Julian von Thelen ist als Hotelmanager eines Fünf-Sterne-Hotels ein Ass. Für seine Untergebenen ist er ein Aas. Doch dass der vierundreißigjährige Single eines Abends, spärlich bekleidet, an der Türschwelle zu seinem Apartment wie eine gefällte deutsche Eiche umfällt und sich dann stundenlang nicht bewegen kann, gönnt man ihm dann doch nicht. Auch nicht, dass er mit höchst unfeinen Mitteln aus seinem Job gedrängt werden soll.
Von Thelen glaubt, dass der Grund dafür in einem von ihm vor einigen Wochen in einer Nebenstraße beobachtetem Mord liegt. Dummerweise ist er der einzige Zeuge und die Polizei glaubt ihm nicht. Und seitdem er an seiner Türschwelle umfiel benimmt er sich an bestimmten Türschwellen, bei Telefonaten und auf Konferenzen immer seltsamer. Denn der Atheist von Thelen behauptet, die „Stimme Gottes“ zu hören und dass er ihm gehorchen müsse.
Mehr soll hier nicht verraten werden. Denn bei einem glänzend geschriebenem Thriller wie „Heidenlärm“, der sich im besten Sebastian-Fitzek-Tempo liest, steigt der Lesespaß mit dem eigenen Nichtwissen.
Im Verhörzimmer der „Kriminalakte“ beantwortete der „Heidenlärm“-Schreiber Alfred Hellman einige Fragen.
Was war die Ausgangsidee für „Heidenlärm“?
Es gab zwei, beide drehen sich um Betrug und falsche Versprechungen:
1. Medikamentenfälschung – hat mich beschäftigt, weil sie so hinterhältig und verlogen daherkommt, Heilung verspricht, aber Leid bewirkt. Die Umsätze sollen höher sein als beim Rauschgifthandel.
2. Ein Gefühl, das Julian Barnes so beschrieben hat: ‚Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn’.
Warum hast du dich entschieden, die Geschichte aus der Perspektive des doch ziemlich unsympathischen Hotelmanagers Julian von Thelen zu schreiben?
Weil unsympathische Protagonisten spannender sind als nette Leute. Außerdem bleibt Platz für Läuterung.
Warum hast du hast „Heidenlärm“ aus von Thelens Perspektive geschrieben?
Es war für mich die einzige Möglichkeit. Andere Perspektiven habe ich ausprobiert, von Varianten der 3. Person Singular, bis hin zur auktorialen Position, fand aber, dass ich diese Geschichte am besten ‚von innen’ erzählen kann. Vor allem, weil so die Gratwanderung zwischen Glauben und Zweifel leichter darzustellen war.
Wie wichtig war für dich beim Schreiben, dass die Geschichte in Berlin spielt?
Berlin bildet – erst recht für jemanden wie mich, der aus dem angeblich katholischen Rheinland stammt – eine ziemlich heidnische Kulisse. Das erzeugt einen schönen Kontrast. Grundsätzlich könnte die Geschichte aber auch woanders spielen. Gäbe es Gott, wäre er ja überall – und das Verbrechen sowieso.
Wie sähe deine Wunschbesetzung für eine Verfilmung aus?
Der Hotel-Manager Julian van Thelen, Empfänger himmlischer Botschaften und Ermittler wider Willen: Hugh Laurie.
Der Boulevard-Magazin-Regisseur: Jean Reno oder Udo Kier.
Dessen Gehilfe, der Kameramann und Killer: Javier Bardem.
Der geschäftsführende Medikamentenfälscher: Philip Seymour Hoffman
Die oft errötende, aber charakterstarke Linda Kranz: Charlotte Gainsbourg.
Der Priester: Bruno Ganz.
Schwarzheinrich, der Hüter des Kirchenportals: Bill Nighy.
Bernadette aus Treptow, die als Erste die Tränen der Berliner Madonna sah: Cosma Shiva Hagen.
Der Psychiater Professor Conrads: Christoph Waltz.
Welche fünf Bücher würdest du für den Strandkorb empfehlen?
1. Don Winslow, „Tage der Toten“, Suhrkamp – fast so gut wie „Der Pate“.
2. Colin Cotterill, „Dr. Siri und seine Toten“, Goldmann – der einzige Leichenbeschauer von Laos, geschrieben gegen fast alle Krimi-Regeln.
3. Val McDermid, „Vatermord“, Knaur – ein realistischer und spannender Ausflug in menschliche Abgründe.
4. Åke Edwardson, „Toter Mann“, List – der feinste Krimi-Schreiber aus Schweden.
5. Roger Smith, „Kap der Finsternis“, Heyne – Spannung und Tempo aus Südafrika.
Alfred Hellmann: Heidenlärm
Emons, 2011
240 Seiten
9,90 Euro
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Hinweise


[…] seine letzten Krimis „Vor den Hymnen“ (mit Interview) und „Heidenlärm“ (mit Interview), die er nach einer längeren Romanpause schrieb, abgefeiert und ich kann dem Syndikat nur recht […]