„Thriller“ steht auf dem Cover. Aber jeder der „Kein Weg zurück“ von George Pelecanos in der Erwartung von zünftiger Thriller-Spannung liest, wird enttäuscht sein. Es gibt zwar die eine Reihe von Verbrechen auslösende Tat, eine erkleckliche Zahl von Toten, die zunehmende Gefahr für die Hauptperson und am Ende das Duell zwischen den mehr oder weniger Guten und den Bösen. Das alles qualifiziert den Noir „Kein Weg zurück“ auf den ersten Blick sicher als Krimi, aber George Pelecanos benutzt diese Genrekonventionen nur, um wieder einmal eine kleine Geschichte aus dem Leben der kleinen Leute zu erzählen.
Im Mittelpunkt des Romans steht Chris Flynn. In seiner Jugend war er ein Kleinkrimineller, dem es als Weißen und aus einer guten Familie stammend, gelang, zu einer Haftstrafe im Jugendknast Pine Ridge verurteilt zu werden. Jetzt arbeitet er in Washington, D. C., als Teppichverleger im Betrieb von seinem Vater Thomas Flynn. Als Chris und der Ex-Sträfling Ben Braswell in einem Haus einen neuen Teppich verlegen, entdecken sie eine Tasche mit fast 50.000 herrenlosen Dollars. Sie lassen das Geld liegen. Am Abend erzählt Ben seinem Kumpel Lawrence Newhouse davon. Der klaut das Geld und kurze Zeit später tauchen zwei Männer auf, die das Geld wollen.
Langjährige George-Pelecanos-Leser werden in seinem neuesten Roman viele vertraute Themen finden. Schließlich erzählt er wieder eine Geschichte aus dem Leben der kleinen Leute, ihren Werten und dem damit verbundenen Arbeitsethos. Er erzählt von der Verantwortung und der Liebe der Eltern für ihre Kinder, auch wenn sie Probleme verursachen. Er erzählt davon wie Menschen, die Konflikte mit dem Gesetz hatten, versuchen, ein ehrliches Leben zu leben. Und er fragt sich immer wieder, wie man sein Ideal von einem guten Leben im heutigen Amerika in einer Großstadt leben kann.
Denn selbstverständlich müssen die einzelnen Charaktere sich für ihre Taten verantworten. Auch wenn sie mit diesen Folgen nicht gerechnet haben oder nichts damit zu tun haben. So hat Chris zwar das Geld nicht gestohlen, aber er hat auch nicht die Polizei informiert. Er muss sich, wie alle Charaktere in „Kein Weg zurück“, zwischen verschiedenen Verpflichtungen entscheiden. Wem und welchen Werten gegenüber soll er sich loyal verhalten? Was bedeutet das für ihn? Was setzt er dafür aufs Spiel? Das sind die Fragen, die die sich langsam entwickelnde Geschichte vorantreiben.
Mit „Kein Weg zurück“ schreibt George Pelecanos seine Chronik der innerstädtischen Kampfzonen fort. In seinen Romane in Washington, D. C.. Im Fernsehen, als Drehbuchautor für „The Wire“ und „Treme“ in Baltimore und New Orleans.
George Pelecanos: Kein Weg zurück
(übersetzt von Anja Schünemann)
Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2010
400 Seiten
9,95 Euro
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Originalausgabe
The Way Home
Little, Brown and Company, 2009
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Hinweise
Meine Besprechung von George Pelecanos’ “Wut im Bauch” (Hell to pay, 2002)
Meine Besprechung von George Pelecanos’ „Drama City“ (2005)
Meine Besprechung von George Pelecanos‘ „Der Totengarten“ (The night gardener, 2006)
Meine Besprechung von George Pelecanos‘ „The Turnaround“ (2008)

[…] Meine Besprechung von George Pelecanos’ „Kein Weg zurück“ (The way home, 2009) […]