Es gibt Bücher, die sind nichts für Kritiker. Das liegt nicht am Buch, sondern an der Art des Lesens. Als Kritiker muss man ein Buch, möglichst schnell, von vorne bis hinten durchlesen. Denn die Leser wollen, möglichst gestern, wissen, ob das Buch gut ist. Ob sie dafür Geld und Zeit investieren sollen.
Also werden die 66 Lektionen von Wolf Schneider hintereinander weggelesen. Die Texte in „Gewönne doch der Konjuktiv!“ sind kurz. Sie sind amüsant und regen zum Nachdenken an. Aber mit zunehmender Seitenzahl langweilen sie auch.
Denn der Unterschied zwischen „Interpretationsdiskrepanzen“ (Seite 22) und „Migrationshintergrund“ (Seite 223) ist aus sprachkritischer Sicht minimal. Beide Male ist es schlechtes Deutsch und Wolf Schneider schreibt schon seit Jahrzehnten dagegen an. Deshalb werden alle, die seine älteren Werken, wie „Deutsch für Profis“, „Deutsch für Kenner“ und „Deutsch fürs Leben“, gelesen haben, viele der in „Gewönne doch der Konjunktiv!“ formulierten Gedanken, teils mit sehr ähnlichen Beispielen, bereits kennen.
Auch sind die in seinem neuesten Buch abgedruckten drei- bis vierseitigen Essays nicht neu. Er schrieb sie für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Diese veröffentlichte sie später als „Der vierstöckige Hausbesitzer“ (1996/1997), „Dem Kaiser sein Bart“ (1998) und „Den Briefträger biss der Hund“ (2000) und Rowohlt wählte jetzt 66 Essays für das Taschenbuch „Gewönne doch der Konjunktiv!“ aus. Aber veraltet sind sie, wie ein Blick in die Tageszeitung zeigt, immer noch nicht. Es gibt immer noch unverständliche Sätze, bürokratische und wissenschaftliche Blähsprache und zahlreiche, sinnlose Anglizismen. Es gibt einen neuen deutschen Krimipreis, den Ripper Award, und den kürzlich verliehenen Biene Award. Biene steht für „Barrierefreies Internet eröffnet neue Einsichten“ und damit dürfte Wolf Schneider einen Anlass für eine weitere treffende Sprachkritik haben.
Bei dem Kritiker stellt sich aber spätestens nach der fünfzigsten Sprachlektion das Gefühl ein, eine große Schachtel leckerer Pralinen essen zu müssen, auch wenn die letzten fünf Pralinen nicht mehr schmecken. Nicht weil, sie schlechter als die ersten sind, sondern weil er einfach satt ist.
Der normale Leser kann dagegen Wolf Schneiders neues Buch „Gewönne doch der Konjunktiv!“ lesen, wie es geplant war.
Täglich eine Sprachlektion.
Täglich einmal über Sprache nachdenken.
Und das 66 Tage.
Dann ist „Gewönne doch der Konjunktiv!“ ein feines Buch – auch wenn Sie die anderen Bücher von Wolf Schneider kennen. Denn er lädt ein, über die Sprache nachzudenken.
Wolf Schneider: Gewönne doch der Konjunktiv! – Sprachwitz in 66 Lektionen
rororo, 2009
256 Seiten
8,95 Seiten
