Die Idee ist einfach genial. Mit der Betonung auf „einfach“ und auf „genial“.
Jean-Bernard Pouy, ein in Frankreich bekannt-beliebter, einfallsreicher Noir-Autor, der auch die langlebige „Pulp“-Serie initiierte (einige Bücher wurden auch übersetzt) und dem bei uns trotz etlicher Übersetzungen der große Durchbruch versagt blieb, fungierte als Herausgeber für die „Suite Noire“.
In dieser Serie erscheinen kurze Krimis von Noir-Autoren wie Colin Thibert, Chantal Pelletier, Patrick Raynal und Didier Daeninckx. Jede Geschichte ist eine Hommage an einen bereits erschienenen Krimi. Acht Geschichten wurden anschließend als einstündige TV-Krimis verfilmt. Die DVD mit den „Suite Noir“-Filmen ist für Herbst bei edel angekündigt. Die Vorlagen erscheinen davor im Distel Literaturverlag.
Zur ersten, aus vier „Suite Noire“-Krimis bestehenden, Lieferung gehört Patrick Raynals Privatdetektiv-Geschichte „Landungsbrücke für Engel“, die eine Hommage an den mir unbekannten Pulp-Autor Verne Chute und seinen 1946 bei Dell erschienenen Krimi „Flight of an Angel“ ist.
Raynal, der wie Pouy und Jean-Patrick Manchette in der Tradition des politisch links stehenden, sich US-amerikanischer Vorbilder bedienenden und die Gesellschaft radikal kritisierenden Néo-Polar steht und der von 1991 bis 2005 Herausgeber der „Série Noire“ bei Gallimard war, schickt in „Landungsbrücke für Engel“ Privatdetektiv Giuseppe Corbucci in seinem ersten Auftrag los, den Tod einer kerngesunden Frau zu überprüfen. Die Tochter Florence Pelletier „mit Kurven wie Ava Gardner“ glaubt an einen Mord und, nachdem Corbucci sich mit einem Einbruch die Krankenakte der Toten besorgt und dabei eine beachtliche Menge an Spuren hinterlassen hat, wird der Verdacht der Tochter erhärtet. Corbuccis Ermittlungen führen geradewegs in die sehr mächtige, gut vernetzte und sehr skrupellose High Society von Nizza.
Auf knapp hundert kurzweiligen Seiten wühlt sich Patrick Raynal höchst vergnüglich durch den reichhaltigen Fundus des Privatdetektivkrimis und kredenzt dem Popkulturaficionado eine Vielzahl von Anspielungen. So hießen die Macher des bahnbrechenden Italo-Western „Django“ (mit Franco Nero) Sergio und Bruno Corbucci. Der nicht-existierende Docteur Pouy spielt auf den sehr existierenden Herausgeber Pouy an. Eine Freundin erinnert Ich-Erzähler Corbucci an Thelma Ritter und dass er erzählt, er habe nach seiner Entlassung bei einer Zeitung den Beruf des Privatdetektivs gewählt, weil „ich durch meine hervorragenden Kenntnis von Chandler eindeutig prädestiniert war“ sagt einiges über seine Prinzipien aus.
Corbucci macht dabei auf Chandlers Spuren eine ziemlich gute Figur, obwohl die Gesellschaft noch korrupter als zu Phil Marlowes Tagen ist und er öfters verprügelt wird. Denn niemals hat ein Doktor Marlowe gesagt, er brauche ein halbes Jahr um sich von einer Tracht Prügel zu erholen.
„Landungsbrücke für Engel“ ist, auch wenn das Ende etwas überstürzt kommt, ein feiner Quickie für die Freunde eines zitatreichen französischen Noir.
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Patrick Raynal: Landungsbrücke für Engel
(übersetzt von Katarina Grän)
Distel Literaturverlag, 2010
108 Seiten
10 Euro
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Originalausgabe
Le débarcadère des anges
Èditions La Brance, Paris 2007
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Verfilmung
Schönheit muss sterben (Le débarcadère des anges, F 2009)
Regie: Brigitte Roüan
Drehbuch: Brigitte Roüan, Santiago Amigorena (Adaption)
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Hinweise
Krimi-Couch über Patrick Raynal

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