Hat Elmore Leonard seinen Touch verloren?

März 24, 2011

Road Dogs“, Elmore Leonards vorletzter Roman, liest sich über weite Strecken wie das Werk eines Nachahmers: da werden etliche Charaktere aus Leonards grandioser Florida-Phase (als er im Sunshine State lebte und endlich allgemein anerkannt wurde) reanimiert. Mal nur in einem Nebensatz, mal als Hauptcharaktere. Für die Nicht-Leonard-Hardcore-Fans ist dabei Jack Foley, der sympathische Bankräuber aus „Out of sight“ (verkörpert in der gleichnamigen Verfilmung von George Clooney und, so Leonard in einem Interview, auch das Vorbild für den „Road Dogs“-Foley), der bekannteste Charakter. Cundo Rey aus „La Brava“ und Dawn Navarro aus „Riding the Rap“ (Volles Risiko) sind unbekannter.

Aber im Gegensatz zu den früheren Büchern von Elmore Leonard bleiben dieses Mal alle Charaktere blass. Es gibt kaum Situationen, in denen sich ihr Charakter wirklich zeigt und auch die Dialoge sind langweilig. Da ist nichts mehr zu spüren von der typischen Leonard-Brillanz und Coolness.

So fällt – denn Leonard konnte mit seinen knochentrockenen Dialogen über alle Plotlöcher hinwegtäuschen – der absolut vorhersehbare und altbackene Plot von „Road Dogs“ umso mehr auf und der geht so:

Im Knast befreunden sich Foley und der stinkreiche kubanische Gangster Cundo Rey. Rey engagiert eine Anwältin und der gelingt es, Foleys Strafe drastisch zu reduzieren. Draußen soll Foley sich um Reys Freundin Dawn Navarro kümmern. Die ist, als Femme Fatale, gar nicht so brav wie ihr Göttergatte meint und springt auch gleich mit Foley ins Bett und macht ihm das wenig überraschende Angebot, mit der Kohle von Rey abzuhauen. Foley zögert. Immerhin gibt es doch so etwas wie Ganovenehre.

Außerdem wird er von dem FBI-Agenten Lou Adams beobachtet. Der will den Serienbankräuber jetzt endgültig in den Knast bringen. Aber er ist, im Vergleich zu den anderen Leonard-Polizisten einfach nur ein rechthaberischer, geltungssüchtiger Winzling, der gottseidank ziemlich schnell zu einem Teil der vernachlässigbaren Kulisse wird.

Die einzige Überraschung bei diesem Liebesdreieck ist, dass Foley sich mit Dawn Navarro als Hellseher versucht und er sich gleich in seine erste Kundin, die Hollywood-Schauspielerin Danialle Karmanos, verliebt. Die verfällt dem supersympathischen Bankräuber ebenfalls sofort und so plätschert „Road Dogs“ auf sein ziemlich vorhersehbares Ende hin.

Wer jetzt glaubt, dass „Road Dogs“ ein Fehltritt war, wird durch „Djibouti“ eines besseren belehrt. Denn sein neuester Roman liest sich wie eine ganz schlechte Elmore-Leonard-Parodie.

Die erste Hälfte ist fast unlesbar, weil Leonard auf die bescheuerte Idee verfiel, die Dokumentarfilmerin Dara Barr und ihren Freund Xavier LeBo in einem Hotelzimmer einzusperren. Dort sichten sie die von ihnen in den vergangenen Wochen gemachten Aufnahmen für eine Reportage über die derzeitige Piraterie am Golf von Aden und dem Horn von Afrika. Dabei reden sie über die Ereignisse, die sie sich gerade ansehen und ob sie das Material als Dokumentarfilm schneiden oder als Filmidee an Hollywood verkaufen sollen. Das kann mit viel Wohlwollen als Meditation über die Realität in den Medien und über die Prinzipien des filmischen Erzählens gelesen werden.

