
Duffy war mal Polizist. Sogar ein erfolgreicher bei der Sitte in West Central. Und ehrlich war er auch. Doch dann wurde er mit einem Neunzehnjährigem nackt erwischt. Es war eine Falle, aber diese Karriere war vorbei. Also wechselte Duffy den Beruf und wurde Privatdetektiv und Sicherheitsberater mit bescheidenen Umsätzen. Denn anstatt dem Klienten eine superteure Alarmanlage zu verkaufen und so ein florierendes Unternehmen aufzubauen, empfiehlt er ihnen lieber eine Sirenenattrappe und eine gute Versicherung. Auch jetzt herrscht in seiner Kasse mal wieder Ebbe.
Deshalb nimmt er den Auftrag des Spielzeugimporteurs Brian McKechnie an. Seine Frau Rosie wurde in ihrer noblen Vorstadtwohnung von zwei Männern überfallen, die sie auf Befehl ihres Bosses leicht mit einem Messer verletzten. McKechnie ruft die Polizei. Diese findet keine Spur und die Sache könnte irgendwann als „ungelöst“ ad acta gelegt werden.
Kurz darauf erhält McKechnie einen Anruf. Ein Erpresser will von ihm eine kleine Geldsumme. Die Polizei tut nichts. Erst als die Summe größer wird, nimmt die Polizei widerwillig die Anzeige auf. Aber sie findet nichts über den Erpresser heraus. McKechnie ist stinkig über die schlechte Arbeit der Polizei. Er engagiert Duffy und dieser findet bei der nächsten Geldübergabe heraus, dass die Polizei, entgegen ihres Versprechens, bei der Übergabe durch Abwesenheit glänzt. Duffy verfolgt den Boten des Erpressers in ein schmuddeliges Pornokino in Soho. Duffy ist wieder in seinem alten Revier und trifft auf den Gangsterboss Big Eddy, der seine Vergangenheit viel zu gut kennt.
Mit „Duffy“ erfand Dan Kavanagh (der unter seinem richtigen Namen Julian Barnes Mainstream-Romane schreibt) einen ungewöhnlichen Privatdetektiv. Denn Duffy ist ein hypochondrischer Bisexueller (Wir reden hier von 1980! Vor ihm gab es eigentlich nur Joseph Hansens Homosexuellen Dave Brandstetter.). Er verträgt keine lauten Geräusche. Er kann nirgends schlafen, wo es auch Uhren gibt (Wir reden von 1979.). Deshalb wandern sie zuerst in die Frischhaltebox und anschließend ins Badezimmer oder werden vors Fenster gehängt. Weitere Frischhalteboxen mit Lebensmitteln stapeln sich im Kühlschrank. Er sagt niemals ‚ja’, sondern ‚also gut’ oder „doch, doch’. Er hat eine angenehm illusionslose Einstellung zu seinem Beruf und dem Leben. Deshalb wird er, wie jeder gute literarische Detektiv, finanziell niemals auf einen grünen Zweig kommen. Aber im Gegensatz zu dem Marlowes, Hammers und Spensers spielt er für keine sich in Gefahr befindende Frau den rettenden Ritter. Am Ende seines ersten Auftritts ist Duffy nur noch damit beschäftigt, seine eigene Haut zu retten. Sein Auftraggeber McKechnie ist ihm da herzlich egal.
An „Duffy“ besticht der angenehm distanziert-ironische Tonfall von Dan Kavanagh, mit dem er seine Charaktere und Sohos Halbwelt beschreibt. Es sind die, besonders wenn sie gerade ein Verbrechen begehen, bemerkenswert gesitteten Verbrecher (die Einbrecher entschuldigen sich für die Unannehmlichkeiten; der Boss entschuldigt sich für das Fehlverhalten seiner Angestellten und legt wie ein biederer Beamter Akten über die in seinem Revier arbeitenden Polizisten an) und die Welt des käuflichen Sex und der Pornobranche in den späten Siebzigern in London, als AIDS noch unbekannt war. Duffy stolpert bei seinen Ermittlungen von einer Peepshow zur nächsten, von einem Pornokino zum nächsten und findet auch einige Pornomagazine. Das ist eine in Zeiten des Internets und des Heimkinos schon lange untergegangene Welt. Die Aufklärung der Erpressung ist dagegen, wie man schon nach dem Titel „Duffy“ vermuten kann, nebensächlich.
In den folgenden Jahren schrieb Kavanagh drei weitere Duffy-Romane, die auch eine Chronik Englands in den achtziger Jahren und literarische Spiele mit dem Genre sind. Danach hörte Kavanagh auf zu schreiben. Als Julian Barnes schrieb er eifrig weiter und bis heute verhallten die Bitten der Fans nach einem neuen Duffy-Abenteuer. Dabei wäre es sicher interessant (aber vielleicht auch enttäuschend) zu sehen, wie es einem dreißig Jahre älterem Duffy im heutigen London geht.
Bis dahin kann wieder Duffys erster, immer noch lesenswerter Auftritt gelesen werden. Er liest sich heute noch so vergnüglich, wie damals.
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Dan Kavanagh: Duffy
(Neu übersetzt von Willi Winkler)
Ullstein, 2008
240 Seiten
8,95 Euro
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Originalausgabe
Duffy
Jonathan Cape, London, 1980
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Deutsche Erstveröffentlichung
Ullstein, 1981
(übersetzt von Bernd Jost)
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Spätere deutsche Veröffentlichungen
Haffmans Verlag, 1988
Rowohlt Verlag, 2000
Süddeutsche Zeitung (Kriminalbibliothek Band 40), 2006
(immer übersetzt von Willi Winkler)
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Anmerkung
Es ist unklar, ob die alte Haffmans-Übersetzung von Winkler genommen wurde oder ob Winkler diese überarbeitete oder sogar eine vollkommen neue anfertigte.
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Duffys Ermittlungen
Duffy (Duffy, 1980)
Airportratten; Schieber-City (Fiddle city, 1981)
Grobes Foul; Abblocken (Putting the boot in, 1985)
Vor die Hunde gehen (Going to the dogs, 1987)
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Hinweise
Homepage von Julian Barnes (Duffys geistigem Vater)
Ich wette hundert zu eins, dass sie die alte „neue Übersetzung von Willi Winkler“ genommen haben, die für Haffmans gemacht wurde.
Reinhard Jahn
Julian Barnes hat noch keinen einzigen „Mainstream-„-Roman geschrieben.
Er gehört zu den besten angelsaechsischen Literaten unserer Zeit.