Verbotene Filme: „Blood Feast“

Seit dem 20. Januar 2004 ist „Blood Feast“ in Deutschland durch ein Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe nach §131 StGB (Gewaltdarstellung) beschlagnahmt. Es gab eine Petition, der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages beschäftigte sich mit der Entscheidung und kam zu dem Ergebnis, dass ein Film wie „Blood Feast“ eine potenziell negative Wirkung auf Jugendliche und junge Erwachsene haben könne.

Deshalb darf „Blood Feast“ in Deutschland auch nicht an Erwachsene verkauft werden. Das ist umso erstaunlicher, weil der knapp siebzigminütiger Exploitation-Horrorfilm „Blood Feast“ von Herschell Gordon Lewis bereits 1963 entstand. Auch ohne den Film zu kennen, runzelt man erstaunt die Stirn: Ein über vierzig Jahre alter Film soll schlimmer als die aktuellen Horror- und Actionfilme sein?

Man mag es, dem gesunden Menschenverstand folgend, nicht glauben und nach der Ansicht des Films fragt man sich, welchen Film der Richter und später die Abgeordneten (wenn sie sich den Film überhaupt angesehen haben) gesehen haben. Denn außer seinem historischen Status als erster Splatter- und Gorefilm spricht nichts mehr für den Film.

Denn so schockierend „Blood Feast“ vielleicht 1963 war, so harmlos ist er heute. Erstaunlich ist allerdings, wie explizit Herschell Gordon Lewis – für damalige Verhältnisse – Sex und Gewalt einsetzte und sich überhaupt nicht mehr um den Rest kümmerte.

Herschell Gordon Lewis überlegte sich zuerst, wie er die Morde inszeniert, und erfand dann eine Story, die „Blood Feast“ auf Kinolänge streckte. Und die geht so: In Florida treibt ein Serienkiller sein Unwesen. Er bringt Frauen um und entfernt verschiedene Körperteile. Die Polizei hat keine Spur. Aber wir Zuschauer wissen, dass Fuad Ramses der Mörder ist und er ein „Blood Feast“, ein uraltes, seit Ewigkeiten nicht mehr zelebriertes ägyptisches Ritual, abhalten will. Das will er auf der Geburtstagsfeier von einer jungen Frau machen, die auch die Geliebte von einem Polizisten ist. Seine letzte Tat kann Fuad Ramses nicht begehen, weil sein Opfer zu dumm ist, sich einige Worte zu merken. Die Polizei kommt. Er flüchtet und stirbt auf der Flucht in einem Müllwagen.

Das Drehbuch ist ein Witz. Die Schauspieler sind durchweg schlecht. Die weiblichen Rollen wurden anscheinend nach ihrem Aussehen besetzt. Eine Karriere als Playmate war hilfreich. William Kerwin hat immerhin das Aussehen eines harten Hollywood-Cops, aber die meiste Zeit erzählt er in einem Büro seinem Kollegen, der ihn immer wieder bestätigt, dass sie keine Spur haben, und er trifft sich mit seiner Freundin. Diese – Magie des Drehbuchs – ist eben jene junge Frau, die auf dem Blutfest geopfert werden soll, aber im entscheidenden Moment zu blöde ist, sich den höchst einfachen Zauberspruch zu merken.

Mal Arnold liefert als Bösewicht eine so schlechte Peter-Lorre-Kopie ab, dass es schon fast wieder lustig ist, wie er alle Klischees, die Hollywood über Arabern und Juden hat, in einer speichelleckerischen Performance vereint. Es ist allerdings zu befürchten, dass Arnold sein hemmungsloses Overacting für eine großartige Schauspielleistung hielt.

Doch Herschell Gordon Lewis ging es in seinem billig gedrehten Film für die Autokinos nicht um eine schlüssige Geschichte oder gute Schauspielerleistungen. Es ging ihm darum, möglichst viel nackte Haut (wir reden von einer Zeit, als Doris Day ein Sexsymbol war und Alfred Hitchcock kurz davor mit „Psycho“ einen Klassiker schuf) und Blut (deshalb wurde in Farbe gedreht) zu zeigen. Aber beides ist, aus heutiger Sicht lachhaft wenig und die Tricks sind absurd schlecht.

Gerade die vom Gericht konstatierte Gewaltverherrlichung kann man höchstens erahnen. Normalerweise inszenierte Gordon die Taten, indem der Mörder auftaucht und er dann abblendet. Danach gibt es einen blutbesudelten Körperteil (Ein dickes Dankeschön an Ketchup) zu sehen. Das ist mal ein abgetrenntes Bein, mal ein irgendwie geöffneter Schädel, mal (züchtig verdeckt) ein Körperteil dazwischen. Aber die Tat sieht man nicht. Sogar Hitchcock zeigte in „Psycho“ mehr.

Dabei ist immer klar, dass Fuad Ramses der Bösewicht ist, der einem seltsamen religiösem Wahn folgt und vor allem ein Fall für die Irrenanstalt ist. Dass jemand sich mit diesem Wahnsinnige identifiziert und durch ihn zu Gewalttaten anstiftet wird, was nach dem § 131 StGB sein müsste, ist, nun, sehr unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass man sich mit seinen Opfern oder die ihn jagenden Polizisten identifiziert. Aber wahrscheinlich identifiziert man sich mit niemand in dem Film, sondern schüttelt nur immer wieder den Kopf über die unglaublich schlechten Leistungen der Schauspieler und die Lücken in dem Drehbuch.

Der Film ist einfach nur ein Langweiler mit einem kaum vorhandenen Trash-Faktor, der den schlechten Film als „Bad Taste“-Film genießbar machen könnte. Nichts, was es nicht tausendmal besser gäbe. Und hunderttausendmal wesentlich expliziter gäbe.

Wer’s nicht glaubt und wenig Zeit hat, kann sich im Trailer fast alle schlimmen Szenen, die sich in der Schnittfolge kaum vom Film unterscheiden, ansehen.

Blood Feast (USA 1963)

Regie: Herschell Gordon Lewis

Drehbuch: A. Louise Downe, David F. Friedman (Geschichte, ungenannt), Herschell Gordon Lewis (Geschichte, ungenannt)

mit William Kerwin (als Thomas Wood), Mal Arnold, Connie Mason, Lyn Bolton, Scott H. Hall, Christy Foushee (als Toni Calvert), Ashlyn Martin, Astrid Olson

Hinweise

„Blood Feast“ im Netz (das ganze Drama in 67 Minuten für die wirklich Hartgesottenen)

Wikipedia über „Blood Feast“ (deutsch, englisch)

TCM über „Blood Feast“

TCM Underground über „Blood Feast“

The Bad Movie Report über „Blood Feast“

Telepolis: Stefan Höltgen über das Verbot von „Blood Feast“ (6. April 2004)

taz: Andreas Busche zum Verbot von „Blood Feast“ (8. April 2004)


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