In der zweiten Hälfte ist ein zum Islamismus und Terrorismus konvertierten Amerikaner, der jeden, der seinen echten Namen kennt, umbringt, und außerdem ein Attentat plant, die die Geschichte bestimmende Kraft. Diese Jagd nach einem Serienmörder sorgt dann für etwas Krimispannung, ohne das Buch zu retten. Denn die zweite Hälfte hat mit der ersten eigentlich nichts zu tun und der Terrorist ist wahrscheinlich der langweiligste Leonard-Charakter. Das mag auch daran liegen, dass Elmore Leonard kein Interesse an einer Serienkillerjagd oder einer Post-9/11-Terroristenjagd hatte. Denn seine Krimis sind mehr oder weniger gut getarnte Western, in denen Gangster und Polizisten gegeneinander antreten und es oft, für einen Hardboiled-Kriminalroman, erstaunlich wenige Leichen gibt.

Elmore Leonard: Road Dogs

(übersetzt von Conny Lösch und Kirsten Riesselmann)

Eichborn, 2011

304 Seiten

19,95 Euro

Originalausgabe

Road Dogs

William Morrow, 2009

Elmore Leonard: Djibouti

William Morrow, 2010

288 Seiten

19 Euro (bei Amazon)

Hinweise

Homepage von Elmore Leonard

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Up in Honey’s Room“ (2007)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Gangsterbraut“ (The hot Kid, 2005)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Callgirls“ (Mr. Paradise, 2004)

Mein Porträt „Man nennt ihn Dutch – Elmore Leonard zum Achtzigsten“ erschien im „Krimijahrbuch 2006“

Meine Besprechung der Elmore-Leonard-Verfilmung „Sie nannten ihn Stick“ (Stick, USA 1983)

Meine Besprechung der Elmore-Leonard-Verfilmung „Killshot“ (Killshot, USA 2008)

Elmore Leonard in der Kriminalakte

Eichborn: Karsten Kredel, Programmleiter Literatur bei Eichborn, über „Road Dogs“

Frankfurter Rundschau: Interview mit Elmore Leonard (5. Dezember 2010)


TV-Tipp für den 24. März: Der Killer-Alligator

März 24, 2011

Ein kleiner Film anlässlich der Rückkehr des Alligatoren


Arte, 00.05

Der Killer-Alligator (USA 1980, R.: Lewis Teague)

Drehbuch: John Sayles

Weil die Tochter nicht mehr mit dem geschenkten Alligator spielen will, entsorgt der Vater das Tier durch den Klo in die städtische Kanalisation. Dort ernährt der Alligator sich prächtig mit allem, was da so herumliegt und wächst zu einem riesigen Kerl mit einem entsprechendem Appetit heran. Aber nachdem er auch Menschen verzehrt wird zur Jagd geblasen.

Hübscher kleiner Tierhorrorfilm in der Folge von „Der weiße Hai“, der nach Ewigkeiten endlich wieder im TV läuft.

John Sayles, der auch die Drehbücher für die Horrorfilme „Piranhas“ und „Das Tier“ schrieb, wurde später mit Filmen wie „Passion Fish“ und „Lone Star“ als Arthouse-Regisseur bekannt. Mit seinen diversen Hollywood-Arbeiten, wozu auch Überarbeitungen von Drehbüchern wie „Apollo 13“ gehörten, finanziert er seine persönlichen Filme.

Lewis Teague drehte später die unbekannte, aber dennoch sehenswerte Stephen-King-Verfilmung „Cujo“ (wieder mit einem Tier, das sich daneben benimmt) und die Abenteuerkomödie „Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil“.

Lewis Teague hat zwei angstbesetzte Dinge geschickt miteinander verknüpft – die aggressive Fresslust des gnadenlosen Reptils und das unheimliche glitschig-dunkle Milieu der Unterwelt, der Kanalisation.“ (Fischer Film Almanach 1982)

Ein höllisch spannendes Monsterspektakel, in dem endlich mal jene ihr Fett kriegen, die aus reiner Profitgier die Erde verseuchen.“ (Ronald M. Hahn/Volker Jansen: Lexikon des Science-Fiction-Films)

mit Robert Forster, Robin Riker, Michael Gazzo, Perry Lang, Jack Carter, Henry Silva, Bart Braverman

auch bekannt als „Der Horror-Alligator“ (Kinotitel)

Wiederholung: Sonntag, 27. März, 03.00 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Arte über „Der Horror-Alligator“

Wikipedia über „Der Horror-Alligator“ (deutsch, englisch)

Bright Lights Film Journal: Robert Keser über John Sayles und seine Arbeit für Roger Corman