Nach dem Trailer und – vor allem – dem prominent platzierten Hinweis, dass „Go Fast“ von den Produzenten von „Transporter 1 – 3“ ist und der „High-Speed-Thriller“ als „’The Fast and the Furious‘ trifft auf ‚Transporter’“ beworben wird, erwartete ich einen knackigen französischen Actionthriller, der absolut unlogisch ist und in keiner Sekunde das Hirn beansprucht. Also: richtig dämlich-krachendes Jungskino für Bier und Chips.
Auch als der Film mit den Worten „Dieser Film beruht auf wahren Ereignissen“ begann, erwartete ich immer noch eine zünftige Actionplotte. Denn wir wissen ja alle, wie flexibel die Filmleute mit „wahren Ereignissen“ umgehen. Dafür müssen wir gar nicht an die wahre Geschichte von Robin Hood, Pocahontas und dem Schusswechsel am OK Corral denken. Auch die wahre Geschichte von „Bonnie & Clyde“ wurde für den Film etwas bearbeitet und dass die aktuellen Kinofilme „Green Zone“ und „Männer, die auf Ziegen starren“ auf Sachbüchern basieren, hat auf die Filmstory keinen nennenswerten Einfluss.
Aber schon nach einigen Minuten merkte ich, dass die Franzosen das mit der „wahren Geschichte“ ernst meinen. Denn nach einem verwirrenden Auftakt (irgendwelche komplizierten Fahrmanöver an einer Kreuzung, bei der Juwelendiebe von der Polizei beobachtet werden) zeigt Olivier Van Hoofstadt ausführlich die alltägliche und auch frustrierende Polizeiarbeit.
Ein Team von Polizisten mietet sich in einer Sozialsiedlung in einer leerstehenden Wohnung ein und beobachtet die dortigen Dealer. Nachdem sie die nötigen Beweise haben, wollen sie verschwinden. Aber die Drogenhändler haben sie entdeckt, bringen sie um und vernichten die Beweise.
Undercover-Cop Marek, der während des Einsatzes Innendienst schieben musste, möchte selbstverständlich seine Kollegen rächen. Aber diese Rachestory wird bestenfalls halbherzig weiterverfolgt. Denn Marek wird an eine andere Einheit für einen gefährlichen Untercover-Einsatz ausgeliehen. Er soll mit seiner alten Identität als Juwelendieb eine Drogenbande infiltrieren. Sie nehmen ihn als Fahrer auf und zusammen mit Marek verfolgen wir den Weg der Drogen von ihrem Anbau in Marokko über Spanien nach Frankreich. Die Lieferungen werden, daher kommt auch der Titel „Go Fast“, abgewickelt, indem die Ware möglichst schnell über die Autobahn befördert wird. So soll eine Verfolgung, Überwachung und Zugriff der Polizei verhindert werden.
Aber die Polizei ist den Schmugglern auf den Fersen. Mareks Fahrt wird von einer länderübergreifend gut zusammenarbeitenden Polizei, die in dem Film auch einen exzellenten Zugriff auf moderne Technik (GPS, Videokameras, Satellitenüberwachung; – halt alles das, was die Polizei hat und es in einem deutschen Krimi nicht gibt), beobachtet.
Bei der Raserei über die Autobahn gibt es einige schöne Aufnahmen aus den fahrenden Autos, aber es ist keine Verfolgungsjagd. Es wird einfach nur schnell Auto gefahren. Es gibt auch einige kurze Schusswechsel und einige, ebenfalls eher kurze Action-Szenen.
Denn das Hauptaugenmerk der „Go Fast“-Macher liegt auf dem Nachzeichnen des Wegs der Drogen. In diesen Momenten ist „Go Fast“ näher bei „Der Mohn ist auch eine Blume“ (allerdings nicht so didaktisch), „French Connection“ (ebenfalls basierend auf einem wahren Fall) oder „Miami Vice“ (aber nicht so stilisiert und ohne die nervige Liebesgeschichte). Überhaupt ist „Go Fast“ beeindruckend geschlechtsneutral. Beim Schmuggeln fährt zwar eine Frau als Kundschafterin vor, aber eine sexuelle Spannung oder Liebesgeschichte zwischen ihr und Marek gibt es nicht. Ihre Rolle könnte genausogut von einem Mann gespielt werden.
Auch die anderen Charakter sind als Polizisten und Verbrecher, die ihre Arbeit tun, rein funktional charakterisiert. Mehr müssen wir nicht über sie wissen – und mehr erfahren wir auch nicht über sie.
„Go Fast“, das auf den Erinnerungen des Polizisten Jean-Marc Souvira basiert, der dem Publikum einen Einblick in seine Arbeit geben wollte, steht in der Tradition der semidokumentarischen französischen Kriminalfilmen, die einen ungeschönten Einblick in die alltägliche Polizeiarbeit geben, wie Bob Swains „La Balance – Der Verrat“ und Bertrand Taverniers „Auf offener Straße“ (L.627). Aber diese Filme kennt heute, auch weil sie selten im Fernsehen laufen und nicht auf DVD erschienen sind, kaum noch jemand.
Als Bonusmaterial gibt es einige geschnittene Szenen, ein fast einstündiges Making-of, das eine durchaus informative Mischung aus Hintergrundinformationen (es gibt zahlreiche Statements von Polizisten und einem ehemaligem Go-Fast-Fahrer), Drehbericht und B-Roll-Aufnahme ist, und einen Audiokommentar von Regisseur Oliver Van Hoofstadt und Autor Emmanuel Prévost. Die beiden erzählen viel über die Dreharbeiten, fast nichts über die Entwicklung der Geschichte und, bis auf einige Nebensätze, nichts über den wahren Kern der Geschichte. Aber gerade über das Verhältnis von Realität und Fiktion hätte ich gerne mehr erfahren.
Go Fast (Go Fast, Frankreich 2008)
Regie: Olivier Van Hoofstadt
Drehbuch: Bibi Naceri, Jean-Marc Souvira, Emmanuel Prévost
Darsteller: Roschdy Zem, Oliver Gourmet, Jean-Michel Fête, Jocelyn Lagarrigue, Julie Durand
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Bild: 2.35:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Französisch (Dolby Digital 5.1; DTS-HD Master Audio 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Audiokommentar von Olivier Van Hoofstadt und Emmanuel Prévost, Making of (ca. 55 Minuten), Geschnittene Szenen (ca. 6 Minuten), Trailer (deutsch, französisch), Wendecover
Länge: ca. 86 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweis

Veröffentlicht von AxelB 


