DVD-Kritik: „Der Fall Rohwedder“ ist immer noch ungelöst

Am 1. April 1991 wurde der Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder in seinem Haus in Düsseldorf erschossen. Der Täter konnte flüchten. Später wurden auf einem Handtuch, das am Tatort gefunden wurde, Haare von Wolfgang Grams gefunden. Weil das RAF-Mitlglied am 27. Juni 1993 auf dem Bahnhof in Bad Kleinen starb, kann er nichts mehr dazu sagen und die Bundesanwaltschaft nennt ihn auch nicht als Täter.

In der 45-minütigen Doku „Der Fall Rohwedder“ legen sich die Macher Anne Kauth und Bernd Reufels ziemlich eindeutig auf die Täterschaft des toten RAFlers fest, seine Schießkünste werden mit dem Training in der DDR bei der Stasi (die freudig alles unterstützte, was dem Klassenfeind schadete und am Ende der DDR flugs die erreichbaren Akten vernichtete, weshalb gerade die jüngste Vergangenheit im Schredder landete) und das konspirative und sehr professionelle Vorgehen der dritten und auch heute noch unbekanntesten RAF-Generation wird mit Nachhilfestunden bei der Stasi erklärt.

Andere Erklärungen verfolgen Kauth und Reufels nicht weiter. Das gilt vor allem für die populäre Verschwörungstheorie „Das RAF-Phantom“ (Knaur Verlag, Dezember 1992) von Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker, nach der es die dritte Generation der RAF nicht gab, sondern der Staat oder die Wirtschaft die Anschläge auf Rohwedder und den Deutsche-Bank-Vorsitzenden Alfred Herrhausen verübte. Im Bonusmaterial lehnt Alexander Straßner diese Verschwörungstheorie als haltlos ab.

Insgesamt folgt die Doku, was auch an der Auswahl der Interviewpartner, wie Lothar de Maiziere, Wolfgang Schäuble, Theo Waigel und Ex-BKA-Chef Hans-Ludwig Zachert, liegen kann, stark der offiziellen Geschichtsschreibung. Deshalb liegt der Wert der Doku nicht im Enthüllen bislang unbekannter Fakten und Vermutungen, sondern im akribischen Nachzeichnen des Mordes und des damaligen gesellschaftlichen Klimas. Denn obwohl das alles erst vor zwanzig Jahren geschah, wirkt es heute (und nicht nur wegen der Kleider, Frisuren und Möbel) sehr fern.

Es wird nur am Rand auf die Ironie eingegangen, dass die RAF gerade mit diesen Anschlägen letztendlich das Geschäft des Gegners besorgte. Denn während Rohwedder und Herrhausen Kapitalisten mit einem sozialen Gewissen waren, waren ihre Nachfolger kaltschnäuzige Kapitalisten, die genau das taten, was die RAF verhindern wollte. Mit diesen Anschlägen bugsierte sie sich noch weiter (oder endgültig) ins politische Abseits. Am 20. April 1998 löste die RAF sich auf.

Das Bonusmaterial der DVD besteht aus zwei Interviews: eines mit Prof. Dr. Wolfgang Seibel über die Einheit und die Treuhand; eines, das auch teilweise in der Doku „Der Fall Rohwedder“ verwandt wurde, mit Dr. Alexander Straßner über die RAF. Da hätte man sich noch weitere Ausschnitte aus den anderen, für die grundsolide TV-Dokumentation verwandten Interviews gewünscht.

Der Fall Rohwedder (D 2010)

Regie: Anne Kauth, Bernd Reufels

Drehbuch: Anne Kauth, Bernd Reufels

DVD

Polyband (Arte Edition)

Bild: 16:9 (1,78:1)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: –

Bonusmaterial: Interviews mit Dr. Alexander Straßner und Prof. Dr. Wolfgang Seibel (45 Minuten)

Länge: 47 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage von Bernd Reufels

Homepage von Looks Film (produzierte „Der Fall Rohwedder“)

ZDF über die Doku

Wikipedia über Detlev Karsten Rohwedder

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