dima zur Flucht zu verhelfen, und es gibt jene, die sich dem entgegen stellen und möglicherweise mit den Russen zusammenarbeiten, all das innerhalb des britischen Systems.“ (Hossein Amini)
Verräter wie wir(Our Kind of Traitor, Großbritannien 2016)
Regie: Susanna White
Drehbuch: Hossein Amini
LV: John le Carré: Our Kind of Traitor, 2010 (Verräter wie wir)
mit Ewan McGregor, Stellan Skarsgård, Damian Lewis, Naomie Harris, Jeremy Northam, Khalid Abdallah, Mark Gatiss, Saskia Reeves, Alicia von Rittberg, John le Carré (sein Genehmigungs-Cameo)
Der Ghostwriter (Frankreich/Deutschland/Großbritannien 2010. Regie: Roman Polanski)
Drehbuch: Robert Harris, Roman Polanski
LV: Robert Harris: The Ghost, 2007 (Ghost, Der Ghostwriter)
Ein Autor soll innerhalb weniger Tage die Biographie des ehemaligen britischen Premierministers Adam Lang ghostwriten. Als Lang wegen Kriegsverbrechen im „Krieg gegen den Terror“ angeklagt wird, beginnt der gänzlich unpolitische Autor auf eigene Faust zu recherchieren.
mit Ewan McGregor, Pierce Brosnan, Olivia Williams (die eigentlich viel zu jung für ihre Rolle ist), Kim Cattrall, Tom Wilkinson, James Belushi, Timothy Hutton, Eli Wallach (die letzten drei haben nur Kleinstrollen)
Dass Natalie Portman mit Waffen umgehen kann, wissen wir seit „Leon – Der Profi“. Dass sie auch in einem waschechten Western eine gute Figur macht, sehen wir in „Jane got a Gun“. Portman spielt die titelgebende Jane Hammond, die mit ihrem Mann Bill (Noah Emmerich) in New Mexico in einer einsam gelegenen Holzhütte das karge bäuerliche Landleben fristet. Als ihr Mann schwer verletzt von einer längeren Reise zurückkehrt und ihr sagt, dass John Bishop auf dem Weg ist, weiß sie, dass sie bald um ihr Leben kämpfen muss.
Denn John Bishop (Ewan McGregor) ist der skrupellose Anführer einer Verbrecherbande. Vor Jahren gehörten Jane und ihr Mann zu seiner Bande. Nach einem Streit verließen sie ihn. Seitdem sucht Bishop sie. Denn niemand verlässt Bishops Bande ungefragt und ungestraft.
Den einzigen Mann, den Jane in der Einöde um Hilfe bitten kann, ist Dan Frost (Joel Edgerton), ein früherer Freund von ihr, der nichts mehr mit ihr zu tun haben will.
Dieses „High Noon“-Szenario ist für Westernfans nichts neues und Gavin O’Connor („Das Gesetz der Ehre“, „Warrior“) folgt den bekannten Regeln ohne postmoderne Brechungen. „Jane got a Gun“ ist ein klassischer, geradliniger, in neunzig Minuten erzählter B-Movie-Western mit einem überschaubarem Personal und einer Schießerei am Ende. Weil der Film vor Ort in New Mexico gedreht wurde, gibt es auch leinwandfüllende, das Auge erfreuende Landschaftsaufnahmen.
Das ist durchaus ansehbares, wenn auch, abgesehen von der starken Heldin, wenig überraschendes und erstaunlich traditionelles Genrefutter, das die Zeit mit hohem „Star Wars“-Faktor (wobei Portman und McGregor hier, wie auch in eigentlich all ihren anderen Filmen, eine wesentlich bessere Figur machen) gut die Tage bis zu Quentin Tarantinos Drei-Stunden-Schnee-Western „The Hateful Eight“ überbrückt.
Männer, die auf Ziegen starren (USA 2009, Regie: Grant Heslov)
Drehbuch: Peter Straughan
LV: Jon Ronson: The men who stare at goats, 2004 (Durch die Wand; Männer, die auf Ziegen starren)
Ein Journalist hört von einer Armeeeinheit, die ihre Gegner mit gewaltfreien, teils übersinnlichen Methoden bekämpft. Er macht sich auf die Suche nach ihr.
Die Story von „Männer, die auf Ziegen starren“ klingt erfunden, ist aber wahr und der Film folgt dem Sachbuch erstaunlich genau.