DVD-Kritik: „Matrioshki“ oder Lustig ist das Stripperinnenleben

Juli 30, 2010

Schon die erste Folge der zehnteiligen belgischen Serie „Matrioshki – Mädchenhändler“ kann einen misstrauisch machen. Es tauchen zwar auch ein Polizist, der den Mädchenhändler Ray van Mechelen jagt, ein Reporter, der mit einer großen Enthüllungsreportage van Mechelen bloßstellen will, und ein Kleingangster, der nach der Exekution von zwei Prostituierten sein Gewissen entdeckt, auf. Aber im Mittelpunkt der Episode steht das langwierige Auswahlverfahren der Mädchenhändler in Vilnius. Dort haben sie ein Vortanzen organisiert und die Mädchen wollen alle die Chance auf das große Geld bei einer Tanztournee durch Europa ergreifen.

In den folgenden Episoden steht dann ihr Schicksal im Mittelpunkt. Die anderen Plots werden nur noch pflichtschuldig fortgeführt. Es gibt sogar Episoden, in denen der Polizist und der Journalist nicht mitspielen.

Dafür entwickelt sich van Mechelens Striplokal immer mehr zu einer Version von „Unsere kleine Familie“, in der die Zuhälter, der Türsteher und die Mädchen sich eigentlich ganz gut verstehen. Doch auch hier kristallisiert sich kein die Handlung tragender Hauptcharakter aus. Fast gleichberechtigt werden die Erlebnisse der Mädchen in der Fremde erzählt. Weil man sich allerdings mit keinem Charakter identifizieren möchte, sieht man sich die Geschichte unbeteiligt an. Die einen werden, kaum identifiziert man sich etwas mit ihren Wünschen und Zielen, teilweise erschreckend schnell fallengelassen. Die anderen, die Verbrecher und die Kollaborateurin, taugen kaum zur Identifikation.

Auch ganze Handlungsstränge werden plötzlich abgebrochen und wichtige Ereignisse bleiben folgenlos. So wird ein Gangster in seinem Wohnwagen in die Luft gejagt. Aber die Polizei beginnt nicht zu ermitteln, sondern steckt die Sache achselzuckend weg. Ein Polizist, der zuerst groß eingeführt wird, wird suspendiert und verschwindet dann endgültig aus der Serie. Irgendwann erscheint die Enthüllungsreportage des Journalisten und bis auf etwas Aufregung in einem Polizeibüro passiert nichts. Eine Prostituierte wird in einem Krankenhaus ermordet. Aber der Polizei ist es egal. Irgendwann stolpern in einem Reihenhaus zwei Gangster über die Leiche eines Mannes, der eines ihrer Mädchen kaufte und von ihr umgebracht wurde, und bringen, im Affekt, auch die neugierige Nachbarin um. Was mit den beiden Leichen geschieht, wird nicht verraten. Aber die Polizei scheint die Leichen nicht gefunden zu haben. Es gibt in einem Puff eine blutige Schießerei mit anderen Gangstern. Aber auch dieses Ereignis – immerhin könnten die Gangster sich rächen wollen – bleibt eine folgenlose Episode.

Die beiden Macher Marc Punt und Guy Goossens konzentrieren sich nach der durchaus vielversprechenden ersten Folgen nur noch auf die Tänzerinnen und ihr gar nicht so unangenehmes Leben im Striplokal.

Die DVD-Ausgabe der Gangsterschmonzette „Matrioshki – Mädchenhändler“ ist – höflich formuliert – sehr minimalistisch. Es gibt kein Bonusmaterial und auch keinen Originalton. Wobei das kaum auffällt, weil – der belgischen Tradition Filme prinzipiell zu untertiteln sei gedankt – es ein buntes Sprachengemisch aus Englisch, Litauisch, Russisch und Flämisch (vielleicht auch noch Französisch) gibt. In der deutschen Fassung wurden nur die wenigen flämischen Dialoge synchronisiert. Die meisten Dialoge sind daher untertitelt.

Trotz der (unverständlichen) Ab-18-Freigabe sind die meisten Folgen „Frei ab 16 Jahre“.

