Als „Yukon“ 1981 in den Kinos anlief, kam er bei der Kritik nicht gut an und die meisten Zuschauer sahen sich lieber „Jäger des verlorenen Schatzes“, „James Bond – In tödlicher Mission“, „Auf dem Highway ist die Hölle los“, „Cap und Capper“, „Die Klapperschlange“, „Superman II“ oder „Das Boot“ an (und Kommissar Schimanski löste seine ersten Fälle). Dagegen war „Yukon“ dann doch unübersehbar aus einem anderen Jahrzehnt.
Später verschwand der Film in der Versenkung.
Jetzt liegt die DVD vor – und „Yukon“ ist ein sehr unterhaltsamer, im positiven Sinne altmodischer Abenteuerfilm mit Angie Dickinson (in einer vollkommen überflüssigen Nebenrolle), Lee Marvin und Charles Bronson als Jäger und Gejagter in der wundervollen kanadischen Bergwelt.
Diese von Menschen unberührten Berge umkreist die Kamera während des Vorspanns. Es ist eine unwirtliche Landschaft, in der der Mensch nur geduldet ist.
Der betont auffällige Hinweis vor dem ersten Bild, dass der Film auf einer wahren Geschichte beruhe ist Hollywood-Voodoo. Denn die wahre Geschichte der Menschenjagd nach Albert Johnson, dem verrückten Trapper vom Rat River, war ganz anders.
Doch zurück zum Film und wie in den ersten Minuten alle wichtigen Charaktere und Themen eingeführt werden. Schon während des Vorspanns reitet ein in Fellen eingehüllter Mann langsam durch den Schnee. Er trifft auf eine Gruppe Männer, die einen Hundekampf veranstalten. Der Mann kauft den schwerverletzten Hund und verschwindet.
Bis jetzt sind sechs Minuten vergangen und wir kennen den Guten (Charles Bronson als Albert Johnson), der ohne sein Zutun in Gefahr gerät, und den Bösewicht Hazel (Ed Lauter), der es nicht verkraften kann, dass ein hergelaufener Fremder ihm seinen Hundekampf versaut, ihn vor seinen Männern demütigt und mit einer verächtlichen Geste den halbtoten Hund für stolze 200 Dollar abkauft. Als Hazel in der sechsten Filmminute sagt „Wir werden uns wiedersehen. Mir klaut niemand etwas.“ ist der die nächsten neunzig Minuten bestimmende Konflikt klar umrissen – und unsere Sympathien sind ebenso klar verteilt.
Die jetzt folgende Schrift „Yukon Territory, November 1931“ verrät Ort und Zeit der Geschichte. Im Bild ist ein kleiner Friedhof und die langsam zurückfahrende Kamera enthüllt die gesamte Poesie des Holzschildes: „Rat River Cemetary“.
Die nächsten drei Minuten gehören Lee Marvin, der den desillusionierten Sergeant Edgar Millen der Royal Canadian Mounted Police spielt, der es sich in diesem Nest mit Alkohol, Frauen und einem schwarzen Freund gemütlich eingerichtet hat . Er ist letztendlich der zweite Gute. Er wird zu einer Menschenjagd gezwungen, obwohl er in Johnson einen Geistesverwandten sieht. Auch dies wird schon in seiner ersten Szene deutlich: Hazel beschwert sich bei Millen, dass Johnson seinen Hund gestohlen habe. Millen lässt ihn abblitzen. Aber gegen die sich im folgenden entwickelnde Dynamik zwischen den beiden Kontrahenten, wobei Hazel die treibende Kraft ist, hat er keine Chance und so führt er plötzlich eine Menschenjagd an – und versucht dabei den Gejagten zu schützen.
Dieser Konflikt zwischen Johnson und Hazel ist natürlich auch ein Konflikt zwischen dem edlen Cowboy, der schweigsam tut, was getan werden muss, und dem niederträchtig-feigen Kapitalisten, der vor allem um sein Image besorgt ist und die Wahrheit schamlos verbiegt. Es ist auch ein Konflikt zwischen Wilder Westen und Moderne.
