Nach dem Erfolg der ersten Staffel von „George Gently – Der Unbestechliche“ zögerte die BBC nicht lange und bestellte weitere, jeweils 90-minütige Filme, die inzwischen anscheinend alle nur noch auf dem von Alan Hunter erfundenem Charakter basieren. Aber am bewährten Rezept wurde nichts geändert: immer noch ermitteln Chief Inspector George Gently und sein deutlich jüngerer Kollege Detective Sergeant John Bacchus in Northumberland in den Sechzigern (die ersten vier neuen Fälle spielen 1964, die bislang letzten beiden Fälle 1966) und die gut ausgedachten Fälle stehen im Mittelpunkt der Filme. Das Privatleben kommt, zum Glück, kaum vor, und, wenn doch, hängt es auf nachvollziehbare Weise mit dem Fall zusammen.
In den Fällen, immerhin waren die Sechziger eine Zeit der großen Veränderungen, werden diese gesellschaftlichen Brüche und Umbrüche thematisiert. Einerseits fällt auf, wie viel sich in den vergangenen gut fünfzig Jahren, vor allem, auch weil sie in den sechs „George Gently“-Fällen immer wieder angesprochen wird, in der Sexualmoral, geändert hat. Andererseits fällt immer wieder auf, wie viel doch gleich geblieben ist.
Das liegt natürlich an den guten Drehbüchern von Peter Flannery, Mick Ford und Jimmy Gardner, die sich im Rahmen der Whodunit-Struktur auf genau diese Brüche stürzen.
In „Vergeltung“, dem schwächsten „George Gently“-Fall bislang, geht es um sexuellen Missbrauch in einem Kinderheim. Denn während in den anderen Filmen die Ermittlungen, das Zeitkolorit, die damaligen Konventionen und gesellschaftlichen Veränderungen (die sich teilweise nur zart andeuten) gut miteinander verbunden sind, finden die Macher bei „Vergeltung“ nie die richtige Mischung. Alles wirkt unkonzentriert und hastig. Dazu passt auch, dass George Gently suspendiert wird.
„Tödliche Mission“ hat dann wieder das gewohnte Niveau. In dem Fall wird die Animierdame eines Nachtclubs ermordet auf einem Kirchenaltar gefunden. Gentlys Ermittlungen führen zu einer religiös-fanatischen Abtreibungsgegnerin, die mit Verbündeten Mahnwachen vor dem Nachtclub abhält, und ihrem Ehemann, der eine Beziehung zu der Toten hatte.
In „Böses Blut“ will George Gently herausfinden, wie ein Koffer voller abgelaufener Ausweise aus der Verwaltung verschwinden konnte. Bei seinen Ermittlungen, die nachdem eine Angestellte der Verwaltung, die die Mutter eines dunkelhäutigen Babys war, ermordet wird, zu Mordermittlungen werden, gerät Gently auch zwischen die Fronten von Rockern und, teils illegal in England lebenden, Arabern. Der alltägliche Rassismus bildet den Hintergrund für „Böses Blut“.
In „Giftige Lügen“ ist der vermeintliche Selbstmord des Vorstehers einer Mühle und ein in der Mühle ausgeraubter Safe der Beginn für eine Geschichte, in der es um Politik (sie spielt kurz vor den britischen Unterhauswahlen und der Mühlenbesitzer kandidiert), das Verhältnis von Gewerkschaften zu Arbeitgebern und, wieder einmal die damalige Sexualmoral geht.
Dass es bereits früher Gewalt gegen und durch Kinder gab, erfahren wir in „Die Saat des Bösen“. Dabei beginnt der Fall ganz alltäglich: eine Frau, die einen zweifelhaften Ruf hat, wird ermordet. Ihr Exmann gesteht die Tat. Als einige Monate später ein Kind vermisst wird, trifft George Gently wieder auf die Familie der Ermordeten.
Und in „Liebe und Verrat“ wird ein linksorientierter Akademiker nach einer Demonstration gegen die Stationierung eines Atom-U-Bootes ermordet. Gently und Bacchus müssen an der Uni zwischen radikalpazifistischen Studenten, sexueller Befreiung (unter Männern und Frauen, aber nicht unter Männern) und den Uni-Regeln, vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, ermitteln.