Matrioshki – Mädchenhändler: Staffel 1 (Matrioshki, Belgien 2005)

Regie: Guy Goossens, Marc Punt

Drehbuch: Marc Punt

mit Peter Van den Begin, Axel Daeseleire, Lucas van den Eynde, Eugenia Hirivskaya, Stany Crets, Marc Van Eeghem

DVD

Edel: Motion

Bild: 16:9

Ton: Deutsch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: Deutsch (Zwangsuntertitelung bei den Nicht-synchronisierten Passagen)

Bonusmaterial: –

Länge: 450 Minuten (3 DVD)

FSK: ab 18 Jahre

Hinweise

Homepage zur Serie

Wikipedia über „Matrioshki“


TV-Tipp für den 31. Juli: Verdacht

Juli 30, 2010

RBB, 23.40

Verdacht (USA 1941, Regie: Alfred Hitchcock)

Drehbuch: Samson Raphaelson, Joan Harrison, Alma Reville

LV: Francis Iles (Pseudonym von Anthony Berkeley): Before the fact, 1932 (Vor der Tat)

Hals über Kopf verknallt sich die schüchterne, vermögende Lina McLaidlaw in den Playboy Johnny Aysgarth. Nach ihrer Heirat erfährt sie, dass ihr Mann ein Spieler ist und dringend Geld braucht. Deshalb glaubt sie, dass er sie umbringen will.

Klassiker.

Zur Einordnung: Das ist der Hitchcock, in dem Grant mit einem Glas Milch auf einem Tablett eine Treppe hochgeht.

Durchaus spannend, aber auch humorvoll, ist ‚Verdacht‘ eine Kriminalgeschichte ohne ein Verbrechen.” (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms)

mit Joan Fontaine, Cary Grant, Sir Cedric Hardwicke, Nigel Bruce

Hinweise

Wikipedia über „Verdacht“ (deutsch, englisch)

Wikipedia über Alfred Hitchcock (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von „Alfred Hitchcock präsentiert – Teil 1“

Meine Besprechung von „Alfred Hitchcock präsentiert – Teil 2“

Meine Besprechung von „Alfred Hitchcock zeigt – Teil 1“

Meine Besprechung von „Alfred Hitchcock zeigt – Teil 2“

Meine Besprechung von Thilo Wydras „Alfred Hitchcock“

Alfred Hitchcock in der Kriminalakte


Neue TV-Krimi-Buch-Tipps online

Juli 30, 2010

Bei den Alligatorpapieren sind, mit vielen schönen Bildern, meine neuen TV-Krimi-Buch-Tipps online. In den kommenden zwei Wochen könnt ihr unter anderem diese Krimiverfilmungen im Fernsehen sehen:

Herzlich willkommen, liebe Krimifreunde,
zu zwei sehr ruhigen Wochen. Denn außer Durbridge, Mankell und der TV-Version von „Der Pate“ (Nachdem diese Version jahrelang nicht gezeigt wurde, ist sie jetzt in einer Endlosschleife durch die dritten Programme. Dafür setzen die Kinofilme Staub an.) gibt es nur wenig für das Herz des Krimiliebhaber. Immerhin läuft Alfred Hitchcocks Francis-Iles-Verfilmung „Verdacht“, George Stevens Jack-Schaefer-Verfilmung „Mein großer Freund Shane“ (okay, ein Western), Don Siegels Glendon-Swarthout-Verfilmung „Der letzte Scharfschütze“ (noch ein Western), Philip Noyces Charles-Williams-Verfilmung „Todesstille“, Sam Peckinpahs Jim-Thompson-Verfilmung „Getaway“, Wim Wenders Joe-Gores-Verfilmung „Hammett“, Claude Chabrols fast unbekannte Stanley-Ellin-Verfilmung „Schritte ohne Spur“ (mit einem jungen Jean-Paul Belmondo) und Don Coscarellis Joe-R.-Lansdale-Verfilmung „Bubba Ho-Tep“.


TV-Tipp für den 30. Juli: Fast Food Nation

Juli 30, 2010

ZDFneo, 20.15

Fast Food Nation (GB/USA 2006, R.: Richard Linklater)

Drehbuch: Eric Schlosser, Richard Linklater

LV: Eric Schlosser: Fast Food Nation: The Dark Side of the All-American Meal, 2001 (Fast Food Gesellschaft)

Als Marketingexperte Henderson erfährt, dass in einem von Mickey’s Burgern Kuhmist war, macht er sich auf nach Colorado, um dort die Schlachtfabrik zu inspizieren. Anschließend sind die anderen Abteilungen des Fast-Food-Konzerns an der Reihe.

Basierend auf Eric Schlossers Sachbuch liefert Linklater, mit vielen Gaststars, einen Rundumschlag gegen die amerikanische Esskultur.

Weichgespülter Protest im Gewand eines publikumsnahen Mainstream-Films.“ (Lexikon des internationalen Films)

mit Greg Kinnear, Patricia Arquette. Luis Guzman, Kris Kristofferson, Bruce Willis, Ethan Hawke, Avril Lavigne

Hinweise

Wikipedia über „Fast Food Nation“ (deutsch, englisch)

Film-Zeit über „Fast Food Nation“