Aber bei Peter Hunt (dessen bekanntester Film immer noch sein Debüt, der James-Bond-Film „Im Geheimdienst ihrer Majestät“, ist) führt diesen Konflikt nicht, wie bei Sam Peckinpah, zu einem Riss innerhalb seiner Charaktere. Während bei Peckinpah immer auch die Frage verhandelt wurde, wie die Prinzipien des Westerners im zwanzigsten Jahrhundert überleben können, und daher seine Charaktere sich auch immer zwischen Anpassung und Treue zu ihren Prinzipien (und einem von der Zeit überholten way of life) entscheiden mussten, wird in „Yukon“ eben dieser Moralkodex des Westerners nicht hinterfragt. Er wird von Johnson und Millen verkörpert. Deren Gegner stehen dagegen für die schlechten Seiten der Moderne: Habgier, Hass und Egozentrik. Hazel und seine Gefolgsleute – eine ziemlich debile Ansammlung von, hm, Hinterwäldlern – sind so überzeichnet, dass sie vor allem als Bösewichte taugen. Das gilt auch für den Journalisten, der mit der von seiner Zeitung ausgelobten Belohnung, die niederen Instinkte der Jäger noch anstachelt. Da ist das Ende der Menschenjagd, trotz einer kleinen Überraschung am Ende, klar.
„Yukon“ ist insofern ein naiver Western, der gerade deshalb heute noch gut angesehen werden kann. Weil er jetzt nicht mehr an sein Entstehungsjahr, das damalige Kinoprogramm und die damaligen gesellschaftlichen Diskurse gebunden ist, wirkt er sogar besser als damals. Immerhin erzählt er, ökonomisch den alten Hollywood-Erzähltugenden gehorchend, eine einfache Geschichte in der die Charaktere und die Geschichte im Mittelpunkt stehen.
Als Bonusmaterial gibt es den amerikanischen und deutschen Trailer (die sich nur in der Tonspur unterscheiden), eine Bildergalerie mit Plakaten und Standfotos und einen knapp dreißigminütigen Mitschnitt einer Pressekonferenz, der zwar nicht viel über den Film verrät, aber dafür Charles Bronson und Lee Marvin in bester Laune zeigt. Mit ihren selbstironischen und auch überlegten Statements zeigen sie, dass sie intelligenter als ihr öffentliches Macho-Image sind. Der anwesende Produzent Murray Shostak fällt nicht weiter auf.
Der Mitschnitt ist ein historisch interessantes Dokument für die Fans der beiden Schauspieler und eine sehr nette Beigabe der DVD-Macher, die wieder einmal zeigt, wie viel Mühe Koch-Media sich mit der deutschen Erstveröffentlichung gemacht hat. Denn sogar die US-amerikanische Ausgabe von Anchor Bay muss ohne Bonusmaterial auskommen.
Yukon (Death Hunt, USA 1981)
Regie: Peter R. Hunt
Drehbuch: Michael Grais, Mark Victor
mit Charles Bronson, Lee Marvin, Carl Weathers, Andrew Stevens, Ed Lauter, Angie Dickinson, Scott Hylands
auch bekannt als „Ein Mann wird zur Bestie“
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DVD
Koch-Media
Bild: 1.85:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch, Italienisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: Englisch, Italienisch
Bonusmaterial: Radio-Interview mit Charles Bronson und Lee Marvin (optionale Untertitel: deutsch, italienisch), Bildergalerie, Trailer (deutsch, englisch), Wendecover
Länge: 93 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
Wikipedia über „Yukon“ und über das historische Vorbild Albert Johnson

Ich liebe diesen Film, den ich damals – natürlich – sofort im Kino sah. Für mich war das immer eine Story „frei nach Jack London“. Aber vor allem diese Besetzung! Wow! Da fällt mir gleichwertig nur noch BEI BULLEN SINGEN FREUNDE NICHT (ADIEU LÁMI) mit Bronson und Delon ein. Aus dieser Zeit (etwas früher?) gibt es noch einen ungewöhnlichen „Western“: die Alistair Maclean-Verfilmung NEVADA PASS mit Bronson. Dieser Film vereint Western, Agentenstory und Whodunnit! Soetwas hat es vorher und nachher nie gegeben.
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