Es ist toll, dass „Die Zeit“ dem Kriminalroman fast eine ganze Beilage der „Zeit Literatur“ widmet.
Dass ich für mich nicht viel neues entdecke, ist okay.
Aber dass Redaktionsleiter Jens Jessen den Einleitungstext „Wann ist ein Krimi ein Krimi?“ (noch nicht online) schreiben musste ist nicht okay. Er hätte den Platz besser für den Kollegen Tobias Gohlis und dessen sich im Heft unmittelbar anschließenden Text „Auf Leben und Tod“ räumen sollen.
So müssen wir aber, wieder einmal einen Text lesen, in dem der Kriminalroman zum Detektivroman verkürzt wird, sich episch über das Rätsel und die Auflösung ausgelassen wird und die üblichen Verdächtigen (Eric Ambler [ein Brite und kein Ami], Agatha Christie, Raymond Chandler, Patricia Highsmith und die Hohe Literatur mit Fjodor Dostojewskij [Schuld und Sühne], Joseph Conrad [Chance], Johann Wolfgang von Goethe [Wahlverwandschaften], Friedrich Schiller [Der Geisterseher]) aufgefahren werden.
Der Text hätte so auch schon vor dreißig Jahren erscheinen können und war bereits vor fünfzig Jahren veraltet.
Dabei ist der Kriminalroman viel mehr als der Detektivroman.
In einem Kriminalroman steht ein Verbrechen und die verschiedenen Reaktionen der Charaktere darauf im Mittelpunkt. Das Verbrechen kann der Anfang oder das Ende der Geschichte sein. Es kann sich um Mord handeln. Oder um ein anderes Verbrechen, wie Raub oder Verrat.
Das geschieht so James Ellroy, David Peace, George Pelecanos, Elmore Leonard, James Sallis, Carl Hiaasen – und ich höre jetzt auf. Denn die Namen stehen ja alle in der rechten Spalte.
Außerdem ist ein Kriminalroman immer eine moralische Erzählung.
Der Text steht inzwischen online: <a href="http://www.zeit.de/2010/45/Kriminalroman" title="Jens Jessens unkundige Krimikunde".
Und die ersten Fehler wurden schon korrigiert.
Ja, die kleinen Patzer wurden korrigiert: Simenon ist nun kein Franzose mehr und Ambler nicht länger Amerikaner. Aber das ist ja bloß lässlicher Tinnef. Der ganze Artikel ist ein Fehler.
Die absurde Reduktion des Krimis aufs regelkonforme Spurensuchen hält Jessen nicht mal durch. Er schwurbelt immer wieder andere Krimiarten in seinen Text hinein, ohne die Konsequenz zu ziehen, seine Anfangsthese zu kippen. So ein Durcheinander wäre dem Praktikanten um die Ohren gehauen worden.
Da bleibt dem Krimi dann nur der Trost, dass mit der Fantastik noch viel mehr Schindluder getrieben wird.