Im Gegensatz zu den ersten drei Gently-Fällen, in denen eher ein Blick in die Vergangenheit herrschte, geht es in den sechs neuen Gently-Fällen immer wieder darum, wie gesellschaftliche Veränderungen sich auch im beschaulichen Northumberland niederschlagen und in den kommenden Jahren gesellschaftliche Konflikte auslösen und auch die Gesellschaft verändern werden. In den Fällen wird immer wieder die Keimzelle dieser Entwicklungen, und wogegen sie sich richteten, gezeigt. So sind die Fälle auch ein Seismograph für die damaligen Brüche in der Gesellschaft und die künftigen Veränderungen.
Die zweite und dritte Staffel von „George Gently – Der Unbestechliche“ bieten wieder spannende und lehrreiche Unterhaltung, bei der auch beeindruckt, wie viel Mühe sich bei der Ausstattung und Kameraarbeit gegeben wurde. Denn wenn man nicht wüsste, dass die Filme erst jetzt entstanden sind, könnte man sie auch für sehr gelungene Krimis aus den Sechzigern halten.
Und, das ist die erfreuliche Nachricht für alle Gently-Fans: George Gently und John Bacchus ermitteln weiter. Die BBC zeigt noch in diesem Jahr zwei neue „George Gently“-Filme und für nächstes Jahr sind bereits zwei weitere Filme bestellt.
Die DVD-Ausgabe
Wie üblich sind die Extras bei Edel überschaubar. Es gibt nämlich keine. Auch auf Untertitel wurde verzichtet. Und die Verteilung der Folgen unterscheidet sich von der Ausstrahlung. In England wurden „Vergeltung“, „Tödliche Mission“, „Böses Blut“ und „Giftige Lügen“ als zweite Staffel 2009 und „Die Saat des Bösen“ und „Liebe und Verrat“ als dritte Staffel 2010 ausgestrahlt. Bei uns wurden die sechs Fälle gleichmäßig auf zwei DVD-Boxen à drei Filme verteilt.
Auf den englischen DVDs (wobei die beiden Filme der dritte Staffel erst Ende Juli in England erscheinen) sind dagegen einige, wohl eher textlastigen, Infos dabei. Das klingt für Bonusmaterial-Junkies auch nach Graubrot.
George Gently – Der Unbestechliche (GB 2009/2010)
Idee: Peter Flannery
LV: basierend auf dem Charakter von Alan Hunter
mit Martin Shaw (George Gently), Lee Ingleby (John Bacchus), Simon Hubbard (PC Taylor), Mal Whyte (Chief Constable Lilley), Melanie Clark Pullen (Lisa Bacchus)
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DVD
George Gently – Der Unbestechliche: Staffel 2
Edel
Bild: 16:9
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Untertitel: –
Bonusmaterial: –
Länge: 270 Minuten (3 DVDs à 90 Minuten)
FSK: ab 12 Jahre
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George Gently – Der Unbestechliche: Staffel 3
Edel
Bild: 16:9
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Untertitel: –
Bonusmaterial: –
Länge: 267 Minuten (3 DVDs à 89 Minuten)
FSK: ab 12 Jahre
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Die neuen Fälle von George Gently
Vergeltung (Gently with the Innocents, GB 2009)
Regie: Daniel O’Hara
Drehbuch: Peter Flannery
LV: Alan Hunter: Gently with the Innocents, 1970 (im Vorspann steht „nach einem Roman“, aber, nach dem Klappentext, hat die Buchstory nichts mit der Filmgeschichte zu tun)
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Tödliche Mission (Gently in the Night, GB 2009)
Regie: Daniel O’Hara
Drehbuch: Peter Flannery
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Böses Blut (Gently in the Blood, GB 2009)
Regie: Ciarán Donnelly
Drehbuch: Peter Flannery
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Giftige Lügen (Gently through the Mill, GB 2009)
Regie: Ciarán Donnelly
Drehbuch: Mick Ford
LV: Alan Hunter: Gently through the Mill, 1958 (nur Titelgleichheit; Buch wird im Vorspann nicht erwähnt)
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Die Saat des Bösen (Gently evil, GB 2010)
Regie: Daniel O’Hara
Drehbuch: Peter Flannery
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Liebe und Verrat (Peace and Love, GB 2010)
Regie: Daniel O’Hara
Drehbuch: Jimmy Gardner
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Hinweise
Fantastic Fiction: Bibliographie Alan Hunter
BBC über George Gently (Pressematerial zu „George Gently“)
Telegraph: Interview mit Martin Shaw und Lee Ingleby zu „George Gently“ (5. Juli 2008)
Wikipedia über „George Gently – Der Unbestechliche“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von „George Gently – Der Unbestechliche“ (Staffel 1)

